Das Erbe der Macht - Band 39: Die ewige Flamme - Andreas Suchanek - E-Book

Das Erbe der Macht - Band 39: Die ewige Flamme E-Book

Andreas Suchanek

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Beschreibung

Der finale Kampf hat begonnen. Die Verteidiger des Arsenals, der Anbeginn auf Antarktika und Merlin auf Iria Kon – die drei Parteien machen ihre letzten Züge, das Endspiel beginnt. Wer auch immer gewinnt, entscheidet über das Schicksal der Welt. Dabei liegt die Hoffnung der Magier auf dem Dolch von Alexandria, dem einzigen Artefakt, das den Pakt des falschen Glücks auflösen kann. Doch dafür muss dieses zum Einsatzteam  auf Iria Kon, zu dem der Kontakt abgerissen ist. Jen und Alex müssen unterdessen den Weg zur ewigen Flamme finden und diesen gemeinsam gehen. Dort wird erneut der Kampf zwischen den vier Inkarnationen stattfinden. Wie in jeder Generation, können nur zwei überleben. Ist es ein endgültiger Abschied von ihren Freunden?  Die preisgekrönte Serie. Gewinner des "Deutschen Phantastik Preis", "Skoutz-Award" und "Lovelybooks Leserpreis".

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DIE EWIGE FLAMME

DAS ERBE DER MACHT

BUCH 39

ANDREAS SUCHANEK

1. Auflage Dezember 2024

© 2024 by Greenlight Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Herstellung und Verlag:

Greenlight Press

Gartenstr. 44B

76133 Karlsruhe

E-Mail: [email protected]

E-Book: 978-3-95834-514-0

Taschenbuch: 978-3-95834-515-7

Hardcover: 978-3-95834-516-4

Sie finden uns im Internet unter:

https://www.andreassuchanek.de

INHALT

Was bisher geschah

Prolog

I. Flammenpfad

Von Tag zu Tag

Ein trojanischer Wurm

Müdigkeit

Verborgene Hoffnung

Zwischenspiel I

Die Insel der Glücklichen

Eine Splitterkammer

Clara sei Dank

Ängste

Lost Place

El-O-Hym

Scientia

Die Kathedrale

Zwischenspiel II

Der Weg ins Innere

Ein verwegener Plan

Kyras Rückkehr

Merlins Geheimnis

In uraltem Staub

Magentadrache & Bernsteinphönix

Erinnerungen

Abschied

II. Flammenkampf

Echos …

… vergangener Leben

Zwischenspiel III

Eine unscheinbare Tür

Im Zentrum des Geheimnisses

Plausch bei Blut und Schrammen

Ein tödlicher Tanz

Die ewige Flamme

Pakt aus Ewigkeit

Kuyakunga

Ich war es die ganze Zeit

Zwischenspiel IV

Ein letzter Atemzug

Der größte Trickser von allen

Wasser für die Welt

Mortus Absolutum

Ein Opfer für die Ewigkeit

Ein schwarzer Funke Hoffnung

Das Ultimatum

Stunden der Entscheidung

Stille

Wächterin der Flamme

Eine ungewisse Zukunft

Seriennews

Über den Autor

Bücher von Andreas Suchanek

WAS BISHER GESCHAH

Endlich ist es den Magiern des Arsenals gelungen, eine Waffe gegen Merlin zu erbeuten. Der Dolch von Alexandria soll dazu in der Lage sein, den Magier zu töten und ebenso die Verbindung zu seinem Pakt des falschen Glücks zu lösen. Damit wären alle Bewohner von Iria Kon wieder frei. Doch der Preis für das magische Artefakt ist hoch. Kleopatra ist gestorben. Die Zeitmaschine von H. G. Wells wurde zerstört. Merlin wartet nicht länger und greift das Arsenal an. Damit hat die große Endschlacht begonnen.

Gleichzeitig ist Alex und Jen klar, dass sie endlich die ewige Flamme aufsuchen müssen. Um das Gleichgewicht zu bewahren und den Zyklus für dieses Leben zu vollenden. Sie ahnen nicht, dass sie eine Facette des Kampfes noch gar nicht bemerkt haben.

PROLOG

Das Ende der Reise

Die Wände waren so kalt und still wie ihr Geist.

»Wer bist du?« Die Stimme knallte wie ein Peitschenhieb durch den Raum.

