Das einfache Leben - Ernst Wiechert - E-Book

Das einfache Leben E-Book

Ernst Wiechert

0,0

Beschreibung

Das einfache Leben ist ein Roman von Ernst Wiechert. Er schrieb dieses Buch unmittelbar nach seiner Haft im KZ Buchenwald im Sommer 1938, um sich die erlittenen Leiden "von der Seele zu wälzen". Erst nach dem Verfassen dieses Buches fühlte sich Wiechert in der Lage, seinen Bericht über die Leiden im KZ im Roman "Der Totenwald", niederzuschreiben. Für Wiechert was "Das einfache Leben" die Landkarte, die ihm (und auch den damaligen Lesern) den Weg in die Innere Emigration wies, um sich den Gräueln des Naziregimes zu entziehen –wenn schon nicht real so doch zumindest seelisch sollte die Flucht sein. Protagonist ist der Kapitän und Kriegsveteran Thomas von Orla, der seiner Familie und der Zivilisation den Rücken kehrt und sein Trauma aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges endlich zu vergessen sucht. Das Buch traf (natürlich) die Ablehnung durch Goebbels Propagandaministerium und wurde schließlich nur versehentlich veröffentlicht. Ernst Wiechert selbst nannte es "sein" Buch und "das einzige meiner Bücher vielleicht, das ganz mein war". Null Papier Verlag

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 526

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ernst Wiechert

Das einfache Leben

Ernst Wiechert

Das einfache Leben

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] EV: Langen & Müller, München, 1939 2. Auflage, ISBN 978-3-962817-90-9

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Zi­tat

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze

Klas­si­ker bei Null Pa­pier

Ali­ce im Wun­der­land

Anna Ka­re­ni­na

Der Graf von Mon­te Chri­sto

Die Schat­zin­sel

Ivan­hoe

Oli­ver Twist oder Der Weg ei­nes Für­sor­ge­zög­lings

Ro­bin­son Cru­soe

Das Got­tes­le­hen

Meis­ter­no­vel­len

Eine Weih­nachts­ge­schich­te

und wei­te­re …

Newslet­ter abon­nie­ren

Der Newslet­ter in­for­miert Sie über:

die Neu­er­schei­nun­gen aus dem Pro­gramm

Neu­ig­kei­ten über un­se­re Au­to­ren

Vi­deos, Lese- und Hör­pro­ben

at­trak­ti­ve Ge­winn­spie­le, Ak­tio­nen und vie­les mehr

htt­ps://null-pa­pier.de/newslet­ter

Zitat

Ein drit­tes Mal be­geg­ne­te Yen-Hui Kung-Fu-Tse und sag­te: »Ich kom­me wei­ter.«

»Wie das?« frag­te Kung-Fu-Tse.

»Ich bin al­les los­ge­wor­den«, ant­wor­te­te Yen-Hui.

»Al­les los­ge­wor­den!« sag­te Kung-Fu-Tse er­grif­fen. »Was meinst du da­mit?«

»Ich habe mich von mei­nem Kör­per frei ge­macht«, ant­wor­te­te Yen-Hui.

»Ich habe mei­ne Ge­dan­ken ent­las­sen. Da ich so Lei­bes und Geis­tes le­dig wur­de, bin ich eins mit dem All­durch­drin­gen­den ge­wor­den. Das ist es, was ich da­mit mei­ne, dass ich al­les los­ge­wor­den bin.«

Re­den und Gleich­nis­se des Tschuang-Tse

1

Nicht lan­ge nach dem großen Krie­ge stand um die Abend­zeit ei­nes Vor­früh­lings­ta­ges ein Mann an ei­nem der West­fens­ter sei­nes Hau­ses und hob, in Ge­dan­ken ver­lo­ren, den Blick von ei­nem al­ten und un­an­sehn­li­chen Buch, das er in den Hän­den hielt. Der große Abend­him­mel, wol­ken­los und von fer­nen Feu­ern bren­nend, er­füll­te durch das wei­te Fens­ter den gan­zen Raum mit röt­li­chem Licht. Die far­bi­gen Ein­bän­de in der Bü­cher­wand glüh­ten, die fremd­ar­ti­gen Waf­fen und Mas­ken in ei­nem seit­li­chen Schrank schim­mer­ten in ei­nem fast bö­sen Glanz, und der un­ter Qualm und Ne­bel feu­ern­de Kreu­zer auf dem ein­zi­gen Bil­de an der Wand schi­en, so be­glänzt, ge­ra­des­wegs in den flam­men­den Ab­grund ei­ner Göt­ter­däm­me­rung hin­ein­zu­stür­men.

Aber das ver­zau­bernds­te Licht sam­mel­te sich auf der ge­wölb­ten Flä­che des rie­si­gen Glo­bus, der auf ei­nem schwar­zen So­ckel frei vor der Mit­te der Bü­cher­rei­hen stand. Sei­ne Ge­bir­ge wa­ren mit brau­nen Er­he­bun­gen an­ge­deu­tet, sei­ne Ebe­nen wie Wie­sen ge­tönt, von dem Netz­werk der Stro­me durch­floch­ten, und sei­ne blau­en Mee­re schim­mer­ten nun pur­purn im Abend­licht.

Die Bli­cke des Man­nes, vom Lich­te ge­löst, wen­de­ten sich dem be­strahl­ten Ab­bild der Erd­ku­gel zu, wo die klei­nen In­sel­grup­pen wie Per­len im In­di­schen Ozean schwam­men und der Pik von Co­lom­bo einen spit­zen Schat­ten über die Flut zu wer­fen schi­en. Die Küs­ten der Mee­re wa­ren mit ei­nem fei­nen Glut­strich ge­gen die Fest­län­der ab­ge­setzt, und jen­seits des Hi­ma­la­ja, auf den gel­ben ti­be­ta­ni­schen Län­dern, schi­en schon eine schwei­gen­de Däm­me­rung auf frem­de Stern­bil­der zu war­ten.

Lan­ge blieb der Mann in die­ses Bild ver­sun­ken, bis es un­ter grün­li­chen und grau­en Schat­ten im­mer mat­ter wur­de, die Küs­ten ver­schwam­men, die Tä­ler sich ver­dun­kel­ten und es zu ei­ner blas­sen Schei­be er­losch, ei­nem fer­nen Gestir­ne gleich im Rau­me schwe­bend.

Nun, in der wach­sen­den Stil­le des Abends, hob das Brau­sen der ab­sei­ti­gen Haupt­stadt sich über die Gär­ten der Vor­städ­te und stand wie der Ton fer­ner Bran­dung, un­merk­lich stei­gend und fal­lend, über der Däm­me­rung. In den licht­grün ver­blass­ten Him­mel rag­ten die Stäm­me der Kie­fern, schwarz und un­be­wegt, über ei­ner fer­nen Stra­ße schim­mer­ten wei­ße Lam­pen auf, schnell und nach­ein­an­der, und wer lan­ge auf dem Mee­re ge­lebt hat­te, moch­te nun bei halb­ge­schlos­se­nen Au­gen leicht sich ein­bil­den, wie­der auf ei­ner Brücke zu ste­hen oder hin­ter den Fens­tern der Ka­jü­te,1 das lei­se Brau­sen des Schif­fes im Ohr, in­des die Lich­ter des Lan­des sich fern und laut­los ver­scho­ben, zu­rück­g­lit­ten und erstar­ben, hin­ab­ge­taucht hin­ter die Krüm­mung der Erde, und das Un­be­fah­re­ne vor dem Bug2 sich nun be­herr­schend er­hob.

Im letz­ten Licht nahm der Mann noch ein­mal das Buch vor die Au­gen, als woll­te er sich ei­ner be­stimm­ten Stel­le ver­ge­wis­sern, dass sie auch noch da­ste­he, nicht mit­ge­löscht von der Däm­me­rung der Welt. Dann ließ er es sin­ken und blick­te hin­aus, die lin­ke Schlä­fe an den Vor­hang des Fens­ters ge­legt. Sein Ge­sicht über dem dunklen Rock emp­fing nun das letz­te Abend­licht. Schat­ten sam­mel­ten sich un­ter der Stirn und in den tie­fen Fal­ten, die von den Na­sen­flü­geln zum Mun­de lie­fen, und so war das Ge­sicht nun nicht un­ähn­lich ei­nem ver­klei­ner­ten und ver­schmä­ler­ten Ab­bil­de je­ner Erde, die vor den Bü­cher­rei­hen schweb­te, de­ren Tä­ler im Schat­ten ver­dun­kel­ten und de­ren Um­ris­se sich ver­lo­ren, so­dass nur ein mat­ter Schein an der Stel­le des Ge­gen­ständ­li­chen blieb.

Spä­ter, als die Tür sich plötz­lich öff­ne­te und das Licht des Flu­res fast grau­sam in den schwei­gen­den Raum hin­ein­brach, ließ der Mann sich Zeit, das Ge­sicht nach der im Tür­rah­men Ste­hen­den zu wen­den, und be­vor er sie er­blick­te, tra­ten zu­erst die we­ni­gen nun er­hell­ten Din­ge des Rau­mes in sein Be­wusst­sein: das Bild des Kreu­zers an der Wand, der nun. wie im Licht ei­nes Schein­wer­fers, im­mer noch aus den Pan­zer­tür­men sei­ne düs­ter­ro­ten Sal­ven schoss, eine schma­le Bü­cher­säu­le, die scharf be­grenz­te Bahn ei­nes ro­ten Tep­pichs und eine schma­le Kan­te des Glo­bus, die wie eine Si­chel leuch­te­te.

Dann erst sah er die Frau, die im Abend­kleid auf der Schwel­le stand und den blo­ßen Arm nach dem Licht­schal­ter aus­streck­te.

»Lass das!« sag­te er scharf.

Sie hielt in der Be­we­gung inne, ohne den Arm sin­ken zu las­sen, und auch wenn sie nicht im Licht ge­stan­den hät­te, wür­de er ge­wusst ha­ben, dass sie lä­chel­te, nicht ohne Spott, aber auch nicht ohne Scho­nung.

»Träumt man wie­der?« frag­te sie.

»›Man‹ hat ge­le­sen«, er­wi­der­te er, trat an den Schreib­tisch und leg­te das ge­öff­ne­te Buch sorg­fäl­tig auf die lee­re Plat­te. »In ei­nem Psalm, in dem man seit der Kon­fir­ma­ti­on nicht mehr ge­le­sen hat­te, und dort hat man den Vers ge­fun­den: ›Wir brin­gen un­se­re Jah­re zu wie ein Ge­schwätz.‹ Dar­über hat man nach­ge­dacht.«

»Hel­den und Den­ker«, sag­te sie mit ih­rer tie­fen Stim­me, »das ist uns nun üb­rig­ge­blie­ben aus dem Krie­ge …«

Es habe Zeit­al­ter ge­ge­ben, mein­te der Mann, die auf einen sol­chen Be­sitz sehr stolz ge­we­sen sei­en.

Ja, aber eben Zeit­al­ter … nun je­doch, nach die­sen furcht­ba­ren Jah­ren, wol­le man we­der kämp­fen noch den­ken, son­dern eben le­ben, nichts als le­ben.

Auch die Tie­re woll­ten das, und zwar das al­lein.

Ja, das sei eben das Schö­ne und Ge­sun­de an ih­nen. Sie lä­sen we­der Psal­men noch starr­ten sie in die Abend­däm­merung.

