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Wer möchte nicht in die Zukunft blicken können und erfahren, wie die Welt in fünfzig, hundert oder zweihundert Jahren aussieht? Wie werden wir leben? Und wohnen? Werden Nanoroboter und Menschenklone zum Alltag gehören? Was passiert, wenn die Menschheit die Ölreserven aufgebraucht hat? Und wenn das Klima plötzlich umschlägt – werden wir dann ins All auswandern? Andreas Eschbach entwirft in diesem Buch packende Szenarien, die wie Science-Fiction anmuten, aber wahr werden könnten. Er erklärt, wie die Forscher zu ihren Prognosen gelangen, lässt uns einen Blick in ihre Labors werfen und zeigt auch, wie leicht sie sich täuschen können. Eine Reise in die Zukunft – fabelhaft erzählt und voller überraschender Entdeckungen.
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Seitenzahl: 286
Andreas Eschbach
Das Buch der Zukunft
Vor Propheten wird gewarnt
Wie man sich unsterblich blamiert
Warum wir es trotzdem immer wieder tun
Wie man die Zukunft nicht vorhersagt
Prophezeiungen, die niemand nachprüft
Prophezeiungen im Nachhinein
Prophezeiungen über eine Zukunft, die niemand mehr erleben wird
Prophezeiungen, die beeinflussen sollen
Meine Geschichte der Zukunft
Weltuntergänge
Die sieben Varianten des Weltuntergangs
Gott kommt und hält Jüngstes Gericht
Die Moral verfällt endgültig, alle Zivilisation endet
Das menschliche Erbgut degeneriert irreparabel, der Mensch wird wieder zum Tier
Ein globaler Atomkrieg vernichtet alles Leben auf Erden
Eine weltweite Seuche rottet uns aus
Die Umwelt kollabiert endgültig
Eine unangreifbare Diktatur entsteht und hält die Menschheit bis ans Ende aller Tage in Knechtschaft
Die Psychologie von Unheilsprophezeiungen
Ein Schnellkurs in Hellsehen
Der Mann, der noch nie von Ebbe und Flut gehört hatte
Der Blick hinter die Kulissen
Die Gefahren langsamer Veränderungen
Was uns an der Zukunft so interessiert
Wie wir leben werden
Nano: Ganz viel Platz im Allerkleinsten?
Der Weg ins Allerkleinste
«Ladies and Gentlemen – Nanotechnology!»
Neuartige Werkstoffe
Ein U-Boot in der Blutbahn
Die Universalfabrik: Der Nanoassembler
Kontrolle über die Materie: Selbstreplikation
Die ultimative Gefahr: «Graue Schmiere»
«Dicke» Finger, «klebrige» Finger
Unverschmutzbare Kloschüsseln
Gentechnik: Das Leben selbst in unseren Händen
Klonen
Menschliche Klone
Genom-Entschlüsselung
Saatgut mit Supereigenschaften
Medizinische Fortschritte
Embryonale Stammzellen
Ist Gentechnik unnatürlich?
Patente auf Gene
Künstliche Gene
Findet Evolution noch statt?
Fazit
Internet & Co. – Die Zukunft der Informationsgesellschaft
Intelligente Häuser
Droht die totale Vereinsamung?
Informationen, Wissen und Bildung
Weltkultur durch Internet?
Die künftige Gestalt des Internets
Roboter und künstliche Intelligenz
Weltraumfahrt: Die ewige Grenze zum Unbekannten
Brot für die Welt statt Mondraketen?
Raumstationen
Mondstationen
Ein Flug zum Mars
Rohstoffe
Neue Lebensräume im All?
Künstliche Lebensräume und ihre Probleme
Inseln im All
Per Fahrstuhl in die Erdumlaufbahn
Der unwiderstehliche Drang zu den Sternen
Energie: Unser Schicksal
Das Ende des Ölzeitalters
Andere fossile Energien
Energiesparen durch Nachdenken
Wind und Wasser
Neue Antriebe für Fahrzeuge
Energie aus Kernfusion
Globale Energiebilanz
Das solare Zeitalter
Klimawandel: Brennender Himmel oder ewiges Eis?
Der Treibhauseffekt: segensreich
Wer ist schuld am Klimawandel?
Die Folgen einer globalen Erwärmung
Eiszeit in Europa?
Wahrscheinlichkeiten
Die Macht der Zahl: Bevölkerungsentwicklung
Hunger und Elend: vorprogrammiert?
Verpufft die Bevölkerungsexplosion?
Wie viele Menschen sind eigentlich zu viele?
Die Rolle der Frauen
Wachstumsschmerzen
Land und Wasser
Grundwasser – eine schwindende Ressource
Kriege um Wasser?
Europa: Das Zeitalter der Grauhaarigen beginnt
Bevölkerungsabnahme und Überalterung in Europa
Wie sieht die Bevölkerung im Jahr 2040 aus?
Wie verlässlich sind die Prognosen?
Zuwanderung
Rechtsruck in Europa
Überalterung: Eine kommende globale Krise, die auch wieder vergehen wird
Einbruch des Rentensystems
Schwindende Kreditwürdigkeit
Keine Renten für Kinderlose?
Was und wie wir denken
Ein neuer Lebensentwurf
Veränderte Werte
Erst die Kinder, dann die Karriere
Jugendwahn und Altersdiskriminierung
Korruptes Denken
Handys und Schwarmbewusstsein
Die ersten Signale neuer Denkweisen
Rückkehr der Religionen
Globalisierung: Ein Bewusstseinswandel
Die zwei Aspekte von Kultur
Politik der Zukunft
Die Bürgergesellschaft
Die Zukunft der Demokratie
Kriege der Zukunft
USA: Weiterhin die Supermacht
Die Zukunft Europas
Die Türkei und Europa
Russland und Europa
Aids und Afrika
Wann kommt die Weltregierung?
