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Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Mit Michaela Dornberg übernimmt eine sehr erfolgreiche Serienautorin, die Fortsetzung der beliebten Familienserie "Im Sonnenwinkel". Michaela Dornberg ist mit ganzem Herzen in die bezaubernde Welt des Sonnenwinkels eingedrungen. Sie kennt den idyllischen Flecken Erlenried und die sympathische Familie Auerbach mit dem Nesthäkchen Bambi. Simone hielt inne, drehte sich um. Natürlich hatte sie die Stimme sofort erkannt. Sie gehörte Ole. Was machte er hier? Wieso war er da? Das konnte kein Zufall sein! Ole machte ein paar Schritte auf sie zu. Er hatte was, sah in seiner lässigen Jeans, dem weißen Hemd mit den aufgekrempelten Ärmeln umwerfend aus, zumindest war das ihr Empfinden, und es reichte aus, um ihren Herzschlag zu beschleunigen. Simone schaute ihn an, und ihr wurde sofort klar, dass es für sie lange noch nicht zu Ende war. Allerdings kam es auf sie allein nicht an. Ole, war er gekommen, um ihr zu sagen, dass es endgültig zwischen ihnen aus war? Das wäre immerhin anständig, es ihr persönlich zu sagen und nicht am Telefon oder es ihr gar per SMS mitzuteilen. »Hallo, Ole«, sie bemühte sich, ihrer Stimme einen unverbindlichen Klang zu geben, was ihr allerdings nicht richtig gelang. Dazu war sie viel zu aufgeregt. Er lächelte, das war immerhin schon etwas. »Ich stehe bereits eine ganze Weile hier, weil ich nicht genau wusste, wann du eigentlich Feierabend machst.« Simone erwiderte etwas völlig Banales, an das sie sich nicht mehr erinnern konnte, kaum, dass es ausgesprochen war. Zum Glück war Ole Petersen eindeutig gefasster als sie, und er eierte auch nicht herum, sondern kam direkt auf den Kern der Sache zu sprechen, den Grund seines unverhofften und unerwarteten Hierseins. »Simone, ich bin hier, um mich bei dir zu entschuldigen, und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass du mir verzeihen kannst.
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Seitenzahl: 163
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Simone hielt inne, drehte sich um. Natürlich hatte sie die Stimme sofort erkannt. Sie gehörte Ole. Was machte er hier?
Wieso war er da? Das konnte kein Zufall sein!
Ole machte ein paar Schritte auf sie zu. Er hatte was, sah in seiner lässigen Jeans, dem weißen Hemd mit den aufgekrempelten Ärmeln umwerfend aus, zumindest war das ihr Empfinden, und es reichte aus, um ihren Herzschlag zu beschleunigen.
Simone schaute ihn an, und ihr wurde sofort klar, dass es für sie lange noch nicht zu Ende war. Allerdings kam es auf sie allein nicht an. Ole, war er gekommen, um ihr zu sagen, dass es endgültig zwischen ihnen aus war? Das wäre immerhin anständig, es ihr persönlich zu sagen und nicht am Telefon oder es ihr gar per SMS mitzuteilen.
»Hallo, Ole«, sie bemühte sich, ihrer Stimme einen unverbindlichen Klang zu geben, was ihr allerdings nicht richtig gelang. Dazu war sie viel zu aufgeregt.
Er lächelte, das war immerhin schon etwas.
»Ich stehe bereits eine ganze Weile hier, weil ich nicht genau wusste, wann du eigentlich Feierabend machst.«
Simone erwiderte etwas völlig Banales, an das sie sich nicht mehr erinnern konnte, kaum, dass es ausgesprochen war. Zum Glück war Ole Petersen eindeutig gefasster als sie, und er eierte auch nicht herum, sondern kam direkt auf den Kern der Sache zu sprechen, den Grund seines unverhofften und unerwarteten Hierseins.
»Simone, ich bin hier, um mich bei dir zu entschuldigen, und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass du mir verzeihen kannst. Ich habe mich wieder einmal ausgesprochen dämlich benommen, ganz wie ein pubertärer, störrischer Junge, der herumtobt, weil sich sein Wunsch gerade nicht erfüllt.«
Simone schluckte, mit so etwas hätte sie jetzt nicht gerechnet, nicht nach dem, was bei ihrem letzten Treffen geschehen war. Sie war nun wirklich überrascht und zunächst unfähig zu antworten. Sie schaute ihn nur an. Irgendwie deutete er ihr Schweigen falsch.
