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Seit Wochen versucht Kevin im Geheimen, die Zeit zu verändern und seinen Bruder zu retten. Vergeblich. Seine Reise verändert ihn, doch ihr Ende ist noch nicht geschrieben. Die Freunde erreichen ein düsteres Kapitel in der magischen Geschichte. Sie wollen Jen endlich ihren Körper zurückgeben und den Drachen besiegen. Doch der Anbeginn ist nicht weit. Und Verrat lauert in ihrer Mitte. Das Erbe der Macht ... ... Gewinner des Deutschen Phantastik Preis 2019 in "Beste Serie"! ... Gewinner des Lovelybooks Lesepreis 2018! ... Gewinner des Skoutz-Award 2018! Das Erbe der Macht erscheint als E-Book und alle drei Monate als Hardcover-Sammelband.
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Seitenzahl: 138
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Splittermacht
Was bisher geschah
Prolog
1. Home Sweet Home
2. Ein überraschender Retter
3. Unter Freunden?
4. Kriegsrat
5. Joshua
6. Familie
7. Die Reise des Kevin Grant (1)
8. Die Archivarin
9. Der seltsame Fremde
10. Die Reise des Kevin Grant (2)
11. Artus x 2
12. Vor dem Sturm
13. Die Reise des Kevin Grant (3)
14. Schatten der Täuschung
15. Bringen wir es zu Ende
16. Die Reise des Kevin Grant (4)
17. Der Schmerz des Kevin Grant
18. Die Zeitbrücke
19. Der Seelenkampf
20. Der Blick zurück
21. Vom Heute ins Morgen
22. Der dritte Weg
23. Die Wut des Kevin Grant
Vorschau
Seriennews
Glossar
Impressum
Seriennews
Das Erbe der Macht
Band 30
»Splittermacht«
von Andreas Suchanek
Der Kampf zwischen dem Anbeginn, Merlin und den Widerständlern der Zuflucht geht weiter.
Die Magier um Alex, Jen, Max und Tomoe haben einen sicheren Hafen erreicht. Der mythische Kontinent Talanis bietet ihnen Schutz. Sie entdecken die Weiße Krypta, in der die Träger der besonderen Essenzstäbe zu Rittern der Zitadelle geweiht werden. Max, Alana, Nikki und Annora sind die ersten vier Streiter für die Zuflucht. Nun gilt es, die verbliebenen drei Stäbe zu finden, um den Widerstand gegen Merlin und den Anbeginn zu stabilisieren.
Gleichzeitig erreichen Alex, Kyra, Artus, Tyler und Kevin ihr letztes Ziel. In einer dystopischen Zukunft können sie den dritten Splitter von Jen bergen – die Summe ihrer vorherigen Leben. Sie treffen auch auf Max und Titik, die beide einen anderen Weg genommen hatten.
Alex, Jen, Kevin, Tyler und Artus reisen zu einem Punkt in die Vergangenheit, an dem sie die Archivarin treffen können und dem Onyxquader nahe sind. Denn dieser ist ein wichtiger Schlüssel in ihrem Plan, Jen ihren Körper zurückzugeben.
Keiner von ihnen ahnt, dass Kevin seit Wochen mit dem Zeitring allein unterwegs ist. Sein Ziel: Er will den Tod von Chris verhindern. Was er erlebt, treibt ihn an den Rand des Abgrunds. Und darüber hinaus?
Anfangs war ich glücklich.
Meine Schwester Alana und ich erlebten furchtbare Schrecken, mussten um unsere Leben fürchten, wurden verfolgt. Doch während sie an der Seite von H. G. Wells heranreifte zu Alana Franke, der Meisterin in Pflanzen- und Tiermagie, wurde aus mir der Beobachter.
Ich sitze an den Gestaden der Zeit und betrachte, was einst geschah und geschehen wird, ohne eigene Gegenwart. So zumindest bis zu einem Punkt; einer Dunkelheit, die alles umfasst. Was dahinter kommt, kann ich nicht sehen. Es fühlt sich an wie Chaos, das Ende, entartete Realität.
In diesem Augenblick wird es mir klar. Ich stehe in jenem Raum mit der bemalten Wand, mit eingeritzten Worten. Neben mir Max Manning und Kyra. Wir alle begreifen, was der Auslöser ist. Doch warum? Was geschah bei unseren Freunden in diesen letzten Stunden vor dem Ende?
Artus hat es getan.
Doch wieso?
Ich versenke meinen Geist und versuche, die Schwelle zu übertreten. Zurückzukehren an die Gestade der Zeit, einen Blick auf die Minuten vor dem Ende zu werfen.