Terrorismus
Unser zukünftiger Alltag
Wie werden wir wohnen?
Das Familienleben der Zukunft
Wie werden wir uns ernähren?
Wie werden wir uns kleiden?
Wie werden wir arbeiten?
Unvorhersehbares
Drastische Lebensverlängerung
Große Erdbeben in Kalifornien oder Tokio
Einsatz von Atomwaffen in einem lokalen Konflikt
Ausbruch einer globalen Seuche
Einschlag eines Asteroiden auf der Erde
Eine außerirdische Zivilisation wird entdeckt
Etwas anderes, völlig Unvorhergesehenes passiert
Kippmomente
Der DDR-Grenzbeamte, der den Dritten Weltkrieg verhinderte
Der Meteorologe, der das Schicksal Europas entschied
Der Beamte, der China zur fortschrittlichsten Kultur der Welt werden ließ
In der Zukunft zu Hause
Ist die Zukunft überhaupt beeinflussbar?
Die Zukunft ist das, was passiert
Der Punkt, an dem die Zukunft anfängt
Nachwort zur Taschenbuchausgabe
Energiewandel
Energiespeicherung
Klimawandel
Demographischer Wandel
Internet
Wahlcomputer
Die zweite Erde rückt näher
… aber was wirklich für Aufregung sorgte!
Ich weiß nicht mehr genau, wann und wo ich das gelesen habe, nur, dass es eine Zeitschrift war und ich höchstens acht Jahre alt. Im Jahr 2000, las ich da jedenfalls, würde ich – wie jedermann – mit meinem atomgetriebenen Hubschrauber zur Arbeit fliegen. Ich würde in einem fünf Kilometer hohen Hochhaus leben, einer «Arkologie», die man weit draußen im Ozean hoch über den Wellen errichtet hatte. Gleichfalls im Meer schwimmende Farmen sollten neuartige Lebensmittel erzeugen, nicht nur zur Versorgung der auf der Erde lebenden Menschen, sondern auch der die Erde umkreisenden Raumstationen. Es würde die ersten Städte auf dem Mond geben.
Wow, dachte ich und rechnete: Das konnte ich alles noch erleben! Mehr noch, im Jahre 2000 würde ich erst 40Jahre alt sein!
Heute, da ich diese Zeilen schreibe, lebe ich in einem Haus, das ungefähr zu der Zeit erbaut worden ist, als ich besagten Artikel las. Ich kann von meinem Schreibtisch aus auf den Atlantik sehen, aber da sind weder schwimmende Farmen noch fünf Kilometer hohe Wohnhäuser. Heute kann ich nur lachen über diese Zukunftsprognose, die so offensichtlich ausgemachter Blödsinn war.
Aber wie kann ich es dann wagen, ein Buch wie das vorliegende zu schreiben? Muss dabei nicht zwangsläufig derselbe Blödsinn herauskommen, nur um 30Jahre zeitversetzt?
Offenbar ist nämlich das Vorhersagen der Zukunft eine gute Möglichkeit, als Dumpfbacke in die Geschichte einzugehen. So behauptete einst ein gewisser Charles Durell: «Alles, was erfunden werden kann, ist bereits erfunden.» Peinlich: Das war im Jahre 1899, Durell war Chef des US-Patentamts und meinte es so ernst, dass er sogar vorschlug, man möge seine eigene Behörde auflösen.
Im Jahr 1943 äußerte kein Geringerer als der damalige Vorstandsvorsitzende der IBM, Thomas Watson, das seither berühmt gewordene Fehlurteil: «Es gibt einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer» – eine Vorhersage, mit der er, wie wir heute wissen, um eine Größenordnung von zig Millionen daneben zielte.
So falsch, wie man nur irgend liegen kann, lag wenig später Darryl F.Zanuck, Chef der 20th Century-Fox, der 1946 allen Ernstes meinte: «Das Fernsehen wird sich keine sechs Monate am Markt halten. Die Menschen werden es bald satt haben, Abend für Abend in eine Holzkiste zu starren.»
Auch geballte Gelehrtheit und Skepsis schützen nicht vor Blamage: Anfang des 20.Jahrhunderts prüfte ein junger Mann namens Hermann Oberth die Berechnungen in dem von Jules Verne verfassten Roman «Von der Erde zum Mond» nach und fand, dass die zum Entkommen aus der Schwerkraft der Erde nötige Fluchtgeschwindigkeit richtig, die Methode, sie mit einer Kanone zu erreichen, wie Verne es vorgeschlagen hatte, aber undurchführbar war. Er skizzierte stattdessen die langsam beschleunigende Rakete und schrieb eine Doktorarbeit mit dem Titel «Die Rakete zu den Planetenräumen». Diese wurde 1922 an der Universität Heidelberg als «zu phantastisch» abgelehnt: «Weil Raumfahrt prinzipiell unmöglich ist, muss Oberth sich in seinen Berechnungen irren», hieß es.
Doch es waren die Heidelberger Professoren, die irrten: Die Formeln in Oberths Dissertation legten die Grundlage für alle Weltraumfahrt, und Hermann Oberth gilt heute als einer ihrer Pioniere.
