Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Der Internet Ermittler Mickey Parson, der sich auf die Beschaffung von Artefakten spezialisiert hat, bekommt den Auftrag, für einen reichen Kunden ein verschollenes Buch zu finden. Der letzte Besitzer, ein amerikanischer Anthropologe, wurde einige Tage zuvor tot in seiner Wohnung in Tulum in Mexiko aufgefunden. Parson soll die mysteriösen Umstände seines Todes aufklären und der Spur des Buches folgen. Seine Recherche führt ihn von Mexiko nach Salem, einer kleinen Stadt in Massachusetts, die für die Hexenverfolgungen im 17. Jahrhundert bekannt ist. Was hat ein Autoren-Zirkel, der sich auf Horror-Literatur spezialisiert hat, mit dem Toten in Mexiko und dem verschwundenen Buch zu tun? Schritt für Schritt enthüllt er die morbiden Pläne eines unheimlichen Netzwerks von Geheimgesellschaften.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 370
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Dies ist eine frei erfundene Geschichte. Alle Übereinstimmungen mit lebenden Menschen, existierenden Gruppen und Organisationen sind rein zufällig und unbeabsichtigt.
„Nun bin ich zum Tod geworden, dem Zerstörer derWelten.“
Bhagavadgîtâ
Kapitel 1
Kapitel 3
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Jener Tag, an dem sich Mickey Parsons Leben für immer veränderte, begann ganz harmlos. Wie jeden Morgen schritt er durch eine weiträumige Werkhalle. Sie hatte hohe Fenster und war durch Glaswände in ein kleines Labyrinth von Ateliers eingeteilt. Neonlampen warfen ihr Licht auf den versiegelten Parkettboden aus Bergahorn. Der Schall in den einzelnen Arbeitsbereichen wurde durch Zweifach-Verglasungen isoliert, damit man hier ungestört arbeiten konnte, ohne dass die großzügige Atmosphäre des Baus verloren ging. Sein Büro befand sich in einem ehemaligen Fabrikgebäude, das vor ein paar Jahren zu einem Dach für kreative Jungunternehmer umfunktioniert worden war. Parson verdiente seine Brötchen als Recherche-Dienstleister. Er hatte sein Studio gleich neben seinem Kollegen Nick Oswald. Dieser saß bereits geschäftig vor dem Bildschirm, als er zur Tür hereinkam. Wie gewöhnlich blickte er kurz auf und hob zur Begrüßung lässig die Hand. Parson winkte zurück und steuerte auf die Küche zu, um sich einen Espresso aus der Maschine einzuschenken. Er liebte ihn schwarz und leicht bitter. Mit der Tasse in der Hand setzte er sich an seinen Arbeitstisch und startete den Computer. Während das Betriebssystem heraufgefahren wurde, lehnte er sich in seinen Ledersessel zurück und überlegte, was heute auf dem Programm stand.
Vor drei Jahren hatte der mittlerweile dreißigjährige Parson seinen Traum verwirklicht und seine eigne Firma gegründet. Von Anfang an hatte er sich auf Nachforschungen im Bereich wertvoller Artefakte spezialisiert. Zu seiner Kundschaft gehörten sowohl Privatiers, die ihre Sammlung vervollständigen wollten, als auch Museumskuratoren, die eine Ausstellung organisierten. Sie nahmen ihn in Anspruch, wenn es darum ging Näheres über ein bestimmtes Kunstobjekt herauszufinden, oder wenn man nichts über seinen Verbleib wusste. Die Einnahmen aus vier bis fünf Aufträgen pro Monat reichten gut aus, um seinen Lebensstil zu finanzieren.
Während er an der Kaffeetasse nippte, wurde er plötzlich aus seinen Gedanken gerissen, als das Telefon klingelte. Er stellte die Tasse auf den Bürotisch und meldete sich:
„I-Research, Parson.“
Am anderen Ende der Leitung vernahm er eine kräftige Frauenstimme:
„Hier spricht Shriver. Ich bin die Privatsekretärin von Arnold Arkham und rufe Sie auf Empfehlung von Herrn Bendheim an. Er sagt, Sie hätten sich auf die Suche von verschollenen Wertsachen spezialisiert. Ihre Erfolgsquote soll sehr hoch sein.“
„Bis jetzt liegt sie bei hundert Prozent“, erwiderte Parson.
„Tatsächlich, Sie haben noch nie versagt?“, fragte sie leicht erstaunt.
„So ist es!“
„Dann sind Sie genau der Mann, den wir brauchen.“
„Ich schätze, Sie suchen sicher etwas Wertvolles. Worum geht es?“
„Darüber würde Herr Arkham gerne persönlich mit Ihnen sprechen. Hätten Sie vielleicht heute Nachmittag Zeit? Die Sache eilt.“
„Das ist ziemlich kurzfristig!“, wandte er ein.
„Oh, ich bin sicher Sie werden sich für dieses Treffen freimachen können“, insistierte die Dame, „Herr Arkham ist sehr großzügig und wird Ihr Entgegenkommen angemessen entschädigen.“
Parson überlegte kurz. Der Name Arkham sagte ihm nichts, aber Bendheim hatte ihn empfohlen. Es musste sich demnach um einen vermögenden Kunstsammler handeln. Solche Aufträge waren immer sehr einträglich.
„Einverstanden, in meinem Terminkalender habe ich noch eine Lücke entdeckt. Wäre Ihnen heute Nachmittag um zwei Uhr recht?“
„Ausgezeichnet, zwei Uhr passt!“, erwiderte Shriver erfreut.
„Und wo treffen wir uns?“
„Bei Ihnen im Büro“, sagte sie und bevor er reagieren konnte, hatte sie bereits aufgelegt. Nachdenklich blickte er seinen Hörer an. Wer dieser Arkham wohl sein mochte? Er gab er den Namen in die Suchmaschine ein und überflog die Ergebnisse.
„Seltsam“, dachte er, „da ist rein gar nichts über ihn zu finden. Wie ungewöhnlich für einen reichen Mäzenen!“
Da fiel ihm ein, dass er mit Esperanza zum Lunch verabredet war. Vielleicht wusste sie etwas über ihn. Bis dahin würde es aber noch einige Stunden dauern und die Frage brannte unter seinen Nägeln. Existierte Arkham wirklich, oder wollte ihn jemand auf die Schippe nehmen? Sein Verdacht verflüchtigte sich erst wieder, nachdem er mit Bendheims Sekretärin telefoniert hatte. Er war tatsächlich an Arkham weiterempfohlen worden. - Bendheim war für ihn ein seltener Glücksfall gewesen. Nachdem er in den Anfängen seines Unternehmens langweilige Routinearbeiten hatte erledigen müssen, bescherte er ihm jene Art von Aufträgen, die er herbei gesehnt hatte und die sich um seltene Kulturgegenstände drehten. Angefangen hatte alles mit der Suche nach einem verschollenen Vermeer, einem Gemälde aus dem Besitz der Familie Bendheim, welches während des Hitler-Regimes durch die Nazis verschleppt und 1998 durch die Washingtoner Erklärung auf die Liste der Raubkunst gesetzt worden war. Parson gelang es, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Sein Erfolg ebnete ihm den Weg zu einer zahlungskräftigen Kundschaft mit äußerst spannenden Recherchen. Dies alles ging ihm für einen Sekundenbruchteil durch den Kopf, während er sich an den Computer setzte, um mit seiner Arbeit zu beginnen.