Ein Blinzeln.
Schatten.
Fragmente.
Sie haben es nicht kommen sehen.
Etwas Derartiges hatte Alex nie zuvor gespürt. Weder bei einer vorherigen Zeitreise noch einem Abenteuer der Vergangenheit. Das Gefühl glich einer aufragenden Steinwand, auf die sie zurasten. Eine geballte, unverrückbare Kraft. Sie würden zerschmettern, falls die Reise nicht sofort ein Ende nahm.
Da war Magie in ihrer reinsten Form. Da waren gegenseitige Kräfte, Hass. All das loderte in jenen Bereich, durch den sie glitten. Vereint als Freunde, um Jen endlich ihren Körper zurückzugeben.
Alex spürte ihren Geist, beschützt im Memorium, das um seinen Hals hing. Das unzerstörbare magische Artefakt der Aquarianer. Er würde dem Unterwasservolk auf ewig dankbar sein.
Eine Sekunde nach diesem Gedanken streifte ihn etwas Urtümliches, vertraut und fremd zugleich. Es schlug seine Magie in ihre Mitte. Als sei eine Bombe explodiert, wurden sie auseinandergerissen. Das Ziel war da, doch der anvisierte Punkt verschwand.
In der nächsten Sekunde stolperte Alex inmitten eines Ganges zu Boden.
»Verdammt!«, erklang Kevins Stimme.
Während Alex sich noch aufrappelte, stand der Freund bereits, hielt sich aber die blutende Stirn. Er war gegen eine Wand geknallt.
Jen materialisierte und sah sich um. »Okay, korrigiert mich, aber hat der Beobachter uns nicht wo ganz anders hingelotst? Die Archivarin ist doch angeblich gerade im Einsatz. Undercover. Das hier …« Ihre Stimme erstarb.
Ihr Körper war von dem eines gewöhnlichen Menschen nicht zu unterscheiden, sie war vollständig manifestiert. Es gab nichts Durchscheinendes mehr. Hatte die Verschmelzung ihrer Geistessplitter das ausgelöst?
Alex sah sich um und hatte seinen Essenzstab bereits gezogen. »Das alles hier kommt mir vertraut vor.«
Kevin berührte längst den eintätowierten Whisperer. Die ringförmigen Symbole, die ein Armband bildeten, krochen über die Haut. Eines davon rückte ins Zentrum und glomm auf. »Tyler!«
Doch die Verbindung kam nicht zustande.
»Wozu sind diese Dinger gut, wenn der Kontakt nie funktioniert«, grummelte Alex.
Jen eilte zum Fenster und blickte hinaus. »Sie funktionieren wie die Kontaktsteine früher. Aber hier wird das kaum gehen.«
Kevin trat neben sie und wirkte kein bisschen überrascht. »Die Wände, die Böden – der Geruch.« Er schluckte. »Ich wusste sofort, wo wir sind. Nur nicht, wann genau.«
Alex spürte einen Kloß im Magen, als er es begriff. Das hier war das Castillo. Tief unter ihnen hatte sich eine Armee versammelt. Schattenkrieger, die den Kristallschirm jedoch nicht durchdringen konnten.
»Das ist die Entstehung des Walls«, flüsterte er.
»Heute und hier wurden … werden die Grundlagen für die magische Gesellschaft gelegt, wie wir sie kennen«, sagte Jen. »Und wir sind mittendrin.«
»Die Blutnacht von Alicante.« Kevins Stimme klang rau, wie die eines Verdurstenden in der Wüste. »Als ob wir noch so eine bräuchten.«
Alex wollte sich nicht ausmalen, was dieser Anblick für Kev bedeutete. Merlins Machtergreifung lag noch nicht lange zurück, und die Folgen hatten gerade ihn alles gekostet. Hier wurde er mit dem gleichen Szenario konfrontiert. Die Erschaffung des Walls lag fast zweihundert Jahre zurück, hatte aber unzählige Leben gefordert.
»Ich will gar nicht wissen, wie es Artus jetzt geht«, flüsterte Jen.
»Wie soll es dem schon … Oh.« Ausnahmsweise hielt Alex sich zurück.
Die vermutlich einzige Person, die damals gewusst hatte, dass im Inneren des Onyxquaders Merlin schlief, war Artus gewesen. Er hatte versucht, die Erschaffung des Walls zu verhindern. Und als dies misslungen war, hatte er den Kristallschirm gesenkt und den Horden der Schattenkrieger Einlass gewährt. Am Ende war er als der gebrandmarkte Verräter untergetaucht.