Umgekehrt auf Kühnheit zu setzen kann einen genauso daneben treffen lassen. Einer der berühmtesten Science-Fiction-Autoren, Arthur C.Clarke, lag in einem 1963 veröffentlichten Sachbuch zwar ganz gut mit der Prognose, es werde um das Jahr 1990 herum «privaten Sprechfunk für jedermann» geben (heute sagen wir «Mobiltelefon» dazu) und um das Jahr 2000 eine «allgemein verfügbare Weltbibliothek». (das Internet könnte man mit einigem Recht so bezeichnen), seine sonstigen Vorhersagen aber waren alle gnadenlos optimistisch: So erwartete er eine Beherrschung der Kernfusion für die Mitte der achtziger Jahre und sah für das Jahr 2000 die ersten Kolonien auf anderen Planeten voraus.
Sich mordsmäßig zu irren ist allerdings auch kein Privileg vergangener Generationen. So begründete Kenneth Olsen, der Gründer der Digital Equipment Corporation, seine Weigerung, in die Entwicklung kleinerer Computer zu investieren, noch im Jahre 1977 mit dem Argument: «Es gibt keinen Grund für eine Einzelperson, einen Computer zu Hause zu haben.» Im Jahr darauf kamen die ersten Personal Computer auf den Markt – und veränderten die Welt.
Darüber hinaus ist die Geschichte voller Ereignisse von weitreichender Bedeutung, die nie vorhergesagt wurden, sondern überraschend über die Welt hereinbrachen. Die Studentenunruhen in den Sechzigern etwa, die Massenarbeitslosigkeit in den Siebzigern oder der Zusammenbruch des Sozialismus. Dass Faxgeräte einen praktischen Nutzen haben und Käufer finden würden, wollte einst niemand glauben, und selbst die Ölkrise des Jahres 1973 kam unerwartet. Und dass das geteilte Deutschland noch vor dem Jahr 2000 – oder überhaupt jemals – wiedervereinigt werden würde, davon war kaum jemand im Ernst überzeugt, nicht einmal die wenigen, die es noch gefordert hatten: Was beweist, dass auch Dinge passieren können, an die niemand glaubt.
Nicht einmal auf unheilvolle Vorhersagen ist Verlass. So sagte der Umweltforscher Paul Ehrlich 1972 das Sterben der Ozeane bis spätestens zum Jahr 1980 voraus. 1980 – die Ozeane lebten immer noch – prophezeite eine Vielzahl von Experten das bevorstehende Sterben der deutschen Wälder, wobei ihnen die einen noch fünf Jahre gaben, andere zehn, keiner aber mehr als zwanzig. Heute kann ich von meinem Schreibtisch aus die Fischerboote hinausfahren sehen, also kann das Meer noch nicht tot sein, und die Wälder stehen auch noch.
Dieses Buch ließe sich problemlos allein mit Beispielen wie den vorangegangenen füllen. Aber obwohl Hunderte vor uns fehlgegangen und die Chancen, sich zum Gespött zu machen, offensichtlich überwältigend sind, probieren wir es doch immer wieder aufs Neue.
Warum?
Weil die Zukunft einfach ein unwiderstehliches Thema ist.
Wir sind eine Geschichten erzählende Spezies. Es gibt Tausende verschiedener menschlicher Kulturen, gegenwärtige und vergangene, und so groß die Unterschiede zwischen ihnen auch sein mögen, keine einzige davon verzichtet darauf, Geschichten zu erzählen. Wir erzählen Geschichten, um uns die Welt zu erklären, Sinn in unser Dasein zu bringen, die Zeit zu gestalten. Die Zeit, das heißt auch: die Zukunft.
Ein Bauprojekt, ein politisches Programm, ein Businessplan – das sind im Grunde alles Geschichten über die Zukunft. «Es wird einmal sein», beginnen sie, und dann erzählen sie uns: «Es wird einmal eine Brücke zwischen Dänemark und Skandinavien gebaut werden…» Oder: «Es wird einmal eine Gemeinschaft der europäischen Staaten existieren…» Oder: «Es wird einmal ein Auktionshaus im Internet geben, für jedermann und rund um die Uhr…» Wir erschaffen die Welt in Geschichten.
Schon als Kinder erzählen wir Geschichten über die Zukunft, über unsere Zukunft. «Wenn ich einmal groß bin, werde ich…»
Wenn es um die Zukunft geht, können wir einfach nicht widerstehen. Ich jedenfalls nicht. Genau genommen sind Geschichten über die Zukunft meine Leidenschaft, seit ich denken kann.
Deshalb dieses Buch.
Vorhersagen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen», wusste schon der Komödiant Karl Valentin ebenso treffend wie kauzig zu bemerken. Und zweifellos hat er Recht. Etwas mag sich in dem Moment, in dem es vorhergesagt wird, noch so plausibel anhören – eine Gewähr dafür, dass es später auch so kommt, ist das nicht.
Überaus amüsant ist es beispielsweise, in Antiquariaten durch alte Jahrbücher mit angeblichen prophetischen Vorhersagen zu blättern, die alljährlich unter Namen wie «Nostradamus» oder anderen, weniger prominenten Sehern erscheinen und offenbar regen Absatz finden. Doch kaum einer von denen, die diese Broschüren kaufen, scheint jemals am Ende eines Jahres – wenn die Ausgabe für das nächste Jahr zum Kauf ausliegt – nachzuprüfen, wie viele der Vorhersagen eigentlich eingetroffen sind. Täten das viele, müsste der Absatz derartiger Broschüren binnen kurzem unter die Rentabilitätsschwelle sinken, denn die Bilanz ist verheerend: Da wurden nicht nur Kriege prophezeit, die nie stattfanden, Attentate auf Herrscher, die immer noch leben oder inzwischen eines friedlichen Todes gestorben sind, Seuchen und Sintfluten, nein, selbst die Ankunft Außerirdischer oder die Wiedereinsetzung des Königtums in diversen Ländern, die uns als gefestigte Demokratien geläufig sind, hätten längst stattfinden müssen. Wirklich weltbewegende Ereignisse wie der Anschlag auf das World Trade Center in New York, der Fall der Mauer oder meinetwegen der Unfalltod von Prinzessin Diana wurden dagegen regelmäßig nicht vorhergesagt, sondern kamen auch für diese obskuren Berufspropheten so überraschend wie für den Rest der Menschheit.
