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Während Jen alles daransetzt, Alex die Erinnerung zurückzugeben, versucht Johanna, den Onyxquader zu erhalten. Doch das mächtige Artefakt scheint dem Untergang geweiht. Unterdessen macht Moriarty eine verblüffende Entdeckung. Das Erbe der Macht ... ... Gewinner des Deutschen Phantastik Preis 2019 in "Beste Serie"! ... Gewinner des Lovelybooks Lesepreis 2018! ... Gewinner des Skoutz-Award 2018!
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Seitenzahl: 472
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Table of Contents
Schattenloge 1
Was bisher geschah
Die Rückkehr
Prolog
1. Das Herz im Widerstreit
2. Das erste Artefakt
3. Geboren aus dem Stein
4. Die Verrückte mit dem Regenschirm
5. Irgendeine Idee?
6. In den Trümmern
7. Der Nimag
8. Schönheit in Vielfalt
9. Familie
10. Inkognito
11. Schein und Sein
12. Der Antrittsbesuch
13. Der Meisterdetektiv
14. Schrammen, Schlamm und Schabernack
15. Das Ende eines Traums
16. Er will doch nur kuscheln
17. Der Lord
18. Holmes hoch zehn
19. Dem Archivar im Angesicht
20. Im verbotenen Reich
21. Die grüne Tür
22. Vergessen
23. Zwei Seiten einer Münze
24. Der Spiegelsaal
25. Der dir am nächsten steht
26. Der einzige Weg
27. Die Bürde des Nimags
28. Ein Plausch unter Freunden
29. Der Onyxquader
Epilog
Chronikblut
Prolog
1. Oceans 4
2. Einmal Neuseeland und zurück
3. Ein Auftrag
4. Lange nicht gesehen
5. Die Blutchronik
6. Es geht los
7. Ein diebisches Trio
8. Der Kent-Faktor
9. Vom Heute ...
10. ... ins Gestern
11. Farbe wechsle dich
12. Hieb- und stichfest
13. Die Ausgrabungsstätte
14. Ein Zauber zu vollenden
15. Wo Chaos regiert
16. Seid ihr mal wieder unfähig
17. Bis ins Mark
18. Vereint unter dem Banner
19. Im Namen des Herrn
20. Aus und vorbei
21. Wo kommst du denn her?
22. Der Puppenspieler
23. Die Liste
24. Atempause
25. Auf die Plätze, fertig, los
Epilog
Schattendieb
Prolog
1. Eine Granny mit Pep
2. Eine Lektion in Geschichte
3. H. G. Wells
4. In Zeiten großer Krisen
5. Johannas Unterstützung
6. Die Schädel warten
7. Ungeliebt
8. Towarischtsch
9. Unter den Gassen von Paris
10. Die tote Stadt
11. Ein neuer Job
12. Der Pechvogel
13. Eine Prise Zyankali
14. Verbrannte Hoffnung
15. Der geflügelte Schrecken
16. Ein Plausch am Feuer
17. Kriegsrat
18. Bruder gegen Bruder
19. Im Dunkel der Nacht
20. Im Dunkel des Tages
21. Die letzten Stunden
22. Friendly Fire
23. Die Königin der Nacht
24. Die Wechselbälger
25. Die letzten Minuten
26. Fluchtkurs
27. Im Angesicht des Fluchs
28. Die letzten Sekunden
29. Die Legende von Anastasia Romanow
30. Leb wohl, Alexander Kent
31. Fehlschlag
32. Alles oder nichts
33. Der Unterschlupf
Epilog
Glossar
Impressum
Das Erbe der Macht
Die Rückkehr
von Andreas Suchanek
Der vorliegende Roman ist der Auftakt zur zweiten Staffel der Reihe. Er setzt nach den Ereignissen aus dem Finale von Staffel 1, »Allmacht«, und dem darauffolgenden Spin-off, »Die Chronik der Archivarin: Der verschollene Mentiglobus«, ein.
Der Kampf gegen die Schattenfrau ist vorüber. In der finalen Schlacht auf Iria Kon wurde das manifestierte Böse aus Clara Ashwell vernichtet. Die Sigilsplitter lösten sich auf und die Sigile nahmen ihren vorbestimmten Platz im Wall ein. Damit wurde das dritte große Friedensprojekt der magischen Welt erfolgreich vollendet.
Doch der Kampf forderte seine Opfer.
Bis auf Nikki tötete die Schattenfrau alle Sprungmagier. Edison gab sein Leben, um Max‘ Tod durch Moriartys Hand rückgängig zu machen. Zudem ist Einstein aufgrund seiner Gefangenschaft in einem Artefakt vorerst nicht einsatzbereit.
Auch die Schattenkrieger haben Opfer zu beklagen. Saint Germain wurde von Moriarty getötet, damit dieser den Platz an der Spitze der dunklen Kämpfer einnehmen konnte. Das Hauptquartier in Sibirien wurde von Chloe vernichtet, ebenso viele weitere Häuser auf beiden Seiten durch die Hand der Schattenfrau.
Die Sprungportale wurden versiegelt und alle Kontaktsteine von der Schattenfrau zerstört. Durch das Fehlen des Contego Maxima können aktuell keine neuen Essenzstäbe aufseiten der Lichtkämpfer erschaffen werden.
Da der Wall nun vollständig erwacht ist, wird die Magie noch stärker gedämpft als bisher, die Folgen sind nicht abzusehen. Auch den Splitterreichen droht Gefahr, erste Dimensionsfalten kollabieren bereits.
Der gewonnene Kampf gewährt den Lichtkämpfern aber auch Momente der Ruhe. So kehrt Alexander Kent nach London zurück. Dort, wo er einst sein Sigil aufnahm, taucht jedoch Johanna auf. Sie kapselt das Sigil ein und nimmt Alex seine Erinnerungen daran, ein Magier zu sein. Es bleibt unklar, warum. Doch das ominöse Opernhaus scheint eine wichtige Rolle zu spielen.
