Das Ende kann ein Anfang sein - Michaela Dornberg - E-Book

Das Ende kann ein Anfang sein E-Book

Michaela Dornberg

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Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Es konnte wirklich nicht wahr sein, dass sie nicht mehr daran gedacht hatte, Lotto gespielt zu haben. Alles andere war für sie wichtiger gewesen, nicht nur die Renovierung der Wohnung im Sonnenwinkel, die ein richtiges kleines Schmuckkästchen geworden war. Es waren noch ein paar Abschlussarbeiten notwendig, und sie würde einziehen können. Es war kaum auszudenken, und manchmal konnte sie es auch noch nicht richtig glauben, dass sie dieses Glück gehabt hatte. Nichts davon zählte augenblicklich. Wo war nur dieser verflixte Lottoschein? Simone begann hektisch in ihrer Tasche herumzukramen. Nichts! Sie zuckte zusammen, als eine ihr mittlerweile sehr bekannte Männerstimme sich erkundigte: »Hallo, Simone, was suchst du so hektisch?« Sie hörte auf mit ihren Bemühungen, wandte sich um. Damit hatte sie nicht gerechnet, Ole Petersen hier zu sehen. Sie war so überrascht, dass sie zunächst einmal seine Frage nicht beantwortete, sondern eine Gegenfrage stellte: »Was machst du denn um diese Zeit hier? Musst du nicht in deinem Baumarkt nach dem Rechten sehen?« Er lachte. »Zunächst einmal muss ich dich korrigieren, meine Liebe, es ist nicht mein Baumarkt, ich arbeite dort, und als Geschäftsführer hat man mehr zu tun, als nur darauf zu achten, dass die Ziegeln richtig gestapelt sind. Ich war unterwegs und habe einen dicken Auftrag hereingeholt. Das Kaufhaus Knoll wird total umgebaut, und alle benötigten Materialien wird man bei uns kaufen.« »Gratuliere«, freute Simone sich für ihn. Er bedankte sich.

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Der neue Sonnenwinkel – 80 –

Das Ende kann ein Anfang sein

… denn alles Glück liegt euch zu Füßen!

Michaela Dornberg

Es konnte wirklich nicht wahr sein, dass sie nicht mehr daran gedacht hatte, Lotto gespielt zu haben.

Alles andere war für sie wichtiger gewesen, nicht nur die Renovierung der Wohnung im Sonnenwinkel, die ein richtiges kleines Schmuckkästchen geworden war.

Es waren noch ein paar Abschlussarbeiten notwendig, und sie würde einziehen können. Es war kaum auszudenken, und manchmal konnte sie es auch noch nicht richtig glauben, dass sie dieses Glück gehabt hatte.

Erst der Traumjob …, dann die Wohnung mit einer Vermieterin, wie sie besser nicht sein konnte …, und der Mann, an den sie mehr denken musste, als gut für sie war … Ole Petersen …

Nichts davon zählte augenblicklich. Wo war nur dieser verflixte Lottoschein? Simone begann hektisch in ihrer Tasche herumzukramen. Nichts!

Sie zuckte zusammen, als eine ihr mittlerweile sehr bekannte Männerstimme sich erkundigte: »Hallo, Simone, was suchst du so hektisch?«

Sie hörte auf mit ihren Bemühungen, wandte sich um. Damit hatte sie nicht gerechnet, Ole Petersen hier zu sehen. Sie war so überrascht, dass sie zunächst einmal seine Frage nicht beantwortete, sondern eine Gegenfrage stellte: »Was machst du denn um diese Zeit hier? Musst du nicht in deinem Baumarkt nach dem Rechten sehen?«

Er lachte.

»Zunächst einmal muss ich dich korrigieren, meine Liebe, es ist nicht mein Baumarkt, ich arbeite dort, und als Geschäftsführer hat man mehr zu tun, als nur darauf zu achten, dass die Ziegeln richtig gestapelt sind. Ich war unterwegs und habe einen dicken Auftrag hereingeholt. Das Kaufhaus Knoll wird total umgebaut, und alle benötigten Materialien wird man bei uns kaufen.«

»Gratuliere«, freute Simone sich für ihn.

