Das alte Israel - Manfred Clauss - E-Book

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Manfred Clauss

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Beschreibung

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Kompetent, anregend und allgemeinverständlich beschreibt Manfred Clauss die Geschichte des Alten Israel. Die Darstellung setzt ein mit der Überlieferung der Frühzeit, führt weiter über die ältesten Ansätze der Staaten Juda und Israel und die Zeit der Propheten, informiert über die babylonische Gefangenschaft, den Makkabäeraufstand und Herodes und endet mit der Einnahme Jerusalems durch die Römer und der Zerstörung des Zweiten Tempels. Der Leser lernt die wichtigsten Persönlichkeiten des Alten Israel kennen und erhält eine Einführung in die Grundstrukturen seiner Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Religion.

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Manfred Clauss

DAS ALTE ISRAEL

Geschichte, Gesellschaft, Kultur

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag C.H.Beck

 

 

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Kompetent, anregend und allgemeinverständlich beschreibt Manfred Clauss die Geschichte des Alten Israel. Die Darstellung setzt ein mit der Überlieferung der Frühzeit, führt weiter über die ältesten Ansätze der Staaten Juda und Israel und die Zeit der Propheten, informiert über die babylonische Gefangenschaft, den Makkabäeraufstand und Herodes und endet mit der Einnahme Jerusalems durch die Römer und der Zerstörung des Zweiten Tempels. Der Leser lernt die wichtigsten Persönlichkeiten des Alten Israel kennen und erhält eine Einführung in die Grundstrukturen seiner Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Religion.

Über den Autor

Manfred Clauss, Jahrgang 1945, ist Professor für Alte Geschichte. Im Verlag C.H.Beck sind folgende seiner Werke lieferbar: Kleopatra (42010), Konstantin der Große und seine Zeit (42010), Die römischen Kaiser (Hrsg., 42011).

Inhalt

Vorwort

  1. Frühgeschichte

  2. Die Ansiedlung und die Retter

  3. Das Leben in vorstaatlicher Zeit

  4. David und Salomo

  5. Israel und die Dynastie Omri

  6. Israel im Schatten Assurs

  7. Juda im Schatten Israels

  8. Juda als Provinz Assurs

  9. Die Propheten und der Untergang

10. Das Exil

11. Der Neuanfang in Jerusalem

12. Die Juden im Hellenismus

13. Die Makkabäer

14. Die Römer und die Zerstörung des Tempels

Zeittafel

Kommentierte Kurzbibliographie

Verzeichnis der Abbildungen

Register

Vorwort

Die Disziplin „Geschichte Israels“ ist gegenwärtig in zwei Lager gespalten. Die Anhänger eines neuen Weges, zumeist als Minimalisten bezeichnet, ziehen das Alte Testament nicht länger als Quelle für die Rekonstruktion der „Geschichte Israels“ heran. Sie betrachten die Darstellungen der Bibel als weitgehend fiktional und ignorieren daher die literarischen Zeugnisse gelegentlich völlig; dies betrifft vor allem die Zeit Davids und Salomos. Dabei spielt auch die Datierung der biblischen Texte eine Rolle, für die weitgehend die exilische und vor allem die nachexilische Zeit angenommen wird. Stattdessen bauen diese Historiker vor allem auf epigraphische und archäologische Zeugnisse.

Die gelegentlich anzutreffende starke Abwertung der literarischen Zeugnisse zugunsten der archäologischen geht von einer Neudatierung mancher Grabungsergebnisse aus. Einer der wichtigsten Vertreter dieses neuen Ansatzes ist Finkelstein, der – sehr vereinfacht formuliert – eine Reihe von Funden, wie beispielsweise in Megiddo, etwa ein Jahrhundert herabdatiert. Damit werden häufig Schichten, die bislang ins 10. Jahrhundert und damit möglicherweise in die Zeit Salomos datiert worden sind, ein Jahrhundert jünger und in die Zeit der Omriden (886–841) gesetzt. Dieser chronologische Ansatz ist heftig kritisiert worden und ist wohl inzwischen überholt.