»Manch­mal«, sag­te er, in­dem er auf die be­leuch­te­te Kan­te des Glo­bus starr­te, »ver­ste­he ich nun die ganz ein­fa­chen, ganz pri­mi­ti­ven Män­ner, die ab und zu die Lust an­kommt, ihre Frau­en zu schla­gen …«

Sie lach­te, ganz hei­ter und sorg­los, und un­ter ih­rer Hand brach nun doch ohne War­nung das wei­ße Licht aus der Kup­pel un­ter der De­cke her­aus. »Das muss ich se­hen«, sag­te sie, »den Mann, den die­se Lust eben an­ge­kom­men ist.«

»Ich habe nicht von mir ge­spro­chen«, er­wi­der­te er und sah sie über den Raum hin­weg fins­ter an. Ihre Ge­stalt war schmä­ler ge­wor­den in die­sen dump­fen Jah­ren, ihre Züge schär­fer, ihre Au­gen glän­zen­der. Nur ihr Kin­der­mund war der glei­che ge­blie­ben, trotz der leuch­ten­den Far­be, die sie nun auf­trug, klein, mit weh­mü­tig ge­neig­ten Win­keln, und nie­mals wuss­te er, ob sie im Zorn oder im Wei­nen er­be­ben wür­den.

Sei­ne Ge­dan­ken gin­gen zu­rück zu der Zeit ih­rer ers­ten Lie­be, und er be­griff, wie viel der Krieg ih­nen al­len ge­raubt hat­te. »Geh nun«, sag­te er freund­lich, »es führt ja doch zu nichts …«

Ihre Hand mit den fun­keln­den Rin­gen strich an den ro­ten Ein­bän­den ne­ben der Tür her­un­ter. »Es soll­te ja auch nur dazu füh­ren«, ant­wor­te­te sie, »dass du dich recht­zei­tig um­ziehst. Sie kom­men in ei­ner hal­b­en Stun­de, und du weißt, dass auch der Ad­mi­ral zu­ge­sagt hat. Es könn­te viel­leicht doch nicht ohne Wich­tig­keit für dich sein … er hat sehr viel Ein­fluss.«

Nun ging er doch quer durch den Raum bis zur Schwel­le und lösch­te das Licht. Dann fass­te er sie sanft bei den Ar­men, dreh­te sie um und schob sie in den Flur. Ihre küh­le Haut war ihm fast so fremd wie die ei­ner To­ten. »Set­ze dei­nen Nel­son auf mei­nen Glo­bus«, sag­te er, »und dann kniet vor ihm nie­der und be­tet ihn an, ihn und sei­ne Ein­flüs­se. Mich aber ekelt vor al­len die­sen Ge­s­pens­tern, ver­stehst du? Wer das Spiel ver­lo­ren hat, soll es zu­ge­ben, wie ich es zu­ge­be, und nicht be­haup­ten, be­teu­ern und be­schwö­ren, dass falsch ge­spielt wor­den sei.«

»Ach, Tho­mas«, sag­te sie und lä­chel­te über die Schul­ter zu­rück, »was bist du doch für ein un­vor­stell­ba­rer Narr …«

Er schloss die Tür, aber der Raum war nun nicht mehr der­sel­be. Eine Stra­ßen­lam­pe warf ihr un­ru­hi­ges Licht hin­ein, und der Schat­ten des Glo­bus lag als ein schwar­zer Kreis auf den Bü­cher­wän­den. »So ist es«, mur­mel­te er, »eine dunkle Erde, aber sie be­leuch­ten sie mit ih­ren Ei­tel­kei­ten … wer eine Schlacht ver­lo­ren hat, soll­te schweig­sam wer­den, und wir alle ha­ben mehr ver­lo­ren als eine Schlacht.«

Er lausch­te auf das Klir­ren von Glä­sern und Be­ste­cken in ei­nem fer­nen Raum. Dann trat er vor­sich­tig in den Flur, nahm Man­tel und Hut und öff­ne­te lei­se die Tür zum Kin­der­zim­mer. Die Schwes­ter saß auf dem Bett­rand und ver­such­te, ein klei­nes Holz­schiff un­ter der De­cke her­vor­zu­zie­hen. Aber die klei­nen Hän­de des Jun­gen hiel­ten es am an­de­ren Ende fest.

Bei­de Ge­sich­ter wen­de­ten sich ihm zu, das er­rö­ten­de der Schwes­ter und das zor­ni­ge des Kin­des. Er blieb ste­hen und be­trach­te­te es schwei­gend. Ja, es war sein Ge­sicht. Noch ein­mal wie­der­holt aus ei­ner Un­sum­me von Mög­lich­kei­ten. Lei­se ab­ge­wan­delt, fes­ter in der Stirn, här­ter in den Lip­pen, aber doch wie­der­holt. Sein Ge­sicht und nicht das an­de­re. Die Zu­kunft, das ein­zig aus dem Krie­ge Ge­ret­te­te.

»Was ist, Joa­chim?« frag­te er, noch im­mer ernst.

Die Schwes­ter öff­ne­te die Lip­pen, aber schon hat­te eine klei­ne, brau­ne, zer­schramm­te Hand sich über sie ge­legt. »Schwes­ter Bea­te sagt«, rief die hel­le Stim­me, »dass man mit ei­nem Kriegs­schiff nicht schla­fen geht, und ich habe ge­sagt, dass der Sohn ei­nes Ka­pi­täns mit zwan­zig Kriegs­schif­fen schla­fen ge­hen kann. Sag ihr, dass das recht ist, Va­ter!«

Tho­mas trat ans Bett und griff nach dem plum­pen Spiel­zeug. Die feind­li­chen Hän­de lie­ßen ge­hor­sam los, und er hob es vor die Au­gen wie vor­her das alte Buch. »Der Sohn ei­nes Ka­pi­täns kann in ei­nem Kriegs­schiff schla­fen, Joa­chim, oder auch un­ter ei­nem Kriegs­schiff, aber mit ei­nem Kriegs­schiff schla­fen, glau­be ich, nur klei­ne Mäd­chen, die es für eine Pup­pe hal­ten. Ein Jun­ge stellt sein Schiff auf den Schrank, dort, wo die Mor­gen­son­ne es trifft, und wenn er auf­wacht, dann steht es da und ruft ihn zu sei­nem Dienst, nicht wahr?«

Er sah, wie die Haut über der jun­gen Stirn sich fal­te­te in der An­stren­gung, je­des Wort zu ver­ste­hen, und er wen­de­te sich mit dem klei­nen Schiff in der Hand zum Spiel­zeug­schrank, um sei­ne Be­we­gung zu ver­ber­gen. Man hat­te im Krie­ge sel­ten Kin­der ge­se­hen.

»Du bist der klügs­te Mann auf die­ser Erde, Va­ter«, sag­te Joa­chim tief auf­at­mend, mit zwei­fel­lo­ser Si­cher­heit.

»Nicht ganz, Joa­chim, aber we­nigs­tens nicht der dümms­te … und jetzt wird ge­schla­fen, nicht wahr?«

»All­right, Va­ter. Lu­ken dicht und ge­pennt … sagt man so?«

»Ja, so sagt man.«

»Und wo­hin gehst du jetzt, Va­ter? Bleibst du nicht, wenn der Ad­mi­ral kommt?«

»Nein, ich habe vie­le Ad­mi­ra­le in mei­nem Le­ben ge­se­hen. Ich muss jetzt et­was su­chen ge­hen.«

»Was willst du su­chen?«

»Das wirst du spä­ter se­hen. Erst wenn man ge­fun­den hat, soll man sa­gen, was man ge­sucht hat. Ge­be­tet?«

»Ja, Herr Ka­pi­tän«, sag­te die Schwes­ter und zog die De­cke zu­recht.

Sei­ne Ge­dan­ken gin­gen schon wie­der fort. »Spä­ter, Schwes­ter«, sag­te er, »kön­nen Sie den Psalm mit ihm be­ten, in dem der Vers steht: ›Wir brin­gen un­se­re Jah­re zu wie ein Ge­schwätz.‹ Das ist ein gu­tes Ge­bet … ich habe es erst heu­te ge­fun­den …«

Ihre Au­gen, die ihn an­sa­hen, füll­ten sich lang­sam mit Trä­nen, aber er stand schon an der Tür und wink­te mit der Hand. »Wis­sen Sie, dass es eine Grab­schrift auf Ihren Na­men gibt, Schwes­ter Bea­te?« frag­te er. »Hö­ren Sie zu:

›Hier ru­het, die Bea­te hei­ßen soll­te, und lie­ber sein als hei­ßen woll­te.‹

Ja, von Les­sing so­gar. Ich habe es neu­lich ge­fun­den … ›und lie­ber sein als hei­ßen woll­te …‹ Nun gute Nacht und schlaft wohl!«

Er lä­chel­te sein zer­streu­tes Lä­cheln und schloss lei­se die Tür hin­ter sich.

Drau­ßen blieb er eine Wei­le un­ter den Kie­fern des Vor­gar­tens ste­hen und sah zu den ers­ten Ster­nen auf. Im­mer noch war er auf dem Meer und such­te die lei­ten­den Bil­der über dem Ho­ri­zont. Ein Un­glück, dass sie schon zu An­fang des Krie­ges in die­se Stadt ge­zo­gen war, aber der Ha­fen war ihr ver­hasst ge­we­sen, von An­fang an. Sie hat­te das Meer nie­mals ge­liebt, die großen Win­de, das streng in den Rah­men des Diens­tes ge­spann­te Le­ben. Sie hat­te sei­ne Uni­form ge­liebt und ih­ren Traum, dass er in jun­gen Jah­ren Flot­ten­chef wer­den wür­de.

Er ging nun schon die Stra­ße zur Un­ter­grund­bahn ent­lang. Nein, so war es doch wohl nicht ge­recht … Lie­be war ge­we­sen, aber ohne Prü­fung und Leid, das war es. Sie alle hat­ten das Le­ben ja ge­nom­men wie Früch­te von ei­nem gu­ten Baum. Der lie­be Gott hat­te ihn in ih­ren Gar­ten ge­stellt, und sie pflück­ten und aßen. Wehe dem, der zu sa­gen wag­te, dass sie es nicht ver­dien­ten! Und doch ver­dien­ten sie es nicht, kei­ner von ih­nen. Der Aus­gang hat­te es be­wie­sen und auch das, wie sie es nun hin­nah­men. Ohne Wür­de, und wer ohne Wür­de ist, ist ohne Wert.

Man muss fort, dach­te er, wie aus ei­ner Pest­stadt. Sie wird nicht mit­ge­hen, aber ich muss fort. Ich will nicht ei­ner die­ser »un­be­sieg­ten Hel­den« wer­den. Ich weiß, bei Gott, wie be­siegt ich bin, mehr als sie ah­nen … nur das Kind, das Kind …

Er stand schon in dem küh­len Tun­nel und starr­te auf die Fahr­kar­te in sei­ner Hand. Ein un­ge­heu­rer Preis war quer über das brau­ne Blatt ge­druckt … wo­her nahm sie all das Geld? Für das Haus, die Mäd­chen, die Schwes­ter? »Es ist ei­nes Of­fi­ziers un­wür­dig, an der Bör­se zu spie­len.« Hieß es nicht so? Aber sie spiel­te si­cher­lich Tag und Nacht. Nicht nur Ad­mi­ra­le wa­ren un­ter ih­ren Gäs­ten. Die al­ten Göt­ter stürz­ten, Stun­de für Stun­de. Ein un­vor­stell­ba­rer Narr, das war er si­cher­lich.