Einige Stunden später betrat Parson eines seiner Stammlokale durch den Hintereingang. Das Speiserestaurant, in dem er sich zum Lunch verabredet hatte, befand sich im ersten Stock. Esperanza wartete bereits an einem der weiß gedeckten Tische auf ihn. Die Immobilienmaklerin wirkte trotz ihrer 38 Jahre immer noch sehr jung und attraktiv. Ihre schulterlangen, schwarzen Haare und ihre schlanke, wohlproportionierte Figur zogen manch heimlichen Blick auf sich. Parson begrüßte sie wie eine alte Bekannte, bevor er sich zu ihr an den Tisch setzte. Nachdem der Kellner die Bestellung aufgenommen hatte, fragte sie mit besorgter Miene:
„Wie geht es dir? Hast du die Trennung schon ein bisschen verarbeiten können?“
„Oh, keine Sorge, ich bin schon drüber hinweg.“
„Mach dir nichts vor. Drei Wochen sind zu kurz dafür. Du siehst immer noch ein bisschen mitgenommen aus.“
„Nein wirklich!“, meinte er mit einem breiten Lächeln, „das Leben ist zu kurz, um es mit Selbstmitleid zu verschwenden!“
Da kam der Kellner mit den Getränken. Parson nutzte die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln. Er machte ihr ein Kompliment über ihr neues Kleid und im Nu begannen sie ein harmloses Alltagsgespräch. Als nach einer Weile das Essen aufgetragen wurde, schien für Parson der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, um über seinen neusten Auftraggeber zu sprechen.
„Hast du schon mal von Arnold Arkham gehört?“
„Allerdings“, antwortete sie, „er gehört zu unseren besten Kunden. Vor einem Jahr hat er durch uns ein sehr teures Anwesen gekauft. Wieso fragst du?“
„Heute Morgen rief mich seine Privatsekretärin an.“
„Tatsächlich, und worum ging es?“
„Das wollte sie mir am Telefon nicht verraten. Ich weiß nur, dass ich Arkham heute Nachmittag treffen werde.“
„Oh, wie interessant, da wäre ich auch gerne dabei!“
„Wieso, was ist so besonders an dem Mann?“
„Ich bin einfach nur neugierig, wie er aussieht, das ist alles!“
„Hast du ihn noch nie gesehen?“
„Nein, niemand hat ihn bis jetzt zu Gesicht bekommen. Er lebt sehr zurückgezogen. Man weiß praktisch nichts über ihn. Und das, obwohl er ein Pharma-Imperium besitzt.“
„Wie kann es sein, dass man trotz des enormen Reichtums im Internet nichts über ihn findet?“
„Aus dem einfachen Grund, weil er nicht so heißt. Er benutzt den Namen zur Tarnung, um in der Öffentlichkeit inkognito zu bleiben.“
„Und wer ist er in Wirklichkeit?“
„Das weiß niemand, nicht einmal mein Chef.“
„Wie ist so etwas möglich?“
„Seine Privatsekretärin erledigt alle administrativen Angelegenheiten für ihn. Wir haben ausschließlich mit ihr verhandelt. Ich habe mich schon gefragt, ob sie vielleicht in Wirklichkeit Arkham ist und ihre wahre Identität hinter der Maske der Privatsekretärin versteckt hält.“
„Du meinst, er existiert gar nicht?“
„Wenn dann höchstens als Phantom. Er ist zumindest die meiste Zeit des Jahres unterwegs. Eine seiner Hausangestellten hat mir erzählt, dass er zwar ab und zu in dem Haus logiere, dass er aber ebenso ungesehen ankomme, wie abreise und sich jeweils in seinen Privatgemächern abschotte. Nur die Privatsekretärin dürfe zu ihm gehen.“
„Hat der Mann denn nie Hunger?“
„Doch, aber für das Essen ist sein Butler zuständig.“
„Dann gibt es also noch eine zweite Person, die Arkham nahe steht.“
„Richtig, der Butler, der Arkham überall hin begleitet. Ich zweifle allerdings daran, dass er ein echter Butler ist.“
„Wieso meinst du?“
„Er könnte ja auch Shrivers Geliebter sein.“
„Oder aber Arkham selbst!“, meinte Parson, während Esperanza nebenbei beobachtete, wie ihr Kellner mit einem Herrn im gediegenen Anzug sprach und dabei in seine Richtung blickte. Es war ein Asiate von mittlerer Statur mit Millimeter kurzen schwarzen Haaren und ebenmäßigen Gesichtszügen.
„Ich glaube, du bekommst Besuch von deinem Taekwondo-Trainer“, witzelte sie, als der Asiate zielstrebig auf die beiden zusteuerte. Parson schaute unauffällig über seine Schulter und entgegnete:
„Unmöglich, ich habe den Mann noch nie gesehen.“ Als der Unbekannte ihren Tisch erreicht hatte, fragte er höflich:
„Sind Sie Herr Parson?“
Er musterte ihn kurz, bevor er mit einem Kopfnicken antwortete.
„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie gerade störe. Herr Arkham schickt mich. Ich soll Sie zu ihm bringen“, sagte der Asiate.
Instinktiv schaute Parson auf seine Armbanduhr.
„Oh, bin ich vielleicht zu spät?“, fragte er.
„Keineswegs“, antwortete der Asiate, „Herr Arkham möchte ihnen nur ein wenig entgegen kommen.“
„Woher wissen Sie überhaupt, dass ich hier bin?“ fragte Parson und schielte dabei vielsagend zu Esperanza, die von dem, was sich abspielte, ziemlich beeindruckt schien.
„Herr Oswald, ihr Partner war so freundlich, uns mitzuteilen, wo sie sich aufhalten.“
„Oswald, klar, das hätte ich mir eigentlich denken können.“
„Wenn Sie mir nun bitte zum Wagen folgen wollen“, sagte der Asiate, indem er mit der offenen Hand zum Ausgang zeigte.
„Einen Moment bitte, ich muss noch die Rechnung begleichen“, warf Parson ein.