Sie zuckte zusammen, wimmerte. Das Echo von Wunden, die bis auf die Knochen reichten, wirbelte in ihrer Erinnerung auf. Falsche Antworten wurden nicht gerne gesehen.

»Hast du Fragen an mich?« Die Stimme war jetzt sanfter, einschmeichelnd.

Bisher hatte sie es nicht gewagt, aufzusehen. Ihr Blick war starr auf die nackten Füße gerichtet, die mit Schlamm und Dreck beschmiert waren. Eingetrocknetes Blut klebte ebenso daran wie Stroh. Das Leinengewand hing an ihr herab und stank nach Schweiß.

Zitternd hob sie ihren Blick.

Beinahe hätte sie aufgeschrien.

Auch dies ein Reflex. Die unbekannte Frau ihr gegenüber trug ein gestärktes Kleid, das vom hochgeschlossenen Kragen bis hinab zum Boden reichte. Lediglich die Spitzen der Lederschuhe lugten darunter hervor. Das Gesicht wies keinerlei Emotionen auf, das Haar war zu einem strengen Dutt geknotet.

In ihrer linken Hand hielt sie eine biegsame Gerte. Es witschte, als diese gegen die Wand geschlagen wurde. »Dein Name?«

Sie zuckte zusammen. Tränen lösten sich aus ihren Augen, rannen heiß die Wangen hinab. Sie wischte darüber, Dreck blieb an ihren Fingern haften.

»I… ich … habe keinen.« Die Worte drangen brüchig über ihre Lippen, wie morsches Geäst, das unter einem gnadenlosen Stiefel jederzeit zerbrechen konnte.

Der Hauch eines Lächelns zierte das Gesicht der Frau. »Endlich. Bedenke das stets.«

Sollte es wirklich enden? Die Qual? Das Martyrium? »Vergessen?«

»Du wirst ewig sein, aber niemals deinen wahren Namen tragen«, sagte die Frau. »Damit beginnt die Reise des Schmerzes.«

Und die Namenlose trat ein, in eine Existenz aus immerwährendem Leben und Tod. Im zuckenden Schatten der ewigen Flammen vergingen die Jahrhunderte.

Alle Augen waren nach vorne gerichtet. Von Existenz zu Existenz. Doch niemals blickte jemand zurück. Niemals wieder wurde jener Name ausgesprochen, der vergessen worden war. Bis zu jenem Tag, im Schein der ewigen Flamme, als tote Augen ins Leere starrten und Hoffnung starb. Erst dann wurde das Bild wahrhaftig vollendet.

Zu spät.

TEILI

FLAMMENPFAD

VON TAG ZU TAG

Bernsteinessenz loderte. Der Geruch von Weizen, altem Stahl und Geborgenheit. Sein Essenzecho brandete über Alex hinweg, als der Zauber sich löste und eine Schuppe des Wesens absprengte.

Eine einzige verdammte Schuppe.

»Bereit für Anflug«, erklang Chloes Stimme über das Whisperband.

Ein Blick gen Süden zeigte Eddy, den Jungdrachen, der eine Runde drehte und zurückkehrte. Obgleich er viel zu oft Schabernack trieb, war er in der Verteidigung des Arsenals zu einer wertvollen Stütze geworden.

Die schimmernde Halbkugel aus verfestigter Magie überzog die Gebäude des Arsenals und schützte sie so vor den Attacken von Merlins Jüngern sowie den Kreaturen des Anbeginns. Der dunkle Magier hatte sie von Antarktika herbeigeschafft. Mochten sie hier auch nicht lange überleben, so richteten sie doch eine Menge Schaden an.

»Wie steht es um den Riss?«, schickte Alex geistig die Frage in die Runde.

Er stand auf einer Schneeverwehung, gekleidet in Boots, Trekkinghose und Shirt. Ein Permanentzauber im Gürtel sorgte für ausreichend Wärme. Dass seine Arme längst mit Schrammen und oberflächlichen Wunden übersät waren, ließ nichts Gutes für sein Gesicht erahnen.

»Chris hat den zersplitterten Bernstein entfernt«, sandte Jen zurück. »Hoffen wir, dass es überhaupt funktioniert.«

Sie hatten durch zahlreiche Experimente herausgefunden, dass die Möglichkeit von Essenzspeicherung sich deutlich verbessern ließ, wenn Bernstein Zeitmagie ausgesetzt wurde. Es veränderte in irgendeiner Form die innere Struktur. Das hatte zu der Idee geführt, den Bernstein einer verlangsamten Zeit zu unterwerfen. Der erste dadurch Erschaffene sollte sich jetzt beweisen.

