Das Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen (BLiCK) -  - E-Book

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Beschreibung

Fachpflegende treffen in der ambulanten spitalexternen Pflege immer wieder auf Menschen, die sich in akuten oder langwierigen Krisensituationen befinden. Menschen in diesen Krisen zu fördern und zu unterstützen gehört zu den herausforderndsten Aufgaben in der ambulanten Pflege. Die vorliegende Studie ist die erste ihrer Art, die mittels empirischer Daten aus Sicht professioneller ambulanter Pflegefachpersonen häusliche Krisensituationen thematisiert und den systematischen Umgang aus Sicht von Expert*innen exploriert. Die Frage, welches die Hauptkrisen in der ambulanten Pflege sind, hat das Forschungsteam um André Fringer mit der vorliegenden Studie griffig und anschaulich beantwortet und ein Inventar für die Sensibilisierung gegenüber und den Umgang mit häuslichen Krisen entwickelt. Fringer präsentiert die fünf häufigsten häuslichen Krisensituationen Terminal- und Finalphase, Auffinden einer Person in einer Notfallsituation, Einsamkeit und soziale Isolation, Grenzen pflegender Angehöriger und Beziehungsgestaltung im häuslichen Pflegearrangement. Ausgehend von diesen häuslichen Krisensituationen sammelte das Team profunde und praktikable Interventionen zur Prävention und zum professionellen Umgang mit häuslichen Krisensituationen. Mit dem «Buchser Pflegeinventar» erhalten ambulant tätige Pflegefachpersonen und Pflegeeinrichtungen eine wirksame Werkzeugkiste, um professionell mit krisenhaften Situationen umzugehen und Menschen vor Krisen zu bewahren und in Krisen zu unterstützen und zu beraten.

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Das Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen (BLiCK)

* Blick. Abkürzung für „Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen“

Das Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen (BLiCK)

André Fringer (Hrsg.)

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:

Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld; Christine Sowinski, Köln; Franz Wagner, Berlin; Angelika Zegelin, Dortmund

André Fringer (Hrsg.)

Das Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen (BLiCK)

Analysen, Werkzeuge und Empfehlungen zur Krisenintervention

unter Mitarbeit von

Eleonore Arrer

Franzisca Domeisen Benedetti

Mareike Hechinger

Diana Kroh

Sabrina Stängle

Veronika Waldboth

Prof. Dr. André Fringer (Hrsg.), Professor für familienzentrierte Pflege, Co-Leiter MSc Pflege, Co-Leiter Forschungsstelle Pflegewissenschaft

ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Departement Gesundheit, Institut für Pflege

Technikumstr. 81, Postfach

CH-8401 Winterthur

[email protected]

www.zhaw.ch/gesundheit

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Hogrefe AG

Lektorat Pflege

z.Hd.: Jürgen Georg

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Jürgen Georg, Michael Herrmann

Bearbeitung: Michael Herrmann

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Jürgen Georg, Schüpfen

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2019

© 2019 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95856-9)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75856-5)

ISBN 978-3-456-85856-2

http://doi.org/10.1024/85856-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Danksagung