Er bedankte sich.

»Eigentlich ein Grund zu feiern. Was ist? Hast du Zeit, mit mir einen Kaffee zu trinken? Vielleicht darf es auch ein Stück Torte sein? Für den Anfang wär’s das, und ich würde mich sehr freuen.«

Sie nickte. Das war wie ein Geschenk für sie, denn sie konnte nicht genug Zeit mit ihm verbringen. Er war so ganz anders als ihr Exmann und die Männer, die sie zuvor gekannt hatte.

»Prima, doch willst du mir bitte verraten, was du so hektisch gesucht hast?«

Sie errötete, denn das war jetzt ein bisschen peinlich. Ein wenig kleinlaut sagte sie: »Einen Lottoschein, vielleicht habe ich ja gewonnen.«

Er schaute sie an, dann begann er schallend zu lachen.

»Simone, bitte sag mir, dass das jetzt nicht wahr ist. Du spielst Lotto? Ich hätte darauf gewettet, dass du eben das nicht tun würdest.«

Hätte sie das bloß nicht gesagt. Was sollte er denn jetzt von ihr denken?

»Ich spiele normalerweise ja auch nicht, es hat sich diesmal irgendwie ergeben.«

Dann erzählte sie ihm, dass sie zwei Euro gefunden hatte, ihr Blick auf diesen Lottoladen gefallen war und dass sie dann spontan hineingegangen sei, um eine Reihe Lotto zu spielen.

»Ganz spontan, Ole, und ich dachte dabei auch nicht daran, zu spielen, um mir einen Porsche zu kaufen, eine Weltreise zu machen oder so was in der Art. Nein, ich helfe gern im Tierheim aus, und das werde ich auch wieder in Angriff nehmen, wenn ich den Umzug hinter mir habe. Und dort ist man auf jeden Cent angewiesen.«

Er blickte sie an, war gerührt.

»Verstehe, und dann dachtest du, dass du aus diesen zwei Euro sofort etwas machen musst. Simone, vergiss es, mach dir keine Gedanken mehr wegen des Scheins. Die Chance, im Lotto einen bedeutenden Gewinn zu machen, ist verschwindend gering. Millionen von Menschen hoffen auf einen Gewinn, und alle werden sie jede Woche wieder enttäuscht.«

»Nicht alle«, wandte sie ein.

Er lachte.

»Meinetwegen nicht alle, doch bitte glaub mir, dass du dir keine Hoffnungen auf einen eventuellen Gewinn machen solltest. Vergiss es. Wohin gehen wir? In die Konditorei da drüben? In das Wiener Café?«

Sie zuckte die Achseln. »Entscheide du, Ole, mir ist alles recht.«

Sie konnte ihm jetzt nicht sagen, dass sie sich mit ihm auch auf eine Bordsteinkante setzen würde. Was für ein Glück, ihn getroffen zu haben.

»Okay, gehen wir in das Wiener Café. Ich war dort noch nicht, aber von der berühmten Sachertorte wird geschwärmt, die nicht schlechter sein soll als das Original. Ich bin zwar kein Kuchen- und Tortenfan, aber man muss ja mitreden können, nicht wahr?«

Sie lachte, sie war froh, ja, sie war auch ein wenig glücklich an seiner Seite.

Sie hatte Ole Petersen getroffen!

»Ich habe den Kuchen dort probiert, eigentlich auch, um mitreden zu können. Und ehrlich mal, die Torte schmeckt gut, aber ich würde sie nicht den Dingen zuordnen, die die Welt braucht. Wenn ich mich zwischen einem Stück Sachertorte und einem Leberwurstbrötchen entscheiden müsste, dann würde ich das Leberwurstbrötchen nehmen.«

Er strahlte sie an, freute sich.

»Wieder etwas, was wir gemeinsam haben. Warum gehen wir eigentlich nicht dort drüben in das kleine Lokal und essen eine Currywurst?«

Sie nickte.

»Eine großartige Idee, lieber Ole. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt eine gegessen habe.«

Vergessen war der Lottoschein, vergessen die Sachertorte, also Currywurst, und wenn, dann auch gleich mit einer Portion Pommes mit Majo und Ketchup.