Und wes­halb war­te­te er nur auf einen die­ser Züge? Auf die­se don­nern­den Un­ge­tü­me mit ih­rem grel­len Licht, ih­rer ver­brauch­ten Luft und den ver­wüs­te­ten Ge­sich­tern, die ge­ra­de­aus ins Lee­re starr­ten? Wes­halb war­te­te er fast je­den Abend auf sie, um ziel­los und sinn­los durch die­se Stadt zu fah­ren, die er hass­te? Stun­de für Stun­de, kreuz und quer? Mit der Stadt­bahn, dem Au­to­bus, der Stra­ßen­bahn? Durch die Elends­vier­tel und die Pa­läs­te (aber sie wa­ren elen­der als jene), die Au­gen von Ge­sicht zu Ge­sicht wen­dend, als such­ten sie et­was schreck­lich Ver­lo­re­nes? Konn­te er nicht mehr er­tra­gen, al­lein zu sein, oder tat er es ge­ra­de, um al­lein zu sein, hoff­nungs­los al­lein un­ter Ver­fluch­ten und Ver­lo­re­nen? Die an­de­ren kauf­ten Rausch­gif­te; an dunklen Stra­ßen­e­cken, fins­te­ren Tor­we­gen konn­te man sie ha­ben. Und er fuhr und fuhr, stieg aus und fuhr wie­der wei­ter, be­rausch­ter als sie alle, aber doch mit der eis­kal­ten Angst im Her­zen, es könn­te ihm ent­ge­hen, es könn­te nicht ge­fun­den wer­den, was er such­te: ein Ge­sicht, eine Er­kennt­nis, der Frie­de … er wuss­te es nicht.

»Nun, auch das wird ein Ende ha­ben«, sag­te er laut. Er sprach nun manch­mal mit sich selbst.

Er hat­te nicht auf das be­leuch­te­te Schild ge­se­hen und wuss­te nun nicht, wo­hin der Zug ihn führ­te. Er woll­te es auch nicht wis­sen. Er saß in sei­ner Ecke, sau­ber und ge­ra­de, und ließ wie im­mer die Bli­cke von Ge­sicht zu Ge­sicht wan­dern. Man­che wa­ren ihm nun längst be­kannt: der Mann mit dem Holz­bein und den Schnür­sen­keln, der nach­her an der großen Kir­che stand; die Schau­spie­le­rin, die zu ih­rer Vor­stel­lung fuhr und aus de­ren er­lo­sche­nem Ge­sicht zu le­sen war, dass sie an die­sem Abend zum hun­derts­ten- oder zwei­hun­derts­ten Mal die­sel­be Rol­le spiel­te; das Fa­brik­mäd­chen mit der ro­ten Schlei­fe und die alte Ex­zel­lenz, an der al­les lei­se und un­auf­hör­lich zit­ter­te au­ßer dem Mo­no­kel, das wie vor ei­nem To­ten­au­ge schim­mer­te.

Die Tü­ren wur­den ge­öff­net und wie­der zu­ge­schla­gen, wie Fal­len, die sich hin­ter Ge­fan­ge­nen schlos­sen. Dann heul­te der Mo­tor auf, und die un­ter­ir­di­schen Lam­pen zo­gen wie ein zer­ris­se­nes Band vor­über. Mit­un­ter hob sich der Zug, Schäch­te und Fens­ter spran­gen aus ver­wit­ter­ten Haus­wän­den, und der Fet­zen ei­ner Licht­re­kla­me schoss wie auf der Flucht die Dä­cher hin­auf. Dann don­ner­ten wie­der die Tun­nel­wän­de, Kel­ler­luft ström­te durch die halb ge­öff­ne­ten Fens­ter, und wei­ße Ge­sich­ter er­schie­nen an den Schei­ben, wie tote Fi­sche hin­ter Glas­wän­den, von un­sicht­ba­ren Strö­mun­gen auf und ab ge­trie­ben.

Mit­un­ter sah Tho­mas eine Ma­tro­sen­uni­form, ins Bür­ger­li­che ver­wahr­lost ab­ge­wan­delt, und er be­trach­te­te sie aus halb­ge­schlos­se­nen Au­gen. Den em­pö­re­ri­schen Tri­umph in dem Ge­sicht dar­über, auf des­sen Grun­de doch auch nur das Ver­las­sen­sein haus­te, die Sehn­sucht, zu vie­len sol­chen Ge­sich­tern zu fin­den, zu ei­ner schutz­ge­ben­den Mas­se, in der es un­ter­tau­chen konn­te, ge­bor­gen in der Na­men­lo­sig­keit.

Nun wa­ren sie schon aus­ge­stie­gen, zu ih­rer Ar­beit oder der blo­ßen Fül­lung lee­rer Stun­den: der Mann mit dem Holz­bein, die Schau­spie­le­rin, die Ex­zel­lenz. Der Zug braus­te dem Nor­den zu, und an­de­re Ge­sich­ter tauch­ten auf, ver­härm­te, ver­dor­be­ne, ver­wüs­te­te. Es war, als schlin­ge der Zug die Ern­te der letz­ten Jah­re in sich hin­ein, zu dür­ren Gar­ben has­tig ge­bun­den: Müt­ter, die vor sich hin wie auf Grä­ber starr­ten, auf ein­ge­sun­ke­ne und ver­fal­le­ne Kreu­ze; Kin­der, die für eine ge­stoh­le­ne Stun­de beim Hass oder beim Las­ter zu Gast ge­we­sen wa­ren; Frem­de, die auf schmut­zi­ge Blät­ter un­le­ser­li­che Zei­chen mal­ten; und Krüp­pel, vie­le Krüp­pel, die Blut­zeu­gen der großen Op­fe­rung, die stumpf oder voll Hass auf die Ge­sun­den blick­ten; de­nen man ge­sagt hat­te, dass sie Hel­den sei­en, und die in den Bli­cken der an­de­ren nun zu le­sen glaub­ten, dass man sie für arme Nar­ren hielt, ein un­be­que­mes Heer, das nun mit­zu­schlep­pen war auf dem Wege zu ei­nem neu­en Ziel.

Tho­mas schloss die Au­gen. Er war ge­sund, auf­recht, gut ge­klei­det. Er war wie ein Mann in ei­nem To­ten­saal, der auf­ste­hen und da­von­ge­hen konn­te, in­des die an­de­ren sich hass­voll auf ih­rem La­ger krümm­ten und mit halb ver­wes­ten Glie­dern ihn fest­zu­hal­ten such­ten. Alle hat­ten zu ster­ben oder kei­ner von ih­nen. Nie­mand hat­te reich zu sein, und wer ge­sund war, war ein Räu­ber.

»Der Herr hat ein Ren­dez­vous?« frag­te ein Mann, der ihm ge­gen­über­saß. Die Haut über sei­nem ver­zehr­ten Ge­sicht war so dünn ge­spannt wie über ei­nem Draht­ge­stell, und Tho­mas dach­te, dass es einen hel­len Ton ge­ben müss­te, wenn der Fin­ger des To­des an­poch­te bei ihm. Aber der Klang der Fra­ge war böse, hohn­voll und von dem Hass des Ge­schla­ge­nen er­füllt.

»Ja, mit dem En­gel«, sag­te Tho­mas schnell.

Der Blick des an­de­ren ver­wirr­te sich und lief die Fens­ter­rei­he ent­lang, über der in läp­pi­schen Ver­sen die Un­fall­war­nun­gen stan­den. Dann kehr­te er lang­sam zu­rück. »Es gibt kei­ne En­gel mehr«, sag­te er, und sei­ne Stim­me war nun müde und hoff­nungs­los.

Die Brem­sen setz­ten ein, und Tho­mas stand auf. »Doch«, sag­te er im Vor­bei­ge­hen, »es gibt noch En­gel … nur ha­ben sie eine Rüs­tung an …«

»Ver­schüt­tet ge­we­sen«, mur­melt eine Stim­me, als Tho­mas aus­stieg.

Er bog in eine der Ne­ben­stra­ßen ein, die wie ein un­end­li­cher Schacht in eine fer­ne Wüs­te zu lau­fen schi­en. Ein grün­li­cher Mond hing über den Dä­chern, frag­wür­dig wie al­les Licht in die­ser Stadt. Die Trit­te der Men­schen hall­ten an den Wän­den em­por, und man hör­te die­je­ni­gen her­aus, die noch auf Holz­soh­len gin­gen. Das Licht hin­ter den Fens­tern war trü­be, und wenn ein Tor­weg sich auf die Hinter­hö­fe öff­ne­te, weh­te es dumpf her­aus wie von ei­nem Fried­hof, auf dem die Krän­ze welk­ten. Gram­mo­pho­ne kreisch­ten aus der Fer­ne, er­stickt wie un­ter nas­sen Tü­chern, und ganz weit vor ihm, hoch über un­sicht­ba­ren Dä­chern, ras­te ein zer­ris­se­ner Kreis, bald grün, bald rot er­strah­lend, um sei­ne Ach­se. Er sah aus wie ein ver­stüm­mel­tes Si­gnal aus der Unend­lich­keit.

Die Hän­de in den Ta­schen, den Hut zu­rück­ge­scho­ben, ging Tho­mas die Stra­ße hin­un­ter. Die­se und die nächs­te und wie­der die nächs­te. Plät­ze leuch­te­ten auf und blie­ben zu­rück, Gär­ten hin­ter brö­ckeln­den Mau­ern, ein Schie­nen­strang, ein Au­to­bus, der wie ein feu­ri­ger Dra­che in ei­ner Höh­le ver­schwand. Er lieb­te es, so zu ge­hen. Er hat­te nicht Freu­de dar­an. Er war nur wie ein Schiff vor dem Win­de. Fünf Jah­re wa­ren ver­tan. Der Krieg war die Pro­be ge­we­sen, und er hat­te nicht be­stan­den. Vie­le hat­ten nicht be­stan­den, aber das trös­te­te ihn nicht. Nur, er woll­te von Neu­em an­fan­gen, und das un­ter­schied ihn von vie­len. Er wuss­te noch nicht, wo es be­gin­nen wür­de, aber er hoff­te, ihm zu be­geg­nen. Hier viel­leicht, und wenn nicht hier, dann an ei­ner an­de­ren Stel­le. Er wuss­te, dass an­de­re stu­dier­ten oder in ei­ner Bank ar­bei­te­ten oder in ei­ner Fa­brik. Aber das woll­te er nicht, weil es kein neu­er An­fang war. Sie hat­ten ihn über Bord ge­wor­fen, als er nach der Flag­ge ge­fasst hat­te. Das Meer war über ihm zu­sam­men­ge­schla­gen, und er war nur durch ein Wun­der ge­ret­tet wor­den. Der En­gel hat­te ihn an­ge­blickt und war wei­ter­ge­gan­gen, aber er wür­de ihm wie­der be­geg­nen. Vi­el­leicht an der nächs­ten Stra­ßen­e­cke, wo das wei­ße Schild über dem Bür­ger­steig leuch­te­te. Vi­el­leicht vor der Erd­ku­gel, die vor sei­nen Bü­chern stand, viel­leicht erst im An­ge­sicht des To­des. Aber er wür­de ihm be­geg­nen.

Er sah an den mat­ten Ster­nen, dass er nach Os­ten ging, und er merk­te es an dem Ge­sicht der Stadt. Här­ter als in den an­de­ren Vier­teln hat­te der Krieg hier re­giert. Die Häu­ser wa­ren wie vom Aus­satz zer­fres­sen, die Fens­ter er­blin­det, die Ge­sich­ter ver­wüs­tet, und was aus den Tor­we­gen sich auf die Stra­ße schlich, hat­te fah­le Stir­nen und einen lei­sen Schritt, wie über ver­las­se­nen Schlacht­fel­dern. Mäd­chen spra­chen ihn an und folg­ten ihm eine Wei­le, und es war ihm, als könn­te man durch ihre Au­gen hin­durch­se­hen ins Bo­den­lo­se. Sel­ten emp­fing er ein bö­ses oder ro­hes Wort, und auch dies klang nur wie hin­ter ei­ner zu­ge­schla­ge­nen Tür. Er fürch­te­te sich nicht, denn er be­saß nichts. Er war so al­lein wie die­se Aus­ge­sto­ße­nen aus Kel­lern und Hinter­hö­fen, und was sie ihm zum Be­sitz rech­ne­ten, war ihm so schal, wie ih­nen die Luft, die sie at­me­ten.