»Simone, es tut mir wirklich unendlich leid, wie ich mich aufgeführt habe. Ich kann verstehen, dass du sauer auf mich bist, und ich kann dich nur bitten und darauf hoffen, von dir noch eine Chance zu bekommen. Ich habe gründlich über alles nachgedacht. Natürlich hast du recht mit allem. Zwei erwachsene Menschen, die im Vollbesitz ihres Verstandes sind, die bereits in Beziehungen gescheitert sind, sollten nicht unbedarft auf eine gemeinsame Reise gehen. Das tut man, wenn man jung, unbedacht und unerfahren ist und glaubt, die Welt aus den Angeln heben zu können.«
Es war unglaublich!
Solche Worte aus seinem Mund? Das hatte sie nun wirklich nicht erwartet.
Simone war verunsichert, wusste nicht, was sie davon halten, vor allem, wie sie sich verhalten sollte. Zum Glück erwartete er keine Antwort von ihr, denn er fuhr unvermittelt fort: »Es war unmöglich von mir, von dir zu erwarten, dass du sofort alles stehen und liegen lässt, dein Leben aufgibst, um mit mir zu gehen.«
Ein Radfahrer, der eigentlich auf dem Bürgersteig überhaupt nichts zu suchen hatte, kam angeradelt. Sie mussten geistesgegenwärtig zur Seite springen, um von ihm nicht erfasst zu werden. Besser gesagt, Ole hatte sie zur Seite gezogen, und er ließ sie auch nicht los, obwohl der Radfahrer längst um die Ecke gebogen war.
»Simone, sollen wir uns dort drüben auf die Bank setzen?« schlug er vor. »Das ist nicht nur bequemer, sondern auch sicherer. Die Radfahrer wissen, dass sie die Bürgersteige nicht mehr benutzen dürfen, doch sie halten sich einfach nicht daran. Jetzt, da dafür geworben wird, aus Umweltgründen mehr das Fahrrad zu nutzen, haben manche von ihnen wohl das Gefühl, das Monopol im Straßenverkehr errungen zu haben. Das war eben richtig dreist. Er hätte sich wenigstens entschuldigen können.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was soll es, es ist glücklicherweise noch mal gut gegangen.«
Weil sie nichts sagte, fuhr er wieder einmal fort: »Da können wir in Ruhe miteinander reden, und das möchte ich sehr gern tun.«
Simone nickte, schluckte, glaubte, einen dicken Kloß im Hals sitzen zu haben. Es war aber auch unglaublich, was gerade geschah.
Ole führte sie zu der besagten Bank. Sie setzten sich, und erst jetzt ließ er sie los. Er wandte sich ihr zu, schaute sie beschwörend an und hielt sich auch gar nicht erst mit der Vorrede auf. »Simone, ich möchte dich nicht verlieren. Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. Am liebsten würde ich Tag und Nacht mit dir verbringen, so sehr liebe ich dich. Das, was ich mit dir erlebe, ist ganz besonders. So etwas hatte ich bislang in meinem Leben nicht, dieses unglaubliche Gefühl der Wärme, der Nähe, der Zärtlichkeit, des Verstehens. Es ist einzigartig, und vermutlich ist das auch der Grund, weswegen ich so sehr klammere, warum ich möchte, dass du direkt mit mir gehst. Wie bereits gesagt, kann ich deine Haltung verstehen, nachvollziehen, und ich bin bereit, mich dem anzupassen. Die Hauptsache ist, dass du bei mir bleibst. Und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass du irgendwann sagst, dass es für dich an der Zeit ist, mit mir zu leben …, jeden Tag, jede Nacht …, für immer.«
Sie war verwirrt, schaute ihn an.
»Ole, ich …«
Er hatte Angst, sie könnte jetzt das Aus ihrer Beziehung verkünden, was sogar nachvollziehbar wäre. Er hatte ihr die Pistole auf die Brust gesetzt und war ziemlich selbstherrlich gewesen. Dabei war alles sehr vernünftig, was sie vorgeschlagen hatte. Auch wenn er sich jetzt wiederholte, er musste noch einmal zum Ausdruck bringen, dass es ihm sehr ernst war, damit sie ihm glaubte.