»Toll«, konnte Alex sich nicht verkneifen, »dann gibt es unseren«, er bemerkte Jens verärgerten Blick, »absolut genialen König jetzt zweimal. Da fühle ich mich gleich richtig euphorisch.«
»Wenn ich alle Schläge auf den Hinterkopf nachhole, die du verdienst, kann das nicht gut ausgehen.«
»Deshalb lassen wir das auch lieber bleiben.« Alex winkte großzügig ab.
»Wie gehen wir weiter vor?«, fragte Kevin.
»Tja, die Archivarin ist letztlich nur einen Türübergang entfernt.« Alex zuckte mit den Schultern. »Aber ohne Permit kommen wir nicht zu ihr.«
»Ich meinte, was unsere Freunde angeht.« Kevin wirkte mit einem Mal wütend. »Du weißt schon, mein Neffe, der hier irgendwo gelandet ist. Ohne eine Ahnung von Geschichte. Er weiß nicht, dass hier ein Gemetzel bevorsteht.«
Sofort fühlte Alex sich schuldig. »Du hast recht. Sorry. Wir müssen Tyler und Artus natürlich finden, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie wir das in diesem Chaos bewerkstelligen sollen.«
»Und vergessen wir nicht, dass der Onyxquader in Kürze mit dem Wall verwoben ist«, sagte Jen. »Danach wird er so streng bewacht und so häufig attackiert wie nie zuvor. Wir müssen den Drachen also darin einsperren, bevor das passiert.«
»Ach ja, wie immer läuft es entspannt.« Alex fuhr sich durch das Haar und überlegte fieberhaft, wie sie weiter vorgehen konnten.
Sie verließen ihre Beobachter-Position am Fenster und eilten in Richtung der Eingangshalle. Dort unten herrschte Gewusel, kein Magier stand still. Jeder trug seinen Essenzstab mit grimmiger Entschlossenheit, dazu bereit, das größte Friedensvorhaben der magischen Welt umzusetzen.
Die Nimags würden die Magie vergessen, sie nicht länger sehen oder wahrnehmen. Ein schöner Gedanke, aber geboren von einem kranken Geist mit nur einem Ziel: seine eigene Macht.
Unweigerlich fiel Alex’ Blick auf Kevins Ring. Wie einfach wäre es gewesen, diese Sache zu stoppen. Ein wenig Ablenkung, einer der hohen Magier, der einschlief. So viele Möglichkeiten. Kein Wall, kein Merlin.
Doch was dann?
Die Folge wäre eine Kette aus unvorhersehbaren Ereignissen. Eine Veränderung der Zeit, die alles von diesem Punkt an ausradierte.
»Hör auf, darüber nachzudenken«, verlangte Jen. »Denk an etwas Fröhliches.«
Alex grinste. »Wird Zeit, dass Madame ihren Körper zurückbekommt. Dann kann ich wieder in aller Ruhe meinen Gedanken nachhängen.«
»In all ihrer Vielfalt«, sagte sie neckend. »Da hätten wir …«
»Jaja, mach dich nur lustig.« Alex berührte sein Kontaktarmband. »Wieso können wir niemanden dort draußen erreichen?«
»Der Kristallschirm.« Kevin deutete auf das funkelnde Gebilde, welches das Castillo wabernd umgab. »Hat was von einer Contego-Sphäre. Es ist immer das Gleiche: Selbst der beste Schutz hilft nichts, wenn ein Verräter in den eigenen Reihen ihn einfach so auflöst.«
Alex versuchte, sich so weit wie möglich von der Geschichte zu distanzieren. All das hier war längst geschehen. Sie mussten ihren Einsatz vollenden und dann schnellstens weg von hier.
»Euch habe ich hier noch nie gesehen«, erklang eine vertraute Stimme.
Johanna kam auf sie zu. Sie wirkte geradezu martialisch. Ihr Haar war straff nach hinten gelegt, jede Geste atmete die Präsenz einer Kriegerin.
»Wir sind …«, begann Alex.
»… gerade vom Einsatz zurückgekehrt«, half Kevin aus.
Er schaute grimmig drein wie eh und je, zeigte keinerlei Regung. In manchen Situationen war das perfekt, in dieser nicht so wirklich.
»Euer Permit«, verlangte Johanna.
Shit, dachte Alex.
Er wollte sich erklären, doch diese jüngere Version der Unsterblichen war daran nicht interessiert. Der Essenzstab richtete sich ruckartig auf Kevin. In ihm sah sie wohl den problematischsten Gegner.
»Potesta Maxima!« Ihr Kraftschlag surrte durch die Luft.