Warum finden solche banalen Voraussagen trotzdem Käufer? Mir scheint, dass es manchen Menschen lieber ist, irgendeine Vorhersage für die Zukunft zu haben – und sei es eine hanebüchene – als gar nichts, woran man sich halten kann. Wenn uns das Unbekannte, wofür die Zukunft grundsätzlich steht, zu sehr Angst macht, ist das eine verständliche Reaktion.
Diese Art Zukunftsdeutung ist allerdings nicht das, wovon dieses Buch handeln soll.
Man kann es natürlich auch ganz schlau anstellen – so wie «Xineohpoel» alias «Sollog», jener selbst ernannte Seher, der im Internet jahrelang mit erstaunlich treffsicheren Vorhersagen für Aufsehen sorgte: Sei es das Bombenattentat von Oklahoma, der Unfalltod Lady Dianas, alles hatte er angeblich vorher gewusst, Kleinigkeiten wie Erdbeben sowieso. Als er dann aber auch das Attentat vom 11.September 2001 vorausgesagt haben wollte, fanden gewiefte Rechercheure heraus, dass er schlicht seit Jahren schummelte: War etwas Bemerkenswertes geschehen, fügte er rasch – nachträglich also – eine entsprechende, beeindruckend klingende Vorhersage ein und datierte sie einfach ein paar Tage oder Wochen zurück. Außerdem deponierte er regelmäßig dunkelsinnige Texte in Newsgroups, die er, wenn etwas Aufsehenerregendes geschah, im Nachhinein zu Vorhersagen uminterpretierte – oder einfach wieder löschte.
Auf der sicheren Seite ist man auch, wenn man seine Vorhersagen einfach weit genug in die Zukunft verlegt. Wenn sie eintreffen, schön – und wenn nicht, macht es auch nichts, weil niemand mehr da sein wird, der einen dafür belangen könnte.
Die Astrophysiker zum Beispiel glauben zu wissen, «wohin das alles führen wird». Ihnen zufolge sieht unsere Zukunft folgendermaßen aus:
In ein paar Milliarden Jahren wird sich unsere Sonne zu einem Roten Riesen aufblähen, die Ozeane der Erde werden verdampfen, alles, was da kreucht und fleucht, wird im Hitzesturm verbrennen und der Planet zu einer kahlen, leblosen Gesteinskugel werden.
In etwa 100Milliarden Jahren wird in der Milchstraße alles Material verbraucht sein, aus dem Sterne entstehen könnten; in 100000Milliarden Jahren gilt das für alle Galaxien des Universums. Die letzten Sterne werden ausbrennen, danach wird es dunkel im Universum bis ans Ende aller Zeiten. Schwarze Löcher werden nach und nach die noch existierende Materie verschlingen, irgendwann die Größe von Galaxien überschreiten und schließlich, über einen Zeitraum, der alle bis dahin verstrichene Zeit um das Trilliardenfache überschreitet, zerstrahlen, bis nichts mehr übrig ist.
Hu-ah! Schauder.
Was für ein Glück, dass wir jetzt leben, oder? Bei solchen Aussichten kommt einem ein anstehendes Examen gleich nicht mehr ganz so schrecklich vor.
Aber stimmt das überhaupt? Es ist ja schließlich nur eine Theorie, und eine unmöglich zu beweisende dazu, denn sie stellt Behauptungen über eine Zukunft auf, die so weit weg ist, dass sich bis dahin garantiert niemand mehr an diese Behauptungen erinnern wird.
Hinzu kommt, dass es durchaus auch jetzt schon konkurrierende Vorhersagen gibt. Das oben beschriebene Bild etwa entstammt dem kosmologischen Modell eines sich endlos ausdehnenden Universums. Andere Astrophysiker vertreten die Ansicht, das Universum werde nach einer Phase der Expansion – in der wir leben – wieder kollabieren, und zwar in etwa 100Milliarden Jahren. Daneben gibt es nicht weniger renommierte Wissenschaftler, die ein Universum ohne Anfang und ohne Ende postulieren.
Was stimmt denn nun?
Die Zeit wird es zeigen, zweifellos, aber keiner von uns wird erleben, wer Recht hat. Wir werden unser Leben ohne diese Information zu Ende leben müssen.
Aber so schlimm ist das ja nun auch wieder nicht, oder?
Sehr häufig sind Vorhersagen allerdings in Wahrheit gar keine Vorhersagen, sondern Wunschvorstellungen. Das passiert besonders gern, wenn Leute, die Kapazitäten auf irgendeinem Fachgebiet sind, zur Zukunft befragt werden: Zuverlässig prophezeien sie, dass natürlich ausgerechnet ihr Gebiet künftig erst richtig bedeutsam werden wird.
Und manche Prophezeiungen sind schlicht Propaganda interessierter Kreise: Mit anderen Worten, es wird versucht, eine Zukunft als unausweichlich zu zeichnen und sie ebendadurch herbeizuführen. (In manchen Management-Seminaren wird diese Absicht ganz unverhohlen in den Merkspruch gepackt: «Die beste Art, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu erschaffen.»)
Als Wernher von Braun im Überschwang der Erfolge des Apollo-Programms eine Landung von Menschen auf dem Mars für spätestens 1985 voraussagte, war dies zweifellos seine persönliche Wunschvorstellung, nicht eine realistische Erwartung.