„Nicht nötig, Herr Arkham übernimmt die Kosten. Ich habe bereits für Sie bezahlt.“
Nachdem Parson sich von Esperanza küssend verabschiedet hatte, verließ er das Lokal mit dem Fremden wieder durch den Hinterausgang, der zur der Gasse führte, wo er seinen eigenen Wagen geparkt hatte. Mittlerweile hatte sich der Himmel ein wenig gelichtet und die Sonne schien gelegentlich hinter den Wolken hervor. Vor dem Lokal stand eine blitzblanke, aber sonst unauffällige Limousine. Es war ein deutsches Mittelklasse-Modell mit einem sechsstelligen Kennzeichen. Der Asiate hielt ihm die Hintertür auf, damit er einsteigen konnte. Parson bemerkte sogleich, wie wichtig Anonymität für Arkham sein musste. Es passte zu dem, was er von Esperanza über ihn erfahren hatte. Einzig der Chauffeur fiel aus dem Rahmen. Er sah zu gut aus, um nicht aufzufallen. Der schaute in den Rückspiegel und sagte:
„In der Konsole neben Ihnen ist eine Minibar eingebaut. Bitte bedienen Sie sich ungeniert!“
Parson öffnete ein Türchen, das mit Wurzelholz ausstaffiert war. Dort waren Fläschchen mit Whiskey, Brandy, Cognac und Calvados nebeneinander aufgereiht. Er genehmigte sich als Digestif einen Cognac und ließ die Landschaft an sich vorbei ziehen, während er zu Arkhams Anwesen gefahren wurde. Dabei stellt er sich vor, was er wohl tun würde, wenn er über einen solchen Reichtum wie Arkham verfügen würde. Kurz vor zwei Uhr bog die Karosse in eine Nebenstraße ein, passierte ein verziertes Gittertor und kam auf eine etwa fünfhundert Meter lange Allee mit Pappeln, die zu einem herrschaftlichen Haus führte. Es war ein zweistöckiger Bau aus dem 18. Jahrhundert mit konkav geschwungenem Walmdach. Der Fahrer parkte den Wagen auf dem römischen Kopfsteinpflaster des Vorplatzes. Als ihm der Asiate die Tür aufhielt und ihn höflich aufforderte, ihm ins Haus zu folgen, erhöhte sich Parsons Puls allmählich. Was würde ihn dort drin erwarten? Würde man ihn zu Frau Shriver bringen, die Esperanza für die wahre Erbin hielt, oder würde man ihm eine Posse vorspielen, um das Täuschungsmanöver aufrecht zu erhalten?
Bedachtsam schritt er hinter dem Asiaten her durch die prachtvollen Innenräume des Hauses, vorbei an unzähligen Kostbarkeiten, die hier als Einrichtung dienten. In einem Saal erspähte er einen antiken Tisch aus massivem Holz mit Stühlen aus der Gründerzeit des Gebäudes, in einem andern hing eine goldene Rokoko-Laterne. Die Wände waren geschmückt mit Gemäldeportraits in vergoldeten Rahmen. Über allem prangten Deckengemälde mit Motiven aus der griechischen Mythologie. Unbezahlbar waren vermutlich auch die reich verzierten Holzböden. Dergestalt durchquerten sie Raum für Raum bis der Asiate vor einer großen Holztür stehen blieb und eine Klingel betätigte. Eine Überwachungskamera war darüber installiert. Plötzlich wurde die Türe durch ein Surren im Schloss entriegelt.
„Bitte treten Sie ein, Herr Arkham ist nun bereit Sie zu empfangen“, sagte der Asiate, bevor er sich durch eine Seitentüre zurückzog.
Parson betätigte behutsam den goldenen Türgriff, um einzutreten. Dahinter verbarg sich ein großzügiger Lichthof mit Ziersäulen, in dessen Mitte eine bequeme Sitzgruppe stand. Die Lounge war in zarten Pastellfarben gehalten. Plötzlich tauchte eine Gestalt auf der gegenüberliegenden Seite auf. Als sie näher kam, erkannte Parson einen schlanken, kleinen Mann. Sein Alter war schwierig zu erraten, denn es musste irgendwo zwischen fünfundvierzig und fünfundfünfzig Jahren liegen. Ein gepflegter Vollbart und nach hinten gekämmte Haupthaare zierten seine sonst weichen und jugendlichen Gesichtszüge. Seine tiefblauen Augen übten eine seltsame Anziehungskraft auf ihn aus. Er war ganz leger gekleidet, als komme er gerade vom Golfplatz. Allein die dunklen Farbtöne der karierten Hosen und das schwarze Poloshirt passten nicht so ganz auf einen Sportrasen. Trotzdem strahlte er Eleganz und Würde aus. Mehr noch als durch den Tand, der ihn umgab, war Parson von Arkham selbst beeindruckt. Zweifellos musste er der sonderbare Erbe sein, den Esperanza beschrieben hatte. Allerdings sprach einiges für ihre Theorie, wonach er und seine Privatsekretärin dieselbe Person waren. Wenn man den Bart und die Augenbrauen wegdachte, hatte Arkham durchaus viel Weibliches an sich: Die kleine Statur, die femininen Gesichtszüge, die mandelförmigen Augen mit den langen Wimpern und die zierlichen Körperbewegungen beim Gehen. Inzwischen war Arkham, der die Halle durchquert hatte, bereits bei ihm angekommen. Gespannt wartete Parson darauf, dass sein Gastgeber den Mund auftat. Der begrüßte ihn mit einem leichten Händedruck und einer Tenorstimme, die sowohl zu einem Mann aber auch einer Frau gehören konnte. Ein Umstand, der Parson weiter an dessen wahrer Identität zweifeln ließ.
„Bevor wir zum Geschäftlichen kommen, genehmigen wir uns noch einen!“, sagte er, nahm eine Cognac-Flasche, die auf dem Tisch stand, schenkte die bernsteinfarbene Flüssigkeit in zwei Gläser und drückte ihm eines davon in die Hand.
„Cheers!“, rief er und hielt sein Glas für einen Toast leicht in die Höhe. Parson tat es ihm gleich und nahm danach einen leichten Schluck.
„Oh, der ist wirklich ausgezeichnet!“, glitt es ihm über die Lippen, was Arkham mit einem zustimmenden Lächeln aufnahm.
„Aber Sie haben mich wohl kaum dazu eingeladen, um Ihren Cognac zu loben“, fuhr Parson fort.
„Das haben Sie vollkommen Recht. Der Grund, wieso ich Sie hierher eingeladen habe, ist natürlich ein anderer“, antwortete er und bat ihn auf einem der Sofas Platz zu nehmen.
„Lassen Sie uns doch zur Sache kommen. Wie ich von Bendheim gehört habe, sind Sie sehr erfolgreich beim Auffinden von verschollenen Artefakten.“
Parson senkte seinen Kopf zustimmend.
„Wären Sie bereit einen Auftrag für mich zu übernehmen? Ich würde Sie fürstlich dafür entschädigen.“
„Klingt sehr interessant. Und was suchen Sie?“, erwiderte Parson.
„Ein sehr altes Buch. Bis vor kurzem war es noch im Besitz von Francis Parker, einem amerikanischen Anthropologen, der einen Forschungsauftrag an einem Institut in Mexiko City hatte. Er beschäftigte sich mit der Maya-Kultur und leitete zuletzt eine Grabung in der Nähe von Cancun. Vor wenigen Tagen fand man in tot in seiner Wohnung. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, was ich persönlich bezweifle. Ich suche jemanden, der nach Mexiko fliegt, um herauszufinden, wo das Buch jetzt ist.“
„Wäre es nicht ratsamer für Sie, einen Privatdetektiven anzuheuern?“, entgegnete Parson.
