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Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Manchmal geschah etwas, wofür man keine Erklärung hatte. Würde man Roberta jetzt fragen, weswegen sie plötzlich ihre Richtung geändert hatte, wüsste sie keine Antwort darauf. Es war geradezu wie ein Zwang, dass sie jetzt nicht, wie ursprünglich geplant, zum See ging. Auf einmal hatte sie das geradezu dringende Bedürfnis verspürt, hinauf zur Felsenburg zu laufen. Vielleicht war es war es ja sogar das letzte Mal, denn das gesamte Grundstück war verkauft, und somit erlosch auch ihr Privileg, jederzeit hinauf zu der geschichtsträchtigen Ruine gehen zu können, die schon so vieles überdauert hatte, zuletzt das zerstörende Feuer. Doch gab es für ihre Aufgeregtheit eine Erklärung? Roberta hatte keine Ahnung. Sie folgte einer inneren Stimme, doch das würde sie niemals zugeben, denn das war normalerweise nicht ihr Ding, dafür war ihre Freundin Nicki zuständig. Sie hielt kurz inne, ihr Herz klopfte dumpf. Sie bekam Zweifel. In was hatte sie sich da eigentlich hineingesteigert? Ja, die Ruine war wirklich beeindruckend, und dass sie vom Ruß geschwärzt war, verlieh ihr sogar etwas Geheimnisvolles. Sie war viele Male hier oben gewesen, ohne dieses merkwürdige Gefühl zu verspüren. Was also war los mit ihr? Schon überlegte sie, umzukehren, doch zum See zu gehen, denn wenn man so wollte, war sie illegal hier, Piet und Claire hatten nichts mehr damit zu tun. Sie machte eine halbe Kehrdrehung, es ging nicht. Wenn sie schon mal hier war, dann konnte sie bis zur Ruine laufen, dort ein wenig verweilen, und vielleicht beruhigte sie sich dann auch wieder. Roberta beobachte für einen Augenblick einen Salamander, der reglos auf einem Stein in der Sonne saß. Das Bild des Friedens und der Stille ringsum, die durch nichts durchbrochen wurde, übertrug sich auf Roberta. Sie beruhigte sich, und dann setzte sie ihren Weg fort, den sie schon so viele Male gegangen war und nun vermutlich zum letzten Male.
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Seitenzahl: 156
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Manchmal geschah etwas, wofür man keine Erklärung hatte. Würde man Roberta jetzt fragen, weswegen sie plötzlich ihre Richtung geändert hatte, wüsste sie keine Antwort darauf. Es war geradezu wie ein Zwang, dass sie jetzt nicht, wie ursprünglich geplant, zum See ging. Auf einmal hatte sie das geradezu dringende Bedürfnis verspürt, hinauf zur Felsenburg zu laufen. Vielleicht war es war es ja sogar das letzte Mal, denn das gesamte Grundstück war verkauft, und somit erlosch auch ihr Privileg, jederzeit hinauf zu der geschichtsträchtigen Ruine gehen zu können, die schon so vieles überdauert hatte, zuletzt das zerstörende Feuer.
Doch gab es für ihre Aufgeregtheit eine Erklärung?
Roberta hatte keine Ahnung. Sie folgte einer inneren Stimme, doch das würde sie niemals zugeben, denn das war normalerweise nicht ihr Ding, dafür war ihre Freundin Nicki zuständig.
Sie hielt kurz inne, ihr Herz klopfte dumpf. Sie bekam Zweifel. In was hatte sie sich da eigentlich hineingesteigert? Ja, die Ruine war wirklich beeindruckend, und dass sie vom Ruß geschwärzt war, verlieh ihr sogar etwas Geheimnisvolles.
Sie war viele Male hier oben gewesen, ohne dieses merkwürdige Gefühl zu verspüren. Was also war los mit ihr? Schon überlegte sie, umzukehren, doch zum See zu gehen, denn wenn man so wollte, war sie illegal hier, Piet und Claire hatten nichts mehr damit zu tun.