Immer wieder taten sich Risse in der Schutzkuppel auf, weil es ein uraltes System war, das seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gewartet wurde. Nach und nach würden sie alle Bernsteine austauschen müssen.

Die beschuppte Kreatur vom Anbeginn glitt über das Eis, eine gewaltige Schlange mit tückischen Augen. Sie hatte jeder bisherigen Attacke standgehalten. Zwar würde sie höchstens noch zwanzig Minuten außerhalb von Antarktika existieren können. Gelangte sie in der Zeit aber durch den Spalt, würde sie die Gebäude des Arsenals dem Erdboden gleichmachen.

Merlins Angreifer hatten sich zurückgezogen und beobachteten aus sicherer Distanz das weitere Geschehen. Falls die Attacke gelang, würden sie sich um die Überreste der Verteidiger kümmern.

Nach fünf Wochen der ständigen Angriffe begannen immer mehr Magier mürbe zu werden. Selbst bei Nacht leuchtete die Kuppel unter den einprasselnden Kraftschlägen auf. Auch Alex spürte innere Müdigkeit.

»Achtung!«, brüllte Chloe.

Mit einem Keuchen sprang er von der Schneeverwehung und nutzte ein »Gravitate Negum«, um sich in den Himmel zu katapultieren. Das zuschnappende Maul des Schuppenwurms verschlang die Schneeverwehung mit einem Happs. Eine Rolle vorwärts, und Alex landete auf seinen Füßen.

Zu knapp!

»Kannst du das Tagträumen bitte auf später verschieben?«, bat Jen mit erschrockenem Unterton. »Ich würde dich ungern aus dem Darm dieser Kreatur herauspulen müssen.«

»Es wären ja nur meine Überreste«, gab Alex zurück.

»Nicht der richtige Zeitpunkt für Witze, Kent!« Jetzt war es eher Wut, die über die Whisperband-Verbindung mitschwang.

»Kommt nicht wieder vor«, gab er zurück und unterdrückte den Drang, einen weiteren Witz zu machen. Diese Situation ließ sich eindeutig nicht auflockern.

Auch Jen war nervlich am Limit.

Chloe ging in den Sturzflug über. Blaue Flammen schossen aus Eddys Maul und tanzten über den Schuppenleib des Wurms. Immer näher kamen sie jener Stelle, an der sie nach zwei Stunden des permanenten Kampfes eine Schuppe hatten lösen können.

Der Wurm drehte sich.

»Verdammt«, fluchte Alex.

Dieses Ding kam dem Riss immer näher. Sie hatten es mehrmals ablenken können, besonders Eddy war dabei hilfreich gewesen. Doch irgendwer hatte der Kreatur eingebläut, sich unter allen Umständen zu den Häusern zu begeben. Es schien, als hätten sie all ihre Optionen aufgebraucht.

»Ich drehe einmal und komme von der anderen Seite«, sandte Chloe.

Es war beeindruckend, wie schnell Eddy sie als Ersatzmutter akzeptiert hatte. Seit der Kontakt mit Max, Kevin und Sahid auf Iria Kon abgerissen war, zeigte sich der Jungdrache in der Mehrheit der Zeit unleidlich. Außer Chloe besuchte ihn – manchmal gemeinsam mit Ataciaru –, dann wurde es besser. Vermutlich vermisste Eddy auch Titik, immerhin waren die drei irgendwie ein Seelenband eingegangen.

»Braucht ihr Hilfe?«, erklang die verschlafene Stimme von Alfie.

Apropos drei.

Kurz schwappte das Bild von Madison, Alfie und Jason in die Whisperband-Verbindung. Alle drei lagen in einem Bett und schliefen. Nach stundenlangem Kampf hatten sie sich das verdient.

Dank der telepathischen Verschmelzung, die den dreien von den Kuyakunga verpasst worden war, konnte jeder die Gedanken des anderen empfangen. Genau genommen war es ein ›musste‹. Privat oftmals supernervend, laut Alfie. Im Kampf perfekt. Sie funktionierten wie eine dreimagische Kampfmaschine.