„Nein, ich brauche jemanden wie Sie, der sich mit Artefakten aber auch mit dem Internet bestens auskennt. Geld spielt dabei keine Rolle. Für Ihre Spesen bekommen Sie die Black-Card.“
„Die Black Card?“, wiederholte Parson überrascht, „das Buch muss Ihnen sehr viel bedeuten, allerdings bezweifle ich immer noch, dass ich der richtige Mann für diesen Job bin.“
„Doch der sind Sie! Ich habe einen treffsicheren Instinkt, wenn es darum geht, Menschen einzuschätzen. Deshalb bin ich auch bereit, so großzügig für Ihre Aufwendungen aufzukommen.“
„Zugegeben die Sache reizt mich, aber wenn ein Mord im Spiel ist, dann ist das eine Nummer zu groß für mich.“
„Das kauf ich Ihnen nicht ab! Bendheim hat mich darüber informiert, dass Sie Kampfsport betreiben. Im Militär haben Sie außerdem gelernt, wie man mit Waffen umgeht. Sie wissen sich daher in brenzligen Situationen zur Wehr zu setzen. Außerdem kann Ihnen ein solches Abenteuer in Ihrer Situation nur recht sein. Sowas bringt sie auf andere Gedanken.“
„Wie meinen Sie das?“
„Die Trennung von Ihrer Freundin…“
„Woher haben Sie das denn erfahren?!“
„Also, was ist, nehmen Sie den Auftrag an? Die Sache eilt. Je schneller Sie die Fährte aufnehmen können, umso besser.“
Parson zögerte noch kurz, meinte aber dann:
„Einverstanden, ich nehme an.“
Noch am gleichen Abend saß Parson in einer Maschine nach Cancun. Dank Arkhams Black-Card kam er erstmals in den Genuss erste Klasse zu fliegen. Während er mit Champagner bedient wurde, studierte er die Akten, die ihm Arkham ausgehändigt hatte. In seinem Handgepäck befand sich außerdem sein wichtigstes Arbeitsgerät, ein brandneues, hochwertiges Notebook. Aus den Unterlagen ging hervor, dass Francis T. Parker am Morgen des neunten Septembers tot in seiner Wohnung in Tulum aufgefunden wurde. Er soll an einer Überdosis Heroin gestorben sein. Obwohl kein Abschiedsbrief bei der Leiche war, vermutete die Polizei einen Suizid. Parson betrachtete, das Foto des Opfers, das dem Dossier beigelegt war. Es zeigte den fünfunddreißig jährigen Mann in einem hellgrauen Anzug und dunklem Binder. Sein weiches, fast weibliches Gesicht war völlig blass, so dass es krank wirkte. Die kurzen dunkelblonden Haare waren nach hinten frisiert. Einzig die markanten Augenbrauen und die runden Brillengläser mit feinem Rand verliehen ihm ein wenig Persönlichkeit. Er sah tatsächlich wie ein labiler Drogensüchtiger aus, was sowohl auf einen Unfall, als auch einen Selbstmord schließen ließ. Auch ein Mord lag im Bereich der Möglichkeiten, denn die Überdosis könnte ihm auch jemand anderes verpasst haben. Außerdem fehlte der Abschiedsbrief. Wurde Parker tatsächlich erledigt, weil sein Mörder hinter dem antiken Buch her war, wie Arkham dies behauptete? Gedanken versunken nickte Parson allmählich ein und wachte erst kurz vor der Landung wieder auf.
Nachdem er die Passkontrolle hinter sich gebracht und seinen Koffer bei der Gepäckförderanlage abgeholt hatte, begab er sich in die Empfangshalle zur Autovermietung, um den Schlüssel für seinen reservierten Wagen abzuholen. Die Formalitäten waren schnell erledigt, so dass er wenig später Richtung Stadt losbrausen konnte. Das amerikanische Kleinwagen-Modell war zum Glück mit einem Navigationsgerät ausgestattet, so dass er seine Unterkunft in der Innenstadt Cancuns problemlos finden konnte. Es war ein komfortables Hotel in der Nähe des Anthropologischen Museums. Als er sein Zimmer bezog, war es kurz vor zehn Uhr Ortszeit. Dank der bequemen Minisuiten in der First-Class hatte er den ganzen Flug schlafen können und war deshalb entsprechend ausgeruht. Voller Tatendrang überlegte er, was er als nächstes tun wollte. Als erstes musste er einen Übersetzer finden, der ihm bei seinen Ermittlungen behilflich sein konnte. Er zückte sein Notebook und gab die Begriffe „Cancun Übersetzer Deutsch“ in die Suchmaschine ein, aber es erschienen bloß Websites von Online-Wörterbücher. Sein zweiter Versuch, jemanden über ein Forum ausfindig zu machen, scheiterte mangels genügender Spanisch-Kenntnisse. Deshalb beschloss er kurzerhand einen kleinen Spaziergang zu machen und sich ein bisschen im Umkreis des Hotels umzusehen. Er befand sich mitten in einer bekannten Tourismusregion. Da bestand immerhin eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er sich auf Englisch verständigen konnte. Wenig später schlenderte er gemütlich die Kukulkan Straße entlang und steuerte auf einen modernen, Weißen Gebäudekomplex zu, dessen Frontalansicht an ein Käfer oder eine Schildkröte erinnerte. Das kam vermutlich daher, dass die pyramidale Kuppel des Haupttraktes, wie ein Panzer aussah, die Eingangssäulen und deren First wie Beine und die zwei Fenster darüber wie ein Paar Augen. Es war ein riesiges Kongress- und Kulturzentrum. Vor der fünfzig Meter breiten Eingangstreppe standen ein paar junge Mexikaner herum. Sie trugen grüne Poloshirts mit der Aufschrift „Cancun Center“. Einer aus ihrer Gruppe kam spontan auf ihn zu und fragte auf Englisch:
„Wollen Sie das Museum besichtigen? Ich kann Sie darin herumführen. Das kostet Sie nur eine Kleinigkeit und sie bekommen dafür wertvolle Informationen.“
Als Parson den Kopf schüttelte und weitergehen wollte, hielt er ihm den Badge entgegen, den er um den Hals trug.
„Warten Sie, Señor, ich habe einen Ausweis als Museumsführer. Sehen Sie diesen Stempel? Das ist eine offizielle Zulassung!“
„Tut mir leid ich suche keinen Tour-Guide“, entgegnete Parson, „ich suche einen Deutsch-Übersetzer.“ Er dachte, er hätte den Burschen bereits abgewimmelt, aber er ließ nicht locker und sagte:
„Sie haben Glück, Señor, ich kenne einen DeutschÜbersetzer. Geben sie mir einen Dollar und ich verrate Ihnen, wo Sie ihn finden.“
Dazu bleckte er seine Zähne. Parson musterte ihn und überlegte. Einen so kleinen Verlust konnte er verkraften, falls er ihn reingelegen wollte.
„Ok“, erwiderte er, „hier hast du einen Dollar und nun heraus mit der Sprache!“
Er nahm den Geldschein und winkte jemanden aus seiner Gruppe zu.
„Hey Pedro, komm mal her!“, sagte er auf Spanisch, um noch etwas von einem „Germanico“ hinzuzufügen. Da schritt ein etwa 23-jähriger Bursche bedächtig zu ihnen herüber. Wegen seiner unbekümmerten Art machte er auf Parson einen eher schlechten Eindruck. Das änderte sich schlagartig, als er seinen Mund auftat.
„Guten Tag, meine Name ist Pedro Montalban, ich habe gehört, Sie suchen einen Übersetzer?“, sagte er in einwandfreiem Deutsch.
„Wo haben Sie so gut Deutsch gelernt?“, fragte Parson überrascht.
„Ein bisschen hier, ein bisschen da, aber hauptsächlich an der Universität. Letztes Semester habe meinen Bachelor in deutscher Sprache gemacht.“
Parson musste sich zugestehen, dass sein erster Eindruck falsch gewesen war und beschloss, ihn als Übersetzer anzuheuern.