Leonardo und Johanna lesen wenige Tage später einen auf Iria Kon gefundenen Mentiglobus aus und erfahren, dass ihr Sohn Piero anders starb, als sie annahmen. Sein Körper wurde durch einen uralten indianischen Geist übernommen, der durch einen der legendären Blutsteine gewaltige Macht erhalten hatte. Um ihn zu besiegen, musste der Körper in einer entfernten Dimension eingekerkert werden. Erst danach wurde deutlich, dass ein unbekannter Mann, der sich als Bran vorstellte, genau das geplant hatte. Er nahm allen beteiligten Unsterblichen die Erinnerung an dieses Ereignis und verschloss sie in dem Mentiglobus.
An Brans Gesicht können die Unsterblichen sich nicht mehr erinnern. Da er kein Unsterblicher war, sondern ein normaler Magier, ist davon auszugehen, dass er mittlerweile tot ist. Doch was war sein Plan?
In vier steinernen Särgen in der fernen Dimension schickte er vier Krieger in einen langen Schlaf. Einer davon ist Piero. Seine Prophezeiung: Eines Tages, wenn der Wall erwacht, wird ihr Schlaf enden.
Doch davon ahnt niemand etwas.
Als Johanna und Leonardo ihre lange Reise zurück in die Erinnerungen beenden, hat das beide verändert. Während Johanna sich voller Tatkraft auf die neuen Herausforderungen stürzen will, macht Leonardo sich auf die Suche nach Antworten. Wer war Bran? Und warum wollte er ausgerechnet ihren Sohn Piero?
Annora Grant erhält unterdessen zwei schockierende Nachrichten. Der Onyxquader, das wertvollste Artefakt, das die Lichtkämpfer beschützen, scheint zu zerbrechen.
Und dann ist da noch Jennifer Danvers ...
XIII
Die Rückkehr
Hier gab es kein menschliches Leben.
Gewaltige Wellen brandeten an den Strand, wurden kleiner und kleiner, bis sie über den Sand schwappten. Muster bildeten sich und vergingen, Kiesel wurden herumgeschleudert.
Ein ständiges Werden und Vergehen.
In der Luft lag der Geruch von Tang und Meeressalz, eine Brise wehte heran. In der Ferne ragte die dichte Vegetation eines Waldes empor. Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben.
Ein Idyll.
Wenn auch ein totes.
Alex ging am Strand entlang und genoss das Gefühl des kühlen Wassers, das seine Füße umspielte. Er hatte die Jeans nach oben geschlagen und die Schuhe zurückgelassen. Genau genommen hatte er sie einfach weggedacht.
Hier auf der Traumebene war alles so leicht. Ein Gedanke genügte. Normalerweise.
Weit in der Ferne entstand ein Gewitter. Blitze zuckten über das dunkle Firmament und Donner grollte. Ein Spiegelbild seiner Wut.
Ein leises Schwappen erklang. Alex war nicht mehr allein. Ohne aufzusehen sagte er: »Es hat wieder nicht geklappt.«
Jules Verne stand vor ihm, die Füße mit den edlen schwarzen Slippern im Wasser. Seine Beine in der Stoffhose wurden von Wellen umspült, blieben aber trocken. Er hielt eine Tasse aus hauchdünnem Porzellan in der Hand und nippte daran. Selbst als Traumgeist liebte der Schriftsteller, dessen Gebeine das Siegel zur Traumebene auf Antarktika bildeten, seinen Tee.
»So störrisch.« Er trank. »Ich habe es dir gesagt. Es ist lediglich deinem wilden Sigil zu verdanken, dass ich deine Erinnerungen in dieser Form«, dabei deutete er mit einer Hand auf Alex, »hierherholen konnte«.
»Aber so kann es doch nicht weitergehen«, blaffte Alex. »Jeden Tag erwache ich, gehe brav in die Holding und arbeite vor mich hin. Was nutzt es mir, wenn ich mich hier erinnere, aber da draußen in der wirklichen Welt wieder alles vergessen habe?!«
»Geduld.«
»Ich scheiße auf Geduld.«
Jules Verne verzog angewidert das Gesicht. »Wir könnten die Zeit hier dazu nutzen, deinen Sprachschatz zu erweitern und dir Benehmen beizubringen.« Etwas leiser ergänzte er: »Ein Jahrhundert könnte reichen.«
»Das ist nicht witzig«, sagte Alex nur eine Nuance ruhiger.
Die Antwort war ein Seufzen. »Das ist mir bewusst. Und ich rechne dir hoch an, dass du dich wenigstens einmal dafür bedankt hast, dass ich dich gerettet habe. Doch du wirst dich erst wieder erinnern können, wenn der Zauber gelöst wird. Die Hilfe muss allerdings von außen erfolgen.«
Frustriert verpasste Alex der nächsten Welle einen Tritt. Wasser spritzte nach allen Seiten davon. »Und solange sitze ich hier drinnen fest. Es sind Wochen vergangen. Jen hat versucht, Kontakt aufzunehmen. Ich habe gesehen, wie sie auf mich zukam, mir aber nichts dabei gedacht. Ordnungsmagier haben sie abgefangen und weggebracht, bevor sie etwas sagen konnte.«
»Was immer Johanna sich bei ihrer Aktion auch dachte, sie glaubt zweifellos, gute Gründe dafür zu haben.«
Alex lachte nur bitter auf. Das Gewitter nahm an Stärke zu.
»Allerdings halte ich von solch drastischen Maßnahmen nichts, deshalb habe ich dich auch gerettet.«
»Danke.«
Jules Verne lächelte. »Wir sollten deine Zeit hier nutzen.«
»Und wie?«
»Irgendwann werden deine Freunde zweifellos eine Lösung für das Problem finden«, erklärte der Traumgeist. »Dann wirst du dich zwar wieder erinnern, doch da du keine Möglichkeit hattest, dein Wissen zu vertiefen, wirst du die vererbten Zauber von Mark Fenton bis dahin vergessen haben. Dagegen könnten wir etwas tun.«
Die Gewalt des Gewitters nahm ab. »Und was?«
Jules Verne schürzte die Lippen. Mit einer schnellen Handbewegung schleuderte er seine Tasse davon. Das feine Porzellan flog durch die Luft auf das Wasser zu, doch kurz bevor es darin eintauchte, explodierte es. Fünf kleine blaue Vögel schossen davon. Ihre Flügelschläge trugen sie hoch in die Luft.