»Simone, es ist wirklich bei mir angekommen, dass eine Fernbeziehung jetzt erst einmal vernünftig ist. Und ja, ehe wir den gemeinsamen Schritt miteinander wagen, müssen wir mehr voneinander wissen, müssen aufrichtig zueinander sein. Ich denke, da ist noch viel Redebedarf …, ich habe da noch einige Leichen im Keller.«
»Ole, ich ebenfalls«, sagte sie ganz spontan.
Er schaute sie an, lachte.
»Simone, du doch nicht.«
Es war vermutlich nicht der richtige Augenblick, gewiss nicht der richtige Ort. Doch wann war es das schon. Simone hatte das dringende Bedürfnis, sich von etwas zu befreien.
»Ole, da gibt es etwas, was ich dir längst schon hätte sagen müssen.«
Er blickte sie zweifelnd an, sie ließ sich nicht beirren. Jetzt oder nie. Simone erzählte ihm von dem tiefen Loch, in das sie nach der Trennung von ihrem Ehemann gefallen war, nach der Scheidung, von dem Job, den sie verloren hatte und von der Wohnung, die sie räumen musste, weil der Eigentümer Eigenbedarf angemeldet hatte.
»Ole, es ist kein Einzelfall, so etwas erleben viele Menschen, leider. Und was ich dann getan habe, lässt sich mit dem, was geschehen war, nicht entschuldigen.« Es fiel ihr schwer, sie fühlte sich schlecht, doch es ging nicht anders. Sie konnte es auch nicht als eine unbedachte Tat hinstellen, sie musste dazu stehen, mit aller Konsequenz, auch wenn er sich von ihr abwenden würde. Sie erzählte von dem Brief an Teresa von Roth, für den sie sich wohl ihr Leben lang schämen würde.
»Wäre Frau von Roth nicht so großzügig gewesen, wäre sie zur Polizei gegangen, nachdem sie dahintergekommen war, dass ich die Verfasserin war, dann wäre ich jetzt vorbestraft. Ich hätte mit den Traumjob im Notariat abschminken können, den ich übrigens Frau von Roth zu verdanken habe, genauso wie diese wunderschöne Wohnung. Ich hatte ein unglaubliches Glück. Ich weiß, dass ich mich nicht damit herausreden kann, mich in einer Ausnahmesituation befunden zu haben. Was ich getan habe, das war eindeutig kriminell, eine Straftat. So, jetzt weißt du es endlich.«
Ole sagte erst einmal nichts, und sie schloss sofort daraus, dass er vermutlich überlegte, weil er sich nicht sicher sein konnte, ob er mit einer Frau zusammen sein wollte, die zu so etwas fähig war.
»Ole, ich kann verstehen, dass du es nicht verstehen kannst, das kann ich heute ja ebenfalls nicht mehr. Aber versteh bitte, dass ich alles vermeiden möchte, was mich wieder in eine Schräglage bringen könnte. Offenbar bin ich labil, kann mit gewissen Situationen nicht umgehen. Ich war es zumindest. Auf jeden Fall möchte ich alles dransetzen, meinen künftigen Weg einigermaßen geordnet zu gehen. Absolute Sicherheit hat man niemals, aber wenn man aufrichtig ist, wenn man sich einigermaßen bemüht, wenn man alle vorhersehbaren Stolpersteine aus dem Weg räumt, kann man sich erst einmal einigermaßen sicher fühlen. Ich bin einfach nicht so mutig, einfach ins Wasser zu springen, obwohl ich nicht schwimmen kann, und darauf hoffe, dass sich schon jemand findet, der mich aus dem Wasser herausfischt. Ich …, ich …, habe Angst davor, noch einmal Schiffbruch zu erleiden.«
Ole sagte noch immer nichts, und das beunruhigte Simone schon sehr. Es war überhaupt eine mehr als merkwürdige Situation. Ringsum pulsierte das Leben, Menschen liefen vorüber, standen irgendwo plaudernd herum. Eine Mutter brachte ihrem Kind auf dem Platz das Fahrradfahren bei. Stimmengewirr kam zu ihnen herüber, sogar unbeschwertes Lachen. Tauben flogen umher. Sie kamen sogar bis an ihre Bank heran, in der Hoffnung, etwas aufpicken zu können. Und sie saßen da und wälzten Probleme. Wenn das die Leute ringsum wüssten. Simone fühlte sich unbehaglich, sie hätte nicht hier und jetzt damit anfangen müssen. Sie hatte so lange gewartet, da hätte sie es ruhig noch eine weitere Weile tun können und einen passenderen Augenblick abwarten. Zu spät, das hätte sie sich vorher überlegen müssen. Simone wagte nicht einmal einen Blick zur Seite.