Geleitwort

Vorwort

1 Projekt BLiCK: Eine Einführung

1.1 Hintergrund und Problembeschreibung

1.2 Projektziel und Fragestellungen

1.3 Methodisches Vorgehen

1.4 Ethisches Vorgehen und Gütekriterien

2 Krisen in der Häuslichkeit: Eine Annäherung

2.1 Ergebnisse

2.2 Krisensituationen und die Folgen

3 Häusliche Krisensituationen: Eine Literaturübersicht

3.1 Krisendefinitionen und Krisenverständnis

3.1.1 Krisenverständnis in der Literatur

3.1.2 Ableitung der Arbeitsdefinition von Krisen im häuslichen Setting

3.2 Arten von Krisen

3.2.1 Gesundheitsbezogene Krisen

3.2.1.1 Körperlich bedingte gesundheitsbezogene Krisen

3.2.1.2 Psychisch bedingte gesundheitsbezogene Krisen

3.2.1.3 Konsequenzen gesundheitsbezogener Krisen

3.2.2 Umfeldbezogene bzw. zwischenmenschliche Krisen

3.2.2.1 Beschreibung

3.2.2.2 Konsequenzen

3.2.3 Fazit

4 Bewertung häuslicher Krisen: Sicht der Pflegenden

4.1 Verhaltensweisen und Herausforderungen in Krisen

4.2 Umgang der Pflegenden mit Krisen

4.3 Auswahl relevanter Krisensituationen

4.4 Ableitung der fünf Hauptkrisen für Pflegende im häuslichen Setting

5 Hauptkrisen der häuslichen Pflege: Eine Bewertung

5.1 Terminal- und Finalphase der unterstützten Person

5.2 Auffinden einer Person in einer Notfallsituation

5.3 Einsamkeit und Isolation

5.4 Grenzen pflegender Angehöriger

5.5 Beziehungsgestaltung im häuslichen Pflegearrangement

6 Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisen

6.1 Einführung in das Buchser Pflegeinventar

6.2 Terminal- und Finalphase der unterstützten Person

6.2.1 Krisenanalyse: Terminal- und Finalphase

6.2.1.1 Hintergrund

6.2.1.2 Problemstellung

6.2.2 Kriseninventar: Terminal- und Finalphase

6.2.2.1 Interventionen aus Sicht der Expert*innen

6.2.2.2 Interventionen aus der Literatur

6.2.3 Derzeitige Implementierung in der Praxis

6.2.4 Empfehlungen zum Vorgehen in der Terminal- und Finalphase

6.2.4.1 Bewusstsein entwickeln und die Krise thematisieren

6.2.4.2 Die Krise managen

6.2.4.3 Die Krise reflektieren

6.3 Auffinden einer Person in einer Notfallsituation

6.3.1 Krisenanalyse: Notfallsituationen

6.3.1.1 Hintergrund

6.3.1.2 Problemstellung

6.3.2 Kriseninventar: Notfallsituationen

6.3.2.1 Interventionen aus Sicht der Expert*innen

6.3.2.2 Interventionen aus der Literatur

6.3.3 Derzeitige Implementierung in der Praxis

6.3.4 Empfehlungen zum Vorgehen in Notfallsituationen

6.3.4.1 Bewusstsein entwickeln und Krisen thematisieren

6.3.4.2 Die Krise managen

6.3.4.3 Die Krise reflektieren

6.4 Einsamkeit und soziale Isolation

6.4.1 Krisenanalyse: Einsamkeit und soziale Isolation

6.4.1.1 Hintergrund

6.4.1.2 Problemstellung

6.4.2 Kriseninventar: Einsamkeit und soziale Isolation

6.4.2.1 Interventionen aus Sicht der Expert*innen

6.4.2.2 Interventionen aus der Literatur

6.4.3 Derzeitige Implementierung in der Praxis

6.4.4 Empfehlungen zum Vorgehen bei Einsamkeit und sozialer Isolation

6.4.4.1 Bewusstsein entwickeln und die Krise thematisieren

6.4.4.2 Die Krise managen

6.4.4.3 Die Krise reflektieren

6.5 Grenzen pflegender Angehöriger

6.5.1 Krisenanalyse: Grenzen pflegender Angehöriger

6.5.1.1 Hintergrund

6.5.1.2 Problemstellung

6.5.2 Kriseninventar: Grenzen pflegender Angehöriger

6.5.2.1 Interventionen aus Sicht der Expert*innen

6.5.2.2 Interventionen aus der Literatur

6.5.3 Derzeitige Implementierung in der Praxis

6.5.4 Empfehlungen zum Vorgehen hinsichtlich der Grenzen pflegender Angehöriger

6.5.4.1 Bewusstsein entwickeln und die Krise thematisieren

6.5.4.2 Die Krise managen

6.5.4.3 Die Krise reflektieren

6.6 Beziehungsgestaltung im häuslichen Setting

6.6.1 Krisenanalyse: Beziehungsgestaltung

6.6.1.1 Hintergrund

6.6.1.2 Problemstellung

6.6.2 Kriseninventar: Beziehungsgestaltung

6.6.2.1 Interventionen aus Sicht der Expert*innen

6.6.2.2 Interventionen aus der Literatur

6.6.3 Derzeitige Implementierung in der Praxis

6.6.4 Empfehlungen zum Vorgehen bei der Beziehungsgestaltung

6.6.4.1 Bewusstsein entwickeln und die Krise thematisieren

6.6.4.2 Die Krise managen

6.6.4.3 Die Krise reflektieren

6.7 Software zur Unterstützung in häuslichen Krisen

7 Resümee und Schlussbetrachtung

7.1 Krisen aus Sicht ambulant Pflegender

7.2 Krisen aus Sicht der verfügbaren Literatur

7.3 Priorisierung und Bewertung der Krisen durch ambulant Pflegende

7.4 Reichweite des Kriseninventars

7.5 Praktische und theoretische Relevanz

7.6 Zusammenfassung

Linkverzeichnis

Verzeichnis der Autor*innen und Mitarbeiter*innen

Abkürzungsverzeichnis

Glossar

Literatur

Sachwortverzeichnis

Widmung

Der Vorstand der Spitex Buchs widmet dieses Buch allen Mitarbeitenden und aktiven Personen im Umfeld von Spitex und anderen ambulanten Organisationen. Denn sie sind es, die unterschiedlichste Mitmenschen in alltäglichen und oft belastenden Situationen sehr nahe, zeitintensiv und mit viel persönlichem Engagement pflegen und betreuen.

Ein herzliches Dankeschön an Herrn Dr. Vadim Rorschach und seine Familie für das sehr großzügige Legat. Nur dank dieser finanziellen Unterstützung war das Forschungsprojekt „BLiCK – Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen“ und das daraus erarbeitete Buch erst möglich.

Im Namen des Vorstands

Andrea Klee

Präsidentin

Vorne v.l.n.r.: Andrea Klee, Stefanie Bürge, Barbara Keusch; Hinten v.l.n.r.: Marc Buck, Roger Gemperle, Dominik Weber; Es fehlt: Hansruedi Werder.

Danksagung

Zu allererst möchte ich Frau Monika Beck (ehemalige Präsidentin) sowie Frau Andrea Klee (derzeitige Präsidentin) als Repräsentantinnen der Spitex Buchs Aargau von ganzem Herzen für die Möglichkeit bedanken, einen lang gehegten Traum umsetzen und intensiv die Thematik häuslicher Krisen aus der Sicht von Pflegefachpersonen bearbeiten zu können, indem sie dieses Projekt als Favorit gewählt haben. Ein weiterer Dank gilt allen Mitarbeiter*innen der Spitex Buchs Aargau, die mit ihrer Offenheit und intensiven Beteiligung wesentlich zum Gelingen des „Buchser Pflegeinventars für häusliche Krisensituationen“ (BLiCK)* beigetragen haben. Stellvertretend für ihre Mitarbeitenden möchte ich die Geschäftsleiterin Frau Sandra Richner-Vogel sowie ihre Stellvertreterin Frau Melanie Peier für ihr Wohlwollen und der mit dem BLiCK verbunden Arbeit aller Mitarbeitenden würdigen. Des Weiteren soll auch der Bevölkerung Buchs Aargau gedankt werden, die dem Vorhaben BLiCK in einem öffentlichen Anlass zugestimmt und somit das Projekt ermöglicht hat.

Um die vorliegenden Ergebnisse auf andere ambulante Pflegedienste übertragen und somit auf sicheren Boden stellen zu können, bot sich die Spitex St.Gallen-Ost, vertreten durch Andrea Hornstein, als zusätzliche Ressource an, um Zwischenergebnisse und die Sicht als externe Expert*innen abholen und die Ergebnisse prüfen zu können. Für ihren wertvollen Beitrag durch ihr Team gebührt somit auch der Spitex St.Gallen-Ost ein herzliches Dankeschön.