»Das hier ist die Traumebene. Es gibt hier Bibliotheken, die vor langer Zeit erträumt wurden, Wissen über nahezu alle Magiezweige. Wir können dich in jedes Szenario stecken und Nacht für Nacht deine Kenntnisse vertiefen und mehren.«
Das Gewitter verschwand.
Alex schnippte mit dem Finger und ein Keks erschien in der Luft. Er biss herzhaft hinein. »Legen wir los.«
Die Januarkälte war über das Land hereingebrochen.
Das Geäst der Bäume war in Eis erstarrt, der Boden steinhart und die gemeißelten Engel wirkten wie die letzten Überbleibsel der Zivilisation.
Jen stand in der offenen Verandatür und blickte hinaus auf den Garten. Im Hintergrund prasselten die Flammen des Kamins. Der Geruch brennender Holzscheite stieg ihr in die Nase.
In den letzten Wochen hatte sie sich ablenken müssen, um nicht durchzudrehen. Die gesamte Welt schien im Chaos zu versinken. Da Magie zwar noch funktionierte, aber deutlich mehr Essenz erforderte als bisher, hatte sie auf ihre Erbschaft zurückgegriffen und die Villa ihrer Eltern wieder instand setzen lassen. Das Castillo diente als Zufluchtsort für Lichtkämpfer aus aller Welt, sie konnte sich nur hierher zurückziehen, um zur Ruhe zu kommen.
Nach den Ereignissen rund um Clara, die Schattenfrau, den Zwillingsfluch und schließlich Alex hatte sie gelernt, ihre eigene Geschichte und Vergangenheit zu akzeptieren. Dieser Ort – mochte er auch schreckliche Erinnerungen wachrufen – gehörte zu ihrem Leben, hier war sie aufgewachsen. Hier war ihr Erbe erwacht und sie zur Lichtkämpferin geworden, wenn auch zu einem schrecklich hohen Preis.
Sie wischte die Erinnerungen fort.
Sanft schwenkte sie das Kristallglas in ihrer Hand. Der Pinot noir wirkte wie frisch vergossenes Blut. Die Flammen spiegelten sich im Kristall.
Alex erinnerte sich nicht länger an sie, das war endgültig und offensichtlich. Sie hatte alles gegeben. Umsonst. Die Ordnungsmagier überwachten ihn überall, in der Holding ganz besonders. Sie kam einfach nicht an ihn heran. Leonardo und Johanna hüllten sich weiterhin in Schweigen.
Und dann war da noch Dylan.
Jen erinnerte sich an den Tag vor vielen Jahren, als ihre beste Freundin Paula ihr von ihrem Zwiespalt berichtet hatte. Sie hatte sich zwischen zwei Männern entscheiden müssen, die sie beide mochte. Am Ende war eine Dreiecksbeziehung entstanden, die tatsächlich bis heute anhielt.
Für Jen war es undenkbar, zwei Menschen zu lieben. Das war unmöglich. Andererseits fühlte sie sich sowohl zu Alex als auch Dylan hingezogen. Jeder ergänzte einen Teil von ihr. Die magische Welt und die Welt der Nimags.
Wenn sie Dylans Penthouse betrat und er sie mit einem Glas Wein in der Hand, engen Jeans und einem verschlissenen Pulli begrüßte, seine starken Arme um ihren Körper schlang und sie feurig küsste, konnte sie alles andere vergessen. Die Welt der Magie verblasste in diesen Momenten.
Doch dann gab es Alex‘ freches Grinsen. Der ständige Schabernack, die sanften Augen, das kleine Machogehabe. Er trieb sie zur Weißglut, aber gleichzeitig wuchs das Bedürfnis in ihr, seine Lippen zu spüren, seinen Duft zu riechen.
Als er ihren Essenzstab geheilt hatte, waren alle Emotionen auf sie übergeschwappt. Alexander Kent liebte sie. Und sie ihn. In diesem Augenblick war das deutlicher gewesen als alles andere. Klar wie Kristall.
Ihre Finger glitten über den Rand des Glases.
Dylan und Alex.
Alex und Dylan.
Sie wollte beide. Oder auch nicht. Was wollte sie?
Die Welt ringsum trieb ab ins Chaos, genau wie ihr Innerstes. Die alten Regeln schienen keine Gültigkeit mehr zu besitzen.
Frau verliebte sich in Mann – und das war‘s. Magie funktionierte anstandslos. Kontaktsteine und Essenzstäbe waren für jeden unbegrenzt verfügbar. Portale konnten geöffnet und genutzt werden.
Nichts war mehr wie zuvor.
Doch wo war Jens Platz in dieser neuen Welt?
Das Schneetreiben wurde dichter. Sie genoss die Kühle, die frische Luft und die behagliche Wärme.
Weihnachten hatte sie mit Chloe, Max, Kevin und Chris verbracht. Tilda hatte einen Weihnachtsbaum im Castillo aufgestellt, dazu Chanukka-Kerzen und alle möglichen anderen traditionellen Gegenstände. Die weihnachtliche Stimmung hatte jedoch nicht aufkommen wollen. Alle vermissten Alex.
Silvester hatte Jen sich zurückgezogen, um allein ins neue Jahr zu wechseln. Nicht einmal in Menschenmassen war sie eingetaucht, was sonst Tradition war. Stattdessen wälzte sie Folianten und suchte nach Informationen über Vergessenszauber. Auch ein Gespräch mit Clara hatte nichts ergeben. Die Freundin hatte an Neujahr vorbeigeschaut und einen wundervollen Tag bei Jen verbracht. Sie hatten geplaudert wie in alten Zeiten.
Doch am Ende war sie wieder aufgebrochen, um das Unheil rückgängig zu machen, das ihr böser Teil – die Schattenfrau – über Generationen hinweg angerichtet hatte.