»Untersteh dich«, sandte Alex. »Schlaf weiter.«

Die Verbindung ebbte wieder ab.

»Jen?«, schickte er die ungedachte Frage zu ihr.

»Wir haben es fast.«

Der Wurm leider auch.

Alex katapultierte sich in die Luft und kam seitlich des Risses wieder auf. Mit einer leichten Bewegung aus dem Handgelenk erschuf er ein magisches Feuerwerk, das grell loderte. Allerdings hatten sie das bereits versucht, und ein zweites Mal schien der Wurm keine Lust zu haben, den Köder zu schlucken.

»Chloe, wir brauchen hier Feuer«, schickte Alex.

»Er ist zu nah an der Barriere, ich komme nicht an die Stelle heran.« Eddy ging in den Sturzflug.

Die eine Seite des Wurms war durch die Sphäre geschützt, Eddy konnte also keinen Flammenstrahl dorthinschicken.

Alex rieb sich müde die Augen.

Im nächsten Augenblick flog er durch die Luft. Etwas brach. Die Welt um ihn herum wurde schwarz.

EIN TROJANISCHER WURM

»Das war knapp«, erklang eine Stimme.

»Ty?« Alex blinzelte. »Sollte ich in so einer Situation nicht erwachen und in ein wunderschönes Gesicht blicken?«

Chris‘ Sohn breitete die Arme aus und grinste schelmisch. »Tadaaa, deine Bitte wurde erhört.«

»Ich dachte da eher …«

Ein Räuspern erklang über die Whisperband-Verbindung.

»… Jen. Nur Jen. Immer Jen.« Er rappelte sich auf. »Was ist passiert?«

Der Wurm glitt soeben durch den Spalt. Als wollte das Schicksal sich einen bösen Scherz erlauben, schloss dieser sich hinter ihm.

»Echt jetzt?! Wenigstens durchschneiden hättet ihr in können.«

Tyler wirkte einen Heilzauber, der Alex’ Wunden langsam schloss. Vermutlich hatte er ihm damit gerade das Leben gerettet und einige Knochen wieder zurechtgerückt.

»Ich fliege jetzt die Stelle ohne Schuppe an«, verkündete Chloe.

Immerhin das war endlich machbar.

Eddy glitt in eine Kurve, und Drachenreiterin-Chloe deutete mit dem Essenzstab zusätzlich auf jenen Bereich. Gleichzeitig lösten sich blaues Drachenfeuer und ein mit Essenz umhüllter Kraftschlag.

Flammen durchdrangen die ungeschützte Stelle und zersetzten den Wurm.

»Yes!« Alex sprang auf und bereute es sofort. »Au, au, au.«

»Bleib gefälligst liegen«, forderte Tyler. »Du bist noch nicht wieder robust genug.«

Alex wollte etwas erwidern, etwa: Einen Kent haut nichts so schnell um. Leider zerfiel der Wurm in diesem Augenblick zu Asche. Und in genau dieser lagen vier schleimige Blasen, die sich wanden und zerplatzten. Aus dem Inneren kamen drei identische Würmer hervor, die innerhalb von Minuten anwuchsen.

»Das ist ein Witz«, hauchte Alex.

»Ein trojanischer Wurm«, kommentierte Tyler und breitete seine Essenzschwingen aus. »Ich muss helfen.«

»Flieg.«

Chris‘ Sohn stieß sich ab, schoss in die Luft und raste auf die Kuppel zu. Wie alle Verteidiger des Arsenals besaß auch Ty ein Symbol in seinem tintengestochenen Whisperband, das einen Spalt für ihn öffnete.

Immer mehr Verteidiger kamen aus den Gebäuden und beschossen die Drachen mit ihrer Magie. Doch selbst die Macht der besonderen Stäbe schien nichts auszurichten. Alana, Artus, Clara, Nikki … Sie aktivierten Kraftschläge, verdichteten die Luft oder versuchten, durch Gravitationsänderungen die Würmer zu verwirren. Doch das Quartett aus Kriechtieren fixierte sich auf die Gebäude. Sie wollten dorthin. Die Kreaturen mochten einfache Geister besitzen, aber gerade deshalb war eine solche Fixierung so effektiv. In wenigen Minuten würde jede Einzelne so groß sein wie drei Flugzeuge. Sie konnten Gebäude zum Einsturz bringen, Magier verschlingen oder platt walzen.