Wie selbstverständlich hakte er sich bei ihr ein, als sie gemeinsam über den Platz gingen. Sie waren ein schönes Paar.

»Ich finde es übrigens gut, dass du dich für das Tierheim einsetzt, Simone. Wir haben an den Kassen bei uns im Baumarkt auch Spardosen stehen. Es dauert leider immer lange, ehe da jemand etwas hineinwirft. Die Freigebigkeit der Menschen hält sich in bescheidenen Grenzen. Leider kann man niemanden zwingen. Manchmal ärgert es mich, dass die Leute bereit sind, für allen nur möglichen Unsinn Geld auszugeben, aber wenn es um etwas Sinnvolles geht, da halten sie die Hand auf ihr Portemonnaie. Früher habe ich immer davon geträumt, mir einen Hund anzuschaffen. Doch meine Exfrau war total dagegen. Sie mochte überhaupt keine Tiere.«

Es war schon wieder etwas, was sie gemeinsam hatten, es war kaum zu glauben.

»Mein Ex ebenfalls nicht. Angesichts des Notstandes in den Tierheimen muss man sich allerdings fragen, ob es nicht besser ist, darauf zu verzichten, anstatt sich ein Tier anzuschaffen wie ein Spielzeug, wie eine Handtasche oder sonst etwas, was man beiseitestellt, wenn man die Lust daran verloren hat. Frau Dr. Fischer hat mir erzählt, dass man gerade noch im letzten Augenblick drei Welpen aus einer Mülltonne retten konnte, weil einem aufmerksamen Müllmann ein leises Wimmern aufgefallen war. Es ist nicht auszudenken, was sonst passiert wäre.«

Er legte einen Arm um ihre Schultern, sie fühlte sich unbeschreiblich wohl.

»Wir werden die Welt nicht verändern, Simone. Bitte, lass uns jetzt nicht an so etwas Trauriges denken, sondern wir wollen uns freuen, dass wir uns zufällig getroffen haben, ja?«

Sie sahen sich an, lächelten, und ihre Augen strahlten, und das hatte nichts mit der Vorfreude auf die Currywurst zu tun, die Ole übrigens ebenfalls zusammen mit einer Portion Pommes Frites essen wollte.

Das Leben konnte schon sehr angenehm sein.

*

Man konnte ja eine ganze Menge am Telefon klären, wenngleich das mittlerweile auch ziemlich altmodisch war, weil die Leute es bevorzugten, auf diese unverbindliche Weise per Handy oder Internet miteinander zu kommunizieren.

Manchmal war ein persönliches Gespräch jedoch einfach unumgänglich.

In der Regel sprang Nicki auf alles an, was hipp und in war, aber was sie ihrer Freundin jetzt erzählen wollte, das ging nur, wenn sie sich dabei in die Augen sahen, wenn sie miteinander sprachen, weil es aufregend war und man überhaupt nicht so schnell auf die Tasten hauen konnte, wie einem Worte über die Lippen bei einem persönlichen Gespräch kamen.

Sie hatte Roberta noch nichts verraten. Und es war Nicki verdammt schwergefallen, die Sache für sich zu behalten. Doch jetzt war alles in trockenen Tüchern, jetzt konnte eigentlich nichts mehr passieren, und jetzt musste es einfach raus!

Roberta und Alma freuten sich, wenn Nicki ins Doktorhaus kam. Doch selbst Alma wunderte sich über die häufigen Besuche.

»Frau Doktor, was ist denn bloß los mit Nicki? Sie war ja in den ganzen letzten Jahren nicht so oft hier wie derzeit. Gibt es da etwas, was ich nicht weiß?«

Roberta schüttelte den Kopf.

»Alma, ich weiß auch nicht mehr als Sie, Nicki hat sich halt diesen Bildhauer ausgeguckt, Lennart Hegenbach. Warten wir es ab, ob etwas dahintersteckt oder ob es sich mal wieder um eine Eintagsfliege handelt.«

Alma mochte Nicki wirklich sehr, Nicki hatte einen festen Platz in deren Herzen.