Mit seiner Reaktion hätte sie nicht gerechnet. Unvermittelt ergriff er ihre Hand, umschloss sie sanft mit seinen beiden Händen. Sie zuckte zusammen. Er streichelte ihre Hand, dann murmelte er leise und sehr teilnahmsvoll: »Mein armer Schatz.« Mehr sagte er nicht, doch in seiner Stimme lag so unendlich viel Liebe, dass Simone Tränen in die Augen schossen, Tränen der Zuneigung, der Erleichterung, sie wusste nicht, was sonst noch.
Ole bemerkte es, ließ ihre Hand los, umfasste jetzt ihre Schulter. »Simone, du musst nicht weinen. Alles ist gut, ich danke dir sehr, dass du es mir erzählt hast. Ich kann dich jetzt so viel besser verstehen. Weißt du, wenn man dich so sieht, erkennt man eine starke Frau, die spielend alle Hürden des Lebens meistert. Man sieht nicht die verletzbare Person, die du offensichtlich in Wirklichkeit bist …, ich war sehr dumm, habe eine ganze Menge falsch gemacht. Bitte, verzeih mir. Das kann ich nur immer wiederholen.«
Simone weinte noch heftiger. Es gab keinen Grund dazu, alles sah gut für sie aus. Doch es gab halt Augenblicke im Leben, in denen man von seinen Gefühlen überrollt wurde, in denen man die Kontrolle verlor, in denen man einiges tat, was niemand erwartete, am wenigsten man selbst. Tränen gehörten halt dazu.
Es gab nicht viele Männer, die mit Frauentränen richtig umgehen konnten, und auch Ole Petersen hatte damit so seine Mühe. Er machte sich Vorwürfe, glaubte, die Tränen hätten noch etwas mit seiner vorherigen unnachgiebigen Haltung zu tun. Er dachte an alles Mögliche, und je mehr ihm durch den Kopf schoss, umso unsicherer fühlte er sich. Dann hatte er eine Idee. Schließlich hatte er doch noch ein Ass im Ärmel. Er holte etwas aus seiner Hosentasche hervor, ohne sie loszulassen. Das war nicht ganz einfach. Mit großer Mühe schaffte er es.
»Simone, mein Herz …, vielleicht kann ich dich ja damit ein wenig aufmuntern«, sagte er, reichte ihr ein wenig unbeholfen ein hübsch in blaues Seidenpapier verpacktes Päckchen.
Simone atmete ganz tief durch, wischte sich die Tränen weg, schaute ihn an, erkundigte sich unnötigerweise und auch ungläubig: »Für mich?« Das hätte sie sich jetzt wirklich ersparen können. Er hatte es doch ganz deutlich gesagt, und niemand reichte jemandem ein so hübsch verpacktes Päckchen, damit der sich den Inhalt mal ansehen konnte. Simone war wirklich vollkommen durch den Wind, das konnte man an ihrer Reaktion erkennen.
Ole beantwortete diese törichte Frage nicht, sondern ermunterte sie, das Päckchen doch endlich zu öffnen. Und das tat sie schließlich auch mit ziemlichem Herzklopfen. Ihre Hände zitterten, als sie die ebenfalls blaue Seidenschleife löste. Nachdem sie das Band und das Seidenpapier beseitigt hatte, das Ole ihr fürsorglich abnahm, kam ein Kästchen zum Vorschein, das unschwer als etwas zu erkennen war, worin Schmuckstücke aufbewahrt wurden. Was hatte das denn zu bedeuten? Simone machte das Kästchen ein wenig umständlich auf, weil sie so aufgeregt war, und dann entdeckte sie einen wunderschönen schlichten goldenen Ring, der besetzt war mit Brillanten und blauen Saphiren. Jetzt wusste sie überhaupt nichts mehr. Verwundert blickte sie Ole an, und der beeilte sich sofort zu sagen: »Simone, es ist kein Verlobungsring, kein Ehering. Dieser Ring ist ein Geschenk für dich, einfach so. Als ich ihn beim Juwelier im Fenster entdeckte, wusste ich sofort, dass er wie für dich gemacht ist, eine Juweliersarbeit.«
Sie guckte den Ring an, dann Ole, dann wieder den Ring. Doch am Ende siegte ihre Neugier, nicht nur das, sie wäre keine Frau, bekäme sie beim Anblick eines so außergewöhnlichen Stückes nicht gleich das Funkeln in den Augen. Ihre Hand zitterte, als sie sich den Ring an den Finger steckte, er passte wie angegossen, nicht nur das, er war wirklich wie für sie gemacht.