Jen war allein.
Sie minimierte die gemeinsame Zeit mit Dylan, konnte sich aber nicht vollständig fernhalten. Dass er Chirurg war und sein Leben quasi im Operationssaal verbrachte, kam ihr gerade zugute. Trotzdem spürte er, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Sie musste es ihm sagen, ihm offenbaren, dass sie zwischen ihm und einem anderen Mann hin und her gerissen war.
Sie seufzte.
Sofort fokussierten sich ihre Gedanken wieder auf Alex.
Möglicherweise würde eine Reise zu Nemo helfen. Der Kapitän der Nautilus war in den Alltag der Unsterblichen nicht eingebunden. Eventuell wusste er etwas, das gegen Vergessenszauber half.
Die Bibliothekarin reagierte nicht auf ihre Kontaktversuche. Und da Jen kein Permit für das Archiv besaß, blieb es ihr verschlossen. Möglicherweise befand die Unsterbliche sich auch einfach gerade in der Pubertät, wer konnte das bei einem Wesen, das ständig den gesamten Lebenszyklus von vorne durchlief, schon wissen.
»Jennifer Danvers, du drehst dich im Kreis. Rede mit Dylan und finde eine Lösung für Alex.« Sie ballte die Fäuste. »Und dann stellen wir Leonardo und Johanna zur Rede.«
Sie wusste nicht einmal, was mit Alex‘ Essenzstab geschehen war. Vermutlich verwahrten ihn die Unsterblichen irgendwo, doch ebenso gut konnte er sich bei Nostradamus befinden.
Jen sank auf die Couch gegenüber dem Kamin und beobachtete die lodernden Flammen. Hier drinnen herrschte behagliche Wärme. Die Welt dort draußen war ausgesperrt und weit weg.
Wenigstens Max ließ nichts unversucht, ihr zu helfen. Neben seiner Tätigkeit als Agent trieb er sich ständig in der Bibliothek herum. Er hatte auch versucht, Annora Grant auszufragen, doch die kesse alte Dame hatte ihm auf den Kopf zugesagt, dass er nicht um den heißen Brei herumreden sollte. Danach hatte sie versprochen, bei den Unsterblichen nachzuhaken. Bisher war jedoch noch nichts geschehen.
Das mochte auch mit der ominösen Sache zu tun haben, die sich vor einigen Tagen ereignet hatte. Chloe befand sich auf Iria Kon, um dort die Bergung der alten Artefakte zu beaufsichtigen. Leonardo und Johanna waren ebenfalls dorthin aufgebrochen, kurz darauf verschwanden Kleopatra und Annora Grant nach Italien.
Die Archivmagier hatten Gerüchte über einen seltsamen Mentiglobus gestreut, der etwas damit zu tun haben sollte.
»Wenigstens konnte ich Leonardo und Johanna vorher noch zusammenbrüllen«, murmelte Jen zufrieden.
Heute wollte sie sich noch eine Auszeit gönnen. Ab morgen ging es zurück ins Castillo.
»Ich finde einen Weg, Alex. Versprochen!«
Ihr Blick verlor sich in den Flammen.
Sie hatte den Neuerweckten nicht zum Weinen bringen wollen. Wirklich nicht. Womöglich war ihre Wut etwas mit ihr durchgegangen.
Jen eilte die Stufen der Wendeltreppe hinab und versuchte, den anklagenden Blick von Annora Grant auszublenden. Die Großmutter von Chris und Kevin hatte hier im Castillo Quartier bezogen, um die neuen Magier in Kampfmagie zu unterrichten. Dabei ging sie nicht zimperlich vor, was Jen mehr als einmal an Edison erinnerte.
»Ah, da bist du ja endlich«, wurde sie von Max begrüßt. »Oh. Du siehst aus, als sei dir ein Schattenkrieger über die Leber gelaufen.«
»Wie genau stehst du zukünftig zu Annora Grant?«
»Was?« Max erwiderte ihren Blick verwirrt. »Na ja, ich heirate in ihre Familie ein.« Er hob die Hand mit dem Verlobungsring.
Nach seiner Gefangenschaft durch den Wechselbalg hatte Max ein Auf und Ab seiner Gefühle erlebt. Schließlich hatte er es jedoch geschafft, sich zu fangen. Von Edison zum Agenten ausgebildet, schien er in seiner Bestimmung aufzugehen und hatte sich vor Kurzem mit Kevin verlobt. Obgleich er eine Menge Verantwortung trug, wirkte er nach außen noch immer sanft. Sein Lächeln konnte Eisberge zum Schmelzen bringen.
»Diese Frau ist eine Urgewalt«, sprach Jen das Offensichtliche aus.
»Was hast du angestellt?«
»Wie kommst du darauf …?« Jen seufzte. »Nachdem die Ordnungsmagier mich aus der Holding geschleift hatten, bevor ich mit Alex sprechen konnte, wurde mir eine Strafe aufgebrummt. Ich darf nicht in den Einsatz und soll Neuerweckte unterrichten. In Kampfmagie. Als Sparringspartner sozusagen. Babysitten scheint meine neue Berufung zu sein.«
Max kicherte, maskierte es jedoch schnell als ein Husten, als er Jens Blick bemerkte. »Und?«
»Möglicherweise habe ich für einen Augenblick die Beherrschung verloren, als so ein arrogantes kleines Frettchen dachte, es könnte sich über mich lustig machen. Mein Zauber hat ihn quer durch den Übungsraum geschleudert und die Rückkopplung hat irgendwie prompt die Hexenholzkrieger aktiviert. Die sind dann auf alle Neuerweckten losgegangen.«
Max‘ Augen wurden groß. »Es wurde doch niemand verletzt?«
»Nein«, versicherte sie schnell. »Nur ein bisschen. Ein paar blaue Flecke und so was. Danach hat Annora mich rausgeworfen.«
»Und du willst, dass ich gut Wetter mache?«
»Das würdest du tun?« Jen lächelte Max so lieblich an, wie sie in der aktuellen Situation nur konnte. »Ich muss wieder da raus, um nach einer Lösung für Alex zu suchen.«
»Betrachte das als erledigt.«
Jen zog ihn in eine Umarmung.