So umstritten der Zeitpunkt der Redaktion der alttestamentlichen Erzählungen auch ist, so unumstritten scheint mir die Feststellung zu sein, daß eine Fülle des dabei verarbeiteten Materials aus der Zeit der beiden Monarchien Juda und Israel stammt. Daher stütze ich mich nach wie vor eher auf die literarische Überlieferung als auf die kontroversen Ergebnisse der Archäologie und sehe mich auf der Seite derjenigen Historiker, welche die biblischen Geschichten gewiß nicht einfach nacherzählen, aber im wesentlichen eine an der Überlieferung angelehnte narrative Geschichtsschreibung bieten.

Die Bücher des Alten Testaments schildern das Handeln Gottes in der Welt in der Sprache dieser Welt, wie viele andere antike und mittelalterliche Werke, und sind daher für den Historiker Quellen – wie alle aus der Vergangenheit überlieferten Texte.

Das Alte Testament liefert Geschichtsschreibung als religiöses Bekenntnis. Dem steht die eigene Erkenntnis gegenüber, aufgrund derer ich die historische Entwicklung anders deute als die biblischen Erzähler. Sie unterstellten in allen Belangen ein gemeinsames Handeln aller Hebräer und waren folglich bemüht, die ihnen vorliegenden Erzählungen diesem Grundschema unterzuordnen.

Ein Beispiel für solche Anpassung bietet die Geschichte des ‚Retters‘ Gideon in der Auseinandersetzung mit den Midianitern (S. 20). Insgesamt 32.000 Hebräer waren angeblich für die Abwehr der Feinde aufgeboten worden; in dieser Größenordnung stellte man sich Jahrhunderte nach dem legendenumrankten Ereignis das Heer vor; eine Zahl von nur 300 Kämpfern überlieferte dagegen die Anekdote. Wie reduziert man nun 32.000 Mann auf 300? Dem biblischen Redaktor, jenem unbekannten Autor, der aus zahlreichen Einzelerzählungen eine kompakte Geschichtsdarstellung komponierte, fiel eine ebenso elegante wie amüsante Lösung ein. Jahwe, der Gott der Hebräer, wollte einen spektakulären und Aufsehen erregenden Erfolg, und dieser war nur dann gegeben, wenn eine Handvoll Kämpfer gegen eine massive Übermacht den Sieg davontrug. Also ließ Gideon zunächst diejenigen umkehren, die zugaben, Angst zu haben. So traten 22.000 lieber den Heimweg an, als zu kämpfen, aber 10.000 blieben übrig; dies war aber Jahwe immer noch zuviel. Er veranlaßte Gideon, die Männer um eine Wasserstelle zu versammeln (Richter 7, 5): „Jeden, der mit der Zunge von dem Wasser leckt, wie der Hund leckt, den stelle beiseite; ebenso jeden, der zum Trinken niederkniet“ (Richter 7, 5). Die allermeisten der 10.000 knieten nieder und schöpften das Wasser mit der Hand; nur 300 leckten es auf wie die Hunde. Mit ihnen konnte Gideon endlich seine Rettertat vollbringen. Glücklicherweise bewahrt das Alte Testament derartige Mosaiksteine älterer Überlieferung – wie eben die Zahl der Kämpfer Gideons –, die wir heute zu einem anderen Bild der Geschichte der Hebräer zusammensetzen können als die Redaktoren des Alten Testaments.

Die folgende Darstellung behandelt, so der Titel, die Geschichte des alten Israel. Die Bezeichnung ‚Israel‘ hat sich eingebürgert, wenngleich sie nicht sehr glücklich ist. Ich dagegen spreche für die Zeitspanne bis zur ersten Zerstörung des Tempels 587 v. Chr. von den Hebräern, wenn ich die Gruppierungen meine, die mit den Kanaanäern zusammen die Bevölkerung der beiden Königreiche Juda und Israel bildeten; Israel werde ich allein für das politische Gebilde des Nordreichs verwenden. Nach dem Ende der Monarchien, seit der Exilzeit spreche ich von Judäa als dem Territorium, in dem die Juden siedelten. Der Band endet mit der Zerstörung des zweiten Tempels 70 n. Chr. Die sich anschließende ‚Jüdische Geschichte‘ bietet der gleichnamige Überblick von Kurt Schubert in der Reihe ‚C.H.Beck Wissen‘.

Noch eine abschließende Bemerkung zu den Geschichtsdaten: Da sich der überwiegende Teil der Darstellung mit der Zeit vor Christi Geburt befaßt, wird in der Darstellung lediglich genauer vermerkt, wenn ein Ereignis nach der Zeitenwende (n.Chr.) stattfand.