„Wären Sie bereit für hundert Dollar pro Tag für mich zu arbeiten. Sie müssten mich bei Gesprächen begleiten und für mich übersetzen. Wenn Sie gut arbeiten, erhöhe ich ihr Honorar“, sagte er. Pedro musste nicht lang überlegen. Die Bezahlung war mehr als gut und er hatte keine Festanstellung. Als Zeichen seines guten Willens händigte er ihm kurzweg einen Tagessold aus, um dann gleich mit der ersten Frage loszulegen:
„Was befindet sich eigentlich im Cancun Center?“
„Für Touristen ist eigentlich nur das Anthropologische Museum interessant. Natürlich ist auch die Innenarchitektur des Gebäudes sehenswert, aber nicht vergleichbar mit den über 1500 Jahre alten Kulturgegenständen der untergegangenen Maya-Kultur aus dem Gebiet der Yukatan-Halbinsel und vor allem der Region von Quintana-Roo…“.
„Gut, das reicht fürs erste“, unterbrach ihn Parson, „lassen wir das Cancun Center mal beiseite. Weißt du vielleicht, wo das hiesige Polizeirevier ist?“
„Meinen Sie die Tourismuspolizei?“
„Ich glaube eher nicht, denn es geht um einen Selbstmord, der in Tulum verübt wurde.“
„In dem Fall müssen wir zur Polizeistelle in Playa del Carmen fahren. Die sind für Tulum zuständig. Mit dem Auto ist es knapp eine Stunde bis dorthin. Brauchen Sie ein Taxi?“
„Nein“, erwiderte Parson, „das ist nicht nötig, ich habe einen Mietwagen!“
Er hatte gehofft, auf dem Weg zur Playa del Carmen die Sicht auf die berühmten Traumstrände der Riviera Maya genießen zu können. Davon war aber praktisch nichts zu sehen, denn die Carretera Federal 307 lag ein wenig ins Landesinnere zurück versetzt. Die Strandseite war größtenteils durch Hotelanlagen überbaut. Er musste sich mit den lokalen zwei- bis dreistöckigen Gebäuden zufrieden geben, welche die Fahrbahn säumten. Kein wirklich traumhafter Anblick. Wenigstens ging es immer nur geradeaus. Indessen musste er in Playa del Carmen, das Navigationsgerät zur Hilfe nehmen. Noch in den Siebziger Jahren lebten hier nicht mehr als zwei hundert Menschen, die meisten davon Fischer. Wegen des Fremdenverkehrs nahm aber in der Folgezeit die Bevölkerungszahl explosionsartig zu und wuchs auf über hundert tausend an. Die Polizeistation lag an der Estrada 28 de Julio, in entgegengesetzter Richtung zum Meer. Es war ein kubischer, weißer Klotz mit zwei riesigen Antennen auf dem Dach. Auf der Rückseite des Gebäudes stand ein Pickup-Wagen. Über dem Eingang war gelb auf Grün der Schriftzug „Policia“ zu lesen. Drei uniformierte Beamte befanden sich im Innern des Reviers. Ihr gemeinsames Merkmal war ihr schwarzer Lippenbart. Pedro erkundigte sich in der Landessprache nach dem Polizisten, der den Tod des Amerikaners in Tulum untersucht habe.
„Den amerikanischen Maricón meinst du“, sagte der Jüngste der Dreien mit einem süffisanten Lächeln. Und der Dienstälteste fragte: „Wieso willst du das wissen?“
„Dieser Gringo hier interessiert sich dafür.“
„Ist er vielleicht ein Journalist?“
Parson verstand seine Worte auch ohne Übersetzer. Ihm war sofort klar, dass man an einem Tourismusort wie diesem, schlechte Publicity vermeiden wollte. Deshalb ließ er sich durch Pedro als Archäologen ausgeben. Der Polizist nahm den Gringo kurz in Augenschein, bevor er erklärte:
„Wenn ihr etwas über den toten Amerikaner erfahren wollt, müsst ihr nach Tulum zur Policia Municipal fahren. Fragt nach Sargento Ramirez! Er kann euch weiterhelfen.“
Der Besuch bei der örtlichen Dienststelle hatte Parsons Vertrauen in die mexikanische Polizei nicht gerade gestärkt. Der Eindruck entsprach eher dem gängigen Bilde. Wenigstens hatte er von den Beamten einen Namen bekommen. Um nach Tulum zu gelangen, brauchte man eine weitere Dreiviertelstunde. Bedachtsam manövrierte Parson den Wagen aus der Stadt hinaus auf die Landstraße. Nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, fragte er Pedro, was der Polizist meinte, als er den Amerikaner als „Maricón“ bezeichnete.
„Das er schwul war“, antwortete er unverblümt.
„War das ernst gemeint, oder nur ein blöder Spruch?“, wollte Parson wissen.
„Wenn er das so gesagt hat, meinte er es wohl ernst. Es ist hier nicht üblich, Amerikaner ohne Grund als „Maricón“ zu bezeichnen.“
„In meinen Unterlagen steht nichts davon. Vielleicht wollte man ihn damit diskreditieren, um der Suizid-These mehr Gewicht zu geben“, mutmaßte er, während er wieder auf die Carretera Federal einbog.
Bald darauf schon erspähten sie das Wahrzeichen Tulums, die Überreste einer alten Kultstätte, die majestätisch auf einem Hügel über dem breiten Sandstrand thronten. Einige der Maya-Tempel waren direkt auf das Meer gerichtet. Ihnen und dem traumhaften Strand hatte der Ort seine Anziehungskraft für Touristen zu verdanken. Deswegen wimmelte es in dieser Gegend nur so von Hotels. Genug Arbeitsstellen um die Kleinstadt zu ernähren, welche sich daneben entwickelt hatte. Der örtliche Polizeiposten war ein exaktes Ebenbild des vorigen. Als sie den kleinen Block betraten, saßen zwei Dienst habenden Polizisten an ihren Computern und tippten emsig in die Tasten. Aus einem Radio knisterte der Polizeifunk, den die beiden mit einem Ohr mitverfolgten. Als sich Pedro zum Schalter wandte, stand einer der beiden auf und sagte:
„Ihr sucht den Sargento Ramirez, nicht wahr. Unsere Kollegen aus Playa del Carmen haben uns bereits über Funk benachrichtigt.“ Pedro nickte, um zu bestätigen, dass er richtig lag.
„Um diese Zeit werdet ihr ihn zu Hause finden. Hier ist seine Wohnadresse“, sagte der Polizist und erklärte ihm mit einigen Handgesten den Weg dorthin.
El Sargento Ramirez war ein Mitte-Fünfziger von rundlicher Statur. Als er Parson und Pedro an der Türpforte empfing und mit zusammen gekniffenen Augen musterte, war er immer noch unrasiert. Er trug über seinem bräunlichen Diensthemd Hosenträger, um seinen Beinkleider Halt zu geben. Die fettige Gesichtshaut gab ihm einen leicht unseriösen Anstrich. Parson spürte instinktiv, dass ein paar Dollarscheine seine Ermittlungen erleichtern würden.
„Was verschafft mir die Ehre?“ fragte der Sargento mit ernster Miene.