Der Pfirsichgeruch seines Shampoos stieg ihr in die Nase. Max‘ wuscheliges dunkles Haar stand wie immer zu allen Seiten ab und sein Lausbubengrinsen hatte bisher noch jeden und jede um den Finger gewickelt. Möglicherweise sogar Annora Grant.
»Was tust du überhaupt hier?« Jen sah sich um.
Es war der Raum, in dem der Onyxquader untergebracht war, das wertvollste Artefakt der Lichtkämpfer. Verbunden mit dem Wall, zeigte es auf seiner Oberfläche neuerweckte Lichtkämpfer. Auf diese Art konnten sich Teams sofort auf den Weg machen, um die Neulinge unter ihre Fittiche zu nehmen.
In den letzten Wochen war das schwieriger geworden, da es nur noch eine Sprungmagierin gab, die ständig bis an ihr Limit beansprucht wurde. Durch die Vollendung des Walls konnte sie auch nicht mehr so viel und so weit springen wie zuvor.
Um das Problem einstweilen zu umgehen – zumindest bis die Portale wieder entsiegelt waren –, hatte Tomoe ein Dutzend Privatjets gemietet. Diese flogen Lichtkämpferteams nun überallhin. Das dauerte natürlich.
Kleopatra stand neben dem Quader und ließ mehrere Diamanten über die Oberfläche gleiten. Andere Magier träufelten Indikatortinkturen darauf.
»Wieder ein Neuerweckter?«, fragte Jen.
Max schüttelte den Kopf. »Der Onyxquader zeigt nichts mehr an. Und schau, da.« Er winkte sie zum Rand des Artefaktes.
Sie musste nicht einmal ihren Weitblick einsetzen, um zu erkennen, dass feingranulare Partikel von dem Artefakt zu Boden rieselten. »Er löst sich auf.«
»Zerbricht auf Mikroebene«, korrigierte Max. »Es wurde noch nicht bekannt gegeben. Das Letzte, was wir uns leisten können, ist eine Panik. Momentan sind alle gereizt, weil wir zu wenig Platz haben.«
Wegen der Zerstörung zahlreicher Häuser überall auf der Welt waren die dortigen Lichtkämpfer hier im Castillo untergebracht worden, bis Tomoe über die Holding Ersatz erwerben konnte.
»Das habe ich mitbekommen.«
Die Gesellschaft der Lichtkämpfer basierte auf Freiheit und gelebter Gleichheit, doch dieses Zusammenleben machte deutlich, dass es noch immer zahlreiche Vorurteile gab. Verschiedene ethnische Gruppen zusammen auf engem Raum bedeuteten stets eine explosive Mischung.
»Niemand kann behaupten, dass unser Leben langweilig ist«, sagte Jen. »Gibt es schon einen Termin für die Hochzeit?«
Sie konnte Max‘ Grinsen förmlich spüren, während sie sich über den Onyxquader beugte. Der Weitblick kam nur zögerlich und Jen wusste, dass sie ihn nicht länger als dreißig Sekunden einsetzen konnte, ohne mit Kopfschmerzen dafür zu bezahlen. Der Wall machte es ihnen nicht leicht.
»Wir lassen es langsam angehen«, erklärte Max. »Den Termin gibt es erst, wenn Kevins Eltern das Tribunal überstanden haben.«
»Er zerbricht wirklich«, murmelte Jen.
Aus der Nähe konnte sie deutlich erkennen, wie die Brocken zerbröselten. »Und keiner der Indikatoren sagt etwas?«
»Nope. Angeblich hat es nichts mit Magie zu tun, es gibt keinerlei Ausstrahlung. Es ist Materialermüdung.«
»Wir wissen, dass der Quader mit dem Wall verbunden ist.« Jen ließ ihre Hand über die Oberfläche gleiten. Das onyxartige Gestein wirkte warm und schien im Takt eines Herzschlages zu pulsieren. »Möglicherweise sorgt das dafür, dass das Material jetzt zerbröckelt.«
Kleopatra legte drei Diamanten nebeneinander und ließ eine Flüssigkeit darauf tropfen. Die edlen Gesichtszüge der Unsterblichen, zusammen mit dem stets leicht arroganten Blick, verdeutlichten jedem, dass sie einst eine Königin gewesen war. Ihre ebenmäßige Haut strahlte vor Jugendlichkeit. Kein Wunder, bedachte man, dass sie den Körper einer Teenagerin besaß. Für immer.
»Und, hat sie schon wieder die Diva gemacht?«, fragte Jen leise.
»Du da!«, rief die Unsterbliche prompt. »Leg deine Hand darauf.«
Der angesprochene Magier tat wie befohlen. Es knallte kurz und er zog aufschreiend die Hand zurück.
»Interessant«, murmelte Kleopatra. »Du kannst gehen.«
»Sie ist so ein arrogantes Miststück«, knurrte Jen.
Max kicherte. »Ich finde es lustig, wie sie jedem Hetero den Kopf verdreht.«
»Sprich nur für dich. Ich finde es gar nicht lustig. Alex hat in ihrer Gegenwart immer gesabbert.«
»Apropos, was hast du als Nächstes vor?«
»Ich arbeite noch an einem Plan.«
»Sei auf jeden Fall vorsichtig. Dieses Mal machen wir das gemeinsam und sehr, sehr behutsam.«
»Vorsicht!«, brüllte Kleopatra.
Instinktiv wichen sie alle vor dem Onyxquader zurück.
Ein Grollen erklang, die Wände bebten. Eine Druckwelle schleuderte sie alle davon.
Dann zerbarst das Gestein.
Und gab den Blick auf seinen Inhalt frei.
»Ernsthaft?« Mit einem Keuchen kam Chloe neben Max zum Stehen. Ataciaru war wie stets an ihrer Seite, natürlich. Der Husky begrüßte Max mit freudigem Schwanzwedeln.