Sie machte eine halbe Kehrdrehung, es ging nicht. Wenn sie schon mal hier war, dann konnte sie bis zur Ruine laufen, dort ein wenig verweilen, und vielleicht beruhigte sie sich dann auch wieder.
Roberta beobachte für einen Augenblick einen Salamander, der reglos auf einem Stein in der Sonne saß. Das Bild des Friedens und der Stille ringsum, die durch nichts durchbrochen wurde, übertrug sich auf Roberta. Sie beruhigte sich, und dann setzte sie ihren Weg fort, den sie schon so viele Male gegangen war und nun vermutlich zum letzten Male. Es war nicht davon auszugehen, dass der neue Besitzer des Grundstückes, mit dem er eine ganze Menge geplant hatte, die Felsenburg der Allgemeinheit zur Verfügung stellen würde. Die Felsenburg würde weiterhin das sichtbare Wahrzeichen des Sonnenwinkels bleiben. Und es war sehr beruhigend, dass sich daran niemals etwas ändern würde. Die Felsenburg stand unter Denkmalschutz, und so würde das Grundstück ringsum, das Filetstück des gesamten Anwesens, weiterhin ein nicht erreichbares Ziel von Grundstücksspekulanten bleiben. Alles unterlag der Veränderung, und eigentlich war es sehr beruhigend zu wissen, dass das nicht auf alles zutraf, wie beispielsweise die Felsenburg, die man längst dem Erdboden gleichgemacht hätte, um auf dem Grundstück Häuser zu errichten, mit denen man Geschäfte machen konnte.
Roberta schlenderte weiter, blieb hier und da stehen, um sich etwas anzuschauen, und sei es nur eine Blume, die sich ihren Weg durch das bröckelnde Gestein gebahnt hatte.
Jetzt war sie oben angekommen, und wieder konnte sie sich nicht der Vorstellung entziehen, wie es früher, als die Burg noch in ihrer ganzen Pracht erhalten gewesen war, wohl ausgesehen haben mochte, welche Menschen hier gelebt hatten.
Roberta war in ihre Gedanken versunken, und sie zuckte zusammen, als ihr bewusst wurde, dass sie nicht allein hier oben war. Das war mehr als erstaunlich.
Ohne gesehen zu haben, wer da herumlief, rief sie: »Hallo, das ist Privatbesitz, der Öffentlichkeit nicht zugänglich.« Es dauerte nicht lange, da bog jemand um die Ecke, und Roberta glaubte nicht, was sie nun sah. Sie hätte mit allem gerechnet, doch ganz gewiss nicht, ausgerechnet den Mann zu sehen, der ihr eine ganze Weile ziemlich durch den Kopf gegeistert war und von dem eine Ausstrahlung ausging, der sie sich auch jetzt nicht entziehen konnte.
Der Fremde, der ihr den Penny geschenkt hatte, der ihr ausgerechnet heute wieder in die Hände gefallen war und den sie sogar jetzt bei sich trug. Das konnte nicht wahr sein.
Auch er war ziemlich verblüfft, sie zu sehen, doch er war es, der sich zuerst fasste.
»Hallo, Lady«, grinste er und kam auf sie zu, und sie stellte fest, dass wieder diese Faszination da war, für die sich keine Erklärung hatte.
Für einen Augenblick sahen sie sich an, und für sie, sie wusste nicht, wie es ihm ging, lag ein Zauber in der Luft, den er allerdings wenig später mit den Worten durchbrach: »Ich bin nicht illegal hier, ich habe die Erlaubnis des früheren und sogar des jetzigen Besitzers. Wie sieht es bei dir aus, schöne Lady?«
Sie wurde verlegen und musste leider zugeben, dass sie nur die Erlaubnis ihrer Freunde Piet und Claire besaß.
»Oh, und dann große Töne machen? Okay, ich werde es für mich behalten, allerdings nur, wenn du mir mindestens eine Stunde deiner Zeit schenkst. Du bist mir noch etwas schuldig.«
Wie selbstverständlich er sie duzte, doch das irritierte sie nicht. Das Gegenteil war der Fall. Sie war verwirrt, konnte nicht sofort etwas sagen.