Nachdem Pedro seine Rolle als Übersetzer klargemacht hatte, schoss Parson sogleich los:
„Vor vier Tagen hat sich hier in Tulum ein Amerikaner umgebracht. Ich habe erfahren, dass Sie die Spurensicherung am Tatort geleitet haben und würde Ihnen gerne dazu ein paar Fragen stellen, wenn sie gestatten.“
Ramirez bleckte seine Zähne und entgegnete:
„So, wie Sie fragen, wette ich, dass Sie kein Archäologe sind. Kommen Sie, spielen wir mit offenen Karten, Señor?“
„Also gut, Sargento, Sie haben mich durchschaut, Sie haben recht, ich bin kein Archäologe“, antwortete er, „ich arbeite in Wirklichkeit für einen privaten Sammler. Parker hatte etwas in seinem Besitz, das meinen Klienten interessiert.“
Bei diesen Worten verfinsterte sich der Gesichtsausdruck des Sargento plötzlich.
„Falls es sich dabei um einen archäologischen Fund aus dieser Gegend handelt“, meinte er, „dann haben Sie Pech, der gehört dem mexikanischen Staat.“
„Keine Sorge, der Gegenstand, den ich beschaffen soll, stammt nicht aus Mexiko“, beruhigte Parson.
„Und was ist es dann?“, wollte Ramirez wissen.
„Wie gesagt, kein Maya-Artefakt. Vielleicht könnte ich Ihnen mehr verraten, wenn ich einen Blick in Ihren Bericht werfen dürfte“, entgegnete Parson bedeckt, denn er wollte sich nicht in die Karten blicken lassen. Dabei griff er sich an die Brusttasche, um zu signalisieren, dass er auch bereit war, dafür zu bezahlen. Ramirez verstand den Wink und sagte zu Pedro, er solle sie kurz alleine lassen. Dann zog er Parson ins Eingangskabinett seines Hauses, um ungestört den Preis auszuhandeln. Er zückte sogleich seine Brieftasche und holte zwei Hundert-Dollar-Scheine hervor, die er dem Polizisten unter vorgehaltener Hand überreichte. Als der abwartend seinen Blick senkte, sagte Parson:
„Für eine Kopie des Rapports würde ich Ihnen noch einen Schein dazu legen.“ Was Ramirez offenbar verstand, denn in gebrochenem Englisch bat er ihn, kurz zu warten. Daraufhin entfernte er sich für ein paar Minuten ins Innere des Hauses, um schließlich mit einem relativ dünnen Dossier zurückzukehren. Offenbar hatte er in seinem Büro auch eine Kopiermaschine. Nun musste Parson noch einen Hunderter mehr hinblättern.
„Ganz schön viel für ein paar Blätter!“, dachte Parson, als er das Schriftstück mit dem Titel „Informe policial sobre el suicidio de Francis T. Parker“ überprüfte. Zweifellos musste es der gewünschte Bericht sein. Aber war es auch das Geld wert? Er blätterte ihn kurz durch, um sich zu vergewissern, ob er Parkers Wohnadresse und die Resultate der Obduktion enthielt. Als er sah, dass beides vorhanden war, legte sich ein zufriedenes Lächeln legte sich über sein Gesicht.
Mit dem Polizeirapport unter dem Arm kehrte er zum Wagen zurück, wo Pedro im Schatten einer Palme auf ihn wartete. Zur Mittagszeit herrschte hier auch im September noch eine mörderische Hitze. Leider hatte er das Auto in der Sonne geparkt, so dass er zuerst ein paar Minuten die Kühlanlage laufen lassen musste, bevor sie ans Einsteigen denken konnten. Als nächstes wollte er sich die Wohnung des Toten vornehmen. Vielleicht würden sie dort eine Spur des verschwundenen Buches finden. Nachdem er die Adresse ins Navigationsgerät eingegeben hatte, nahmen sie Kurs auf Parkers Wohnung. Diese befand sich keine fünfzehn Minuten entfernt in einem ruhigen Quartier mit vielen Einfamilienhäusern. Parker hatte sich in einem zweistöckigen Gebäude eingemietet, welches von einer Steinmauer und einigen Bäumen umgeben war. Von der Straße aus konnte man nichts sehen. Deshalb bogen sie in die Einfahrt, die zum Vorhof des Hauses führte. Durch das Gittertor hindurch erspähten sie, dass der Eingang immer noch mit den gelb-schwarzen Markierungsstreifen der Polizei abgesperrt war.
„Ausgezeichnet“, sagte Parson, „dann ist der Tatort noch weitgehend unberührt“, und nachdem er einen kurzen Blick auf das Grundstück geworfen hatte, fügte er hinzu:
„Jetzt ist es aber noch zu früh. Die Nachbarn könnten uns sehen und die Polizei alarmieren. Besser wir kommen wieder in der Dunkelheit der Nacht zurück. Dann bleiben wir unbemerkt.“
„Das dauert noch einige Stunden. Was machen wir bis dahin?“, fragte Pedro matt.
„Am besten wir nehmen etwas zu uns“, antwortete Parson, der gemerkt hatte, dass sein Gehilfe sichtlich entkräftet war.
Ein paar Straßen weiter setzten sie sich in ein Restaurant und bestellten etwas zu essen. Ihre trockenen Lippen befeuchteten sie mit einem kühlen mexikanischen Bier. Das verleitete Pedro zu der neugierigen Frage, wonach sie eigentlich suchten. Aber Parson meinte nur, dass er dies noch früh genug erfahren werde. Stattdessen drückte er ihm den Bericht des Sargentos in die Hand und sagte, er solle mit der Übersetzung beginnen. Pedro ließ sich nicht lange bitten und setze sich unverzüglich daran, den Inhalt des Textes von der ersten Zeile an Satz für Satz in Deutsch wiederzugeben. Parson nahm alles, was er sagte, mit dem Diktiergerät seines Smartphones auf. So konnte er den Wortlaut später wieder abrufen. Er war angenehm überrascht, wie sachverständig der junge Mann seine Arbeit verrichtete. Die deutschen Sätze gingen ihm ziemlich flüssig über die Lippen, so dass er fast die ganze erste Seite geschafft hatte, als eine Pizza und ein Teller Spaghetti al Basilico aufgetischt wurden.
„Das ist 'mal etwas anderes als Tortillas und Tacos“, versuchte Pedro eine Konversation anzustoßen. Aber Parson nickte ihm nur zu, ohne den Smalltalk aufzunehmen. Ihm gingen ziemlich viele Gedanken durch den Kopf. Aus dem, was er bis jetzt aus dem Bericht erfahren hatte, war klar, dass die Polizei einen Mord vertuschte. Außer der Tatsache, dass Parker durch eine Überdosis Heroin gestorben war, gab es keine Indizien für einen Suizid. Vor allem fehlte der beweiskräftige Abschiedsbrief. Es gab keine Zeugenaussagen, welche bestätigten, dass er unter Depressionen litt. Es hätte ebenso ein Unfall sein können, was aber mit keiner Silbe erwähnt wurde. Ganz offensichtlich, wollte man den Fall schnell ad acta legen. Nach dem Essen genehmigten sie sich noch einen Tequila zur Stärkung. Danach musste Pedro eilends weiter übersetzen. Was im Rest des Berichts stand, konnte Parson kaum fassen. Parker wies laut Obduktion Würgemale am Hals auf und war mit einer glühenden Zigarette an den Hand-Innenflächen und den Armen malträtiert worden. Als Grund dafür gab Ramirez an, dass das Opfer in der Homo-Szene verkehrt habe, die für ihre harten Sexpraktiken bekannt sei. Nun wurde ihm klar, wieso man Parker als „Maricón“ betitelt hatte. Da stand außerdem noch, dass Parker vor der Todesnacht von seinem Geliebten Lucero Flores verlassen worden war, was als Motiv für seine Tat angesehen wurde. Dies habe Flores bei der Einvernahme zu Protokoll gegeben. Die Sachlage sei evident und eine weitere Untersuchung durch die Ermittlungsbehörde unnötig.