Irena Schreyer und Diana Kroh waren die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen der ersten Stunde am BLiCK. Ihnen gehört der Dank des Projektanfangs und für die ersten empirischen Ergebnisse. Viele wissenschaftliche Mitarbeiterinnen meines Teams an der FHS St.  Gallen, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, als auch meines Teams an der Zürcher Hochschule Angewandte Wissenschaften ZHAW in Winterthur, haben zur Umsetzung an dieser Studie beigetragen. Namentlich möchte ich einen herzlichen Dank an die Autorinnen für ihre wertvolle Unterstützung und Arbeit aussprechen:

Eleonore Arrer (FHS St.Gallen)Dr.in Franzisca Domeisen Benedetti (ZHAW)Mareike Hechinger (FHS St.Gallen und ZHAW)Diana Kroh (ehem. FHS St.Gallen)Sabrina Stängle (ZHAW)Dr.in Veronika Waldboth (ZHAW).

Diana Staudacher (FHS St.Gallen), die unermüdlich dafür gesorgt hat, dass die Lesbarkeit und das Verständnis im BLiCK erhalten bleiben, und für ihr zuverlässiges erstes Redigat, gebührt ebenfalls ein fröhlicher Dank für ihre Begleitung im und am Text.

Einen besonderen Dank möchte ich meiner Promovendin Mareike Hechinger aussprechen, die in ihrem Praktikum zum ersten Mal mit dem vorliegenden BLiCK in Berührung kam und seitdem als treue freie wissenschaftliche Mitarbeiterin in meinen Projekten, zuvor an der FHS St.Gallen und heute an der ZHAW, intensiv von München aus mitwirkt. Mit ihrer beharrlichen Ausdauer, ihren mahnenden Worten für die Einhaltung des Forschungsprozesses und in Begleitung von Anton sowie ihrer Familie, hat das BLiCK letztlich die vorliegende und gewünschte Gestalt angenommen.

Prof. Dr. André Fringer

Winterthur, Januar 2019

* Blick. Abkürzung für „Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen“

Geleitwort

Ein wahres Märchen

Es war einmal eine kleine Spitex-Organisation im schweizerischen Mittelland, in der Gemeinde Buchs im Kanton Aargau. Diese widmete sich der Aufgabe, die häusliche Pflege für die Menschen in der Gemeinde sicherzustellen. Tag für Tag gingen die Mitarbeitenden in Häuser und Wohnungen und ermöglichten damit vielen Personen, trotz gesundheitlicher Einschränkungen zu Hause leben zu können. Ein Spitex-Verein und ein Vorstand sorgten dafür, dass die Mitarbeitenden bestmögliche Rahmenbedingungen für ihre Arbeit erhielten.

Eines Tages erhielt diese kleine Spitex-Organisation ein großes Legat. Ein langjähriger Klient war verstorben und überließ dem Spitex-Verein eine größere Geldsumme. Ein vor vielen Jahren von weisen Vorstandsmitgliedern geschaffener Fonds ermöglichte dem Verein, Spenden für die Förderung der Qualität der Spitexversorgung zu verwenden. Es stellte sich somit die Frage, wie der hohe Betrag den Spitex-Klient*innen den größtmöglichen Nutzen bringen könnte. Wäre vielleicht ein kostengünstiger Transportdienst sinnvoll? Ein Mahlzeitendienst? Oder sollte eventuell eine zusätzliche Stelle für eine Pflegefachperson entstehen?

Alle drei Ideen erwiesen sich als nicht nachhaltig. Irgendwann wäre das Geld aufgebraucht gewesen und die zusätzlichen Dienstleistungen hätten eingestellt werden müssen. Der Vorstand entschloss sich daher dazu, in Wissen zu investieren, Fachwissen zu entwickeln, das via Mitarbeitende den Klient*innen zugutekommen kann.

Zwei Fachhochschulen wurden eingeladen, innovative Projektskizzen zu entwickeln. Gefragt waren Angebote, …

… die von direktem praktischem Nutzen für Klient*innen und die ihnen Nahestehenden sind.… die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen.… die ein vorgegebenem Budget mit einer Laufzeit von zwei Jahren haben.… die ohne Mehraufwand für die Mitarbeitenden realisierbar sind.… deren Umsetzung und Evaluierung durch die Forschenden selbst, jedoch in engem Kontakt mit den Mitarbeitenden der Spitex erfolgt.

Viele durchwegs vielversprechende Projekte wurden eingereicht. Nach einer Vorselektion durch den Vorstand wurden die Forschenden von vier Projekten gebeten, umfassende Beschreibungen der geplanten Studien einzureichen. Diese wurden auf einer gut besuchten außerordentlichen Generalversammlung des Spitex-Vereins vorgestellt. Die Vereinsmitglieder sind Menschen aus der Gemeinde, denen eine gute häusliche Pflege wichtig ist, die aber meist nicht über professionelles Wissen in Pflege oder Medizin verfügen. Sie ließen sich informieren, stellten kluge Fragen, diskutierten lebhaft und stimmten anschließend ab. Das Projekt von Herrn Prof. Dr. André Fringer und seinem Team erhielt weitaus die meisten Stimmen.

Mit diesem basisdemokratischen Vorgehen stellte der Vorstand des Spitex-Vereins den bestmöglichen und nachhaltigsten Einsatz des Legats sicher- für eine Sache, die den Vereinsmitgliedern wichtig für die Zukunft erschien.

Der Legatgeber, Dr. W. U. Rorschach, war, wie seine Eltern, ein Arzt im Fachgebiet Psychiatrie. Seine Mutter, eine gebürtige Russin, studierte und promovierte ab 1902 an der Universität Zürich in Medizin. Sein Vater war ebenfalls Psychiater und Entwickler des Rorschach-Tests. Beide wirkten sowohl in der Schweiz als auch in Russland, trugen zum Fortschritt der psychiatrischen Diagnostik bei und setzten sich für die Gleichstellung von Mann und Frau ein. Sie konnten jedoch beide ihren Beruf nicht lange ausüben. Der Vater starb früh und die Mutter durfte aus verschiedenen Gründen ihren Beruf in der Schweiz nicht ausüben.

Mit dem großzügigen Legat von Herrn Dr. W. U. Rorschach kann der noch jungen Forschungsdisziplin Pflegewissenschaft ein wesentlicher Fortschritt ermöglicht werden. Zugleich dient das Legat einem Beruf, den nach wie vor mehrheitlich Frauen ausüben.

Das Märchen wurde wahr − wir halten das Buch in der Hand! Das Forschungsteam leistete großartige Arbeit und beschreibt verständlich und praxisnah seine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse.