Alex starrte noch auf Johanna, während Kevin bereits reagierte. In den vergangenen Wochen hatte der Freund sein Können so massiv verbessert, dass er zu einer wahren Kampfmaschine geworden war.
Der Kraftschlag surrte wirkungslos gegen die Wand.
»Contego-Sphäre.« Jen schlug ihre Hand an Alex’ Arm.
Er spürte die Berührung als leichten Druck, nicht mehr. Doch dies holte ihn aus seiner Starre. Eine schnelle Bewegung, zwei gehaspelte Worte – und die Schutzsphäre entstand.
Ohne Essenzecho. Die Magie war noch alt und ursprünglich.
»Gravitate Negum.« Johanna wirbelte durch die Luft wie eine Akrobatin, der Schwerkraft nicht länger ausgeliefert.
Ihr Essenzstab schlug gegen den von Kevin, Magiefunken stoben. Beide schauten sich an, den Blick voll grimmiger Entschlossenheit.
»Ignis Aemulatio!«, rief Alex im Reflex.
Eine Feuerlohe schoss aus seinem Essenzstab in Richtung Johanna. Diese wich von Kevin zurück. Einen Aqua-Zauber später stiegen Dampfschwaden zischend in die Höhe.
Jetzt war sie wirklich sauer.
Alex hatte nicht bedacht, dass Feuer im Falle von Johanna mit einer Menge seelischen Ballasts daherkam. Immerhin war sie als Nimag auf dem Scheiterhaufen gestorben. »Sorry. Das war keine Absicht.«
Er deutete ein Lächeln an, ihre Augen blitzten gefährlich.
Im nächsten Augenblick versank Kevin im flüssigen Gestein des Bodens, eine Böe trieb Alex durch den Gang. Johanna näherte sich Jen, die unbeeindruckt die Position hielt.
»Veritas …« Johannas Worte erstarben. »Du bist … Was bist du?«
»Damit hätten wir den Kern unseres Problems bereits erreicht.« Jen breitet in einer freundlichen Geste die Arme aus. »Wir wollen nicht kämpfen.«
Solche Worte an diesem Tag auszusprechen, musste Johanna völlig unwirklich vorkommen. Jeder war bereit zu kämpfen. Sie wirkte tatsächlich kurz verblüfft. Dann lachte sie auf.
»Umso leichter bringe ich euch in die Zelle. Alles Weitere klären wir, sobald das hier erledigt ist.« Sie richtete die Spitze des Essenzstabes auf Jen. »Agnosco Corpus Anima.«
Ein flammendes Band aus Essenz wurde sichtbar. Es verlief von Jen zu Alex, der die Windböe endlich unter Kontrolle bekommen hatte. Johanna hatte die Quelle von Jens Präsenz gesucht und das Memorium gefunden.
»Damit können wir diesen Spuk wohl beenden. Aport…«
Kevin führte seinen Kraftschlag mit so viel Wucht aus, dass Johanna taumelte. Ihr Aufrufzauber ging daneben und das Memorium blieb an Alex’ Hals. Mit einer schnellen Folge aus Kraftschlägen trieb er die Unsterbliche an die Brüstung.
Wie sie zuvor den Boden durchlässig gemacht hatte, tat er es nun dort. Johanna kippte hintenüber und fiel in die Tiefe.
»Bist du wahnsinnig!«, rief Jen. »Du trägst den Zeitring.«
Alex Magen verkrampfte sich. Kevin war der Einzige, der tatsächlich etwas verändern konnte. Und ausgerechnet er bot Johanna die intensivste Gegenwehr.
Glücklicherweise erwies diese sich als tough. Langsam schwebte sie zurück in die Höhe. Alex atmete gerade auf, als neben ihr der Haarschopf von Leonardo erschien. Kleopatra folgte.
»Das also sind die Störenfriede.« Die junge Unsterbliche, ehemalige Königin und Diva, schürzte die Lippen. »So schlimm sehen die gar nicht aus. Die Römer, das kann ich dir sagen …«
»Kleopatra, das ist nicht der richtige Zeitpunkt«, stellte Johanna klar.
Beinahe hätte Alex aufgelacht. Es tat ihm gut, die vertrauten Gesichter zu sehen. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass er hier ein Fremder war. Einer, mit dem Johanna gleich den Boden aufwischen würde.