Die seit Jahrzehnten von Verfechtern der «Künstlichen Intelligenz» zu vernehmende Prognose, der «intelligente Computer», die Maschine, die «klüger sein wird als der Mensch», stehe unmittelbar bevor, dient zweifellos dem Zweck, weitere Forschungsgelder lockerzumachen.
Dem eBook trauten vor einigen Jahren nicht wenige Leute allen Ernstes zu, das «Ende des Buches» herbeizuführen. Stattdessen kam das Ende des eBooks, und die Buchhandelsbranche meldete neue Rekordzahlen bei den jährlichen Neuveröffentlichungen.
Wenn Prognosen auf die Wirklichkeit Einfluss nehmen, nennt man das self-fulfilling prophecy, und am schönsten illustriert folgender Witz das zugrunde liegende Prinzip:
«Ich wäre ja mit ihm zusammengeblieben», sagte ein Mädchen zu seiner Freundin, «aber es war einfach nicht mehr auszuhalten, wie er herumgejammert hat, er sähe es kommen, dass ich ihn eines Tages verlasse.»
Ähnlich wirken Konjunkturprognosen oder Vorhersagen von Wahlergebnissen. Ein Aufschwung wird vorhergesagt, Geschäftsleute stellen sich (vorausgesetzt, sie glauben daran) durch vermehrte Investitionen darauf ein – und führen ihn gerade dadurch herbei. Umgekehrt kann die Ankündigung einer bevorstehenden Wirtschaftskrise dazu führen, dass jeder nur noch das Nötigste kauft, Firmen Investitionen nach Möglichkeit aufschieben und ebendieses Verhalten den Abschwung auslöst oder zumindest verstärkt. Die Prognose, eine kleine Partei werde es nicht über die Fünfprozenthürde schaffen, kann dazu führen, dass viele Wähler ihre eigentlich dieser Partei zugedachte Stimme anderen, größeren Parteien geben und die kleine Partei ebendeshalb scheitert.
Auch den umgekehrten Fall gibt es: dass eine Vorhersage ein Verhalten auslöst, das verhindert, dass sie wahr wird.
Angenommen, jemand rechnet Geburtenzahlen hoch und warnt vor einem Zusammenbruch des Bildungssystems. Seine Warnungen finden Gehör, es werden Schulen gebaut, Universitäten erweitert, zusätzliche Lehrer ausgebildet und eingestellt – und der vorhergesagte Zusammenbruch bleibt aus. War die Prognose falsch? Oder kam sie gerade rechtzeitig, um das Schlimmste zu verhindern? Oder ist man womöglich aufgrund der Warnung in Panik verfallen und hat viel zu viel in diesen Bereich investiert, Mittel, die nun anderswo fehlen? Auch das kommt vor.
Geschichten von der Zukunft sind auf jeden Fall nicht einfach nur müßige Unterhaltung für Stunden, in denen wir nichts Besseres zu tun finden. Die Geschichten, die wir uns über die Zukunft erzählen, können genau diese Zukunft ganz gehörig beeinflussen.
Angenommen, ich wollte eine Geschichte der Zukunft schreiben – der kommenden Jahrzehnte, vielleicht auch der kommenden Jahrhunderte–, die so nah wie möglich dran sein soll an dem, was tatsächlich passieren wird: Wie müsste ich dafür recherchieren? Auf welche Zahlen, Daten, Fakten würde ich mich beim Entwurf dieser Geschichte stützen – und auf welche nicht?
Das ist der Ausgangspunkt dieses Buches. Doch anders als ich es bei einem Roman machen würde, will ich hier nicht nur die Geschichte selbst erzählen, sondern meine Leser außerdem an den Recherchen dafür teilhaben lassen, an meinen Überlegungen, wie diese Geschichte sich gestalten müsste – wo zum Beispiel noch gestalterischer Spielraum herrscht und wo die Entwicklung der Dinge schon zwangsläufig zu sein verspricht, welche möglichen Zukünfte von den mehr oder weniger klugen Entscheidungen Einzelner abhängen und wo sich künftige Konflikte abzeichnen. Wo, um in der Sprache des Romanentwurfs zu bleiben, die Anknüpfungspunkte für action sind. Action – das ist das, was man in Romanen schätzt, weil es sie spannend macht, während man es, wenn es einem im wirklichen Leben widerfährt, in aller Regel eher unangenehm findet. Diesen Unterschied sollten wir nie vergessen. «Mögest du in interessanten Zeiten leben» lautet ein bekannter chinesischer Fluch, und ich schätze, er meint sinngemäß das Gleiche.
Nun, die heutigen Zeiten sind alles andere als uninteressant. Und die Zeiten, die vor uns liegen, versprechen sogar äußerst interessant zu werden.
Doch wie bei einem Roman muss auch hier die erste zu klärende Frage sein: Lohnt es sich überhaupt, die Geschichte zu erzählen? Schließlich gibt es nicht wenige Prophezeiungen, die nahe legen, dass die Geschichte der Zukunft eine sehr kurze Geschichte sein könnte. Weil nämlich das Ende der Zeiten, der Weltuntergang, der letzte aller Tage unmittelbar bevorstehe.
Genauer gesagt, gibt es so viele solcher Prophezeiungen, dass wir ein eigenes Kapitel dafür brauchen.
Ein Jahrzehnt nach jenem Zeitschriftenartikel, der mich als Kind so beeindruckt hatte und der durchaus typisch für die Zukunftserwartungen der sechziger Jahre war, machten ganz andere Zukunftsentwürfe Schlagzeilen. Zukunft, das war in den Siebzigern und Achtzigern vorwiegend etwas, mit dem überhaupt nicht mehr ernsthaft zu rechnen war. Das Ende der Menschheit, so konnte man allenthalben lesen, stehe unmittelbar bevor; nur eine Gnadenfrist sei uns noch vergönnt.