»Ach, Frau Doktor, es wäre Nicki so sehr zu wünschen, dass sie endlich an einen Mann gerät, der zu ihr passt, mit dem sie glücklich werden kann. Ich weiß nicht, ob dieser Bildhauer dazu taugt. Künstler sind immer exzentrisch, die drehen sich in erster Linie um sich selbst, und dann kommt eine ganze Weile gar nichts, und dann soll er ja auch drei Töchter haben. Das stimmt hinten und vorne nicht, Nicki braucht einen Mann, der voll und ganz hinter ihr steht, der sie liebt, wie sie ist, der sie nicht verändern will, der erkennt, was für ein großes Herz sie hat, der in erster Linie für sie da ist, nicht sie für ihn. So etwas wünsche ich mir für Nicki.«

»Manchmal gehen Wünsche sogar in Erfüllung«, erklang eine Stimme aus dem Hintergrund und ließ Alma und Roberta herumwirbeln.

»Danke, Alma, dass du eine so hohe Meinung von mir hast.«

Nicki war da, früher als gedacht, und sie hatte doch tatsächlich ihren Haustürschlüssel benutzt.

Sie umarmten sich, und nachdem die erste Aufregung sich gelegt hatte, rief Nicki: »Gut, dass ich euch beide erwische, da muss ich es nur einmal erzählen. Es gibt wunderbare Neuigkeiten, also bitte, setzt euch.«

Heute machte Nicki es aber wirklich spannend.

Sie wollte reden, ohne vorher etwas getrunken oder gegessen zu haben?

Sie setzten sich, Nicki ließ sich Zeit, ehe sie die Bombe platzen ließ.

»Ich werde nach Japan fliegen.«

Jetzt waren Alma und Roberta beinahe enttäuscht, denn sie hatten bei dieser Ankündigung mit einer weitaus größeren Sensation gerechnet.

Vielleicht bekam man als Normalsterblicher glänzende Augen, wenn man das Wort Japan hörte. Für Nicki war es nichts Besonderes, sie war schon einige Male dort gewesen.

Nicki schaute die beiden Frauen an, lächelte und bemerkte wie nebenbei: »Ich werde Lennart Hegenbach begleiten.«

Das war wohl der eigentlich wesentliche Teil der Ankündigung, denn damit hatte niemand gerechnet.

»Du wirst was?«, erkundigte Roberta sich gedehnt, Nicki war ja wirklich für jede Überraschung gut. Das jetzt allerdings war etwas, was einem schon die Schuhe ausziehen konnte. Diese Nicki!

Nicki kicherte. »Meine allerbeste Freundin, du hast ganz richtig gehört. Lennart hat in Tokio eine große Ausstellung, er hat zufällig erfahren, dass eine meiner Sprachen Japanisch ist, hat es seiner Galeristin gegenüber zufällig erwähnt, die hat es der Galerie, wem auch immer, in Japan erzählt. Alle fanden es eine gute Idee, beschlossen, sich die Kosten zu teilen, und ich werde Lennart zwei Wochen für mich haben. Da lässt sich eine ganze Menge drehen. Den Anfang haben wir schon mal gemacht, als er mich in meiner Wohnung besuchte und von dem Loft total begeistert war.«

Was für ein Glück, dass sie saßen.

»Moment mal, Nicki, gerade fühle ich mich ein wenig überrollt. Willst du nicht alles der Reihe nach erzählen? Ich meine, wenn ich daran denke, dass du vor nicht langer Zeit dem Mann im Arbeitsanzug nachgehechtet bist, der sich dann als Lennart Hegenbach entpuppte, dann ist es eine ziemlich rasante Entwicklung.«

Nicki richtete sich ein wenig auf, sie war stolz, ihre Freundin und Alma überlistet zu haben. Beide sahen ziemlich verwirrt aus.

»Wenn etwas sein soll …«

Roberta unterbrach ihre Freundin sofort.

»Nicki, rede jetzt aber bitte nicht über Vorbestimmung oder etwas, womit du stets herumwirfst.«

Nicki hatte für die Worte ihrer Freundin nur ein Schulterzucken übrig.