Erkenntnisse, die …

… den Pflegenden die Sicherheit geben, Krisensituationen zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren,… direkt den Klient*innen und ihren Angehörigen nutzen und deren Lebensqualität verbessern können.… erneut beweisen, dass Forschung in der häuslichen Pflege hilfreich ist, um in schwierigen Situationen professionell handeln zu können.

Dieses Buch wird über Buchs, über den Aargau und über die Schweiz hinaus die Qualität der Pflege in häuslichen Krisensituationen positiv beeinflussen. Die Mitglieder eines kleinen Spitex-Vereins haben also etwas Bedeutsames ermöglicht.

Nun ist es an den Mitarbeitenden der Spitex, das Buch zu lesen, zu diskutieren, daraus zu lernen und das neue Wissen in die tägliche Arbeit zu integrieren. Der Dank der Klient*innen ist ihnen sicher!

Epilog

Es gibt heute eine kleine Spitex-Organisation im Schweizerischen Mittelland, in Buchs im Kanton Aargau. Sie widmet sich der Aufgabe, die häusliche Pflege für die Menschen der Gemeinde sicherzustellen. Die Mitarbeitenden gehen Tag für Tag in Häuser und Wohnungen und ermöglichen vielen Menschen, trotz gesundheitlicher Einschränkungen zu Hause leben zu können. Oft treffen sie Krisensituation an, dann reagieren sie professionell, verständnisvoll und kompetent.

Monika Beck

Dipl. Pflegefachfrau,

Pflegewissenschaftlerin MSc

Präsidentin Spitex-Verein Buchs/

AG von 2008 bis 2017

Vorwort

André Fringer

Unser Zuhause ist der primäre Ort des Kümmerns und Sorgens. Gesundheit und Krankheit, Fürsorge sowie Pflege werden hier individuell geformt, geleistet und beeinflusst. Hingehörigkeit, Zugehörigkeit, Einsamkeit und soziale Isolation spielen sich in diesem Kontext ab. Im Zuhause wird gelebt, hier fühlt man sich geborgen und zugehörig oder einsam, verlassen, Gewalt und Hilflosigkeit und Notfällen ausgeliefert. Hier wünschen sich die meisten Menschen das Leben so lange es geht zu verbringen und, wenn möglich, auch sterben zu dürfen. Familien, Angehörige und Kümmerer sind hierbei von zentraler Bedeutung, um diese Wünsche zu erfüllen. Zu Recht werden Angehörige als größter Pflegedienst der Welt bezeichnet. Unabhängig von Regionen, Kulturen, Milieus, Politik sowie Gesundheits- und Sicherungssystemen werden in der Häuslichkeit Probleme wie Krankheit, Abhängigkeit, Pflegebedürftigkeit bewältigt und familiäre sowie soziale Teilhabe gesichert oder verhindert.

In der intensiven internationalen Auseinandersetzung mit den Themen „häusliche Pflege“ sowie „betreuende und pflegende Angehörige“ fällt auf, dass die Aspekte der Bedeutung, Motive, Belastung und Entlastung von Angehörigen, die einen zugehörigen Menschen begleiten und pflegen, vielfältig schon seit Jahrzehnten Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung sind. Unmengen an Qualifikations- und Abschlussarbeiten haben sich diesem Thema gewidmet. Unzählbar sind die Forschungsgelder, mit denen man sich der Thematik zu nähern versucht. Generationen von Wissenschaftler*innen haben sich dem Gegenstand der häuslichen Pflege durch Angehörige verschrieben. Es wurde und wird viel sowohl Positives als auch Nachteiliges berichtet und doch ist das Phänomen der häuslichen Versorgung und der familiären Sorge ein unverändert aktiver Untersuchungsgegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung geblieben und wird es bleiben. Das Thema ist hochaktuell. Gesellschaft, Politik, die Sicherungs- und Versorgungssysteme greifen das Thema intensiv auf und entdecken sowohl die Angehörigen als auch die häusliche Umgebung als formelle und informelle Ressource bei knapper werdenden Finanzen im Gesundheitswesen. Neue Aspekte und Facetten von Phänomenen bezüglich der Versorgung, Begleitung und Behandlung werden wie in einer Art Kaleidoskop neu und wiederentdeckt. In Anerkennung aller wissenschaftlichen Bemühungen und verfügbarer Forschungsergebnisse ist die Thematik zu einem eigenständigen Wissenschafts-, Forschungs- und Themengegenstand geformt worden.

Die intensive Auseinandersetzung auf wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene birgt auch Gefahren. So wurde die häusliche Pflege überwiegend von zwei Standpunkte aus betrachtet und es wurden Rückschlüsse auf die professionelle Pflege gezogen:

aus Sicht der Betroffenen und Angehörigenaus Sicht von Expert*innen und Wissenschaftler*innen

Das birgt auch Gefahren, nämlich, dass das Thema eben primär aus diesen beiden Perspektiven betrachtet wird. Die Pflegenden ambulanter Pflegedienste stellen das Bindeglied zwischen den privaten Häuslichen und öffentlichen Versorgungsstrukturen dar. Gesundheitsfachpersonen im Brennpunkt dieser beiden Standpunkte sind die eigentlichen Expert*innen der Thematik. Langjährige Erfahrungen in der häuslichen Versorgung, in Gesundheits- und Krankheitsverläufen sowie den Phänomenen und Bedürfnissen sind auf Seiten der unterschiedlichen Leistungsanbietenden zur Bewältigung der häuslichen Pflege wie ein „Schatz“ vorhanden, den es zu heben gilt. Im Vergleich zur Betroffenen- und Expert*innenperspektive wurde der Sichtweise von Gesundheitsfachpersonen ambulanter Dienste bisher nur wenig Raum gewidmet. Welche Erfahrungen machen professionell pflegende und begleitende Berufsgruppen in diesem Kontext? Welche Priorisierung und Lösungsmöglichkeiten ergeben sich aus Sicht des professionellen Alltags in der tagtäglichen Auseinandersetzung mit sich ähnelnden Problemen häuslicher Versorgungssituationen?