1. Frühgeschichte

„Ein umherirrender Aramäer war mein Vater“: Dieses geschichtliche Credo‘ betete jeder Hebräer, wenn er zur Zeit der Monarchien im Tempel opferte (Deuteronomium 26, 5). Er rief sich damit ständig ins Gedächtnis, daß seine Vorfahren nicht Ureinwohner Kanaans, sondern dorthin eingewandert waren.

Um die Mitte des 13. Jahrhunderts hatten drei Großmächte die Geschicke des syrisch-palästinischen Raumes bestimmt: Ägypten, die Hettiter, das Reich von Mitanni. Bereits ein halbes Jahrhundert später war von ihnen nur noch Ägypten übrig, aber auf die zentralen Gebiete am Nil zurückgeworfen. Zwei unterschiedliche, aber gleichermaßen machtvolle Völkerbewegungen waren für diesen Wandel verantwortlich. Von Nordwesten drangen immer neue Wellen von Seevölkergruppierungen über das Meer an die Levanteküste vor. Sie zerstörten teilweise die dort bestehenden Strukturen kanaanäischer Stadtstaaten und waren in einigen Fällen mit Ansiedlungen erfolgreich. Seit dem beginnenden 12. Jahrhundert besiedelten die P(h)ilister die fruchtbaren Küstenebenen des nach ihnen benannten Palästina und drangen im Laufe der Zeit auch in die östlich gelegenen Bergregionen vor. Wie die Hebräer bewahrten die Philister ihre Traditionen über Wanderungen in ihrer fernen Vergangenheit. In der Mitte des 8. Jahrhunderts heißt es dementsprechend bei dem Propheten Amos (9, 7): „Gewiß habe ich (Jahwe) Israel aus dem Lande Ägypten herausgeführt, aber auch die Philister aus Kaphtor.“ Mit Kaphtor war Kreta gemeint oder die Ägäis im ganzen.

Die Philister schufen in der Region eine übergreifende politische Ordnung, den ‚Fünfstädtebund‘, der Gaza, Askalon, Asdod, Ekron und Gath umfaßte. Bei ihren Eroberungen stützten sich diese Städte auf Söldnertruppen sowie schwerbewaffnete Einzelkämpfer, wie sie uns das Alte Testament in der Person des Goliath vor Augen führt (1. Samuel 17, 4–7).

Der Vordere Orient im 2. Jahrtausend

Die zweite Einwanderungswelle kam, zeitlich etwas versetzt, aus den östlichen Regionen der arabisch-syrischen Wüste. Es waren Aramäer, die in kurzer Zeit in Babylon auf friedlichem Wege zur Herrschaft gelangten und die Staatengebilde Syriens beherrschten. In Palästina waren es die Hebräer, die sich dort in der Nachbarschaft zu den Kanaanäern niederließen.

Am Anfang ihrer Geschichte waren die Hebräer Nomaden. Diese Lebens- und Wirtschaftsweise eines umherziehenden Hirtenvolks prägte wesentliche Entwicklungen der gesellschaftlichen Ordnung, und sie wirkte bewußtseinsbildend noch zu einer Zeit, in der man längst nicht mehr in Zelten, sondern in Hütten, Dörfern und Städten lebte. Wie lang und intensiv die tatsächliche nomadische Phase auch gewesen sein mag, in der Rückschau wurde sie immer mehr – wie auch die vormonarchische Sozialordnung – zum Ideal. Und da Vergangenheit vor allem dadurch wirkt, wie sie gesehen wird, und weniger dadurch, wie sie wirklich war, blieb der ‚umherirrende Aramäer‘ selbst den Bewohnern der Königreiche präsent.

Nomadisierende Lebensweise war immer eng mit derjenigen der Bauern verbunden. Mit ihren Kleinviehherden – Schafen und Ziegen – waren die Nomaden auf Wasserstellen angewiesen, deren gemeinsame Nutzung Absprachen mit den Bauern notwendig machte. Dies galt ebenso für die Sommerweide der Herden auf den abgeernteten Feldern, da die Wüsten und Steppen nur in der Zeit des Winterregens Weidemöglichkeiten boten; zudem tauschten beide Gruppen die Erzeugnisse ihrer Vieh- und Weidewirtschaft beziehungsweise ihres Ackerbaus untereinander aus.