»Jap. Krass, oder?« Mit dem Kinn nickte er in Richtung Krankenbett, auf dem ein Mann ruhte. »Lag einfach zwischen den Trümmern. Nackt, aber unverletzt.«
Kleopatra war in ein eifriges Gespräch mit der Obersten Heilmagierin vertieft. Die Brust des unbekannten Mannes hob und senkte sich gleichmäßig. Seine Arme und Beine wirkten auf der bauchigen Decke wie Streichhölzer, die jemand dort verteilt hatte.
Max betrachtete ihn eingehend.
Er wirkte nicht gefährlich, doch Edison hatte ihm mehr als einmal verdeutlicht, dass der äußere Anschein trügen konnte. Seine Ausbildung zum Agenten hatte ihn Vorsicht gelehrt.
»Wozu die Ordnungsmagier?« Chloe musste gerade von Iria Kon zurückgekehrt sein, wo sie gemeinsam mit Archäomagiern die Hinterlassenschaften der Schattenfrau durchkämmt hatte. Ihr grüner Irokesenschnitt wippte bei jedem Schritt. Sie zog an ihren fingerlosen Handschuhen, um sie zu richten.
»Zur Sicherheit. Er könnte eine Gefahr sein.«
Sie nickte nur, aber er sah in ihren Augen, dass sie daran nicht glaubte.
»Wir wissen nichts über den Onyxquader«, ergänzte er. »In den letzten Tagen habe ich mit Kleopatra und Tomoe gesprochen. Sie sagen beide, dass niemand weiß, woher das Artefakt stammt. Als die Diskussion um den Wall aufbrandete, präsentierte Cixi ihn irgendwann. Auf Nachfragen gab sie allerdings keine Antwort.«
»Er hat uns fast zwei Jahrhunderte treu gedient, oder nicht?« Chloe bot ihm ein Kaugummi an.
Max wurde übel. Früher hatte er die Dinger geliebt und bei jeder Gelegenheit auf einem herumgekaut. Bis der Wechselbalg genau das genutzt hatte, um Max‘ Blut in einen der Kaugummis zu tun. So hatte er ihn vollständig ersetzen können. Seitdem wurde ihm stets schlecht, wenn er die Dinger sah oder gar roch. »Danke, nein.«
Chloe zuckte nur mit den Schultern und schob sich einen Streifen in den Mund. »Und jetzt?«
»Ich weiß es noch nicht. Das liegt bei Kleopatra.«
Chloe seufzte. »Gut, dass Jen nicht hier ist.«
»War sie, hat aber die Flucht ergriffen.«
»Und sich das hier entgehen lassen? Das sieht ihr nicht ähnlich.«
»Wenn du mich fragst, arbeitet sie an einem neuen Plan, Alex‘ Erinnerungen zurückzuholen.«
»Gut so.« Chloe ließ ihre Fingergelenke knacken. »Meine Unterstützung hat sie. Johannas Aktion war wirklich mies.«
Max nickte, richtete seine Aufmerksamkeit aber wieder auf den schlafenden Mann. Wie alt konnte er sein? Die Gesichtszüge wirkten eingefallen und schlaff, der Bart wucherte. In diesem Zustand schätzte er ihn auf gut sechzig Jahre, doch es mochten auch nur vierzig sein. Das Haar war grau, jedoch von dunklen Strähnen durchzogen.
»Er muss einhundertsechsundsechzig Jahre lang in dem Artefakt gesteckt haben, möglicherweise noch länger«, flüsterte Max. »Ob er die ganze Zeit geschlafen hat?«
»Das hoffe ich doch für ihn«, entgegnete Chloe.
Die Oberste Heilmagierin trat mit Kleopatra an das Bett des Schlafenden.
Max folgte ihr leise. Chloe schloss sich ihm an.
Nur Ataciaru blieb zurück.
»… schwach«, erklärte die Oberste Heilmagierin gerade. Ihr Gesicht wirkte sanft, als sie den unbekannten Mann betrachtete. »Er ist definitiv ein Magier, doch das Sigil ist kaum auszumachen, nur noch ein Hauch.«
»Wie ist das möglich?«, fragte Kleopatra. »Die Aura schwindet und das Sigil geht in das Aurafeuer über. Ich habe noch nie davon gehört, dass ein Sigil selbst schwindet.«
»Ich ebenso wenig«, sagte die Oberste Heilmagierin. Ihr dunkles Haar lugte unter einer Schwesternhaube hervor und das Kleid mit der gestärkten Schürze ging ihr bis zu den Knöcheln. »Doch hier ist es so. Ich kann die Aura überhaupt nicht feststellen, als sei sie nicht vorhanden. Auch keine Essenz. Nur das Sigil, schwach wie eine Kerzenflamme. Er ist dem Tod näher als dem Leben.«
»Hat er auffällige Merkmale am Körper?«, fragte Max.
Die beiden Frauen wandten sich ihm zu.
Auf den fragenden Blick der Obersten Heilmagierin nickte Kleopatra auffordernd.
»In der Tat gibt es da etwas. Auf seiner Schulter prangt ein sichelförmiges Mal. Zudem ist der Rücken vernarbt, als hätte ihn jemand ausgepeitscht.«
»Falls er tatsächlich einhundertsechsundsechzig Jahre oder länger in dem Quader gefangen war, hätte er in der Zeit davor gelebt«, überlegte Max laut. »An den Fürstenhäusern der damaligen Epoche war so etwas nicht unüblich.«
»Aber nicht in der magischen Welt«, gab Kleopatra zu bedenken. »Ich hatte meinen Dienst im Licht der Zitadelle damals bereits angetreten. Bedauerlicherweise liegt diese Zeit so lange zurück, dass selbst wir nicht mehr alle Details kennen.« Etwas leiser knurrte sie: »Wer weiß, was wir noch alles vergessen haben.«
»Was meinst du?«, hakte Chloe nach.