„Was für eine Farce!“, rief Parson aus, nachdem Pedro am Schluss angelangt war, „aber vielleicht kann mir Flores bei meiner Suche weiterhelfen. Wir werden ihn als nächstes ins Visier nehmen.“
Parson verlangte vom Kellner ein Telefonbuch von Tulum und wenig später verließen sie das Lokal mit seiner Adresse in den Händen.
Als sie an der Wohnungstüre klopften, war es bereits nach drei Uhr nachmittags. Es bedurfte mehrerer Versuche bis geöffnet wurde. Im Türrahmen stand ein schlanker Mittezwanziger, der allem Anschein nach aus dem Schlummer gerissen worden war, denn er war, bis auf ein Frottiertuch um die Hüften, nackt und seine Haare waren unfrisiert.
„Was wollen Sie?“ fragte er, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb.
„Hast du kurz Zeit? Dieser Señor möchte dir ein paar Fragen stellen“, sagte Pedro.
„Worum geht es?“
„Er sucht etwas, was sich im Besitz deines amerikanischen Freundes befunden hatte.“
Als Lucero begriffsstutzig tat, fügte er hinzu:
„Du weißt schon, der Amerikaner, der sich das Leben genommen hat.“
Da zückte Parson einen Fünfzig-Dollarschein und sagte:
„Das wird dein Gedächtnis vielleicht ein wenig auffrischen.“
Wie recht er hatte, denn im Angesicht des Geldes verstand Lucero plötzlich.
„Oh, Sie meinen wohl Mister Parker, wieso sagen Sie das nicht gleich!“
Er sprach sogar passabel Englisch. Das kam Parson recht, denn er wollte mit ihm unter vier Augen reden. Deshalb schickte er seinen Übersetzer außer Hörweite, drückte Flores den Geldschein in die Hand und fragte:
„Hast du bei Mister Parker ein antikes Buch gesehen? Oder hat er es vielleicht in deiner Gegenwart einmal erwähnt?“
„Da waren einige Bücher auf seinem Schreibtisch und überall verteilt, aber keines davon sah altertümlich aus.“
„Denk nach, hast du wirklich nichts bemerkt!“, insistierte Parson, doch Lucero schüttelte bloß den Kopf.
„Vielleicht bewahrte er das Buch an einem sicheren Ort auf.“
„Natürlich hat es im Haus einen eingebauten Safe. Es ist ja üblicherweise ein Feriendomizil für Touristen. Mister Parker hatte sich lediglich für längere Zeit eingemietet. Allerdings habe ich nie gesehen, was da drin war.“
„Aber du weißt, wo der Tresor ist!?“
„Ich glaube, er war in einem der Schränke im Schlafzimmer.“
Parson hatte genug erfahren. Er ließ den Nachtschwärmer weiterschlafen und zog sich gemeinsam mit seinem Gehilfen zurück. Es war immer noch zu früh, um heimlich in das Haus einzudringen. Deshalb beschloss er kurzerhand, den Nationalpark von Tulum zu besuchen. Seines Wissens hatte Parker dort auch Grabungen durchgeführt. Es würde sicher nicht schaden, wenn sie sich dort ein bisschen umsehen würden.
Gleich nachdem sie die bekannte Maya-Festung erreicht hatten, schickte er Pedro mit dem Auftrag los, unter den Aufsehern Informationen über den toten Anthropologen zu sammeln. Er selbst wollte in der Zwischenzeit die Überreste der Anlage besichtigen. Wie alle, die den Ort zum ersten Mal sahen, war auch er tief beeindruckt von der Schönheit der Ruinenstätte, die so malerisch über der Felsenküste zum Meer hin gelegen war. Kaum hatte er den Komplex durch ein Tor betreten, als ihm das Hauptgebäude ins Auge stach und ihn nicht mehr aus seinem Bann ließ, bis er es von Nahem betrachten konnte. Der Bau erinnerte deutlich an die Pyramide von Chichen Itza, mit dem Unterschied, dass sie nur auf der Vorderseite eine Schrägtreppe besaß. Diese war etwa fünf Meter breit und führte steil hinauf zum Säulenschrein, dem höchsten Punkt der ganzen Anlage. Das Gebäude war nach Osten ausgerichtet. Auf einer Tafel stand sein Name: „El Castillo“, was auf Deutsch die Burg bedeutet. Parson missfiel die Bezeichnung. Er fand für sich eine passendere, als er herausfand, dass der kleinere Bau daneben wegen einer Abbildung im Dachfries „Tempel des Herabsteigenden Gottes“ genannt wurde. Intuitiv spürte er, dass Parkers Suche mit diesen beiden Gebäude zusammenhing. Ein Weg führte um das „Castillo“ herum zur seiner Rückseite, von wo aus man einen fantastischen Blick auf die See hatte. Während er die Aussicht genoss und sich den Kopf darüber zerbrach, was dieser Ort mit dem Buch zu tun hatte, das er für Arkham finden musste, näherte sich die Sonne allmählich dem Meeres-Horizont. Eine frische Brise wehte ihm ins Gesicht, als Pedro von seiner Erkundungstour zurückkehrte.
„Hier haben Sie sich also versteckt“, scherzte er, „ich habe Sie schon eine Weile gesucht.“
„Und, was hast du herausgefunden?“
„Eine ganze Menge. Parker hatte anfänglich kleinere Probegrabungen in der Umgebung des „Castillo“ durchgeführt.“
Dabei zeigte er auf die Burg, die sich hinter ihnen befand. Parsons Vermutungen schienen sich zu bewahrheiten.
„Seit einigen Monaten habe er aber seine Bemühungen auf Cobà konzentriert, einer ausgedehnten Ruinenstätte der Maya, die vierzig Kilometer von der Küste entfernt im Landesinneren liegt und viel schlechter als Tulum erforscht ist. Er glaubte dort, eine wichtige Entdeckung zu machen. Da er nun tot ist, hat man seine Ausgrabungen abgebrochen. Offenbar hatte er niemanden in die Ziele und Ergebnisse seiner Forschungsarbeit eingeweiht, so dass diese auf der Strecke liegen blieb. Er habe ein halbes Dutzend einheimischer Burschen für sich buddeln lassen, die keine archäologischen Kenntnisse hatten. Tagelöhner mit rudimentärer Schulbildung, die er nur kurz anlernte. Die Aufseher, mit denen ich gesprochen habe, konnten mir keine Namen nennen, versprachen aber, mich anzurufen, falls sie jemanden von ihnen ausfindig machen sollten.“
„Gut gemacht“, lobte Parson, „jeder Hinweis könnte uns auf die richtige Fährte führen. Und wenn sie sich nicht melden, werden wir uns direkt in Cobà herumhorchen. Im Augenblick bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten und möglichst viele Hinweise zu sammeln.“
„Wann gedenken Sie nach Cobà zu fahren?“, fragte Pedro.