Wie steht es heute damit? Ist die Gnadenfrist noch weiter geschrumpft, oder war das auch alles nur Blödsinn?
Obwohl Untergangsprophezeiungen in unüberschaubarer Zahl existieren, offenbaren sie bei genauerer Betrachtung wenig Originalität. Eigentlich sind sie alle nur Varianten folgender Grundtypen:
Gott kommt und hält Jüngstes Gericht.
Die Moral verfällt endgültig, alle Zivilisation endet.
Das menschliche Erbgut degeneriert irreparabel, der Mensch wird wieder zum Tier.
Ein globaler Atomkrieg vernichtet alles Leben auf Erden.
Eine weltweite Seuche rottet uns aus.
Die Umwelt kollabiert endgültig.
Eine unangreifbare Diktatur entsteht und hält die Menschheit bis ans Ende aller Tage in Knechtschaft.
Da sich detailliertere Gedanken über die Zukunft nicht lohnen, falls das Ende aller Zeiten unabwendbar bevorstehen sollte, müssen wir uns zuerst mit diesen Annahmen befassen und sehen, was eventuell daran ist und was nicht.
Das letzte und vermutlich verstörendste Buch der Bibel handelt in epischer Breite von nichts anderem als davon, wie das Ende der Welt, wie wir sie kennen, über uns kommen wird. Es sagt allerdings nichts darüber aus, wann genau das passieren soll, und ein Blick auf vergangene – und, wie wir wissen, bislang ereignislos verstrichene – Prophezeiungen zeigt, dass wenig Verlass ist auf selbst ernannte Propheten, die sich berufen fühlen, diese Ungenauigkeit der Heiligen Schrift zu korrigieren. Allein in den letzten zwei Jahrhunderten wurde der Weltuntergang von verschiedensten Seiten vorhergesagt für 1800, 1814, den 21.März 1843, 1864, 1874, 1881, 1891, 1901, den 17.Mai 1910, 1914, 1925, 1953, 1957, den 22.April 1959, 1960, den 4.Februar 1962, 1969, 1973, 1975, 1978, den 28.Juni 1981, 1982, 1986, Mai und September und Oktober 1988, 1990, den 28.Oktober 1992, 1993, September 1994, 1995, 1996, den 10.April 1997, Anfang 1998, den 25.März 1998, wahlweise auch den 25.Juli 1998, verschiedentlich auch für den September, Oktober oder November 1998. 1999 war natürlich ein Kulminationspunkt: im Juli, am 11.August, am 9.September, am 19.Dezember oder am 31.Dezember 1999 war das Ende der Welt prophezeit, dann wieder für 2000, und zwar für den 11.Januar, den 17.März, den 5. oder den 31.Mai, ersatzweise für 2002, 2003 und so fort. Aktuell endet die Welt am 22.Dezember 2012, allerdings aufgrund der heidnischen Annahme, das auf diesen Tag fallende Ende des Kalenders, den die selber längst untergegangenen Maya benutzten, bedeute das Ende auch unserer Welt.
Egal, wer das Jüngste Gericht für welchen Tag prophezeit, die Wahrscheinlichkeit spricht in überwältigender Weise dafür, dass er sich irrt.
Bestätigt nicht ein bloßer Blick in die Zeitung, dass es so ist? Gewalt allerorten, in den Schulen sowieso, Kinderschänder treiben ihr Unwesen, Beamte sind bestechlich, die Jugend verdirbt, spottet auf die Traditionen und hat Sex.
Doch bekanntlich klagte schon Plato über die Jugend seiner Zeit: «Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten.» Das sind Sätze, die sich fast ohne Änderung des Wortlauts mit heutigen Beschwerden decken. Dass in der guten alten Zeit alles besser war, ist ein nostalgischer Mythos, weiter nichts.
Geht man davon aus, dass sich die Menschen nicht grundlegend ändern, dann ist es logisch, dass es heute, da mehr Menschen auf Erden leben als je zuvor, auch mehr Gewalt geben muss. Und da zudem die Medien schneller und engmaschiger geworden sind, erfahren wir auch weit mehr darüber. So entsteht vielleicht der Eindruck allseitigen Zerfalls.
Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Die Gewalt- und Mordstatistik stagniert in vielen Industrienationen, die heutige Jugend ist in Sachen Sex und Moral eher solider, als die Generation ihrer Eltern es war, und selbst die Gewalt an Schulen ist im Großen und Ganzen rückläufig. Sogar Kinderschänder, verraten Polizeistatistiken, gab es früher mehr als heute – es wurde nur in den Medien nicht darüber berichtet.
Gibt es nicht immer mehr Brillenträger? Erlaubt moderne Medizin nicht, dass auch Menschen mit vererbbaren körperlichen Defekten nicht nur überleben, sondern sich auch fortpflanzen, sodass die entsprechenden Gene erhalten bleiben, anstatt aus dem Genpool auszuscheiden – und machen wir nicht dadurch die Evolution unwirksam?
Die Evolution ist in der Tat, soweit es uns Menschen und unsere körperliche Beschaffenheit angeht, weitgehend außer Funktion gesetzt worden. Das war geradezu das gemeinsame Ziel aller Anstrengungen, die in den letzten Jahrtausenden geleistet wurden, um das Los der Menschen zu verbessern: Wir wollen nicht, dass Kinder sterben, nur weil sie schwach zur Welt kommen. Wir wollen nicht, dass nur «die Starken» unter uns überleben.