Wie im Geleitwort dargestellt, ist es Ziel des vorliegenden Projekts, häusliche Krisen aus Sicht derer zu betrachten, die im Alltag mit diesen Problemen auf ganz praktischer Ebene zu kämpfen haben. Expert*innen des Alltags machen neben der Perspektive der Betroffenen und der Wissenschaft ihre ganz eigene Erfahrung, gewinnen ihre eigene Haltung und geben erfahrungsbasierte Empfehlungen im Umgang mit den oben skizzierten häuslichen Phänomenen, die nicht unerheblich davon abweichen. Aus diesem Grund war es das Anliegen dieser Arbeit, häusliche Krisen aus Sicht von professionell Pflegenden darzustellen und Möglichkeiten der Bewältigung zu erkunden. In dem vorliegenden Buch geht es somit nicht darum, häusliche Krisen aus Sicht der Wissenschaft oder von Fachexpert*innen her zu erklären und darstellen zu lassen, sondern das primäre Ziel war es, den Pflegenden eine Stimme zu geben und ihnen die Priorisierung häuslicher Krisen zuzugestehen. Mit diesem Anspruch sind wir an Pflegende herangetreten und haben sie als Wissensquelle genutzt, um aus Sicht der ambulanten Pflege für die professionell Pflegenden im ambulanten Bereich das Thema häusliche Krisensituationen zu explorieren.

Der Aufbau des Buchser Pflegeinventars für häusliche Krisensituationen BLiCK* folgt dem Prozess und der Logik des Vorgehens im Projekt. Jedes Kapitel stellt einen in sich abgeschlossenen Studien- und Analyseprozess dar. Im ersten Kapitel „Projekt BLiCK“ werden der Hintergrund des Projekts, das methodische Vorgehen, der Forschungsprozess und die Rahmenbedingungen dargestellt. Im zweiten Kapitel „Krisen in der Häuslichkeit“ wird die Annäherung an die Herausforderungen in der häuslichen Pflege beschrieben. Im dritten Kapitel „Häusliche Krisensituationen“ wird die Literaturstudie, die als Grundlage für die Ausarbeitung und Bearbeitung der Thematik durchgeführt wurde, präsentiert. Das vierte Kapitel „Bewertung häuslicher Krisen“ zeigt, wie aus Sicht der Pflegenden fünf Hauptkrisen identifiziert wurden und wie die Prioritätensetzung stattgefunden hat. Im folgenden fünften Kapitel „Hauptkrisen der häuslichen Pflege“ wird die Bewertung zu den fünf Hauptkrisen durch Pflegende dargestellt. Das zentrale sechste Kapitel „Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen“ präsentiert das Kriseninventar zu den fünf Hauptkrisen:

Terminal- und Finalphase der unterstützten PersonAuffinden einer Person in einer NotfallsituationEinsamkeit und soziale IsolationGrenzen pflegender AngehörigerBeziehungsgestaltung in häuslichen Pflegearrangements.

Es werden jeweils die Krisenanalyse, das Kriseninventar, die derzeitige Implementierung in der Praxis sowie das Vorgehen und Empfehlungen beschrieben. Das siebte Kapitel „Resümee und Schlussbetrachtung“ rundet das Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen ab.

Wir sind fest davon überzeugt, dass das vorliegende Buch als eine Art Werkzeugkasten (Inventar) den ambulanten Gesundheitsfachpersonen als Grundlage oder Ideenpool dienen kann, um häusliche Krisen professionell bewältigen zu helfen und um den primären Ort der Betreuung und Pflege sowie die vulnerable Gruppe von Sich-Kümmernden und Sorgenden in der häuslichen Pflege zu sichern. Das Buch ist nur durch die Hilfe von professionell Pflegenden zustande gekommen und repräsentiert in erster Linie die Sichtweise der Praxis, was insbesondere im sechsten Kapitel durch den narrativen Stil der Ausarbeitung der Expert*innenperspektive zum Ausdruck kommt. Mit diesem Buch verbinden wir den Wunsch, einen substanziellen Beitrag zur Hilfe, Weiterentwicklung und Ausgestaltung im Umgang mit häuslichen Krisen durch Professionelle zu leisten.

* Blick. Abkürzung für „Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen“

1 Projekt BLiCK: Eine Einführung

André Fringer, Mareike Hechinger, Sabrina Stängle und Veronika Waldboth

Dieses Kapitel führt in das Projekt Buchser Pflegeinventar für häusliche Krisensituationen BLiCK ein. Zu Beginn werden der Hintergrund und die Problemstellung beschrieben, welche zu diesem Projekt geführt und als Ausgangspunkt gedient haben. Das Projektziel und die Fragestellungen werden vorgestellt und anschließend das methodische Vorgehen präsentiert. Die letzten beiden Abschnitte sind dem ethischen Vorgehen sowie den Gütekriterien gewidmet, um den wissenschaftlichen Unterbau des Projekts offenzulegen.

1.1 Hintergrund und Problembeschreibung

Menschen, die mit chronischen Krankheiten, in lebensbedrohlichen Gesundheitszuständen, mit hoher Pflegebedürftigkeit und/oder in unterschiedlichen sozialen Abhängigkeiten leben, sind sowohl von formeller (professioneller, kostenpflichtiger) als auch informeller (nichtprofessioneller, unbezahlter) Pflege und Fürsorge abhängig (Fringer, 2011; Navaie-Waliser, Feldman, Gould, Levine, Kuerbis & Donelan, 2002; Waldrop, Kramer, Skretny, Milch & Finn, 2005). In der Häuslichkeit übernehmen häufig Angehörige die Betreuung und Pflege (informelle Pflege) und leisten damit einen wichtigen Beitrag innerhalb der Familie sowie für die Gesellschaft in der Versorgung von betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen (Aoun & Currow, 2005; Fromme, Drach, Tolle, Ebert, Miller, Perrin & Tilden, 2005; Hauser & Kramer, 2004). Der gesellschaftliche Wert häuslicher Pflege, der durch pflegende Angehörige in der Schweiz geleistet wird, ist bedeutend, er beträgt über 3 Millionen Franken (Rudin & Strub, 2014). Angehörige stellen damit eine überaus wichtige Ressource in der Versorgung von schwerkranken Personen dar (Bundesrat, 2014).