Und all das durch eine einzige Kreatur des Anbeginns, die es auf die andere Seite der Kuppel geschafft hatte. Alex unterdrückte die aufkommende Hoffnungslosigkeit. Sie waren so weit gekommen, es durfte nicht wegen eines verdammten Risses enden.

»Sind auf dem Weg nach oben«, berichtete Jen.

»Und pass auf dich auf, Ty«, schickte Chris in den Rundruf.

»Jaaa, Dad.« Möglicherweise klang die Antwort dezent genervt.

Der Kern der Schutzkuppel lag tief unter dem Arsenal, die beiden würden also erst in einigen Minuten in den Kampf eingreifen können. Nicht dass das noch etwas zu ändern vermochte.

Alex warf einen Weitblick auf das Lager von Merlins Jüngern. Sie jubelten. Zwischen den Zelten wurden lächelnd Blicke getauscht, Essenzstäbe aus Noxanith loderten. Sobald der nächste Riss sich auftat, würden die Ersten eingreifen, da war er sicher. Andererseits wäre gerade jetzt niemand so dumm, sich in die Kuppel zu begeben.

»Doch«, sagte er trocken. »Ich natürlich.«

Seinen Essenzstab nutzend, ließ er weitere Wunden heilen. Endlich fühlte er sich wieder stark genug, ebenfalls mitzumischen. Zwei der Würmer hatten glücklicherweise ein Nebengebäude auserkoren, um zuzuschlagen. Die anderen das Hauptgebäude.

Gerade wollte er sich ins Schlachtengetümmel werfen, als er etwas realisierte. Die Würmer waren also auf die Gebäudegruppe geeicht, nicht auf ein einzelnes.

»Jen«, sandte er. »Ihr müsst zurück zum Kern. Schaltet die Kuppel ab.«

»Bitte was?«

»Ich habe keine Zeit, vertrau mir. Schnell.« Er legte alles an emotionalem Appell in die Übertragung, was er konnte.

»Okay, okay. Natürlich vertraue ich dir.«

»Wie lange?«, fragte Alex.

»Gib mir fünf Minuten.«

»Chloe, ich brauche dich hier«, sandte er. »Ich habe eine Lösung.«

Sie lenkte Eddy zu ihm, landete und kam herbeigerannt. »Sag an.«

Er erklärte es ihr.

»Hahaha, nice.«

Eddy stieß ein Lach-Schnauben aus, auch wenn er vermutlich keine Ahnung hatte, weshalb. Er freute sich eben mit.

Alex zeichnete mit seinem Essenzstab ein glühendes Symbol in den Schnee, allerdings nur zur Hälfte. Chloe übernahm die andere.

Zwei der Würmer begannen soeben damit, eines der Nebengebäude zu verwüsten. Die übrigen waren am Hauptgebäude und wurden von einer Schar Magier gestoppt, die eine Contego-Sphäre erschaffen hatten.

»Wir sind soweit«, verkündete Jen.

»Runter mit der Kuppel«, sandte Alex.

Ein kurzes Wabern – und sie war fort.

»Generate Mirage Reversus«, sprachen Chloe und er gleichzeitig die magischen Worte.

Neongrüne Essenzflammen loderten. Nietenbesetztes Leder, Metall und die Wärme einer Familienküche, in der hantiert wurde. Dazu das Lachen von Chloes Bruder Jamie. Ihr Essenzecho vermengte sich mit seinem eigenen, als der Zauber seine Wirkung entfaltete.

Wo die Gebäude des Arsenals eben noch gestanden hatten, waren es jetzt die Zelte von Merlins Jüngern. Eine Illusion, die sich aus dem Original ihrer Gegner speiste. Umgekehrt ragte dort, wo deren Zelte standen, nun eine Illusion des Arsenals auf.

Die Würmer stoppten.

Verwirrt schwenkte ihr Kopf umher.

Dann schossen sie davon. Auf direktem Kurs zum Lager des Feindes.

»Irgendwie schaffst du es immer in letzter Sekunde.« Chloe drückte ihm die Schulter.

»Teamarbeit.«

Sie kehrten zurück ins Arsenal.

Jen und Chris aktivierten die Kuppel erneut, der Schutz war wiederhergestellt.

Weit entfernt wüteten die Würmer durch das Lager von Merlins Jüngern.