»Schon vergessen, ich habe einen Penny gezahlt, um deine Gedanken zu erfahren …, also, da ist es ganz einfach, wenn du mir sie nicht verraten willst, dann bekomme ich meinen Penny zurück, das ist fair.«
Es war eine höchst merkwürdige Situation, wenn man bedachte, worum es eigentlich ging, um Kinderkram. Doch die Vorgeschichte, die war höchst merkwürdig, und die verschlug Roberta die Sprache. Gewiss hatte sie anfangs den Penny gehütet wie einen Augapfel, und sie hatte auch mehr als gut für sie war an diesen Mann gedacht, hatte Interesse an ihm gezeigt, dem ersten Mann, seit Lars aus ihrem Leben verschwunden war. Und das, was dann heute geschehen war, war mehr als unglaublich, zunächst einmal fand sie den Penny, dann ging sie nicht zum See, sondern es hatte sie zur Felsenburg gezogen, und …
Nein! Es war nicht in Worte zu fassen, Nicki würde es als Schicksal, als Vorbestimmung, was auch immer, bezeichnen, und ganz gegen ihre sonstige Art sah Roberta es in diesem Augenblick ebenfalls so.
Er erwartete eine Reaktion von ihr, und die kam auch, allerdings anders, als von ihm erwartet. Sie griff in die Tasche ihrer Hose, holte den Penny hervor, drückte ihn dem verblüfften Mann in die Hand.
»Also gut, hier ist der Penny zurück, und ich denke, das ist nur fair, denn heute sind meine Gedanken ganz andere als damals da oben beim ›Seeblick‹.«
Ihm war anzusehen, wie verblüfft er war, wie einen kostbaren Schatz nahm er den Penny in die Hand und rief überwältigt: »Dass du ihn noch hast. Doch warum wundert es mich nicht, schließlich hatten wir beide einen magischen Moment …, ich habe dich nie vergessen, und auch wenn du es mir nicht glaubst. Ich dachte und ich denke viel an dich.«
Diese Stimme, sie wollte sich davon nicht einlullen lassen.
Er war äußerst charmant, und sie wollte seinem Charme nicht erliegen.
»Bitte Schluss, hör auf mit der Märchenstunde«, Roberta duzte ihn einfach ebenfalls, und das kam ihr nicht einmal ungewöhnlich vor, weil sie irgendwie das Gefühl hatte, ihn seit Ewigkeiten zu kennen, weil da eine Vertrautheit zwischen ihnen war, die Nicki Magie nennen würde. »Wenn dieses große Verlangen in dir war, warum hast du dann nicht einfach versucht, mich zu finden? Du hättest beispielsweise nur die Wirtin des Restaurants fragen müssen. Wenn man jemanden finden will, gibt es sehr viele Wege.«
Roberta drehte sich um, wollte zurückgehen, weil ihr das im Augenblick die einzige Möglichkeit zu sein schien, ihm zu entrinnen, ehe sie sich da in etwas verstrickte. Aber er hielt sie sanft, aber doch sehr bestimmt, zurück, führte sie zu einem Mauerrest, zwang sie, sich zu setzen. Er setzte sich neben sie, und das ziemlich nahe, für ihre Begriffe zu nahe, weil sie das verwirrte. Sie tat nichts, irgendwie kam sie sich vor wie ein hypnotisiertes Kaninchen, dass ausgerechnet ihr so etwas passieren musste, doch das hing einfach nur damit zusammen, dass sie mit so etwas nicht gerechnet hätte.
»Weil ich keine Möglichkeit dazu hatte«, sagte er mit sanfter, einlullender Stimme. »Ich hielt mich bis vorgestern in Amerika auf, genau gesagt, in Hollywood, wo wir einen Film abdrehten, der demnächst in die Kinos kommen wird.«
Sie blickte ihn von der Seite an.