Definition: Pflegende Angehörige

Als pflegende Angehörige werden alle pflegenden und betreuenden Personen verstanden, die eine nahestehende Person bei sich zu Hause oder in einem anderen Haushalt unterstützen. Die Angehörigen müssen nicht zwangsläufig eine verwandtschaftliche Verbindung haben, sondern können auf der Grundlage von Verpflichtungen und/oder emotionaler Verbundenheit in einer Beziehung zueinander stehen. Zudem werden die Tätigkeiten nicht auf die Körperpflege reduziert, sondern berücksichtigen die Unterstützung in der Verrichtung alltäglicher Tätigkeiten wie der Haushaltsführung, die Pflege von Kontakten, die Fürsorge, die Unterstützung in der sozialen Teilhabe und die Koordination und Organisation von zusätz-licher Hilfe (Bozett, 1987; Wepf, Kaspar, Ott, Bischofberger & Leu, 2017).

Angesichts der demografischen Entwicklung und einer verbesserten Überlebensrate bei fortgeschrittener chronischer Erkrankung wird der Anteil Angehöriger, die aktiv in der Betreuung pflegebedürftiger Menschen notwendig sind, voraussichtlich weiter ansteigen (Hauser & Kramer, 2004; Rabow, Hauser & Adams, 2004).

Wenn ein Familienmitglied an einer chronischen und/oder unheilbaren Erkrankung leidet, so ist die ganze Familie von der Erkrankung betroffen (Fringer & Macleod, 2013a; Mehta, Cohen & Chan, 2009). Insbesondere im Verlauf der Erkrankungen können Krankheitsschübe und kritische Phasen in akute Ereignisse münden und zu seelischen Notlagen führen. Dann zeigt sich in der Familie ein Oszillieren zwischen unrealistischer Hoffnung und äußerster Hilflosigkeit (Penrod, Hupcey, Shipley, Loeb & Baney, 2012). In akuten und krisenhaften Ereignissen sind alle beteiligten Akteur*innen, jedoch insbesondere die Familienangehörigen, sehr vulnerabel und werden daher in der Literatur auch als hidden patientbezeichnet (Fringer & Macleod, 2013b; Kristjanson & Aoun, 2004). Krisen sind vielfältiger Natur und können zum Beispiel Einsamkeit, physische und krankheitsbedingte Ursachen, häusliche Gewalt und Verwahrlosung sowie Veränderungen im Familiensystem bedeuten (Fringer & Macleod, 2013a, b, c). Häufig sind die Gesundheitsfachpersonen, insbesondere Pflegende aus dem ambulanten Setting, die erste Anlaufstelle für Menschen, die häusliche Krisen erleben, und leisten damit im Gesundheitswesen einen zentralen und wichtigen Beitrag in der Bewältigung häuslicher Notlagen (Perrig-Chiello, Höpflinger & Schnegg, 2010).

Eine gute Patienten- und Angehörigenedukation seitens der Pflegenden ist wesentlich, um Krisen zu vermeiden und in Krisen zu helfen (Fringer, Baldegger, Kolbe & Brenner, 2014). Die Bewältigung häuslicher Krisensituationen gehört für Pflegende eines ambulanten Pflegedienstes zu den täglichen Aufgaben und Herausforderungen. Daher dient dieses Buch als Handreichung für Pflegende im ambulanten Setting, um sie für die Arbeit in häuslichen Krisensituationen vorzubereiten, sie in der Situation zu unterstützen und im Nachhinein diese aufzuarbeiten.

Definition: Unterstützte Person

Als unterstützte Personen werden alle Personen verstanden, die aufgrund physischer oder psychischer Erkrankung oder aufgrund von Hochaltrigkeit, auf die Unterstützung, Pflege und/oder Betreuung durch Angehörige und/oder Pflegende im Alltag angewiesen sind.

1.2 Projektziel und Fragestellungen

Das Hauptziel des Projekts war es, einen „Werkzeugkasten“ in Form eines Inventars für ambulante Pflegedienste zu entwickeln. Ein Inventar zum vorliegenden Themenbereich beinhaltet das Auffinden von Wissen, Krisenbeschreibungen und die Differenzierung von Krisenarten. Das Inventar soll einen professionellen Umgang mit häuslichen Krisensituationen für Pflegende im ambulanten Setting ermöglichen. Neben der Prävention häuslicher Krisen wurden konkrete Interventionen und Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Krisen erarbeitet und beschrieben. Darüber hinaus soll das Inventar die Pflegenden im ambulanten Pflegedienst bei der Entwicklung von Beratungskompetenzen unterstützen, die auf den Prinzipien der Patienten- und Familienedukation (Fringer, Baldegger, Kolbe & Brenner, 2014) beruhen. Damit werden zielgerichtete und angemessene Beratungsleistungen durch Pflegende im ambulanten Setting und insbesondere in Krisensituationen ermöglicht. Das Inventar umfasst neben der Bedarfsabklärung krisenhafter Ereignisse auch Empfehlungen zur Koordination der Pflege und Betreuung in komplexen Gesundheits- und Lebenssituationen. Folgende Fragestellungen wurden diesem Projekt zugrunde gelegt:

Welche Erfahrungen machen Pflegende in krisenhaften häuslichen Situationen? Was zeichnet diese Krisen aus und wie werden sie von den befragten Pflegenden definiert?Inwieweit können anhand der identifizierten Krisen Themenbereiche abgeleitet und zu Hauptkrisen verdichtet werden?Welche Empfehlungen machen Pflegende im Umgang und in der Bewältigung der Hauptkrisen? Welche Interventionen lassen sich für den professionellen Umgang mit Krisen identifizieren und zu einem Kriseninventar zusammensetzen?