MÜDIGKEIT

Als Alex die Augen dieses Mal öffnete, blickte er in Jens verschlafenes Gesicht. Sie lächelte ihm zu.

»Guten Morgen«, sagte er.

»Eher Mittag«, erwiderte sie. »Aber die anderen sind wohl übereingekommen, dass man uns eine Auszeit gönnt. Zum einen, weil du einmal mehr der Held bist, der das Arsenal gerettet hat, …«

»Nicht schon wieder.« Alex verbarg sein Gesicht im Kissen. »Ich will kein Held sein. Das blöde Wurmding kam doch sowieso erst durch den Spalt, weil ich ihn nicht aufhalten konnte.«

»… zum anderen hat Tilda vorbeigeschaut, als du schon geschlafen hast.« Jetzt wurde Jens Blick ernst. »Sie hat noch einmal klargemacht, dass wir nicht mehr lange durchhalten. Chloe hat die Aufgabe erhalten, irgendwie Kontakt mit Iria Kon und Max aufzunehmen. Wir dagegen …«

»… sollen den Weg zur Flamme finden«, erklärte Alex dem Kissen.

Jen sprang auf seinen Rücken und begann damit, seine Schultern zu kneten. Verspannung pur. »Das trifft es ziemlich genau.«

Er genoss es ein paar Minuten, bevor er im Gegenzug sie massierte. Irgendwann ging es vom Bett weiter in Richtung Dusche. Seine Lebensgeister kehrten langsam zurück, doch er benötigte dringend ein ordentliches Frühstück samt eines kräftigen Schwarztees.

Sie verzichteten darauf, den gemeinsamen Speisesaal aufzusuchen. Alex wollte nicht permanent irgendwelche beeindruckten Blicke abbekommen. Zudem konnte er in dieser Situation nicht niedergeschlagen oder kraftlos wirken, er musste Zuversicht verströmen. Das musste jeder von ihnen.

Andernfalls konnte die Moral leiden.

Das hatte dazu geführt, dass sie sich in einem der verlassenen Klassenräume – hier waren Agenten unterwiesen worden – ein Planungszimmer eingerichtet hatten. Es gab eine Kaffeemaschine, ausreichend Teebeutel, außerdem ein magisches Tablett. Darüber konnte Essen angefordert werden. Tilda hatte es ihnen angefertigt.

Als sie dort eintrafen, saß Chloe im Schneidersitz auf dem ehemaligen Lehrerpult, während Ataciaru am Boden lag und vor sich hin stierte. Außer dem Pult waren keine der alten Sitzgelegenheiten mehr geblieben. Stattdessen hatten sie eine Couch und zwei Sessel herangeschafft.

In einem saß Clara, mit tiefen Rändern unter den Augen. Sie hielt eine Tasse in der Hand, aus der Schwaden aufstiegen.

»… einen Weg nach Iria Kon«, sagte Chloe gerade. »Als ob das so einfach wäre. Oh, guten Mittag ihr zwei.«

Sie begrüßten sich mit Umarmungen.

Alex brachte Jen ihren Kaffee, dann machte er sich selbst einen Tee. In dieser Zeit orderte sie beim magischen Tablett das Frühstück.

»Wieso hast du keine Idee?«, fragte Chloe an Clara gewandt. »Du bist die Schlaue von uns.«

»Momentan bin ich vor allem die Müde von uns«, konterte sie. »Ira Kon ist eine Festung. Der alte Eingang im Bernstein unter Wasser mithilfe der Aquarianer funktioniert nicht mehr, der Schutzzauber wurde auf leblose Objekte erweitert. Beim letzten Mal wäre das beinahe schiefgegangen, die Aquarianer konnten gerade noch fliehen.«

Zudem waren die Unterwassersiedler zusammen mit Suni und den anderen Bewohnern der Unterwasserbasis ebenfalls mit Kämpfen beschäftigt. Merlin leitete Kreaturen vom Anbeginn permanent ins Meer.

»Das Hohe Wesen scheint wirklich in Zugzwang zu sein, nachdem Ataciaru und ich Rasputin erlöst haben«, sagte Chloe.