»Nichts!«, erwiderte die Unsterbliche barsch. »Leonardo ist unterwegs, Tomoe kümmert sich um die neuen Häuser und Einstein können wir nicht fragen. Der Ersatz für Edison wurde noch nicht ernannt und Johanna ist zwar auf dem Weg hierher, braucht aber noch eine Weile. Damit liegt das weitere Vorgehen in meiner Hand.« Sie deutete auf Max. »Du recherchierst alles, was du zum Onyxquader finden kannst. Cixi war bereits tot, als der Wall erschaffen wurde. Das Artefakt war eine Hinterlassenschaft von ihr. Wir müssen wissen, woher es ursprünglich stammt.«
Max nickte zufrieden. Genau darauf hatte er gehofft. Woher der Onyxquader auch kommen mochte – seine Herkunft war verknüpft mit dem Unbekannten. Er wollte wissen, wer es war.
Bevor Kleopatra dazu kam, weitere Anweisungen zu erteilen, stöhnte der Unbekannte auf.
Alle Blicke richteten sich auf ihn.
Seine Lider flatterten. Öffneten sich. Verwirrt huschte sein Blick umher. »Wo … wo bin ich?«
»In Sicherheit«, sagte die Oberste Heilmagierin sofort. »Im Castillo in Alicante.«
»Castillo?«
»Das Pendant zu Glamish Castle?« Kleopatra beobachtete den Mann genau, doch auch das alte Hauptquartier der Lichtkämpfer zauberte keine Erkenntnis auf sein Gesicht.
Der Mann sprach aktzentfreies Englisch. Max konnte nicht einmal zuordnen, ob er amerikanischer oder britischer Herkunft war.
»Wie heißt du?«, fragte Kleopatra.
Die Verwirrung des Unbekannten nahm zu. »Ich … ich weiß es nicht.« Er begann zu zittern.
»Entspann dich«, sagte Chloe überraschend sanft. Sein Anblick schien etwas in ihr zum Klingen zu bringen.
Der Mann fokussierte sie mit seinem Blick. »Warum sind deine Haare grün?«
Chloe zuckte mit den Schultern. »Weil ich einfach das mache, was ich machen will. Freiheit nennt man das.«
Er lächelte. »Das gefällt mir. Glaube ich.«
»Okay, das mit dem Vergessen scheint uns momentan alle zu nerven«, knurrte Kleopatra. »Chloe, du bist ab sofort seine Babysitterin«, erklärte sie. »Ich schaue, ob ich einen Vitalisierungstrank herstellen kann. Und dazu eine Prise Erinnerungen.«
Damit wandte sie sich ab und stapfte aus dem Raum.
Die Oberste Heilmagierin nahm summend wieder ihre Arbeit auf.
Chloe schien mit der Arbeitsteilung zufrieden. Sie sank auf den Stuhl neben dem Bett und betrachtete sinnierend den alten Mann, der wieder eingeschlafen war.
Leise verließ Max den Krankenflügel.
Die Nacht hatte sich über London gesenkt.
Mit einem Plopp erreichten sie das Ziel. Neugierig sah Nils sich um. Der Sechsjährige war erst seit wenigen Wochen Bewohner des Castillos. Obgleich er keiner magischen Familie entstammte, hatte sich die Sprungmagie bei ihm nicht wie sonst üblich in der Pubertät entwickelt, sondern bereits jetzt. Er war mitten in Tildas Küche erschienen und hatte sich über die Sandwiches hergemacht. Dass er seine Magie nicht kontrollieren konnte, hatte bereits zu zahlreichen Problemen geführt.
Ursprünglich hatten sie geglaubt, er stammte aus Deutschland. Doch der starke Dialekt hatte schließlich die österreichische Herkunft aufgedeckt. Nur Kleopatras Sprachzaubertrank war es zu verdanken, dass der Kleine sie alle verstehen konnte. Die Suche nach seinen Eltern lief noch immer, bisher aber ergebnislos.
Jen legte den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete Nils, still zu sein.
Der nickte nur und streckte ihr die Hand entgegen.
»Du kleiner Kapitalist«, flüsterte Jen und legte die versprochenen Bonbons hinein.
Zufrieden stapfte Nils zum Sofa. Kurz darauf hüpfte er fröhlich auf den Kissen herum. Sein blondes Strubbelhaar hob und senkte sich, die Sommersprossen leuchteten im hereinfallenden Mondlicht.
Jen atmete tief durch.
Es hatte drei Stunden und zehn Versuche benötigt, in der richtigen Wohnung herauszukommen. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, welche Verrenkungen die Nachbarn unter Alex‘ Penthouse beim Sex veranstalteten. Sie hatte Nils gerade noch rechtzeitig die Augen zuhalten können. Mit Nikki wäre das einfacher gewesen, doch die war völlig am Ende ihrer Kräfte.
Aus dem Schlafzimmer drangen leise Schnarchgeräusche an Jens Ohren. Sie schlich hinein. Alex lag auf der Seite und hatte seine Bettdecke umschlungen. Ihr Herz ging auf. Wie goldig das aussah. Obwohl durch das offene Fenster die kalte Winterluft hereinströmte, trug er nur Shorts.
»Typisch Mann«, flüsterte Jen.
So nah wie jetzt war sie ihm schon lange nicht mehr gewesen. Die Ordnungsmagier waren überall um die Holding herum postiert und ließen Alex auch auf dem Heimweg oder in der Freizeit nicht aus den Augen. Sogar das Penthouse wurde bewacht. Jen war beinahe soweit gewesen, einen Wandlungszauber einzusetzen, um die Gestalt von Zac anzunehmen, Alex‘ bestem Freund. Doch vermutlich hätten die Ordnungsmagier selbst das bemerkt.
»Warum nur hat sie das getan?«, flüsterte Jen gedankenverloren.
Johanna und Leonardo hatten geschwiegen wie ein Grab, nachdem Jen sie zur Rede gestellt hatte.
Die Matratze des Boxspringbettes federte leicht, als Jen sich darauf niederließ. Im Schlaf schnorchelte Alex leise, dann atmete er still.
Bei dem Gedanken an das, was sie vorhatte zu tun, wurden ihre Handflächen schweißnass. Wenn sie scheiterte, was dann? Nein! Auf keinen Fall.