Das ist allerdings ein Bereich, in dem man sorgfältig auseinander halten muss, was noch wissenschaftliches Argument und was schon untotes Gedankengut einer nationalsozialistischen Ideologie ist, die zu wissen meinte, was «lebensunwertes Leben» ist, und in der Erhaltung oder Durchsetzung irgendwelcher «rassischen Reinheit» das Ziel schlechthin sah. Nach allem, was wir heute wissen, ist im Gegenteil Vielfalt wünschenswert, und wenn wir uns die Schicksale mancher Geistesgrößen der Geschichte vergegenwärtigen, scheint eine Behinderung manchmal geradezu die Voraussetzung einer singulär großen Leistung zu sein – denken wir beispielsweise an Immanuel Kant oder, in unserer Zeit, Stephen Hawking.
Die Vorstellung, der menschlichen Art drohe die Auslöschung durch genetischen Verfall, ist jedenfalls ein höchst unlogischer Humbug: Denn der schlimmste Fall wäre, dass wir eines Tages, grob gesagt, zu doof sein könnten, um unsere Kultur funktionsfähig zu erhalten. Doch dann würden einfach die Mechanismen der Evolution wieder greifen, und alles begänne von vorn.
Um daran keinen Zweifel zu lassen: Ein mit nuklearen Waffen geführter großer Krieg ist nach wie vor technisch möglich, und käme es je dazu, wäre das ein unaussprechlich schreckliches Ereignis, das Millionen oder Milliarden Menschen das Leben kosten würde, ein Einschnitt in der Menschheitsgeschichte ohne Beispiel. Ein großer Atomkrieg wäre die größte von Menschenhand anrichtbare Katastrophe, würde unermessliche Verwüstungen anrichten und unvorstellbares Leid auslösen.
Aber das Ende der Menschheit, erst recht das allen Lebens auf Erden wäre er nicht.
Die rechnerische «Overkill»-Kapazität der existierenden Nuklearwaffen ist eben nur das: rechnerisch. Da die Menschheit jedoch nicht ausschließlich in Ballungszentren lebt und es auch nie tun wird, würden selbst im schlimmsten Fall in dünn besiedelten Gebieten, abseits verstrahlter Zonen, größere Gruppen überleben. Es wäre ein Überleben auf extrem niedrigem Niveau, aber keinesfalls ein Rückfall in die Steinzeit. An die, die das Unglück verursacht haben, würde man sich erinnern, und zweifellos würden ihre Namen in Form von Flüchen und Verwünschungen fortdauern. Aber fortdauern würden sie.
Die seit Jahrhunderten stetig ansteigende Kurve der Bevölkerungsentwicklung weist nur eine einzige Delle nach unten auf: Kein Krieg und keine Hungersnot hat sie verursacht, sondern eine Seuche – die Pest. In den Jahren von 1348 bis 1350 suchte sie Europa heim und raffte über ein Drittel aller auf dem Kontinent lebenden Menschen dahin.
Sind nicht die kleinsten aller Lebewesen, die Mikroben und Viren, unsere letzten unbesiegten Feinde? Die Spanische Grippe, die zwischen 1918 und 1920 wütete, hat mehr Menschen getötet, als im Ersten Weltkrieg ums Leben kamen. Hätte sie nicht in der heutigen globalisierten Welt, in der Infizierte binnen Stundenfrist alle Winkel der Erde erreichen können, leichteres Spiel als je zuvor? Wenn wir in den Nachrichten verfolgen, wie eine neue Krankheit wie SARS nur mit Mühe eingedämmt werden kann: Ist es da nicht nur eine Frage der Zeit, bis eine Pandemie ohne Beispiel über den Erdball rast und uns allen den Garaus macht – und sei es, dass sie von Terroristen oder fanatischen Sektierern mutwillig ausgelöst wird?
In der Tat werden Infektionskrankheiten auch weiterhin ein Problem von globaler Bedeutung bleiben. Allerdings machen den Gesundheitsexperten weniger die aus einschlägigen Schlagzeilen bekannten Erreger wie Aids, BSE oder Ebola Sorgen, sondern die derzeit zu beobachtende Rückkehr besiegt geglaubter Seuchen wie Malaria, Tuberkulose oder Diphtherie. (Auf Aids werden wir in einem späteren Kapitel noch gesondert eingehen müssen.) In den Arsenalen der Militärs lagern zudem zu Kriegszwecken gezüchtete, extrem aggressive Erreger, und nicht immer ist ganz klar, wer alles darauf Zugriff hat und ob nicht etwas davon in falsche Hände gerät.
Eine Pandemie, also eine weltweit ausbrechende Seuche, ist durchaus etwas, das passieren kann, und wäre ohne Zweifel eine große Tragödie. Aber nach allem, was wir wissen, wäre selbst unter den schlimmsten anzunehmenden Bedingungen kein Erreger in der Lage, die gesamte Menschheit auszurotten. Epidemien in großen Populationen unterliegen nämlich bestimmten statistischen Gesetzmäßigkeiten, die bewirken, dass die Ausbreitung einer Krankheit ab einer gewissen «Durchseuchungsrate» weitgehend zum Stillstand kommt. Dass die Pest in Europa abebbte, anstatt den gesamten Kontinent zu entvölkern, ist einzig diesem Umstand zuzuschreiben, denn ein Heil- oder Gegenmittel wurde damals ja nicht gefunden. Und die Todesrate von einem Drittel entspricht etwa dem, was Medizinstatistiker als GAU einer Seuche annehmen. Ein Ende der Menschheit aber droht dadurch nicht.