»Trotzdem kann es ohne die Zitadelle jetzt freier handeln«, erwiderte Clara. »In den letzten Wochen habe ich die Zeit gemessen, bis die entsandten Kreaturen gestorben sind. Sie halten immer länger durch. Wenn das so weitergeht, werden sie bald dauerhaft außerhalb von Antarktika überleben können.«

»Bisher haben die Nimags noch nichts von ihnen bemerkt«, sagte Alex zwischen zwei Bissen. »Ein paar Erdbeben hier, ein Schiffsunglück dort. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Wall nicht mehr existiert. Magie ist jetzt für alle sichtbar. Wenn auch nur ein einziges Mal jemand mit einem Smartphone etwas aufnimmt …«

Clara winkte ab. »Dann war es eben ein Special Effect, der mit KI erzeugt wurde. Kein Mensch glaubt an Magie. Aber an dem Punkt dürfte das keine Rolle mehr spielen.«

Um sich voll und ganz dem Anbeginn zu widmen, mussten sie zuerst Merlin ausschalten. Ohne ihn war der Pakt des falschen Glücks Geschichte, und die Magier waren wieder eine Einheit.

»Also wenn du schon so darüber nachdenkst«, merkte Jen an, »kannst du dir gerne überlegen, wie wir den Weg zur Flamme finden.«

Clara blinzelte. »Wieso kennst du ihn nicht? Ihr müsst den Weg doch in jedem eurer bisherigen Leben gegangen sein. Geht ihn einfach wieder.«

Jen löffelte ihr Müsli, trank Kaffee und zuckte mit den Schultern. »Diese Erinnerung ist weg. Alle möglichen Bruchstücke existieren, aber diese nicht.«

»Wenn ich die ewige Flamme wäre, würde ich auch nicht wollen, dass jeder so zu mir spaziert«, sagte Chloe. »Wäre Morgana noch hier, hätten wir sie fragen können. Doch so müsst ihr irgendwie selbst den Weg finden.«

»Müsst ihr vielleicht zu viert sein?«, fragte Clara.

Alex versuchte, sich das vorzustellen, aber es gab keine innere Resonanz.

»Nein«, sagte Jen. »Zumindest nicht, dass ich weiß. Wenn wir den Weg finden, werden die anderen ebenfalls ›gerufen‹. Und umgekehrt.«

Was Besagte beiden aktuell so trieben, wussten sie allerdings nicht. Mordreds Name in dieser Existenz lautete Jackson. Und die Namenlose … nun, sie war wohl eine Kuyakunga. Darüber hinaus besaßen sie zu ihr keine Informationen.

»Aufzeichnungen?«, schlug Clara vor.

»Das sagst du doch jetzt nur, weil du hoffst, dass wir wieder stundenlang über alten Schwarten sitzen«, sagte Alex vorwurfsvoll.

Chloe kicherte.

Clara schüttelte jedoch den Kopf. »Dazu wäre ich gerade gar nicht in der Lage. Ich muss mich gleich ein wenig hinlegen. Aber wir haben die Aufzeichnungen des Arsenals, die geretteten Schriften aus der Zuflucht und den Silberschädel.«

Da Jules Verne bereits tot war und lediglich sein Schädel noch existierte, war er immerhin nicht verschwunden. Stattdessen gab es ihn weiterhin auf der Traumebene.

»Andernfalls müsst ihr eurem Unterbewusstsein einfach Zeit geben«, sagte Chloe. »Die Information ist ja da. Sie muss nur wieder nach oben kommen.«

Clara schnippte. »Du hast recht. Und dabei könnte ich tatsächlich helfen.«

VERBORGENE HOFFNUNG

»Woher weißt du, wie so etwas geht?«, fragte Alex.

Clara stand vor dem Sessel, auf dem Jen Platz genommen hatte. Sie hielt ihren Essenzstab bereits in der Hand. »Du vergisst, dass ein Teil von mir mal die Schattenfrau war. Die Echos ihrer Taten … nun ja. Jedenfalls hat sie auch zahlreiche magische Experimente durchgeführt. Und eines bezog sich eben genau darauf. Eine Person wird in Trance versetzt und zurückgeführt.«

»Hat es denn jemals funktioniert?«, fragte er. »Ich meine, Nimags und Magier haben doch normalerweise gar kein vorheriges Leben. Oder?«

»Es diente eher dem Durchbrechen von Hörigkeit oder dem Herbeiführen davon«, erklärte Clara. »Wenn du ganz früh eine neue Erinnerung verankerst, kann das den gesamten späteren Charakter verändern.«