„Erst morgen. Für heute ist es dazu zu spät.“
„Dann wollen Sie heute noch nach Cancun zurückkehren?“
Parson überlegte kurz und antwortete:
„Ich glaube nicht. Es ist eine fast zweistündige Fahrt.“
„Und wir müssten morgen wieder hierher kommen, um nach Cobà zu gelangen“, gab Pedro zu Bedenken.
„Die Mühe sparen wir uns lieber. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn wir hier in Tulum übernachten. Dann können wir morgen zeitig nach Cobà gehen.“
„Kein Problem, wenn sie das Zimmer bezahlen“, sagte Pedro grinsend.
„Selbstverständlich! Das gehört zu den Spesen. - Am besten wir schauen uns jetzt gleich nach einer Unterkunft um, damit wir uns ein bisschen erholen können, bevor wir Parkers Wohnung unter die Lupe nehmen.“
Parson suchte nicht lange, sondern wählte das erstbeste Viersternehotel aus, welches auf der Hauptstraße des Städtchens lag. Auf den Strand konnte er verzichten, denn schließlich war er nicht hier um Urlaub zu machen, aber ein wenig Komfort musste trotzdem sein. Schnell waren zwei Zimmer gebucht und Parson gönnte beiden eine zweistündige Pause. Gleich nachdem er sein Zimmer bezogen hatte, nahm er eine erfrischende Dusche, um seine Haut vom Schweiß zu befreien. Die Hitze hatte ihren Tribut gefordert. Auch seine Klamotten waren ganz verschwitzt. Allerdings stand sein Koffer im Hotel in Cancun, so dass er wieder die gleichen Sachen anziehen musste. Dann schaltete er den Wasserkocher an und bereitete sich eine Tasse stärkenden Schwarztee zu. Dabei fiel sein Blick auf den Fernseher. Er konnte etwas Unterhaltung vertragen. Deshalb zappte er kurz durch die Sender, bis er bei den neusten Nachrichten landete. Im Dreißig-Sekunden-Takt flimmerten Bilder zu den Tagesthemen über den Bildschirm. Anhand der Überschriften und der gesprochenen Kommentare verstand er worum es ging:
Kriege im Mittleren Osten und Afrika, ein Terroranschlag in Asien, Unruhen und Aufstände in Südamerika, Ausschreitungen bei Protesten in Europa, eine Naturkatastrophe in Südostasien und dazu überall viele Tote und Verletzte. Es war die tägliche Portion Schrecken, die den Zuschauern vorgesetzt wurde, um ihre Schaulust zu befriedigen. Nach einer Weile fing ihn das Gerede der Moderatorin an zu langweilen. Deshalb knipste er den Apparat aus und legte sich noch ein wenig hin.
Um acht Uhr verließ Parson sein Zimmer und begab sich zum Empfang, wo er sich mit Pedro verabredet hatte. Als er die Lobby betrat, saß dieser bereits in einem der gemütlichen altrosafarbenen Sessel in der Nähe des Ausgangs. Aus einem nahe gelegenen Restaurant vernahm man die folkloristischen Klänge einer Mariachi-Gruppe. Pedro erhob sich sogleich und kam ihm entgegen.
„Ich habe Neuigkeiten, Señor! Ein Mann hat sich bei mir gemeldet, der behauptet, er habe einige interessante Informationen für Sie“, schoss er los. Parson nickte erfreut und erwiderte:
„Das tönt vielversprechend und wann können wir ihn treffen.“
„In einer halben Stunde, wenn sie das wünschen.“
„Gut, einverstanden, er soll ins Hotelrestaurant kommen. Wir werden dort in der Zwischenzeit eine Kleinigkeit zu uns nehmen.“
Pedro erledigte den entsprechenden Anruf und nachdem die Sache geregelt war, setzten sie sich an einen freien Tisch, um eine Mahlzeit zu bestellen.
Sie waren noch am Essen, als ein leicht untersetzter Mann um die Fünfzig herum in blauen Jeans und einem grün-rot-gelb gestreiften Hemd an sie heran trat. Wie scheinbar alle Mexikaner in seinem Alter hatte auch er einen Schnurrbart. Als er seinen kleinen Sombrero zur Begrüßung lüftete, kamen wider Erwarten graue Haare zum Vorschein. Er stellte sich als „Diego Zapatero“ vor und gab zu verstehen, dass er Englisch spreche. Parson erhob sich und bat ihn, sich an ihren Tisch zu setzen. Nachdem dieser Platz genommen hatte, fragte er:
„Was darf ich für Sie bestellen? Einen Tequila vielleicht?“
„Lieber einen Posh, bitte“, antwortete Zapatero. Überrascht hob Parson die Brauen.
„Einen Posh?“
„Oh, sie haben unseren Posh noch nicht versucht? Er wird aus „Panela“, dem Volkszucker Lateinamerikas, hergestellt und schmeckt ähnlich wie Rum.“
„Mexikanischer Rum also?“
„Wenn Sie so wollen.“
Da rief Parson den Kellner herbei und bestellte drei Posh, für sich und Pedro auch gleich einen. Eine Minute später standen drei volle Schnapsgläser auf ihrem Tisch.
„Salud!“, sagte Parson, indem er sein Glas hob. Seine Tischgenossen taten es ihm gleich und nachdem alle drei angestoßen hatten, wurde der Posh in einem Zug geleert.
„Na, wie schmeckt er Ihnen?“, fragte Zapatero, der beobachtete, wie er sein Gesicht verzog.
„Nicht schlecht“, antwortete Parson und ließ sich nicht anmerken, dass in seiner Kehle ein kleines Höllenfeuer brannte. Stattdessen lenkte er die Aufmerksamkeit auf den wahren Grund ihrer Zusammenkunft.
„Woher kennen Sie eigentlich Parker?“
„Oh, aus unserem Stammlokal. Wir haben dort regelmäßig gegen einander Schach gespielt. Gewöhnlich am Abend. So lernten wir uns kennen.“
„Haben Sie sich auch ab und zu mit ihm unterhalten?“
„Selten. Parker war ein ziemlich verschlossener Geselle.“
„Worüber haben Sie gesprochen? Erinnern Sie sich noch?“
„Nur belangloses Zeug. Mit einer Ausnahme!“ Bei diesen Worten wurde Parson hellhörig.
„Einmal erwähnte er einen uralten Text. – Er sagte, er handle von einer versunkenen Stadt, die tief unter dem Meer begraben liege. Ich glaube, er hat hier nach ihren Spuren gesucht.“
„Was wissen Sie über diesen Text?“, fragte er.
„Oh, eigentlich nichts, aber etwas anders dürfte Sie interessieren. Einen Tag bevor er tot aufgefunden wurde, habe ich ihn noch in unserm Stammlokal getroffen. Parker wirkte irgendwie verstört.“
„Aus welchem Grund?“
„Da saß ein Gringo mit einer Boxernase an einem andern Tisch, dem ein Finger an der linken Hand fehlte. Parker meinte, er würde ihn schon den ganzen Tag verfolgen. Er hielt ihn für einen Killer, den man auf ihn angesetzt hatte, um an sein Buch ranzukommen.“
Nun war Parsons Neugierde vollends geweckt.
„Haben Sie eine Ahnung, wo das Buch jetzt sein könnte?“, fragte er gespannt. Aber der Mexikaner zuckte bloß mit den Schultern.
„Nein, tut mir leid.“
„Wissen Sie vielleicht etwas über seine Ausgrabungen?“