»Roberta, auch wenn du so etwas nicht hören willst: Ich denke schon, dass es so etwas wie Vorbestimmung ist, weil sich alles ohne Schwierigkeiten und ganz leicht ineinanderfügt. Aber keine Angst, ich versuche nicht, etwas zu forcieren, und ich werde, was dich, liebe Roberta, ganz gewiss sehr erfreut, nicht zu jemandem gehen, der mir die Zukunft weissagen soll. Also, keine Karten, keinen Kaffee, keine Glaskugel …, diesmal ist alles anders. Ich weiß, dass sich mit uns etwas ergeben wird, und deswegen habe ich auch überhaupt keine Eile. Sieger ist am Ende der, der warten kann.«

Roberta wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie wünschte ihrer allerbesten Freundin aus vollem Herzen ein ganz großes Liebesglück, eine Lebensliebe. Bisher war Nicki allerdings immer enttäuscht worden. Entweder hatte man ihr übel mitgespielt, oder sie hatte selbst den Schlussstrich gezogen, weil es für sie dann doch nicht die große Liebe gewesen war oder weil es etwas gegeben hatte, was nicht in Nickis Welt passte. Ausgerechnet Lennart Hegenbach! Roberta hatte ihn bereits kennengelernt, er war nett, charmant, aber er wusste auch schon zu gut, wer er war, ein begnadeter Bildhauer, eine Berühmtheit. Er und Nicki? Roberta konnte es sich nicht vorstellen, doch sie wollte ihre Freundin jetzt auch nicht in ihrer Euphorie bremsen. Und vielleicht …, vielleicht verlief es sich ja auch wieder im Sande.

»Nicki, wenn dieser Mann dein Glück ist, dann drücke ich dir die Daumen.«

Nicki winkte ab.

»Noch ist es leider nicht so weit, aber diese Reise nach Japan, die ist ein Geschenk des Himmels. Wir sind beide losgelöst von unserem Alltag. Er muss dort nicht an seine Baustelle denken.«

»Auch nicht an seine Töchter«, fügte Alma besorgt hinzu. »Er hat drei davon, Nicki, das weißt du schon, oder?«

Am liebsten wäre Nicki jetzt aufgesprungen, hätte Alma in ihre Arme genommen. Wie besorgt die Gute doch um sie war, es war wohltuend, aber wirklich nicht nötig.

»Alma, ich weiß, und ich kenne erst eine Tochter, nämlich die Jüngste, Paula ist ein ganz reizendes Mädchen. Aber ihr müsst keine Angst um mich haben. Auch wenn wir Stunden miteinander geredet, gelacht haben, beinahe zwei Flaschen Rotwein dabei geleert haben. Es ist nichts passiert. Es hat gewaltig gefunkt, und ja, beinahe hätten wir uns auch geküsst. Beinahe, wohlgemerkt. Wir haben es beide nicht darauf ankommen lassen, weil wir gespürt haben, dass es noch nicht an der Zeit war. Irgendwie fühlte es sich so an wie bei dem allerersten Kuss, der etwas Besonderes ist, und deswegen hebt man den sich erst einmal auf.«

Roberta konnte nicht anders, sie musste jetzt herzhaft lachen.

»Nicki, bitte entschuldige, solche Worte aus deinem Mund bin ich einfach nicht gewohnt. Auf jeden Fall finde ich es gut, dass du da nicht blindlings in etwas stolperst, was dir hinterher schlimmes Herzeleid verursacht.«

Nicki nickte.

»Du musst so und nicht anders denken, Roberta, das ist mir schon klar. Schließlich hast du in der Vergangenheit auch eine ganze Menge mit mir mitgemacht. Diesmal ist alles anders, Lennart musste auf meinen Weg kommen.«

Roberta und Alma schauten sich an. Solche Worte waren nicht neu bei Nicki, neu war nur, dass sie sich nicht direkt in eine Affäre gestürzt hatte. Das war erstaunlich, auch, dass Lennart Hegenbach sich vornehm zurückgehalten hatte. Nicki war eine intelligente, attraktive Frau und genau der Typ, auf den die meisten Männer stürzten. Das war ihr ja oftmals in der Vergangenheit zum Verhängnis geworden. Und wenn man bedachte, dass sie beinahe zwei Flaschen Wein miteinander geleert hatten …, da sah man meist die Welt mit anderen Augen, und wenn dann auch noch die Funken nur so geflogen waren …

Nicki hatte es gesagt, und hier­in musste Roberta ihr recht geben. Es war anders als sonst.