Simone war überwältig.
»Ole, einen so wunderschönen Ring besaß ich noch nie zuvor in meinem Leben …, ich habe doch überhaupt nicht Geburtstag. Ich bin …«, stammelnd brach sie ab, und er fuhr fort: »Eine Frau wie dich kann man nicht genug beschenken. Außerdem habe ich auch einiges gutzumachen, nicht wahr?«
Sie schluckte.
»Danke, Ole, aber …«, ihr kam etwas in den Sinn, »woher wusstest du eigentlich meine Ringgröße?«
Er lachte, kramte erneut in seiner Hosentasche herum, beförderte eine reichlich zerknautschte Papiertüte hervor, reichte sie ihr und sagte: »Ich muss dir etwas geschehen, ich habe aus deinem Badezimmer einen der dort herumliegenden Ringe mitgehen lassen, und so hatte ich die richtige Größe.«
Sie schaute in die Tüte hinein, holte den Ring hervor, rief: »Da ist er ja, und ich dachte schon, ich hätte ihn irgendwo verloren. Du bist mir vielleicht einer.« Sie wurde ernst. »Ole, ich danke dir noch einmal von ganzem Herzen, nicht nur für den Ring, sondern dass du uns noch eine Chance gibst. Es fühlt sich plötzlich alles so leicht an …, so schön.«
Er zog sie näher an sich heran, murmelte: »Ich danke dir.« Dann küsste er sie, und die Welt war auf einmal hell und wunderschön. Und das gewiss nicht wegen des Ringes mit den funkelnden Steinen an ihrem Finger. Er hätte ihr nichts schenken müssen, einen Ring aus einem Kaugummiautomaten, wenn es denn ein Schmuckstück sein sollte. Nein, die Welt war schön, weil sie auf einmal wieder eine gemeinsame Zukunft vor sich hatten, weil es beinahe so magisch war wie jener Augenblick am See, aber nur beinahe.
Es dauerte eine ganze Weile, als sie sich voneinander lösten, glücklich anstrahlten, und dann erkundigte er sich unvermittelt: »Was meinst du, mein Herz, sollen wir hier irgendwo zusammen etwas essen? Ich lade dich ein.«
Es hörte sich gut an, doch ihr fiel ein, dass sie ihren Feierabend ja ganz anders verplant hatte. Ihr Honigtöpfchen! Normalerweise würde sie es gelassener sehen, doch in den letzten Tagen hatten potentielle neue Besitzer die hübsche Bella immer wieder umschlichen. Sie musste wenigstens so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen …, wenn es doch bloß eine Möglichkeit gäbe. Was Ole ihr für den Fall eines Umzuges angeboten hatte, kam ihr gar nicht in den Sinn. Erst einmal zog sie zum Glück noch nicht um. Außerdem konnte sie sich nicht sicher sein, ob das nicht nur so dahergesagt worden war, weil er ihr den gemeinsamen Umzug zu seinem neuen Lebensmittelpunkt schmackhaft machen wollte. Wenn der Tag lang war, sagte man eine ganze Menge. Das musste nicht alles etwas bedeuten. Außerdem ging es jetzt überhaupt nicht darum.