Er woll­te sie we­der prü­fen noch be­keh­ren. Er woll­te nur eine Welt er­fah­ren, die er nicht kann­te. Was sie in sei­nem Hau­se hin­ter den dunklen Vor­hän­gen spra­chen und dach­ten und be­gehr­ten, kann­te er al­les. We­der Brot noch Wein wür­de ihm dar­aus wach­sen. Aber dies hier kann­te er nicht, und er woll­te al­les ken­nen, die gan­ze Erde, wie sie rund und schwei­gend vor sei­ner Bü­cher­wand schweb­te. Ge­fecht und Schlacht, Tod und Zer­stö­rung, das konn­te nicht al­les sein. Ir­gend­wo schleif­ten die zer­ris­se­nen Zü­gel die­ses Wa­gens über die Erde, und so lan­ge muss­te man ge­hen, bis sie über einen hin­weg­feg­ten und man ver­su­chen konn­te, ein Stück zu er­grei­fen. Den Sinn muss­te man zu fin­den su­chen; nicht das Gan­ze, die Lö­sung, das Letz­te, aber ein Stück­chen Sinn, den Schim­mer ei­nes Pla­nes, und dann woll­te man in Got­tes Na­men noch ein­mal an­fan­gen.

Der Weg führ­te über eine Brücke, die sich hoch und weit über Schie­nen­strän­ge spann­te. Im Os­ten er­lo­schen die Lich­ter all­mäh­lich in der Nacht, und er sah die Fern­zü­ge hin­ein­brau­sen in die schwei­gen­de Schwär­ze, die schon über Äckern und Wäl­dern stand. Im Wes­ten aber scho­ben die Si­gna­le sich dicht zu­sam­men, wei­ße, rote und grü­ne Lich­ter, wie in ei­ner Ha­fen­ein­fahrt. Ein lei­ser Wind ging über sei­ne Hän­de, die auf dem kal­ten Ei­sen des Ge­län­ders la­gen, und es war nun al­les wie­der wie vor frem­den Küs­ten, mit halb­ge­lösch­ten Feu­ern, wo man nach trü­ge­ri­schen Licht­sek­to­ren steu­er­te und der Tod, schwei­gend, aber wach­sam, un­ter den Ster­nen hing.

Dann saß er auf dem Ver­deck ei­nes Au­to­bus. Die Licht­re­kla­men wur­den zahl­rei­cher, wil­der und ge­hetz­ter, die Stra­ßen be­leb­ten sich, Por­tiers stan­den wie Kö­ni­ge in Mar­mor­ein­gän­gen, und über die Köp­fe der Men­ge ho­ben sich far­bi­ge Arme mit Zei­tun­gen, und hei­se­re Stim­men schri­en die Ern­te des Ta­ges aus, die Kur­se, die Mor­de, die Streiks, die Re­vo­lu­tio­nen.

Tho­mas stieg aus und ließ sich trei­ben. Die Men­ge schluck­te ihn auf wie der Strom einen Trop­fen. Krüp­pel kau­er­ten an den Git­tern der Vor­gär­ten, und ihre ein­tö­ni­gen Ver­se fie­len wie stump­fe Mes­ser in die Men­ge. Geld klirr­te, und die meis­ten Hän­de fuh­ren schnell zu­rück, als hät­ten sie sich los­ge­kauft von dem stei­ner­nen Ant­litz des Krie­ges, das im­mer noch über die Dä­cher hin­un­ter­starr­te. Die brei­ten Hüte der Heils­ar­mee tauch­ten ab und zu aus licht­über­flu­te­ten Ein­gän­gen auf, und die Ge­sich­ter dar­un­ter blick­ten still und wie ent­rückt, als hät­ten sie schon auf der Schwel­le Hohn oder Mit­leid ab­ge­streift, die sie dort in­nen emp­fan­gen hat­ten.

Ei­nen Au­gen­blick lang lä­chel­te Tho­mas, als ihm der Ge­dan­ke kam, was sie für Ge­sich­ter ma­chen wür­den, wenn er zu Hau­se als Of­fi­zier die­ser Heil­s­trup­pe er­schei­nen wür­de. Tho­mas, der Leut­nant Got­tes. Gott war fort­ge­gan­gen, aber die Pro­phe­ten ka­men. Aus al­len Kel­ler­höh­len stie­gen sie em­por, auf den Tri­bü­nen ho­ben sie die nack­ten, ver­zehr­ten Arme, in den Par­la­men­ten be­schwo­ren sie das Reich der Lie­be, aus den Ster­nen ris­sen sie Weis­heit und Schick­sal: aber der En­gel war fort, der ein­zi­ge, der die Lose trug und wuss­te.

Ein Po­li­zist mit wei­ßen Hand­schu­hen sperr­te die Kreu­zung. Je­mand rief Tho­mas an, und er trat un­lus­tig an den hal­ten­den Wa­gen. Ein Ka­me­rad von sei­nem letz­ten Schiff, und er rück­te zur Sei­te, um ihm Platz zu ma­chen. Aber Tho­mas schüt­tel­te den Kopf. Nein, eine Bar sei nichts für ihn, er wol­le noch in der fri­schen Luft blei­ben. Was er denn trei­be? O … nichts … er war­te. Der an­de­re lä­chel­te: »Soll­test zu mir auf die Bank kom­men, Tho­mas«, sag­te er. »Geld wird dort ver­dient, sage ich dir, und das Gan­ze ist so wie ein Nacht­ge­fecht. Du weißt nie, wie du her­aus­kommst, aber wenn du her­aus­kommst, hat es ge­lohnt. Soll ich dir einen Tipp ge­ben, Tho­mas? Macht mehr aus als dei­ne Pen­si­on für ein Jahr!«

Nein, auch da­für dank­te Tho­mas. Die Stra­ße wur­de frei, und der Wa­gen fuhr lang­sam an. »Mach’s gut, Tho­mas! Bis zum nächs­ten Or­log …«

Eine Wei­le blick­te er dem Wa­gen nach, dann bog er die nächs­te Stra­ße zur Stadt­bahn ein. Ihn ver­lang­te plötz­lich, den Strom zu se­hen, dunkles Was­ser, in dem die Mas­ten sich spie­gel­ten und über dem die Ster­ne stan­den. Nein, der Er­folg konn­te nicht das Letz­te sein. Auch Spie­ler hat­ten Er­folg, aber ihr Le­ben ging nicht in die Bü­cher ein, aus de­nen Kin­der ler­nen, wie man le­ben soll. Ein gu­ter Of­fi­zier war je­ner ge­we­sen und ein gu­ter Ka­me­rad, aber wenn man die Uni­form aus­zog, muss­te man wohl mehr sein als dies. Das Le­ben ver­lang­te mehr, als ein Kriegs­schiff ver­langt. Un­ge­wiss­heit über­fiel ihn wie­der, und im Au­gen­blick dach­te er, dass es gut sein müss­te, Adres­sen zu schrei­ben oder Pa­ke­te aus­zu­tra­gen, ir­gen­det­was, das das Blut in den Fin­gern be­we­gen wür­de. Es gab kei­ne Fei­er­jah­re für jun­ge Hän­de.

Er blieb an ei­nem Blu­men­la­den ste­hen und starr­te auf die Glä­ser mit Treib­h­aus­flie­der. Wenn ich ge­schos­sen hät­te, grü­bel­te er, so wür­den sie mich er­schla­gen ha­ben und al­les wür­de gut sein … eine Se­kun­de ver­säumt, nein, eine hal­be Se­kun­de … die Ent­schei­dung ver­passt, das ist es, wes­halb der En­gel nicht kommt …

In der Stadt­bahn saß ein al­ter Mann ihm ge­gen­über, der auf ein Blatt Pa­pier starr­te, das mit Krei­sen und Zei­chen be­deckt war. Sein Haar fiel bis zum Rock­kra­gen, und sei­ne Füße steck­ten in wun­der­li­chen, viel­fach ge­flick­ten Re­form­schu­hen. Wie reich und ge­dul­dig ist die­se Zeit, dach­te Tho­mas. Soll­te sie nicht auch für mich einen Platz und ein Ziel ha­ben? Man muss nur war­ten, bis die Ma­gnet­na­del zu be­ben be­ginnt …

Der Mann sah seuf­zend auf und blick­te Tho­mas an. Er hat­te gute Au­gen, von ei­nem et­was wäs­se­ri­gen Braun, lei­se er­staunt und viel ge­prüft, und Tho­mas dach­te, dass eine Kuh so vor sich hin­se­hen könn­te, wenn sie au­ßer der Rei­he ge­mol­ken wür­de. Doch miss­fiel ihm der Ver­gleich so­fort, und er ta­del­te sich, dass er so über Men­schen ur­tei­le.

Doch da hob der Mann den Zei­ge­fin­ger der rech­ten Hand und sag­te flüs­ternd: »Stein­bock, nicht wahr? Drei­und­zwan­zigs­ten De­zem­ber bis drei­und­zwan­zigs­ten Ja­nu­ar, ja?«

Aber Tho­mas ver­gaß sei­ne gu­ten Vor­sät­ze über dem Form­lo­sen und Ver­trau­li­chen der An­spra­che. »Nein«, er­wi­der­te er schroff und wech­sel­te den Platz.

Der Stern­kun­di­ge stieg an der nächs­ten Hal­te­stel­le aus, und als er die Tü­ren öff­ne­te, beug­te er sich ohne Krän­kung zu Tho­mas und flüs­ter­te hin­ter der vor­ge­hal­te­nen Hand: »Die Knie sind be­denk­lich beim Stein­bock … sehr ge­fähr­lich … im­mer schön auf die Knie ach­ten, mein Herr!« Er lä­chel­te freund­lich, hob noch ein­mal mah­nend den Zei­ge­fin­ger und ver­schwand.

Die Stra­ße senk­te sich leicht zum Strom, und als Tho­mas die Stu­fen zum Boll­werk hin­un­ter­schritt, dach­te er an sei­ne Knie und lä­chel­te. Dann ging er lang­sam am Was­ser ent­lang.

Die Flut zog dun­kel und trä­ge da­hin, mit zit­tern­den Stern­bil­dern, die auf der glei­chen Stel­le ver­harr­ten. Käh­ne la­gen an der Mau­er ver­täut, die Deck­plan­ken glänz­ten, und die Bord­la­ter­nen leuch­te­ten über Tau­werk und Holz. Mit­un­ter bell­ten die Wach­hun­de, zu­erst ein­zeln und dann den gan­zen Strom ent­lang. Dann war nur wie­der das Was­ser zu hö­ren und der leich­te Wind, der durch das Ge­äst der Bir­ken zog.

»Was­ser müss­te es doch sein«, sag­te Tho­mas, »nur stil­ler als das Meer … ich möch­te kei­ne Bran­dung mehr hö­ren …«

Auf ei­nem der Ufer­pfäh­le saß er dann lan­ge, rauch­te und hielt dann die Hän­de mü­ßig zwi­schen den Kni­en ge­fal­tet. Die Luft war warm, und es roch nach Er­len und Schilf. In der Fer­ne glit­ten die glü­hen­den Bän­der der Züge durch die Nacht, fast ohne Lärm, wie schö­ne Schnü­re. Der Him­mel war hell, wie be­stick­te Sei­de, und ein­mal mein­te er ganz weit Wild­gän­se zie­hen zu hö­ren. Er ver­gaß nun al­les, die letz­ten Stun­den und die müh­sa­men Jah­re. Wie ein Bau­er auf sei­nem Grenz­stein saß er da und hör­te zu, wie die Erde sich reg­te. Dies war ih­nen al­len doch ge­blie­ben, wie viel der Brand auch ver­zehrt ha­ben moch­te: die Füße still auf der küh­len Erde zu hal­ten und zu se­hen, wie die Ster­ne kreis­ten. Auch Joa­chim soll­te das ler­nen, so bald wie mög­lich, ehe sie ihn ver­der­ben mit ih­rer frag­li­chen Wis­sen­schaft.