1.3Methodisches Vorgehen

Zur Beantwortung der Fragestellungen und zur Entwicklung des Kriseninventars wurde ein methodisches Vorgehen im Stil eines explorativen sequenziellen Mixed-Methods-Designs (Creswell, 2017) gewählt, welches folgende Prozessschritte und Projektphasen beinhaltete:

Identifikation: Problemanalyse der Spitex Buchs mittels Fokusgruppeninterviews (s. Kap. 2)Exploration: integrative Literaturübersicht zu häuslichen Krisensituationen (s. Kap. 3)Explanation: Online-Befragung von Pflegenden mittels Fragebogen (s. Kap. 4)Explanation: Fokusgruppeninterviews mit der Spitex Buchs und der Spitex St.Gallen (s. Kap. 5)Konstruktion: Entwicklung des Kriseninventars mittels qualitativer Experteninterviews, eines Scoping-Reviews sowie einer Fragebogenerhebung (s. Kap. 6).

Definition: Spitex

In der Schweiz wird die ambulante Pflege „Spitex“ genannt. Da die Spitex Buchs in Aarau der Auftraggeber dieser Arbeit war, wird in diesem Buch an wenigen Stellen dieser Begriff verwendet, um den Auftraggeber entsprechend zu würdigen. Im österreichischen Kontext wird für die ambulante Pflege die Bezeichnung „extramurale Pflege“ verwendet. Für die Leserschaft haben wir uns auf den Begriff „ambulante Pflege“ geeinigt, da dieser im deutschsprachigen Kontext allgemein bekannt und überregional unabhängig ist.

Mit diesen fünf Schritten ist es möglich, einen Überblick über die vielfältigen häuslichen Krisensituationen aus Sicht der Spitex Buchs zu erhalten, die zentralen Krisen zu erfassen und sie somit auf ambulante Pflegedienste im deutschsprachigen Raum übertragbar zu machen. Im Folgenden werden die unterschiedlichen methodischen Vorgehensweisen näher erläutert.

1. Schritt – Problemanalyse der Spitex Buchs mittels Fokusgruppeninterviews

Als Einstieg und zur Identifikation häuslicher Krisensituationen wurde eine Problemanalyse mit den Mitarbeiter*innen der Spitex Buchs durchgeführt. Hierbei wurden die Sichtweisen, Erfahrungen und Haltungen der Pflegenden zu häuslichen Krisensituationen mithilfe von Fokusgruppeninterviews erfasst (Krueger & Casey, 2015).

Definition: Fokusgruppeninterview

In einem Fokusgruppeninterview diskutieren mehrere gezielt ausgewählte Personen zu einem bestimmten Thema oder einer Fragestellung mit zwei Forschenden. Während eine der forschenden Personen die Diskussion anhand eines Leitfadens moderiert, dokumentiert die andere Person den Interviewverlauf, die Wechsel der Sprecher*innen und die angesprochenen Themen (Krueger & Casey, 2015).

Dies war ein bedeutender und logischer Schritt, um Erfahrungen rund um häusliche Krisensituationen zu erhalten. In zwei Fokusgruppeninterviews wurden jeweils sieben Pflegende mit unterschiedlichen Qualifikationen zu ihren Krisenerfahrungen interviewt. In den Interviews wurden die Pflegenden durch eine Erzählaufforderung gebeten, über besonders belastende und herausfordernde Situationen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Pflegende im ambulanten Setting zu berichten. Im Verlauf des Interviews wurde auch auf die Reaktionsweisen der Pflegenden sowie mögliche Interventionen eingegangen und schließlich das Krisenverständnis erfragt. Die Interviews wurden digital aufgezeichnet und dauerten insgesamt 175 Minuten. Anschließend wurden die Interviews wörtlich transkribiert (verschriftlicht). Die Transkripte wurden dann mit offenem und axialem Kodieren – spezifische Analyseschritte zur Erkundung von Inhalten – analysiert (Saldaña, 2015). Durch dieses Vorgehen konnte eine detaillierte und tiefgehende Erschließung von Krisen erreicht werden. Durch die Analyse ergab sich eine erste thematische Zuordnung der genannten krisenhaften Situationen. Mit diesen Erkenntnissen wurde die erste Grundlage für die Entwicklung des Fragebogens in Schritt 3 gelegt.

2. Schritt – Integrative Literaturübersicht zu häuslichen Krisensituationen

In einem nächsten Schritt wurde die internationale Literatur über „Krisen in der Häuslichkeit“ studiert, um ein tiefergehendes Verständnis für häusliche Krisensituationen zu entwickeln und vorhandene Erkenntnisse zur Thematik zu nutzen. Hierfür wurde eine integrative Literaturübersicht durchgeführt. Die leitende Fragestellung lautete: Was kennzeichnet häusliche Krisensituationen für unterstützte Personen, pflegende Angehörige und Pflegende? Ziel war es, das vorhandene Verständnis von Krisen in der Häuslichkeit, deren Auslöser und Ursachen zu beschreiben sowie den Umgang mit der unterstützten Person, ihren Angehörigen und den Pflegenden mit der Krisensituation zu identifizieren.

Definition: Integrative Literaturübersicht

Eine integrative Literaturübersicht ist eine bestimmte methodische Vorgehensweise Literatur systematisch zu recherchieren und vorhandenes Wissen zu einem konkreten Thema oder einer spezifischen Fragestellung zusammenzustellen (Whittemore & Knafl, 2005).

Die integrative Literaturübersicht folgte dem methodischen Vorgehen nach Whittemore und Knafl (2005) und umfasste die Schritte: Identifikation des Themas, Literaturrecherche, Datenevaluation, Datenanalyse und Präsentation der Synthese. Für die Analyse und Synthese wurde ein qualitativer Ansatz genutzt. Zunächst wurden eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken CINAHL und MEDLINE sowie eine ergänzende freie Recherche im Internet durchgeführt. Die Suchbegriffe (deutsch und englisch) deckten drei Bereiche ab. Der erste Bereich umfasste unterschiedliche Begriffe zu den drei Personengruppen: „unterstützte Person“, „pflegende Angehörige“ und „Pflegende“. Der zweite Bereich beschrieb das häusliche Setting mit Begriffen wie „ambulante Pflege“, „mobile Pflege“ oder „häusliche Pflege“. Der dritte Bereich umfasste den krisenhaften Charakter der Situationen mit Begriffen wie „Krise“, „Notfall“, „Kollaps“, „Transition“, „Lebensereignis“ oder „kritischer Zwischenfall“. Zusätzlich wurden relevante Zeitschriften wie Home Healthcare Now durchsucht sowie die Referenzlisten relevanter Studien untersucht. Die eingeschlossenen Studien wurden schließlich induktiv mit offenem und axialem Kodieren analysiert, um einen explorativen Zugang zu den Daten zu gewährleisten (Saldaña, 2015).