»Und jetzt gehst du gleich hinauf zum ›Seeblick‹, um alles zu überprüfen, oder?«

Sie hatte ›Seeblick‹ gesagt, obwohl es den ja gar nicht mehr gab, niemals mehr geben würde, diese Ära war vorbei. Aber das Wort an sich war nicht verkehrt, weil man von dem Anwesen dort oben in der Tat einen grandiosen Blick auf den See hatte, der einem schon den Atem nehmen konnte.

Nicki schüttelte den Kopf.

»Nein, ich bin gekommen, weil ich euch diese wunderbare Entwicklung persönlich mitteilen wollte, auch, dass es für mich recht bald nach Japan geht. Ich freue mich unbändig darauf, und ihr dürft dreimal raten, warum wohl. Ansonsten wünsche ich mir superleckeres Essen von dir, liebe Alma, und mit dir möchte ich Zeit verbringen, und dazu gehört einfach, ganz so wie in alten Zeiten, ein Mädelsabend mit allem Zubehör. Und, vielleicht können wir ja auch kurz nach Hohenborn fahren und ein bisschen shoppen, ich könnte schon noch was brauchen.«

Alma lachte.

»Nicki, wenn du mich fragst, dieser Bildhauer wird ganz bestimmt nicht darauf schauen, ob du den einen Fummel in grün, gelb oder blau trägst, sondern er wird dich ansehen, und wenn er das tut, ist er eh hin und weg, weil du etwas Besonderes bist. Und jetzt, meine Damen, Kaffee gefällig?«, lenkte sie rasch ab, weil sie nicht wollte, dass Nicki sich für das Kompliment bei ihr bedankte. Eigentlich war es ja auch überhaupt kein Kompliment. Nicki war tatsächlich etwas Besonderes, daran war nicht zu rütteln.

»Nichts lieber als das«, rief Roberta, und auch Nicki hatte nichts dagegen einzuwenden. Nachdem Alma gegangen war, wandte Nicki sich an ihre Freundin. »Roberta, ich hoffe, du weißt, was für ein Goldstück du hier an deiner Seite hast.«

Roberta nickte.

»Und ob ich das weiß, Nicki. Es ist in meinem Leben eine ganze Menge nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Scheidung von Max war sehr bitter, und dass ich Lars verloren habe, die große, die einzige wirkliche Liebe meines Lebens …, darüber werde ich wohl niemals hinwegkommen. Aber Alma, die ist ein Ausgleich dafür, nicht nur, dass sie das alles hier schmeißt. Nein, ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der so aufrichtig ist, so zuverlässig, vor allem so liebenswert. Ich bin sehr froh, dass es sie in meinem Leben gibt, weil sie es unendlich bereichert. Aber, um noch einmal auf Lars zu kommen …«, sie zögerte kurz, weil sie nicht genau wusste, ob sie überhaupt darüber reden sollte. Aber war Nicki nicht ihre allerbeste Freundin?

Sie hatten keine Geheimnisse voreinander, sie waren, seit sie sich kannten, durch dick und dünn gegangen. Sie waren wirklich so eng miteinander, dass kein Blatt Papier zwischen sie passte.

Roberta gab sich einen Ruck.

»Nicki, seit einiger Zeit träume ich wieder vermehrt von Lars, und es sind so intensive Träume, dass ich ihn zu spüren glaube, seinen Atem, seine Nähe. Ich werde jedes Mal davon wach und habe einen Moment lang Mühe, mich zurechtzufinden, und wenn mir schließlich bewusst wird, dass es nur ein Traum war, werde ich unsagbar traurig. Ich dachte, die Zeit der intensiven Träume wäre vorbei, doch sie verblassen nicht, sie werden wieder stärker.«