Erst als ihn zu frie­ren be­gann, stand er auf. Die La­ter­nen brann­ten im­mer noch, und ein dün­ner Ne­bel hing müde über dem Was­ser. Die nahe Stadt sah aus, als sei sie nur zu Gas­te bei die­sem Strom.

Nie­mand sprach ihn mehr an auf der Heim­fahrt, und dann ging er auf Um­we­gen nach Hau­se, da­mit die Gäs­te schon fort wä­ren, wenn er käme. Doch fand er alle Fens­ter noch hell und kehr­te noch ein­mal um. Vom na­hen Kirch­turm schlug es Mit­ter­nacht, und er hör­te zu, wie der letz­te Klang in im­mer dün­ner wer­den­den Wel­len ver­ging. Dann fiel ihm et­was ein, und er ging schnell die we­ni­gen Stra­ßen zur Kir­che hin. Der Turm stand dun­kel in der hel­len Nacht, aber im Pre­di­ger­haus, hin­ter dem großen Gar­ten, wa­ren zwei Fens­ter noch er­leuch­tet.

Tho­mas stieg über den nied­ri­gen Zaun und ging auf das Licht zu. Die Fens­ter la­gen zu ebe­ner Erde, und als der Kies un­ter sei­nen Schu­hen knirsch­te, trat oben ein Mann ins Licht. Er war dun­kel ge­klei­det, und Tho­mas mein­te noch nie­mals einen so großen, schwe­ren Men­schen ge­se­hen zu ha­ben. Er war noch nicht in der Kir­che ge­we­sen.

»Es ist spät, Herr Pfar­rer«, sag­te er, »aber ich wür­de Sie gern noch ge­spro­chen ha­ben.«

Der Geist­li­che beug­te sich schwei­gend vor, um das be­leuch­te­te Ge­sicht zu er­ken­nen. Dann trat er wort­los zu­rück, und Tho­mas hör­te ihn die kur­ze Trep­pe her­un­ter­kom­men, bis er die Haus­tür auf­schloss. »Tre­ten Sie lei­se auf«, sag­te er, »sie schla­fen schon alle.«

Der große Raum war nur mit Bü­chern ge­füllt. Ein bäu­er­li­cher Chris­tus aus grau­em Holz hing le­bens­groß zwi­schen den Fens­tern. Tho­mas setz­te sich nicht ohne Ver­wir­rung, weil das Aus­maß der Fi­gur ihn er­schreck­te. Doch ließ der Pfar­rer sich nichts mer­ken und sah ihn nur ru­hig an. »Es kom­men man­che um die­se Zeit«, sag­te er, »Sie brau­chen sich nicht zu ent­schul­di­gen. Ich weiß dann we­nigs­tens, dass es ernst ist.«

Nun erst sah Tho­mas ihn an. Sein Va­ter noch moch­te hin­ter dem Pflu­ge her­ge­gan­gen sein, aber es war wohl ein grüb­le­ri­scher Gang ge­we­sen, und in die­sem Sohn war es nun aus­ge­bro­chen. Stirn und Mund wa­ren zer­sorgt und zer­quält, aber über dem glat­ten grau­en Haar moch­te doch zu Zei­ten der­sel­be Schein ste­hen wie über dem Holz­bild an der Wand. Das Ge­sicht war zu­ge­schlos­sen, aber die Au­gen sa­hen ihn nicht ohne Freund­lich­keit an, alte und viel­wis­sen­de Au­gen, und Tho­mas fühl­te sich jung und tö­richt un­ter ih­rem Blick.

Er seufz­te, be­vor er be­gann. »Ich bin kein Kir­chen­gän­ger, Herr Pfar­rer«, sag­te er ent­schul­di­gend.

Der an­de­re er­hob nur die Hand. »Wir wol­len von den wich­ti­gen Din­gen spre­chen«, un­ter­brach er.

»Auch die Bi­bel habe ich lan­ge nicht ge­le­sen«, fuhr Tho­mas fort, »seit mei­ner Ein­seg­nung nicht. Der Dienst war schwer, und es woll­te nie recht zu­sam­men­stim­men … Heu­te nun fand ich un­ter mei­nen Bü­chern den Psal­ter, eine ganz alte Aus­ga­be, groß ge­druckt, durch eine Erb­schaft wäh­rend des Krie­ges zu mir ge­kom­men. Ich habe dar­in ge­blät­tert und fand den neun­zigs­ten Psalm. Ich ent­sann mich wie­der, auf das meis­te we­nigs­tens, aber ein Vers war mir un­be­kannt. Als Kind liest man dar­über hin­weg, und auf Kin­der trifft er ja nicht zu. ›Wir brin­gen un­se­re Jah­re zu wie ein Ge­schwätz‹, steht dort ge­schrie­ben. Zu­erst las ich wei­ter, als sei es wie das üb­ri­ge, aber dann kehr­te ich gleich wie­der zu­rück und las ihn noch ein­mal. Und dann las ich nicht mehr wei­ter … es war wie ein Mast, der über einen stürzt, und man kann nicht auf­ste­hen un­ter ihm …«

Der Pfar­rer nick­te. Er hat­te den Kopf in die rech­te Hand ge­stützt und Tho­mas un­be­weg­lich an­ge­se­hen. »Ja«, sag­te er, »Sie wer­den das na­tür­lich als einen Zu­fall be­zeich­nen, dass Sie ge­ra­de dies ge­le­sen ha­ben. Ich selbst, wenn es mir wi­der­fährt – und es wi­der­fährt mir oft –, ich sehe es na­tür­lich an­ders an. Ich weiß dann, dass ein sol­cher Vers ge­war­tet hat, bis es Zeit ge­wor­den ist. Ver­ste­hen Sie? Es ist nicht so, dass ein Mensch für sich lebt und ein Vers wie­der für sich und viel­leicht kreu­zen ihre Wege sich ein­mal. Son­dern es ist so, für mich na­tür­lich nur, dass der Vers auf sei­nen Men­schen war­tet und der Mensch auf sei­nen Vers. Aber wenn es sich er­füllt hat, ein be­stimm­tes Stück der Le­bens­bahn, ein Sturz oder ein Auf­stieg, oder auch nur eine be­stimm­te Düs­ter­nis und Ver­wir­rung, dann ist der Vers da. Er schlägt ge­wis­ser­ma­ßen das Buch auf, er selbst, er ent­hüllt sich, er stellt sich auf den Weg. Und dann kann man nicht her­um­ge­hen oder aus­wei­chen. Er ist wie Ei­sen, das zu­schlägt. Er hat uns … ist es nicht so?«

»Ja«, sag­te Tho­mas lei­se, »er hat uns … so ist es.«

»Und nun soll ich Ih­nen sa­gen, was Sie da­mit an­fan­gen sol­len, nicht? Der Vers be­drückt Sie, er ist wie ein lei­ser, dump­fer Schmerz, der im­mer da ist. Sie le­sen et­was an­de­res, oder Sie ge­hen spa­zie­ren, vie­le Stun­den lang, am Tage oder lie­ber in der Nacht. Oder Sie den­ken an Ska­ger­rak oder an das Ende. Aber er geht im­mer mit Ih­nen, er ist nicht mehr au­ßen, in ei­nem Buch, das in Ihrem Hau­se bleibt, wenn Sie das Haus ver­las­sen. Er ist schon in Ih­nen, in Ihrem Blut, ganz tief, Sie sind nicht mehr sein Herr.«

»Ja«, sag­te Tho­mas, »so ist es.«

»Sie müs­sen es nun so an­se­hen«, fuhr der Pfar­rer fort, »oder viel­mehr, es ist wohl rich­tig, wenn Sie es so an­se­hen: der Vers hat das Sei­ne ge­tan, er hat sich gleich­sam vom Tode auf­er­weckt, er ist für Sie auf­er­stan­den. Und nun fragt sich, ob Sie das Ihre tun wol­len. Ich will es nicht ›au­fer­ste­hen‹ nen­nen, denn das ist ein sehr großes Wort. Es fragt sich, ob Sie den Vers wie­der be­gra­ben wol­len, ihn er­wür­gen und zu­schüt­ten … ja, ich sag­te, ›er­wür­gen‹! Dann rührt er sich noch eine Wei­le, so wie das Kind bei Tol­stoj, wis­sen Sie? In der Nacht, wenn Sie aus ei­nem Traum auf­fah­ren, oder in ei­ner Ge­sell­schaft, oder viel­leicht, wenn Sie Ihren Jun­gen an­se­hen. Aber dann ist er still, so still wie vor­her. Er hat an­ge­klopft, und Sie ha­ben nicht auf­ge­macht. Sie ha­ben die Hun­de auf ihn ge­hetzt, und er ist tot. Für Sie ist er tot, ewig und un­ab­än­der­lich.

Das ist der eine Weg. Der an­de­re ist eben­so klar, näm­lich, dass auch Sie nun das Ih­ri­ge tun, nicht wahr? Dass Sie eben auf­hö­ren da­mit, Ihre Jah­re zu­zu­brin­gen wie ein Ge­schwätz. Und wenn Sie das tun, dann ist der Vers still. Das heißt, sei­ne Mah­nung ist still, sein Vor­wurf, sei­ne Kla­ge. Er trifft nicht mehr zu für Sie, Sie ha­ben ihn er­löst. Im Mär­chen wird aus ei­nem Dra­chen eine Prin­zes­sin. Im Le­ben ist es so, dass man eben auf­hört, so zu sein. Dass man an­ders wird, kein Hei­li­ger und kein Pro­phet, aber eben an­ders, nicht?«

»Ja«, sag­te Tho­mas, »aber wenn man nun das nicht so ohne wei­te­res kann … fromm wer­den, mei­ne ich, oder glau­ben, oder wie man es nennt …«

»Fromm wer­den? Glau­ben?« Der Pfar­rer beug­te sich vor und sah ihn er­staunt an. »Wie kom­men Sie dar­auf? Ar­bei­ten soll man, ar­bei­ten! Ver­ste­hen Sie? Nichts als ar­bei­ten! Das heißt es.«

»Aber Sie als Pfar­rer …«

Der schwe­re Mann stand auf und trat vor das rie­si­ge Chris­tus­bild. Er war eben­so groß wie das Bild­werk, und sie sa­hen ein­an­der aus glei­cher Höhe in die Au­gen. »Die­ser hier«, sag­te der Pfar­rer lei­se, sich halb um­wen­dend, »wird mir ver­zei­hen, dass ich sei­nen Na­men so sel­ten nen­ne. Dass ich nur von dem einen spre­che, das uns heu­te not tut, von der Ar­beit. Auch in der Kir­che, ge­ra­de in der Kir­che. Vier Jah­re ha­ben wir sei­nen Na­men miss­braucht, nun wol­len wir ihn vier Jah­re ver­schwei­gen. Wir ha­ben ge­tö­tet, und nun wol­len wir ar­bei­ten, schwer und keu­chend und schweiß­be­deckt, nichts als ar­bei­ten. Und dann wol­len wir se­hen, ob wir wie­der wür­dig sind, sei­nen ge­lieb­ten Na­men aus­zu­spre­chen.«