3. Schritt – Online-Befragung von Pflegenden mittels Fragebogen

Basierend auf den Ergebnissen aus der Problemanalyse durch die Fokusgruppen (Schritt 1) und der integrativen Literaturübersicht (Schritt 2) wurde ein Fragebogen entwickelt. Dieser wurde als Online-Befragung (Groves et al., 2009) mit der Befragungssoftware der Firma Questback (EFS Survey 10.9) angelegt. Die Befragung beinhaltete neun Fragen und befasste sich maßgeblich mit folgenden Themenfeldern:

Krisenauswahl (zur Priorisierung der Krise für das Buchser Pflegeinventar)strukturelle Bedingungen (Umfeld und Cofaktoren von Krisen)Umgang mit Krisen (persönliche Erfahrungen)Krisendefinition (zur Festlegung eines gemeinsamen Krisenverständnisses).

Die Befragung wurde im Vorfeld von drei Pflegenden in einem Pretest auf Sinnhaftigkeit und Verständlichkeit überprüft. Nach Überarbeitung von Unklarheiten wurde der Fragebogen finalisiert und alle 18 Pflegende der Spitex Buchs wurden zur Teilnahme eingeladen. Insgesamt haben 13 Pflegende den Fragebogen beendet. Da das Ergebnis der Befragung die Innenperspektive der Spitex Buchs repräsentiert, wurde die Befragung mit Pflegenden der Spitex St.Gallen-Ost gegengeprüft. Insgesamt 43 Pflegende der Spitex St.Gallen-Ost haben an der Befragung teilgenommen. Der Vergleich mit der Spitex St.Gallen-Ost dient somit der externen Validität und der Priorisierung von häuslichen Krisen der Pflegenden der Spitex Buchs. Durch dieses Vorgehen wird gewährleistet, dass das Kriseninventar über die Spitex Buchs hinaus relevant ist und auch für andere ambulante Pflegedienste eine gute Grundlage sein kann. Basierend auf den bisher erhobenen Ergebnissen und der Priorisierung der Krisen durch die Pflegenden im Online-Fragebogen wurden fünf Hauptkrisen identifiziert, welche die Grundlage für den nächsten Schritt darstellen.

Definition: Pretest

Erprobung des Fragebogens durch wenige Personen, um herauszufinden, ob z.B. Fragen verständlich sind oder wie die Handhabung und der zeitliche Aufwand sind.

4. Schritt – Fokusgruppeninterviews mit der Spitex Buchs und der Spitex St.Gallen-Ost

Nach Identifikation der fünf Hauptkrisen in Schritt 3 wurden in einem weiteren Schritt Fokusgruppeninterviews durchgeführt, um die identifizierten Krisensituationen tiefergehend zu untersuchen. Hierfür wurden ebenfalls Fokusgruppen gebildet und die befragten Pflegenden gebeten, sich über die fünf Hauptkrisen auszutauschen und diese in der Gruppe zu diskutieren (Krueger & Casey, 2015). Insgesamt wurden vier Fokusgruppeninterviews mit 17 Pflegenden durchgeführt, davon zwei mit der Spitex Buchs und zwei mit der Spitex St.Gallen-Ost. In den Interviews hat der Moderator einen Interviewleitfaden verwendet, der die identifizierten fünf Krisenbereiche zum Gegenstand hatte. Innerhalb einer Krise wurde versucht, die Teilnehmenden mittels W-Fragen über verschiedene Aspekte zum Reflektieren anzuregen. Gefragt wurde zum Beispiel nach besonderen Herausforderungen, was die Pflegenden unterstützen könnte, welche Rolle die Angehörigen spielen oder wie sich die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsdienstleistenden gestaltet. Die Interviews wurden digital aufgezeichnet und dauerten insgesamt 255 Minuten. Im Anschluss daran wurden die Interviews wörtlich transkribiert. Die Analyse erfolgte anhand eines induktiven Vorgehens mit offenem und axialem Kodieren (Saldaña, 2015), um die Krisendimensionen möglichst explorativ zu erarbeiten.

5. Schritt – Entwicklung des Kriseninventars

Für die Entwicklung des Kriseninventars wurden in einem letzten Schritt drei Datenquellen verwendet: Interviews mit Expert*innen und Durchführung eines Scoping-Reviews sowie einer Online-Befragung von Pflegenden. Abschließend wurden alle Ergebnisse synthetisiert, das Kriseninventar wurde entwickelt und dazu Interventionsvignetten ausgearbeitet:

1) Nach der Identifikation der Hauptkrisen wurden gezielt acht Expert*innen interviewt, um bekannte und in der Praxis eingesetzte verwendete Instrumente zu erfassen und eine detaillierte Einschätzung der Krisen aus Sicht der Expert*innen zu identifizieren. Die Interviews erfolgten leitfadengestützt anhand der fünf identifizierten Krisen. Die Expert*innen beschrieben auf eine Erzählaufforderung hin die jeweilige Krise mit ihren Auslösern, Hintergründen, Problematiken und möglichen Interventionen. Mithilfe des Leitfadens wurden Nachfragen gestellt, um eine umfassende Betrachtung der einzelnen Krise zu ermöglichen und die Expert*innen zu Reflexionen über die Krisensituationen anzuregen. Die Interviews wurden im Anschluss wörtlich transkribiert und mit offenem, deskriptivem und axialem Kodieren analysiert. Insgesamt betrug die Interviewzeit knapp 500 Minuten.

2) Anschließend wurde in einer umfassenden Scoping-Literaturübersicht die nationale und internationale Literatur über Interventionen zur Unterstützung ambulant Pflegender recherchiert. Die leitende Fragestellung lautete: Welche Interventionen lassen sich für den professionellen Umgang mit den Krisen identifizieren und zu einem Kriseninventar zusammensetzen? Ziel war es, bereits verwendete Interventionen in den fünf Hauptkrisen zur Unterstützung der Pflegenden i