Was total beruhigend war. Er tätschelte Jens Hand. »Ich bin da und passe auf.«

»Hey.« Clara warf ihm einen grimmigen Blick zu. »Ich mache das, um zu helfen. Soll ich lieber schlafen gehen?«

»Nein, nein«, versicherte er hastig. »Ich wollte Jen lediglich beruhigen.«

»Jen ist ruhig«, kam es aus Richtung des Sessels. »Vorausgesetzt, wir fangen jetzt langsam an.«

Clara zeichnete mit ihrem Essenzstab winzige Symbole auf Jens Schläfen und die Stirn. Die rötliche Essenz loderte und verströmte einen gewissen apokalyptischen Hauch. »Atme ein, atme aus.«

Jen kam der Aufforderung nach.

»Memento mori«, sprach Clara den Zauber.

Das Essenzecho loderte auf. Der Geruch nach Kirsche und der Geschmack von würzigem Honig. Dazwischen Facetten von Verlust und Hoffnung.

»Der Zauber trägt dich zurück«, sagte Clara. »Erinnerungen an deinen Tod. Doch er fand noch nicht statt. Geht weiter, immer weiter.«

Jens Augen waren geschlossen. »Da ist Dunkelheit. Da sind Flammen. Wir sind dort.« Sie sog scharf die Luft ein. »Sie will nicht, dass ich sie betrachte. Erinnern ist verboten.«

»Das ist in Ordnung«, sagte Clara sanft. »Geh weiter zurück. Lass die Flamme vor dir, folge dem Weg in die andere Richtung.«

Alex stellte es sich wie einen Film vor, der zurückgespult wurde. Er hätte gerne Fragen gestellt. Da ihre vorherigen Leben sich vor dem jetzigen abgespielt hatten, mussten sie doch locker die Neunziger, Achtziger und vielleicht auch Siebziger des letzten Jahrhunderts abdecken. Vorausgesetzt, sie waren nicht sehr früh zur Flamme gegangen oder einer von ihnen versehentlich gestorben.

»Ja«, hauchte Jen. »Ich gehe zurück. Jetzt bin ich da. Es ist ein Wohnzimmer. Im Kamin prasselt Feuer, draußen herrscht Winter. Schneeflocken wirbeln. Wir sind beide da. Der Ruf hat uns erreicht.«

»Mordred und die Namenlose waren zuerst an der Flamme«, schloss Alex. »Wir wurden also gerufen. Das nutzt uns nichts. Wir brauchen eine Inkarnation, in der wir den Weg geöffnet haben.«

Clara nickte. Sie berührte mit dem Essenzstab erneut Jens Schläfe. »Memento mori.«

Jen sog tief die Luft ein.

»Du gehst weiter zurück. An den Anfang dieses Lebens und darüber hinaus. Was kam davor?«

»Da ist sie wieder. Die Flamme. Nein!«

»Weiter«, sagte Clara schnell. »Du willst sie gar nicht sehen, es geht nur um den Weg.«

Die Regel war eindeutig. Falls Jen und Alex den Kampf für sich entschieden, starben die anderen. Dann durften sie ihr beider Leben bis zum natürlichen Ende weitergehen. Wenn Jen also die letzten Male an der Flamme gestorben war, hatten sie den Kampf verloren.

»Wir beschreiten einen Pfad«, flüsterte sie. »Da ist eine Melodie in der Luft. Sie begleitet uns. Wir sind zu zweit, aber allein; viele, aber doch nur wir.« Sie summte leise. »Folg, folg, folg dem Pfad, wohin er dich auch trägt. Im Licht der Flammen sei geweiht …« Sie zuckte zusammen. »Da ist Stein. Ja, hier hat er begonnen. Hohe Säulen, Fenster aus Himmelsglas.«

»Himmelsglas«, echote Chloe. »Daraus war im Castillo die Decke gebaut, aber wo wurde es sonst eingesetzt?«

»Ich sehe den Himmel«, flüsterte Jen. »Vor dem Fenster.«

»Muss recht hoch sein«, kommentierte Alex.

»Ja, wir haben hinausgeblickt. Unter uns sind Wolken.« Sie lächelte.

»Ähm, das ist doch ziemlich weit oben.« Chloe runzelte die Stirn. »Sagt euch das was?« Sie blickte zuerst Clara an, dann Alex.