Der Himmel glüht schwefelgelb. Das Wetter spielt verrückt, bringt mal Sintfluten, mal monatelange Dürre. In den von Müll verstopften Straßen zerfallender Städte wabern giftige Dämpfe, ohne Gasmaske kann man nicht mehr aus dem Haus. Aus den Wasserhähnen tröpfelt, bestenfalls, brackiges Wasser, ungenießbar ohne Aufbereitung, die sich kaum einer noch leisten kann. Vögel gibt es keine mehr, die Ozeane sind leer gefischt und tot, die letzten Menschen fristen, geplagt von Hautausschlägen, Allergien und Strahlenkrankheiten, ein elendes Dasein, ständig auf der Jagd nach den letzten Konservendosen, weil auf den verpesteten Feldern nichts mehr wächst, jedenfalls nichts, das nicht entsetzlich mutiert wäre. Umweltgifte haben die meisten steril gemacht, und die es nicht sind, gebären verkrüppelte Kinder: Das Ende der Menschheit ist beschlossene Sache.
Steuert nicht alles unaufhaltsam darauf zu? Auf den großen Kollaps, den endgültigen Zusammenbruch aller ökologischen Systeme? Viele meinen, der Point of no Return sei längst überschritten: ein paar schöne Jahre noch, ehe uns die Sünden und Versäumnisse der Vergangenheit einholen und die jetzt noch trügerisch schöne Welt den Bach runtergeht. Nun kann man beim besten Willen nicht behaupten, dass in unserer Umwelt alles zum Besten stünde. Es wird ökologisch gesündigt noch und noch, nicht selten mit einer Selbstverständlichkeit und in einem Ausmaß, dass es einen nur grausen kann. An zahlreichen Versäumnissen werden noch viele künftige Generationen zu knabbern haben.
Drastische Umweltzerstörung ist übrigens keine Erfindung unserer Zeit: Die kahlen, verkarsteten Hügel Griechenlands etwa waren einst dicht bewaldet, bis für den Bau der griechischen Flotte in antiker Zeit rücksichtsloser Raubbau betrieben und die Ökologie der Berge nachhaltig zerstört wurde – und zwar, wie man sich durch einen Blick in Reiseprospekte überzeugen kann, bis auf den heutigen Tag.
Schwer vorstellbar auch, dass Nordafrika einst die Kornkammer des Römischen Reiches war. Gar nicht zu reden von all den Tierarten, die durch Menschenhand ausgerottet wurden; die Bisonherden Nordamerikas etwa. Und als wäre nie dergleichen geschehen, hört man nicht auf, Wale zu jagen, deren Bestände nur noch wenige tausend Tiere betragen.
Doch obwohl noch vieles geschehen muss, ist auch schon vieles geschehen – nicht zuletzt dank eindringlicher Warnungen. So manche einst bedrohlichen Entwicklungen konnten gestoppt und gewendet werden. Die oft totgesagten Wälder stehen immer noch, aus Flüssen, in denen man vor dreißig Jahren nicht zu baden gewagt hätte, kann man heute wieder trinken, die Luftverschmutzung nimmt in fast allen Industrieländern seit Jahrzehnten kontinuierlich ab und so weiter. Vor allem hat sich ein deutlich gewachsenes Umweltbewusstsein im Alltag etabliert. Dass Umweltfragen heute zum politischen Themenrepertoire gehören, als sei es nie anders gewesen, ist vielleicht die wichtigste Veränderung überhaupt.
Wir werden in den kommenden Kapiteln auf zahlreiche zu diesem Bereich gehörende Themen genauer zu sprechen kommen, insbesondere solche, die im Zusammenhang mit der Entwicklung der Weltbevölkerung stehen. Doch auch wenn zahllose Schreckensszenarien ausgemalt und sogar datiert worden sind, kann man mit Recht sagen, dass kein einziges davon eingetreten ist: Ein Weltuntergang steht nicht bevor.
Es ist legitim, vor Gefahren zu warnen, und es ist wirkungsvoll, die möglichen Folgen einer falschen Entwicklung deutlich auszumalen. Doch es bringt nichts zu übertreiben. Einen Weltuntergang an die Wand zu malen, einen unabwendbaren gar, ist erstens ziemlich sicher falsch und trägt zweitens nicht das Geringste zur Lösung der Probleme bei, im Gegenteil: Es lähmt nur, wo entschieden gehandelt werden muss.
Seien es die Kapitalisten, die Kommunisten, die Faschisten, die Freimaurer, die Illuminaten, der «militärisch-industrielle Komplex», die «jüdischen Bankiers», der «Skull & Bones-Orden» oder sonst eine mehr oder minder geheimnisumwitterte Gruppierung, das Muster ist immer dasselbe: Eine unangreifbare, abgeschlossene Elite gelangt in den Besitz überlegener Machtmittel und degradiert den Rest der Menschheit zu Sklaven. Künftig wird uns dann schon bei der Geburt ein Chip eingepflanzt, über den wir kontrollierbar sind. Drogen, Strahlen oder hypnotisch wirksame Massenmedien brechen unseren Willen. Die Massen erwartet ein stumpfsinniges Dasein in elendster Armut, in dem sie tagaus, tagein schuften, bis sie ein früher Tod dahinrafft, während die Elite in exklusiver Abgeschiedenheit ein Luxusleben in Saus und Braus führt.
Selbst ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, dass die Menschheit Anfang des 21.Jahrhunderts weiter von diesem Szenario entfernt ist als je zuvor. Noch nie waren die Zeiten für Diktatoren und absolutistische Herrscher so schlecht wie heute. Dass das Recht, über andere zu herrschen, ein von Gott gegebenes ist, glaubt heute wahrscheinlich niemand mehr im Ernst. Konnte ein Gewaltherrscher in der ersten Hälfte des 20.