»Ich bin Regisseur, arbeite meistens in Hollywood, dass ich hier war, war ein Zufall, ich hatte von der Ruine gehört und da kam mir etwas in den Sinn, und jetzt bin ich noch einmal gekommen, um mir alles anzusehen. Doch die Felsenburg hat ihren Zauber für mich verloren.« Er schaute ihr ganz tief in die Augen, und Roberta wurde ganz anders zumute. »Es geht nicht wirklich um die Felsenburg. Ich musste herkommen, weil es unausweichlich ist, dass wir uns noch einmal sehen, dass wir uns in diesem magischen Moment auf der Terrasse begegnen mussten.«
Er sollte aufhören, ehe sie sich lächerlich machte, weil sie drauf und dran war, auf ihn hereinzufallen, weil er Sehnsüchte in ihr erweckte, und das ausgerechnet ihr, der seriösen Ärztin. Irgendwie schien sie einen Hang für Männer zu haben, die nicht der Norm entsprachen, abgesehen von ihrem Exmann, der war nicht außergewöhnlich, nur ein übler Schürzenjäger mit wenig Lust, richtig zu arbeiten. Doch Kay, der junge, verwegene Aussteiger, dann Lars, der ebenfalls nicht mit normalen Maßstäben zu messen gewesen war, und nun dieser Fremde, der ihr so vertraut erschien. Und ein seriöser Mann wie Konstantin von Cleven hatte keine Chance bei ihr gehabt. Mit ihr stimmte etwas nicht.
Du liebe Güte! Wohin verirrten sich ihre Gedanken. Es war ein zufälliges Zusammentreffen, das überhaupt keine Bedeutung hatte, und sie drehte sofort einen Film daraus. Beinahe hätte sie jetzt angefangen zu lachen. Filme drehte er, dafür war er zuständig, und er schien sofort ein Drehbuch bereitzuhaben, in dem die beiden Hauptdarsteller feststanden, und das waren er und sie.
Dieser Mann konnte reden!
Roberta merkte, wie ihr Widerstand schmolz wie das Eis eines Gletschers.
Dieser Ken Craig, sie hatte nicht vergessen, dass er so hieß, konnte wirklich reden wie ein Buch, und als er noch näher an sie heranrutschte, ihr einen Arm um die Schulter legte, wagte sie kaum zu atmen.
»Ich weiß nicht, wohin unsere Reise geht, doch ich bin ganz sicher, dass wir uns kennenlernen mussten, um das herauszufinden.«
Und dann kam etwas, womit Roberta nicht gerechnet hätte, was jedoch unausweichlich schien.
Er küsste sie!
Wenn sie ehrlich war, es war wunderschön. Es war nicht zu vergleichen mit ihren früheren Lieben, dem ungestümen Kay, mit ihrem Lebensmenschen Lars. Es war unglaublich, zum ersten Male seit seinem Verschwinden, anders konnte man es nicht nennen, kam sie ein wenig aus diesem tiefen, trostlosen Loch heraus und sah wieder Tageslicht.
Ken Craig und sie …
Noch war Roberta nicht so weit, an eine gemeinsame Reise zu glauben, doch irgendeinen Sinn musste es haben, dass sie sich begegnet waren, dass sie heute hierhergekommen war, ganz unbewusst und doch wie unter einem Zwang. Das war Schicksal.
Oder wollte sie es nur glauben, weil es nicht wirklich eine Erklärung dafür gab.
Irgendwann lösten sie sich voneinander, blickten sich still in die Augen, und er sagte ernst: »Danke, Lady.«
Sie lächelte.
»Ich habe einen Namen. Ich heiße Roberta, Roberta Steinfeld.«
Roberta konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob sie ihm damals in diesem flüchtigen Moment ihren Namen bereits genannt und er ihn vergessen hatte. Das spielte keine Rolle, es musste nichts abgehakt werden.