»Und wie ar­bei­ten, Herr Pfar­rer? Wel­che Ar­beit? Ich selbst, ich …«

Der Pfar­rer hob die Hand. Er stand nun mit dem Rücken ge­gen das Fens­ter, als sei er eben aus dem Dun­kel der Nacht her­aus­ge­stie­gen, ein Bau­er, den sei­ne Fel­der nicht schla­fen las­sen. »In die­ser Ge­mein­de«, sag­te er, »woh­nen Mi­nis­ter und Stra­ßen­keh­rer. Bei­de kom­men nicht in die Kir­che, aber bei­de ar­bei­ten, und bei­der Ar­beit ist mir gleich wert. Die eine kann ich se­hen, wenn ich aus dem Haus tre­te, die an­de­re kann ich nicht se­hen, ich er­ra­te sie höchs­tens oder lese in der Zei­tung da­von. Ich glau­be auch, dass der Stra­ßen­keh­rer glück­li­cher ist mit sei­ner Ar­beit als der Mi­nis­ter. Er hat sei­nen Ab­schnitt, sei­nen Be­sen und sei­ne Kar­re. Er hat sei­ne Gren­zen, über die ihm kei­ner her­ein­kommt. Das hat der an­de­re nicht. Und ein Pfer­des­ap­fel ist leich­ter zu be­sei­ti­gen als Int­ri­gen, oder po­li­ti­sche Feind­schaft, oder was sie sonst wol­len. Aber au­ßer­dem kann der Stra­ßen­keh­rer im­mer hof­fen, ein­mal Mi­nis­ter zu wer­den, wäh­rend je­ner kei­nen Stern hat, den er aus dem Him­mel her­un­ter­ho­len könn­te. Aber das ist al­les gleich, ganz gleich. Sie dür­fen nicht fra­gen: ›Wel­che Ar­beit?‹ Se­hen Sie mei­nen Tisch an! Se­hen Sie die Brie­fe! Dut­zen­de, Hun­der­te von Brie­fen, mit Blut ge­schrie­ben, ja, ich sage es aus­drück­lich: ›Mit Blut ge­schrie­ben!‹ Wis­sen Sie nicht, wie Gott uns ge­schla­gen hat? Furcht­bar und er­bar­mungs­los ge­schla­gen? Ach …« Er hob die Hän­de und rang sie über sei­nem grau­en Haar, und für einen Au­gen­blick war sein Ge­sicht ver­zwei­fel­ter als das des grau­en Bil­des an der Wand.

Aber dann ließ er die Hän­de sin­ken und lä­chel­te wie zur Ab­bit­te. »Es ist nur manch­mal«, sag­te er, »und geht gleich vor­bei … ich sehe Ih­nen schon lan­ge zu, fast fünf Jah­re, Herr von Orla. In die­ser Ge­mein­de bleibt ja nichts ver­bor­gen. Wie Sie mit Ihrem Jun­gen ge­hen und wie Sie al­lein ge­hen, lan­ge und viel al­lein. Aber ich war im­mer ge­trost, wenn ich an Sie dach­te. Er trifft sei­nen En­gel schon, habe ich ge­dacht. Wer so viel geht, trifft ihn schon ein­mal. Ich bin nicht zu Ih­nen ge­kom­men, das sind so neu­mo­di­sche Din­ge. Wenn die Kir­chen leer sind, wan­dern die Pfar­rer in die Häu­ser, um Ein­tritts­kar­ten zu ver­schen­ken. Nein, nein. Die Bau­ern war­ten auch, bis man kommt. Aber Sie wol­len ja auch nicht das ›Wort Got­tes‹, wie es so heißt. Sie woll­ten nur eine Be­stä­ti­gung, dass es nicht recht ist mit Ihrem Le­ben. Und Sie ha­ben ge­dacht, ein Pfar­rer, wenn er um Mit­ter­nacht noch auf ist, viel­leicht weiß der es …«

»Ich war schon an mei­nem Hau­se«, sag­te Tho­mas, »und erst als ich sah, dass die Fens­ter noch alle hell wa­ren und die Wa­gen un­ten hiel­ten, bin ich um­ge­kehrt.«

»Ja, sie le­ben wie Bel­sa­zar und sei­ne Knech­te … im­mer war das so in sol­chen Zei­ten … man soll nicht schel­ten, man soll nur im­mer da sein, im­mer da sein …« Er leg­te den Kopf an die Leh­ne sei­nes Stuh­les und schloss die Au­gen. Jede Li­nie des Ge­sich­tes erstarb in er­schre­cken­der Mü­dig­keit.

Tho­mas stand lei­se auf. »Ich dan­ke Ih­nen, Herr Pfar­rer«, sag­te er.

»Dan­ken soll man erst, wenn man beim Mor­gen­licht nicht be­reut, Herr von Orla. Und auch dann ist es meis­tens über­flüs­sig. Es kommt uns näm­lich nicht zu, ver­ste­hen Sie? Sehr we­ni­gen kommt es zu, und ich bin nicht ei­ner von den we­ni­gen.«

Er brach­te ihn noch ans Gar­ten­tor, schloss hin­ter ihm zu und sah ein­mal zu den Ster­nen auf. »Ich war heu­te bei ei­nem Mör­der«, sag­te er halb im Fort­ge­hen. »Ja, Sie dür­fen nicht er­schre­cken, das sind so mei­ne Pf­lich­ten … Mor­gen wird er hin­ge­rich­tet. Ich saß eine Stun­de bei ihm und habe ge­be­tet. Al­lein, denn er woll­te nicht be­ten. Er woll­te auch nicht spre­chen, kein Wort. Aber ich dach­te, viel­leicht tut es ihm wohl, dass nun ei­ner da sei au­ßer den furcht­ba­ren Wän­den. Aber als ich fort­ging – der Wär­ter kam mich ho­len – und ich noch ein­mal zu­rück­sah auf sei­ne ge­krümm­te Ge­stalt, da rich­te­te er sich auf und sag­te: ›Ein Se­gen, dass es drü­ben kei­ne Pfar­rer ge­ben wird!‹ Ganz freund­lich sag­te er es … was aber muss ein Stand ge­sün­digt ha­ben, Herr von Orla, dass so et­was ge­sagt wer­den kann? Ver­ste­hen Sie? Aber es ist nicht der ein­zi­ge Stand, glau­ben Sie mir. Kei­ner von uns weiß, wie er schul­dig ist an al­lem, was ge­schieht. An al­lem, hö­ren Sie? Ja, an al­lem …«

Dann ging er zu den hel­len Fens­tern zu­rück, und Tho­mas sah, wie ge­beugt die schwe­ren Schul­tern wa­ren.

Spä­ter müss­te Joa­chim zu ihm, dach­te er, lang­sam die Stra­ße hin­un­ter­ge­hend. Wenn ich ein­mal ar­bei­te – und es wird si­cher­lich nicht hier sein –, dann müss­te er zu ihm und ab und zu in die­sem großen Raum sit­zen und ihm zu­se­hen. Wie sein Ge­sicht lebt un­ter al­len To­ten, die um uns sind.

Schwes­ter Bea­te stand schon in der Woh­nungs­tür, als er die Trep­pe hin­auf­kam. »Die gnä­di­ge Frau ist krank«, flüs­ter­te sie ver­stört, »ich weiß nicht, was es ist.«

Er ging noch im Man­tel hin­ein. Mit ei­nem schnel­len Blick um­fing er den großen Raum, die Ti­sche mit Glä­sern und Aschen­scha­len, die Fal­ten in den Tep­pi­chen, die ge­knüll­ten Kis­sen in den So­fas und Ses­seln. Der ab­ge­stan­de­ne Zi­ga­ret­ten­rauch mach­te ihm nach der rei­nen Nacht­luft übel. »Öff­nen Sie alle Fens­ter, Schwes­ter«, sag­te er lei­se. Dann ging er zum Ka­min, in dem das Feu­er noch brann­te.

Sei­ne Frau kau­er­te in ei­nem der tie­fen Stüh­le. Sie hat­te die Füße hoch­ge­zo­gen und den Kopf auf die Leh­ne zu­rück­ge­legt. Ihr Ge­sicht war weiß und er­schöpft, mit klei­nen Schweiß­trop­fen auf der ge­fal­te­ten Stir­ne. Als er die Hand aus­streck­te, um sie auf ihr Haar zu le­gen, öff­ne­te sie die Au­gen und lä­chel­te. Ihr Blick war trü­be und fast be­wusst­los, ihr Lä­cheln wie das ei­ner ent­stell­ten Mas­ke. »Tho … mas«, flüs­ter­te sie müh­sam. Sie war be­trun­ken.

Sei­ne Hand hielt in der Be­we­gung inne, und er starr­te re­gungs­los in ihr Ge­sicht. Er fühl­te, wie sei­ne Haut kalt wur­de und sein Mund sich in ei­nem bit­te­ren Ge­schmack zu­sam­men­zog. »An al­lem«, ging es ihm durch den Sinn, »ja, an al­lem …«

Sie tru­gen sie ins Schlaf­zim­mer, und Tho­mas schick­te die Schwes­ter nach ei­nem Gla­se auf­ge­wärm­ter Milch. Er blieb am Fu­ßen­de des Bet­tes ste­hen, bis sie zu­rück­kam. »Eine leich­te Ver­gif­tung«, sag­te er. »Nach die­sem wird es bes­ser wer­den, ver­ste­hen Sie? Wenn es schlech­ter wird, ru­fen Sie mich!« Er sah ihr be­feh­lend in die Au­gen, bis sie ver­stan­den hat­te.

»Ich ma­che es nun schon al­lein, Herr Ka­pi­tän«, sag­te sie.

In sei­nem Zim­mer setz­te er sich auf das schma­le Ru­he­so­fa und stütz­te den Kopf in die Hän­de. Er wuss­te, dass es ohne Hoff­nung war. Die Na­chern­te des Krie­ges war so er­bar­mungs­los wie sei­ne blu­ti­ge Zeit. Vor zehn Jah­ren noch wür­de er ge­glaubt ha­ben, mit dem Schiff un­ter­ge­hen zu müs­sen. Nun glaub­te er es nicht mehr. Sein Va­ter hat­te es nie ge­glaubt. »Ein Mann, Tho­mas, der sich von ei­ner Frau in den Stru­del zie­hen lässt, hat auf­ge­hört, ein Mann zu sein!« Sie hat­ten an der Lei­che ei­nes Ge­spann­knech­tes ge­stan­den, der sich er­tränkt hat­te, weil sei­ne Frau ihn be­trog. Tho­mas hat­te noch sei­ne Ka­det­ten­uni­form ge­tra­gen, aber der Va­ter hat­te ihn mit­ge­nom­men, um es ihm zu zei­gen. Er sah ihn da­ste­hen, bei­de Hän­de auf den Stock ge­stützt, und über den To­ten hin­weg auf die grü­nen Fel­der bli­cken. Wei­ße Wol­ken zo­gen wie dunkle Schat­ten über die jun­ge Saat, und in der Fer­ne hör­te man eine Sen­se den­geln. »Du wirst dich er­in­nern, Tho­mas«, hat­te der Va­ter ge­sagt. »Es wird eine Zeit kom­men, wo euer Le­ben nicht euch oder den Frau­en ge­hö­ren wird, kei­nem von euch …«

Nun er­in­ner­te er sich. Es war nicht gut, dass der Va­ter so früh ge­stor­ben war.

Er hol­te sich ein Kis­sen und eine De­cke aus dem Gast­zim­mer. Be­vor er das Licht lösch­te, trat er noch ein­mal an den Glo­bus. Er leg­te einen Fin­ger auf die Gip­fel des Hi­ma­la­ja und schob sie mit lei­sem Schwung zur Sei­te. Die große Ku­gel be­gann sich lei­se sur­rend in ih­rem La­ger zu dre­hen, und Ge­bir­ge, Ebe­nen und Mee­re glit­ten mit ei­nem flüs­tern­den Ton an sei­nen Au­gen vor­über. Tauch­ten wie­der auf und ver­san­ken wie­der, Farb­fle­cke und ein Netz von Li­ni­en, Licht, Däm­me­rung und Schat­ten, und er stand vor­ge­beugt, lei­se ver­wun­dert, als ste­he er auf ei­nem frem­den Stern und sehe zu, wie die alte Hei­mat vor­über­schwe­be, ganz weit, durch den ei­si­gen Wel­ten­raum, und al­les Schick­sal auf ihr sei so fremd wie ein Mär­chen aus längst ver­gan­ge­nen Ta­gen.