»Wie seid ihr hierhergelangt?«, wollte Leonardo wissen, die Stirn grimmig gerunzelt. »Haben noch mehr von euch den Kristallschirm überwunden?«
»Wie ist es gelungen?«, fragte Johanna. »Ihr seid hartnäckig.« Sie nickte Jen zu. »Diese Frau scheint eine Art Seelenschimmer zu sein, die mit einem Artefakt verbunden ist.«
Alle Blicke richteten sich auf Jen.
»Das ist ein riesiges Missverständnis«, sagte Alex. »Wir haben lediglich unser … Permit vergessen.«
Kleopatra blinzelte aufreizend mit den Augen. »So, ihr habt also eure Kontaktsteine nicht dabei?«
»Genau.« Alex nickte eifrig.
»Dumm nur, dass diese nicht als Permit verwendet werden.« Sie verlieh ihrer Stimme einen Hauch des Bedauerns. »Willst du es noch mal versuchen?«
»Äh. Lieber nicht.« Alex schluckte. »Aber es ist trotzdem ein Missverständnis.«
Kevin stand neben ihm, seine Hände geballt. Er wirkte grimmig dazu entschlossen, sich gegen alles und jeden zu verteidigen. Vermutlich hingen seine Gedanken bei Tyler. »Wir könnten uns auch einfach darüber unterhalten.«
Worte, die Alex nicht unbedingt von Kevin erwartet hätte.
»Wenn es eines gibt, wozu wir keine Zeit mehr haben, dann ist es das«, mischte Leonardo sich wieder ein. »Wir kehren in den Saal zu den Konstrukteuren zurück. Es müssen noch ein paar Probleme bei der Feinabstimmung behoben werden.« Er warf Johanna einen gewichtigen Blick zu.
Sie nickte bedrückt. »Sie geben alles auf, für den Frieden der Welt. Bringen wir das hier zu Ende.«
Alex konnte spüren, wie sie die magischen Worte in ihrem Geist vorbereitete. Leonardo richtete seinen Stab auf Kevin, Kleopatra wollte sich um Jen kümmern. Sie warf einen Blick auf jene Stelle an Alex’ Hals, wo das Memorium hing.
»Wir müssen ihnen die Wahrheit sagen«, murmelte Kevin.
»Auf keinen Fall!«
»Die Zeit kann mich nicht davon abhalten«, erklärte der Freund bestimmt.
»Eben. Es könnte alles ändern. Halte dich zurück. Oder noch besser: Zieh den verdammten Ring ab!«
Johanna hob ihren Stab.
»Halt!«, erklang eine fremde Stimme.
Ein hagerer Mann in Kutte kam den Gang herbeigeeilt. Er trug seinen Essenzstab in einer Kordel und sah damit aus wie ein Mönch.
»Wagst du dich also auch mal wieder aus deinem Turmzimmer hervor?«, fragte Johanna.
Direkt vor ihnen kam er zum Stehen. Alex‘ Blick weitete sich. Er hatte ihn schon einmal gesehen. In einer Vision im Opernhaus, jenem Ort der Zitadelle, in dem die Unsterblichen geweiht wurden.
»Joshua«, hauchte er.
Die Reise endete abrupt.
Artus sah sich Auge in Auge mit einer hoch aufragenden Felswand. Mehr Wucht, und seine Knochen wären daran zerschmettert.
»Woha!« Tyler stand am Rand einer Schlucht, die Fußspitzen über dem Abgrund. »Diese Zeitreisen sind echt nichts für schwache Nerven. Habt ihr es bisher auch nur einmal geschafft, vernünftig zu zielen?«
»Venedig«, sagte Artus.
Von den anderen fehlte jede Spur. Als sie das letzte Mal auseinandergerissen worden waren, hatten sie eine dystopische Zukunft erkundet. Das hier war ebenfalls nicht der anvisierte Ort.
»Dieser dämliche Ring«, sagte Artus.
»Fand Marco Polo auch«, bestätigte Tyler.
Er lächelte ihm zu. In diesem Augenblick realisierte Artus einmal mehr, wie verdammt jung ihr neuer Teamgefährte war. Und wie alt er selbst. Jahrhunderte. Und wie es schien, war er jetzt auch noch Babysitter.
»Kontaktiere deinen Onkel«, verlangte er deshalb sofort.
»Wir sind heute aber grummelig drauf, was?« Tyler berührte das Whisperband. »Klappt nicht.«
»Kein Anschluss unter dieser Nummer.« Artus verdrehte die Augen.
»Was bedeutet das?«
»Ich vergesse immer, dass dir an Wissen noch so viel fehlt. Warte, bis du Computer und Smartphones kennenlernst.« In Gedanken sah er Tyler bereits mit Alfie, Madison und Jason um die Häuser ziehen und Unsinn anstellen.