Er blickte ihr noch tiefer in die Augen. »Roberta …«, wiederholte er langsam, betont und mit sehr viel Zärtlichkeit in seiner Stimme, die sie erschauern ließ. »Das klingt schön, wie Musik, der Name passt zu dir.«
Sie wollte ihm jetzt seine Illusionen nicht rauben und ihm sagen, wie grässlich sie ihren Vornamen fand und dass sie sehr froh darüber war, dass seit Langem niemand mehr auf den Gedanken gekommen war, sie Berta zu nennen, wie damals in der Schule. Manchmal war es einfach ratsamer, nichts zu sagen, Worte konnten manches zerstören. Und das jetzt war ein Augenblick, der auf der einen Seite unwirklich war, auf der anderen unglaublich schön. Sie saßen still nebeneinander, verstanden sich ohne Worte. Zwischen ihnen war etwas, was nicht zu beschreiben war, und da gab es auch noch diese unglaubliche Vertrautheit, die man eigentlich nur haben konnte, wenn man sich lange und gut kannte. Es war Magie …
Sie waren losgelöst vom Rest der Welt. Selbst die Tiere, vor allem die Vögel, schienen innezuhalten, um diesen Augenblick der Ewigkeit nicht zu stören.
Und plötzlich gab es doch eine Störung, und die kam, wie konnte es auch anders sein, aus der ganz realen Welt. Ein schriller Klingelton ertönte, und der kam von einem Handy, genau gesagt seinem. Sie hatten beide Mühe, in die Realität zurückzufinden, und deswegen klingelte es auch eine ganze Weile.
»Entschuldige bitte«, sagte er schließlich, »da muss ich drangehen.«
Er meldete sich, diesmal klang seine Stimme bestimmt, wie die eines Machers, und so musste man wohl auch sein, wenn man sich im Haifischbecken der Filmindustrie behaupten wollte, und das war er wohl. In Hollywood drehte man Filme, keine Filmchen. Doch darüber musste sie sich wirklich augenblicklich keine Gedanken machen. Er nahm seine Umgebung nicht mehr wahr, war höchst konzentriert, und es schienen keine guten Nachrichten zu sein, die er da bekam, denn sein Gesicht verfinsterte sich immer mehr, und schließlich rief er: »Damned, verdammt, verdammt«, ehe er präzise Anweisungen gab, was zur Schadensbegrenzung zu tun sei. Und dann kam etwas, was Roberta überhaupt nicht gefiel.
»Ich komme, Polly soll einen Flieger für mich chartern, so schnell es geht und egal, was es kostet. Der Produktionsausfall darf nicht noch größer werden. Ich bin schon auf dem Weg zum Flughafen, informiert mich sofort, okay?«
Er steckte sein Handy weg, wandte sich Roberta zu, diesmal war seine Stimme wieder einschmeichelnd.
»Es tut mir leid, doch ich muss ganz dringend weg, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Ich melde mich, bitte sag mir, wo und wie ich dich erreichen kann. Du bekommst meine Handynummer, unter der ich für dich immer erreichbar bin. Dumm gelaufen, doch so ist es nun mal, ganz besonders in unserer Branche.«
Von der Roberta nicht die geringste Ahnung hatte, auch nicht haben wollte, denn für Filme, die Filmindustrie hatte sie sich noch nie interessiert. Und ein Beruf in diesem Bereich wäre auch niemals eine Option für sie gewesen. Selbst in dem Alter nicht, in dem alle kleinen Mädchen entweder Prinzessin oder Schauspielerin werden wollten. Sie wollte, solange sie zurückdenken konnte, immer nur Ärztin werden wollen, sonst nichts, und sie war überglücklich, in dem allerschönsten Beruf von der ganzen Welt arbeiten zu dürfen.
Eigentlich war er zu bewundern dafür, dass er einfach so den Hebel umschalten konnte. Ihr gelang es nicht, und Roberta hatte erst einmal damit zu tun, mit ihrer Enttäuschung fertig zu werden. Sie tauschten Telefonnummern miteinander aus.
Er sagte: »Soll ich dich mitnehmen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Danke, ich bleib noch etwas hier oben.« Es war ihr einfach nicht möglich, von jetzt auf gleich in das wahre Leben einzutauchen.