Dann wur­de die Dre­hung lang­sa­mer und erstarb. Der hei­mi­sche Erd­teil brei­te­te sich vor sei­nen Bli­cken aus, und sei­nem Ab­bild wa­ren Brand und Ver­wüs­tung der letz­ten Jah­re nicht an­zu­se­hen. Ru­hig la­gen die Fest­län­der und Mee­re, die Strö­me spann­ten sich blau und dünn über die ge­krümm­te Flä­che, und das Bild der Stadt, in der er leb­te, lag als ein klei­ner dunk­ler Kreis zwi­schen Was­ser und Wald.

Nach Os­ten aber zo­gen die großen, lee­ren Ebe­nen, im­mer lee­rer, je wei­ter sei­ne Blick ih­nen folg­ten, bis zur ver­stüm­mel­ten Gren­ze des Rei­ches, und dort, im wie­der ge­häuf­ten Blau und Grün der Seen und Wäl­der, ruh­te das Auge noch ein­mal aus, ehe das End­lo­se hin­ter der Krüm­mung der Ku­gel ver­schwand.

Wohn- und Schlaf­raum auf Schif­fen  <<<

vor­ders­ter Teil ei­nes Schif­fes  <<<

2

Tho­mas war eine Nacht und einen hal­b­en Tag ge­fah­ren, als er an der klei­nen Hal­te­stel­le aus­stieg. Er hol­te sein Fahr­rad aus dem Ge­päck­wa­gen, sah hin­ter dem Bahn­hofs­ge­bäu­de ein­mal in sei­ne Kar­te, mach­te den Ruck­sack fest und fuhr die bir­ken­ge­säum­te Stra­ße hin­un­ter, den Wäl­dern zu, die blau und groß im Sü­den die Welt ver­schlos­sen. Ob­wohl das Land nicht un­ähn­lich sei­ner mär­ki­schen Hei­mat war, schi­en es ihm doch, als sei er in der Nacht über frem­de und rie­si­ge Strö­me ge­fah­ren und als sei dies hier kei­ner Erde zu ver­glei­chen, die er wäh­rend sei­nes Le­bens be­tre­ten hat­te.

In­des er fast ge­räusch­los da­hing­litt, von ei­nem sanf­ten seit­li­chen Win­de je nach der Bie­gung der Stra­ße ge­hin­dert oder ge­trie­ben, ver­such­te er zu er­grün­den, wes­halb sein Atem leicht zu ge­hen schi­en in die­ser Land­schaft, ob­wohl sie doch im ers­ten An­schau­en streng, weit und nicht ohne Düs­ter­keit sich ihm dar­bot. Er be­merk­te, dass die Luft rau­er ging, dass Wachs­tum und Feld­be­stel­lung ge­gen sei­ne Hei­mat weit zu­rück­ge­blie­ben wa­ren, dass Häu­ser und Dör­fer ärm­li­cher, fast lieb­lo­ser in den um­ge­ben­den Raum ge­bet­tet wa­ren. Doch schie­nen wie­der­um Stra­ßen und Pfa­de men­schen­lee­rer, al­les Gerät ein­fa­cher und ver­brauch­ter, ja auch alle An­sprü­che be­schei­de­ner, als ob die Erde noch un­be­ding­ter hier herr­sche, den For­de­run­gen des Men­schen noch wi­der­wil­li­ger ver­schlos­sen als in an­de­ren Be­zir­ken des Rei­ches, und als ob der Mensch hier mehr auf ei­ge­ner Kraft und im eig­nen In­ne­ren be­ru­hen müs­se, ohne die ge­dan­ken­lo­se Un­ter­stüt­zung der Mas­se, die ihm wo­an­ders, zu­mal in den Städ­ten, so leicht und so ver­häng­nis­voll zu­fal­le.

Doch schi­en ihm vor al­lem der Him­mel über alle Ma­ßen groß und ge­wal­tig. Ge­schwa­der von Wol­ken zo­gen ru­he­voll an sei­ner Wöl­bung ent­lang, aber selbst sie mü­he­los ge­ord­net in dem un­er­mess­li­chen Raum, und ihre schwe­ren Schat­ten stie­ßen sich nir­gends auf den noch bräun­li­chen Fel­dern. Auf den Hü­geln der Äcker stan­den ein­zel­ne Bäu­me, das Ast­werk ohne Hin­der­nis aus­ge­brei­tet oder von im­mer we­hen­den Win­den nach ei­ner Sei­te ge­beugt, und da sie fast alle ohne Hin­ter­grund vor dem lee­ren Him­mels­raum stan­den, so tru­gen die Fel­der in al­ler Karg­heit ein Ge­sicht des Stol­zes, als lä­gen sie noch da wie zu Be­ginn der Schöp­fung und nie­mals sei an­de­res als Wind oder Re­gen oder eine küh­le Son­ne über sie hin­ge­gan­gen.

Auch der Schrei der Vö­gel dünk­te ihn hel­ler und wil­der zu sein, und nir­gends glaub­te er so vie­le Raub­vö­gel ge­se­hen zu ha­ben, die spä­hend über den Fel­dern hin­gen oder in Krei­sen sich un­ter die Son­ne scho­ben. Doch ver­knüpf­te ihr Bild sich ihm im­mer mehr mit der Er­schei­nung der großen Wäl­der, de­nen er zu­fuhr und die ihm als die ei­gent­li­che Hei­mat al­les des­sen er­schie­nen, was sich hier spie­lend oder beu­te­su­chend un­ter dem Him­mel be­weg­te.

Kam er so auch nicht zu der ge­wünsch­ten Klar­heit sei­ner Ge­dan­ken und blieb die Ur­sa­che sei­nes Ge­fühls der Frei­heit ihm im Letz­ten noch ver­bor­gen, so nahm er doch mit Be­glückt­heit war, dass sein gan­zes We­sen vor­wärts ge­wen­det war. be­strebt, Kom­men­des und Neu­es in sich auf­zu­neh­men, und dass die grü­beln­den Ge­dan­ken der letz­ten Tage, ja noch der Nacht­fahrt wie ein Ne­bel hin­ter ihm ver­flo­gen wa­ren.

In­des­sen wuchs das Ge­sicht der Wäl­der im­mer nä­her und deut­li­cher in ihm auf, und es war ihm, als sei dort ei­gent­lich erst das ver­bor­gen, was den Sinn der Land­schaft aus­ma­che und dazu auch das, was zu su­chen er aus­ge­zo­gen sei.

Von fer­ne schon war zu er­ken­nen, dass der schwei­gen­de Ernst die­ses Rau­mes dort nicht von ei­ner Hei­ter­keit der Form ab­ge­löst wer­den wür­de, ja dass viel­mehr mit dem Zu­rück­blei­ben von Dorf, Feld und Ge­hölz sich al­les in eine ein­zi­ge, ge­sam­mel­te Er­schei­nung zu­rück­zie­hen wür­de, an Grö­ße nur dem Mee­re oder dem Hoch­ge­bir­ge zu ver­glei­chen, und nicht nur an Grö­ße, son­dern eben auch an Schwe­re und auf­ru­fen­der Ein­sam­keit.

Schon jetzt sah er die Gerad­heit grau­er, sehr ho­her Stäm­me, ohne Un­ter­bre­chung ne­ben­ein­an­der­ge­stellt, ohne Zier­lich­keit ver­bin­den­der Li­ni­en, und dar­über den lei­se ge­well­ten Saum der Wip­fel, ab­ge­run­det wie die Form des Gra­nits im Ur­ge­bir­ge. Zwar er­blick­te er, je nä­her er kam, ver­mit­teln­de Ein­zel­hei­ten, Fich­ten­scho­nun­gen etwa, die ei­nem in die Tie­fe ge­sun­ke­nen Wald­stück von fer­ne gli­chen, einen Weiß­bu­chen­hain oder einen Hang mit jun­gen Bir­ken, zwi­schen de­nen der Wa­chol­der dun­kel stand, aber gleich schloss die graue Wand sich wie­der zu und tat sich nur aus­ein­an­der, um die Stra­ße hin­ein­zu­las­sen, auf­zu­neh­men und gleich­sam so­fort zu be­gra­ben.

Hier war es na­tür­lich, dass Tho­mas ab­stieg und von der ho­hen Bö­schung den Blick noch ein­mal zu­rück­wen­de­te. Er saß auf ei­nem Baum­stumpf, um den schon die blau­en Ster­ne der Le­ber­blüm­chen stan­den, stopf­te lang­sam sei­ne kur­ze Pfei­fe, und in­des der Rauch mit dem lei­sen Wind in das Holz hin­ter ihm zog, nahm er die eben durch­fah­re­ne Land­schaft noch ein­mal in sich auf, ru­hi­ger nun, auch grö­ßer viel­leicht, da der Weg sich lang­sam ge­ho­ben hat­te und nun vie­les ne­ben­ein­an­der lag, was vor­her Stück für Stück auf­ein­an­der­ge­folgt war.

Wie­der kam ihm das Lee­re des großen Rau­mes be­ru­hi­gend und be­glückend ins Be­wusst­sein, die sanf­te, lang aus­ho­len­de und ab­klin­gen­de Schwin­gung der Li­ni­en, die Ar­mut an Sied­lun­gen, die Stil­le der Luft und das un­end­lich Ge­spann­te des Ho­ri­zon­tes. Er ver­such­te sich vor­zu­stel­len, wie der Wech­sel der Jah­res­zei­ten dies Bild ver­än­dern wür­de, wie er selbst in die­sem Wech­sel be­ste­hen oder un­si­cher wer­den wür­de und ob die Fri­sche des ers­ten Ein­druckes auch er­hal­ten blei­ben wür­de, wenn er nun aus ei­nem Wan­de­rer zu ei­nem Be­woh­ner und aus ei­nem Be­trach­ten­den zu ei­nem Tä­ti­gen wür­de.

Doch er­schi­en ihm, auch so an­ge­se­hen, das vor ihm aus­ge­brei­te­te Bild von im­mer glei­cher Kraft und Tröst­lich­keit er­füllt, und als er sich nun gar auf sei­nem Sitz wen­de­te und der Blick durch die Viel­heit der Stäm­me in das In­ne­re des Wal­des ging, wo die Son­ne schma­le Brücken auf Moos und Blau­beer­kraut leg­te, wo rot­be­schie­ne­ne Stäm­me im­mer tiefer zu­rück­wi­chen in eine bläu­li­che Däm­me­rung und nur das Klop­fen des Spech­tes das Schwei­gen nicht zer­brach, son­dern tiefer mach­te: da glaub­te er, auf der Höhe ei­nes viel­ge­prüf­ten Le­bens noch ein­mal Frie­den und Glück der Kind­heit vor sei­nen Hän­den aus­ge­brei­tet zu se­hen, als gel­te es nur, ver­trau­end zu­rück­zu­keh­ren, um mit der Ruhe der Land­schaft auch al­les wie­der­zu­ge­win­nen, was da­mals hei­ter, leicht und un­ver­än­der­lich er­schie­nen war. Und wie­wohl er wuss­te, dass kei­ne Rück­kehr die­ser Art dem Men­schen ver­gönnt sei, dass viel­mehr je­des Al­ter sei­nen ei­ge­nen Frie­den zu ge­win­nen habe, so gab er sich doch wil­lig für eine Wei­le je­ner träu­me­ri­schen Rück­schau hin, wohl wis­send, dass die nächs­ten Tage schon ihm for­dernd ent­ge­gen­kom­men wür­den.