»Eine gute Idee, Ole, wir können sehr gern essen gehen«, stimmte Simone sofort zu. »Doch zuvor möchte ich noch einen Schlenker zum Tierheim machen, um mein Honigtöpfchen zu besuchen. Es muss nur ganz kurz sein. Ein paar Minuten reichen, und mir wird ganz wohl ums Herz, schon allein die Begrüßung ist so unglaublich schön. Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass es zwischen einem Menschen und einem Tier tatsächlich eine solche Zuneigung geben kann. Ach, wenn ich Bella doch zu mir nehmen könnte!«, rief sie wehmutsvoll, »ein Tier wie sie gehört nicht in ein Tierheim. Sie braucht so unendlich viel Zuneigung.«
Er zögerte kurz, dann sagte er leise: »Dann ist es ja gut, dass Bella, dein Honigtöpfchen, in ein paar Tagen das Tierheim für immer verlassen kann.«
Was redete Ole da für einen Unsinn?
»Wieso verlassen?«
»Weil eine neue Heimat für sie gefunden wurde.«
Simone glaubte, ihr Herz müsse stehen bleiben. Sie hinterfragte nichts, vor allem erkundigte sie sich nicht danach, woher er das wusste. Ihr Verstand war irgendwo, nur nicht dort, wohin er gehörte.
Sie würde Bella verlieren!
Sie wurde nur von diesem Gedanken beherrscht, und es zerriss sie beinahe. Sie sprang auf, versuchte gewaltsam die Tränen zu unterdrücken, die ihr kommen wollten. Schließlich konnte sie nicht ständig herumheulen. Was sollte Ole denn von ihr denken.
»Lass uns ins Tierheim gehen«, rief sie mit zitternder Stimme.
Er erhob sich gleichfalls, nun, er hatte schließlich auch überhaupt keine andere Wahl.
»Simone, ich möchte dir etwas sagen …«
Sie war nicht mehr sie selbst, sie konnte ihm jetzt auch nicht mehr zuhören, und der wunderschöne Augenblick von eben, der war dahin, verflogen. Es schien, als habe es ihn nie gegeben. In ihr tobte nur noch ein unendlicher Schmerz.
»Ole, bitte sag jetzt nichts, mir steht nicht der Kopf danach. Ich möchte nur noch ganz schnell ins Tierheim.«
»Aber …«
Sie unterbrach ihn schon nach dem ersten Wort.
»Ole, sag jetzt einfach nichts, ja?«
Warum beließ er es nicht dabei, warum redete er einfach weiter: »Simone, du musst aber wissen …«
Sie hielt sich die Ohren zu. Konnte oder wollte er sie nicht verstehen? Sie rannte einfach richtig los, nachdem sie ungehalten gesagt hatte: »Nein, Ole.«
Sie rannte so schnell, dass er Mühe hatte, bei ihr zu bleiben. Und so blieb es nicht aus, dass sie ziemlich atemlos war, als sie am Tierheim ankamen. Simone riss die Tür auf, sie lief nicht zu Margret Fischer, wie sie es normalerweise machte, um sie zu begrüßen, sondern rannte zu dem Zwinger, in dem sie Bella wusste, dieses wunderschöne Tier, das von allem etwas hatte, auch von einem Labrador.
Bella, die vor sich hingedöst hatte, sprang auf, kam schwanzwedelnd zu ihr gelaufen, sie ging in den Zwinger, kniete sich hin, umarmte Bella, und es ging nicht anders, sie musste weinen. Der Schmerz drohte sie zu überwältigen. Bella spürte, dass es ihr nicht gut ging. Bella presste sich ganz eng an Simone, die das Tier fest umarmte. Sie waren ineinander versunken, sie und Bella. In diesem Augenblick gab es nur sie beide auf der Welt, sonst nichts, sonst niemanden. Und so bemerkte Simone auch nicht, dass jemand leise den Zwinger betreten hatte. Es war Margret Fischer, die Leiterin des Tierheims. Erst deren Stimme ließ Simone aufschrecken.
»Solche Augenblicke erlebe ich gern, und sie lassen mich vieles von dem vergessen, das nicht richtig rund läuft. Es verschafft mir ein richtiges Glücksgefühl, eine unendliche Freude, zu wissen, dass wieder einmal eines der Tiere in die richtigen Hände kommt. Simone, du glaubst überhaupt nicht, wie glücklich es mich besonders diesmal macht.«
Na bravo!
Musste Margret jetzt auch noch so richtig in der Wunde herumpochen? Sie wusste doch, dass sie und Bella ein Herz und eine Seele waren. Diese Bemerkung hätte sie sich wirklich ersparen können. Sie verstand sich mit Margret ganz ausgezeichnet. Eine so mangelnde Sensibilität hätte sie ihr daher nicht zugetraut.