Er umarmte sie mit einer unglaublichen Sanftheit.
»Es gibt viele gute, aber auch sehr viele schlechte Drehbücher. Würde man mir eines vorlegen mit dem, was gerade mit uns geschieht, würde ich es ablehnen mit dem Vermerk – an der Realität vorbeigeschrieben. Das zeigt wieder einmal, das das Leben die schönsten Drehbücher schreibt. Es ist ein ganz großes Privileg, dass wir uns begegnen durften. Und wir beide sollten mit diesem Geschenk ganz behutsam umgehen.«
Er küsste sie ohne Verlangen, voller Zärtlichkeit, dann sagte er, und seine Stimme klang dabei sehr ernst: »God bless you.«
Man merkte, wie schwer es für ihn war, sich von ihr zu trennen, doch es ging nicht anders. Er drehte sich um, und dann lief er davon, in die andere Richtung, das war auch der kürzere Weg. Sie hatte gehofft, er würde sich noch einmal umdrehen, ihr zuwinken. Er tat es nicht, denn nun war er nicht mehr bei ihr.
Ein wenig verunsichert blieb Roberta einen Augenblick lang stehen, dann ließ sie sich auf die Mauerreste sinken, auf denen sie gerade noch gemeinsam gesessen hatten. Und ganz gewiss bildete sie sich das nur ein. Es war plötzlich leer ohne ihn.
Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie darüber nachdenken konnte, was da gerade geschehen war. Und würde sie seine unglaubliche Präsenz in sich nicht noch spüren, müsste sie glauben, alles nur geträumt zu haben. Es war aber auch kaum zu fassen. Es hörte sich an wie ein Märchen, doch es war zu intensiv gewesen, um es als ein solches abzutun.
Das Schicksal, eine höhere Macht, was auch immer, wollte, dass sie sich begegneten, zwei Menschen aus zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Und dennoch hatten sich ihre Seelen miteinander verbunden.
Ken …
Würden sie miteinander auf eine Lebensreise gehen, oder würde das Feuer verglühen, weil es eigentlich so etwas im wahren Leben überhaupt nicht geben konnte? Und über sich selbst wunderte Roberta sich ebenfalls, weil sie es nicht für möglich gehalten hätte, dass sie nach Lars noch so etwas erleben würde, sich vorbehaltlos auf etwas, auf jemanden, einzulassen. Gewiss hatte sich da etwas verändert, besonders nach diesem unglaublichen Erlebnis, als Lars ihr so nahe gewesen war, als sie wusste, dass er gekommen war, um sich zu verabschieden. Danach hatte sie versucht, sich wieder auf ihren Alltag einzulassen, und da war ja auch Konstantin gekommen, der Gefährte aus frühen Studienjahren, in den sie sogar ein wenig verliebt gewesen war. Er hatte sich auf sie einlassen wollen, sie war dazu nicht in der Lage gewesen, weil die frühe Verliebtheit längst verrauscht gewesen war, und Roberta nicht zu den Frauen gehörte, für die ein alter Name, eine gute Position des Ehemannes, erstrebenswert war. Was immer sie in ihrem Leben auch erreicht hatte, war aus eigener Kraft erfolgt, und darauf konnte sie stolz sein. Das war sie in gewisser Weise auch, doch das alles spielte jetzt gerade überhaupt keine Rolle. Sie schloss die Augen, versuchte, sich in die Welt hineinzuversetzen, in der sie gerade erst mit ihm gewesen war. Es ging nicht, denn dazu gehörten zwei, ganz besonders dann, wenn man noch am Anfang stand.
Sie öffnete die Augen wieder, entschied sich dafür, nichts zu hinterfragen, nichts zu bewerten. Dass, was heute geschehen war, zeigte ihr doch, dass das Schicksal seine eigenen Wege ging, die man nicht planen, nicht voraussehen konnte.
Ein rotbraunes Eichhörnchen huschte flink über den steinigen Weg, um blitzschnell einen der hohen Bäume zu erklimmen, die zum Glück von dem Feuer nicht zerstört worden waren.