Der Nomade war also auf das Kulturland angewiesen; hierin lag der mancherorts zu beobachtende Übergang zur dauerhaften Siedlung begründet. Oft waren Teile eines Familienverbandes bereits seßhaft, während andere Mitglieder noch den Weidewechsel praktizierten. Auf diese Weise begann die allmähliche Ansiedlung – ein Prozeß, der sich über Generationen hinziehen konnte und keineswegs überall gleichzeitig erfolgte. Dieser Vorgang betraf ohnehin nicht die großen landwirtschaftlichen Zentren, die fruchtbaren Ebenen, die Siedlungsgebiete der kanaanäischen Stadtstaaten blieben.

Die unterschiedliche Lebensweise von Nomaden und Seßhaften spiegelt sich in den jeweiligen Anschauungen der eigenen wie der fremden Existenz wider. Für die Bauern und Städter war der Nomade der „Barbar“, der kein Haus sein eigen nennt, den Boden nicht bebaut, rohes Fleisch ißt, kurz die Umgangsformen der zivilisierten Welt vermissen läßt. Mit äußerstem Unmut sahen die Städter den für Nomaden charakteristischen Beuteerwerb, der sich aus ihren ärmlichen Lebensbedingungen erklärt. Gegen derartige Menschen mußte man sich mit Mauern schützen oder gar mit Waffengewalt vorgehen.

Die Nomaden sahen ihre Lebensweise selbstverständlich anders. Sie betonten die Freiheit, das Ungebundensein gegenüber den an einen Ort Gefesselten. Das Geburtsorakel des Ismael bringt das nomadische Selbstverständnis auf den Punkt (Genesis 16, 12):

„Er wird ein Mensch sein wie ein wilder Esel –

seine Hand wider alle, aller Hand wider ihn!

All seinen Brüdern lebt er ins Gesicht.“

Die harte Lebensweise bestimmte den Zusammenhalt der nomadischen Familie, die auf die Solidarität aller Mitglieder angewiesen war. Daher prägten strenge Regeln das Leben des einzelnen wie das der Gemeinschaft. Den Schutz des Lebens beispielsweise garantierte die Institution der Blutrache. Sie stellte einem Mörder seinerseits den Tod durch die Verwandten des Opfers in Aussicht. Um dem damit sich zwangsläufig einstellenden Kreislauf der Gewalt zu entkommen, drohte man damit, einen Mord mit einer Vielzahl von Morden zu rächen, was sich – zumindest in den Erzählungen – bis zu jener Prahlerei des Lamech steigern konnte, der sich vor seinen Frauen brüstete, er werde siebenundsiebzigmal gerächt (Genesis 4, 24).

Der nomadischen Lebensweise entsprachen die Gottesvorstellungen. Familiengötter beschützten die einzelnen Gruppen; während Anzahl und Namen der Götter so zahlreich waren wie die Familienverbände, ähnelten sich die entsprechenden jeweiligen Gottesvorstellungen. Die Götter, von denen wir einige namentlich kennen – wie den ‚Gott Abrahams‘, den ‚Schrecken Isaaks‘ oder den ‚Starken Jakobs‘ –, schützten diejenigen, die sie verehrten, und dienten als Schwurgötter. Beispielhaft für die Funktion derartiger Götter ist die Geschichte eines Streits zwischen Laban und Jakob. Als sie sich schließlich doch friedlich einigen, ruft jeder seinen eigenen Sippengott als Garanten des soeben geschlossenen Vertrages an (Genesis 31, 53): „Der Gott Abrahams und der Gott Nahors sollen zwischen uns Richter sein.“

Durch die Bindung der Götter an die Person des ehemaligen Familienoberhauptes und die späteren Mitglieder der Sippe war diesem Religionstyp ein Hang zum Historischen eigen, der sich in der Geschichte der Hebräer immer wieder manifestierte. Darüber hinaus war es später möglich, die unterschiedlichen Erzählungen von im Prinzip ähnlichen Göttern auf die Person eines einzigen Gottes hin umzuschreiben, als das ganze Volk eine einzige große ‚Familie‘ wurde. So wird im Zusammenhang der Mose-Geschichte Jahwe als Gott gleichsam vorgestellt (Exodus 3, 6): „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs.“