Noch ein­mal hielt er an die­sem Tage inne, als er von ei­ner der Wald­hö­hen aus zum ers­ten Mal rechts und links der Stra­ße zwei der großen Ge­wäs­ser sich aus­brei­ten sah, auf de­nen an je­nem ver­gan­ge­nen Abend bei der Dre­hung sei­nes Glo­bus sei­ne Bli­cke an­hal­tend ge­ruht hat­ten. An­ders war nun das wirk­li­che Bild, aber noch tiefer als da­mals kam ihm das Ge­fühl zu­rück, hier an der Gren­ze nicht nur des Rei­ches zu ste­hen. Was sich hier in die Wäl­der hin­ein dehn­te, blau, in den Buch­ten noch von grau­em Eise be­deckt, von brau­nen Rohr­flä­chen ge­säumt, vom kla­gen­den Ruf der Hau­ben­tau­cher über­hallt, schi­en ihm nach den bren­nen­den und dann ver­fins­ter­ten Jah­ren wie ein Land, das au­ßer al­lem Ge­sche­hen ge­blie­ben war, als sei es von Eis­ber­gen be­deckt ge­we­sen und nun erst in ma­kel­lo­ser und stren­ger Klar­heit wie­der ans Licht ge­stie­gen. Es er­schi­en ihm un­ähn­lich al­len an­de­ren Län­dern des Rei­ches, nicht wie ein Blatt, auf dem die Hand des Men­schen ge­schrie­ben, ge­stri­chen, ge­löscht und wie­der ge­schrie­ben hat­te, son­dern als ein Un­be­rühr­tes, auf dem ein An­fang ge­sche­hen könn­te, kei­ne Wie­der­ho­lung, Ver­bes­se­rung oder Be­rich­ti­gung, son­dern eben ein An­fang, eine ers­te Fur­che, und die Vö­gel un­ter dem Him­mel wür­den sich über ihr ver­sam­meln und zu­se­hen, was nun hier un­ter der Hand des Men­schen zum ers­ten Male ge­sch­ehe.

Er dach­te an sein Kind und wie es dort auf­wach­sen muss­te, be­hü­tet, aber in­mit­ten der Bil­der des Ver­falls und des Rau­sches; wie er es für ein paar Jah­re zu­rück­las­sen muss­te, aber wie er hier mit ihm ein­mal ste­hen woll­te, hier oder an ähn­li­cher Stel­le, um ihm zu zei­gen, wo­für man le­ben müss­te, über­all auf der Erde, wo die Men­schen sich noch Mühe ga­ben.

Um die Däm­me­rung erst kehr­te er ein, in ei­nem Wald­krug, den er an der Stra­ße fand und den auch sei­ne Kar­te an­ge­zeigt hat­te. Kaum in sei­nem Le­ben hat­te er Ar­mut und Ver­fall so nahe ge­se­hen, doch schi­en ihm das ers­te eine gute und nütz­li­che Ein­lei­tung zu die­ser Rei­se zu sein, die ja, wie er hoff­te, nicht nur eine Rei­se blei­ben soll­te. Und da er sein klei­nes Zim­mer sau­ber fand, mit dem frei­en Blick auf abend­li­che Scho­nun­gen, war er es al­les zu­frie­den und bat nur, bis zur Be­rei­tung des Es­sens am Feu­er in der Kü­che sit­zen zu dür­fen, was ihm nach ei­ni­gem Wi­der­stre­ben auch ge­währt wur­de.

Eine schweig­sa­me Frau schaff­te am Her­de, zwei Kin­der, ein Kna­be und ein Mäd­chen, in Joa­chims Al­ter etwa, sa­hen mit großen Au­gen von der Holz­bank aus ihm zu, in­des der Mann hin­ter dem Tisch ste­hen­blieb, den Rücken ge­gen das Fens­ter ge­wen­det, und erst auf be­son­de­ren Zu­spruch hin sei­ne Ar­beit an ei­nem klei­nen Netz wie­der auf­nahm, durch das er mit ei­ner höl­zer­nen Na­del neue Ma­schen zog. Er war ge­klei­det wie die Men­schen, die Tho­mas un­ter­wegs ge­se­hen hat­te, in hohe Stie­fel und hart­ge­web­tes grau­es Zeug, und auch in der Wär­me des Rau­mes hat­te er sein Hals­tuch nicht ab­ge­nom­men, das in zwei Zip­feln ihm über den Kra­gen hing. Die Ge­sich­ter schie­nen Tho­mas schwer, müde und gleich­sam schon von den großen Ebe­nen mit­ge­formt, die sich hin­ter die­sen Wäl­dern und Seen nach Asi­en hin er­streck­ten.

Ja, er sei zur See ge­fah­ren, sag­te Tho­mas auf die ers­te un­ge­schick­te Fra­ge hin, sein gan­zes Le­ben lang, als Steu­er­mann auf ei­nem großen Damp­fer. Aber da es nun da­mit zu Ende sei, es ihm auch in den en­gen Städ­ten nicht ge­fie­le, wo der Wind nur Staub und Pa­pier­fet­zen vor sich her­trei­be statt des sal­zi­gen Schau­mes der See, so habe er be­schlos­sen, sich in die­ser Land­schaft um­zu­tun, ob er nicht et­was wie eine Fi­sche­rei­pacht fän­de, von der man bei har­ter Ar­beit doch sein Brot habe und zum min­des­ten sein Es­sen, wenn das be­druck­te Geld schon im­mer schnel­ler in den Rauch­fang stie­ge.

Das kön­ne wohl mög­lich sein, mein­te der Mann lang­sam, und wenn er auch hier in der Ge­gend nichts wis­se, viel­mehr al­les in fes­ten Hän­den sei, so kön­ne er ihm doch hier und da einen Na­men an den Seen sa­gen, wo er Be­scheid und wohl auch Rat fin­den wer­de. Denn es sei viel Un­ru­he in der Land­schaft, nicht nur we­gen der Angst vor den Po­len, son­dern es sei über­all auch wie bei ih­nen selbst, dass die jun­gen Leu­te den Dienst auf­sag­ten, nicht nur, weil es ih­nen zu ein­sam sei, son­dern auch weil sie mein­ten, die Ar­beit wer­de nun ab­ge­schafft oder min­des­tens de­nen auf­ge­legt, die bis­her nach ih­rer Mei­nung nicht ge­ar­bei­tet hät­ten. So sei­en auch sie al­lein ge­blie­ben, und Knecht und Magd sei­en des We­ges ge­gan­gen, in die Haupt­stadt der Pro­vinz, wo sie nun wahr­schein­lich schon auf ei­nem gol­de­nen Thro­ne sä­ßen.

Nur ei­nes schei­ne ihm be­denk­lich, dass der Herr bei al­ler schwe­ren Ar­beit auf See doch so zar­te Hän­de be­hal­ten habe und dass es ihm viel­leicht nicht leicht fal­len könn­te, bei al­lem gu­ten Wil­len, an dem er nicht zweifle, dies har­te Hand­werk zu er­grei­fen.

Dar­über be­ru­hig­te ihn Tho­mas nun, schrieb sich auch die Na­men in sein Ta­schen­buch, die der Mann ihm nann­te, und bat schließ­lich, dass er zu­sam­men mit ih­nen hier in der Kü­che es­sen dürf­te, wo es warm sei, er ih­nen Mühe er­spa­re und er sich schließ­lich auch gleich zu Be­ginn an die Welt ge­wöh­ne, in der er doch nun sich ein­rich­ten wol­le.

Beim Es­sen, vor dem die Frau ein Ge­bet ge­spro­chen hat­te, er­fuhr er, dass sie ei­ner re­li­gi­ösen Ge­mein­schaft an­ge­hör­ten, die in der Ge­gend weit ver­brei­tet sei, dass sie mit Sor­gen auf den Gang der Zeit blick­ten und ei­ni­ge von ih­nen so­gar der Mei­nung sei­en, dass die Ge­sich­te des hei­li­gen Jo­han­nes sich nun bald er­fül­len wür­den.

Dem wi­der­sprach nun Tho­mas, mein­te, dass das deut­sche Volk auch aus die­sen Zei­ten der Wirr­nis sich wie­der­auf­rich­ten wer­de, und be­rich­te­te auch von sei­nem Be­such bei dem Pfar­rer, der ihn recht ei­gent­lich auf die­sen Weg ge­bracht habe und bei dem er wie­der ge­lernt habe, wie ge­fähr­lich es sei, gan­ze Klas­sen oder Stän­de oder Be­ru­fe leicht­hin ab­zu­ur­tei­len, da wir ja doch nie mehr als ein­zel­ne Men­schen un­ter ih­nen kenn­ten.

Dann ging das Ge­spräch auf sei­ne Fahr­ten und die See­schlach­ten des Krie­ges und wie­der zu­rück zu Schick­sa­len und Ge­bräu­chen die­ser Land­schaft, in­des sie ihre kur­z­en Pfei­fen rauch­ten, die Frau ihr Strick­zeug in den Hän­den hielt und die Kin­der atem­los auf sei­ne Rede lausch­ten, als sei Sind­bad der See­fah­rer aus den ver­trau­ten Kie­fern­wäl­dern auf­ge­stan­den, um sei­nen Glanz über ihr Le­ben zu le­gen.

Und als Tho­mas ih­nen gute Nacht bot und die schma­le Trep­pe zu sei­nem Schlaf­raum hin­auf­stieg, ein Licht in der Hand, schi­en das Gan­ze ihm als ein schö­nes Tor zu sei­ner neu­en Welt, voll gu­ter Vor­be­deu­tung und von al­lem Ge­wohn­ten und Ver­gan­ge­nen wie durch Jahr­zehn­te ge­schie­den.

Im­mer tiefer nahm das Land ihn nun auf. Tag für Tag fuhr er an den Seen ent­lang und von Dorf zu Dorf, mit­un­ter ver­wei­lend, wenn ihn et­was zu hal­ten schi­en. Die Wit­te­rung wech­sel­te in den Zei­ten der Nacht- und Tag­glei­che, Stür­me und Re­gen fie­len über das Land, und ei­nes Abends trieb so­gar der Schnee in wei­ßen Strei­fen zwi­schen den grau­en Stäm­men hin. Dann aber ge­wann die Son­ne wie­der das Feld, trock­ne­te Stra­ßen und Pfa­de, das Eis in den Buch­ten schmolz, und über der jun­gen Saat hin­gen hoch im Blau die sin­gen­den Ler­chen. Im­mer aber gin­gen die großen Wäl­der mit ihm mit, wech­selnd zwi­schen Laub- und Na­del­holz, auf­blau­end, er­glü­hend und sich wie­der ver­dun­kelnd mit dem Gang der Son­ne, und mit ih­nen die stren­ge und rei­ne Luft, die das At­men leicht mach­te und die sor­gen­lo­sen Jah­re wie­der her­aufrief, als er hoch über Se­geln und Meer im Mast­korb ge­ses­sen hat­te.

Der Rat des Man­nes aus dem Wald­krug hat­te sich als nütz­lich er­wie­sen, ei­ni­ge An­ge­bo­te fand er gut und so­gar ver­lo­ckend, doch hielt er die Zu­sa­ge noch hin, weil ihm das Letz­te noch zu feh­len schi­en, die jähe Zu­stim­mung des Her­zens, von der er mein­te, dass sie ein­mal kom­men wer­de, und die ihm wich­ti­ger schi­en als Ver­stand und küh­le Be­rech­nung.