»Hallo. Ich bin Jen. Du bist ein Magier. Nein, das klingt total blöd.«
Aus dem Wohnzimmer erklang ein Klirren.
Alex‘ Lider flatterten. Keuchend fuhr er in die Höhe.
Sie starrten einander an.
»Hi«, war das Erste, was Jen einfiel.
»Waahhh!«, kam es von Alex zurück. Er rollte sich zur Seite und krachte aus dem Bett zu Boden.
»Keine Angst.« Sie erhob sich lächelnd.
»Du! Die Frau aus der Holding.« Er hatte sie also doch gesehen. »Die Sicherheitskräfte haben dich weggebracht.« Sein Blick musterte sie von oben bis unten und ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Bist du eine Stalkerin oder so was?«
»Also, das ist doch …« Jen erhob sich ruckartig. »Eine fremde Frau bricht nachts in deine Wohnung ein und du beginnst einen Flirt. Kent, du bist unverbesserlich. Ich sollte dir einen gehörigen Kraftschlag verpassen!«
»Kampfsport ist gar nicht nötig.« Sein Selbstbewusstsein kehrte zurück. »Ich ergebe mich.«
Jen stand mit geballten Fäusten vor ihm und schrie wütend auf.
»Beruhige dich doch.« Er kam langsam näher. »Und leg den Regenschirm weg.«
»Was?« Jens Blick fiel auf den Essenzstab, den sie noch immer in ihrer rechten Hand hielt. »Oh. Wo du es schon ansprichst: Das ist ein Essenzstab.« Sie hob ihn vor sein Gesicht. »Schau ihn dir genau an.«
»Aha. Na, wenn du das sagst. Ein schöner Essenz… Regenschirm.«
»Komm schon, du musst doch irgendwas erkennen.« Sie seufzte.
Die Hoffnung, dass der Kontakt zu ihr den Vergessenszauber durchbrechen konnte, erwies sich offensichtlich als Trugschluss.
»Ich bin eine Magierin!«, rief sie frustriert. »Und du auch.«
»Ich bin eine Magierin?«
»Ein Magier natürlich!«, blaffte sie. »Stell dich nicht dümmer, als du bist.«
»Natürlich.« Alex streichelte ihren Arm. »Wir sind alle Magier. Und jetzt gehen wir am besten ins Wohnzimmer und ich telefoniere kurz. Ich meine natürlich, ich schicke eine Eule zu … anderen Magiern. Die kommen dann und helfen dir.«
Jen klatschte sich gegen die Stirn. »Wie kann es nur sein, dass ich dich selbst in diesem Zustand verprügeln will.«
»Es tut mir leid«, erklang eine Stimme von der Tür. Nils Gesicht erschien. Vorsichtig lugte er in den Raum.
Alex‘ Augen weiteten sich. »Wer ist der Knirps?«
Jen konnte nicht anders. »Dein Sohn.«
Alex wurde kreidebleich.
»Das war ein Scherz, du Idiot.«
Nils kam hereingestapft, hielt vor Alex an und blickte in die Höhe. »War der Hundi teuer?«
»Oh, das hat so geklirrt«, sagte Jen leise.
Alex stöhnte auf. »Nein. Nur ein bisschen teuer.«
Nils nahm Alex‘ Hand, zog sie zu sich und legte ein Bonbon hinein. »Entschuldigung.«
»Danke.« Alex grinste und verwuschelte dem Kleinen die Haare. »Wer bist du denn?«
»Ich bin Nils. Ich bin ein Magier und kann springen.«
Alex Miene gefror. Sein Blick erfasste Jen. »Es ist ja schon schlimm genug, dass du in fremde Wohnungen einbrichst, aber ein Kind mit hineinzuziehen, das geht wirklich zu weit.«
Bevor Jen reagieren konnte, stieß er sie gegen die Brust. Mit einem dumpfen Aufprall krachte sie an die Wand und landete auf dem Boden. Der Essenzstab kullerte davon.
Mit Nils auf den Armen hechtete Alex aus dem Raum. »Ich rufe die Polizei.«
»Nein!«
Keuchend warf Jen sich auf ihren Essenzstab, kam in die Höhe und setzte zur Verfolgung an. Mit einer schwungvollen Bewegung aus dem Handgelenk ließ sie den Essenzstab durch die Luft fahren. Aus magentafarbener Essenz bildete sich ein magisches Symbol. »Noctis Somnum!«
Der Schlafzauber erwischte Alex in der Bewegung. Er fiel wie ein gefällter Baum zu Boden.
Plopp.
Nils verschwand. »Ich bin hier!«, erklang seine Stimme kurz darauf aus dem Schlafzimmer. »Das Bett ist weich.«
Vorsichtig ließ Jen Alex in die Höhe schweben und brachte ihn zurück zum Bett, wo Nils sich unter der Decke zusammengekuschelt hatte.
»Nicht einschlafen«, ermahnte ihn Jen. »Wir müssen noch zurück zum Castillo.«
Blut strömte aus Alex‘ Nasenlöchern und lief durch die Rillen seines Waschbrettbauches über den Körper.
»Da hat jemand aber trainiert.« Jen räusperte sich. »Sanitatum!«
Die Wunde schloss sich.
»Na schön. Das war wohl nichts.«
Alex begann zu schnarchen.
»Verschwinden wir.«
Ein zweites Schnarchen gesellte sich hinzu.
»Nils?«
Der Kleine schmiegte sich an Alex.
»Nils!«
Keine Reaktion.
»Das ist nicht mein Tag.«
Jen nahm den Kleinen vorsichtig auf den Arm. Er schlief wie ein Stein. »Großartig. Da werden wir wohl etwas länger brauchen, bis wir wieder zurück sind.«
Frustriert betrat Jen das Turmzimmer.
Tatsächlich waren die anderen hier und nicht in der Küche.
Chris hatte seinen Essenzstab zwischen den Wänden des Erkers verlängert und benutzte ihn als Stange für Klimmzüge. Kevin saß auf der Couch und blätterte in einem Buch über magische Schutzsphären.
»Was macht ihr denn hier? Solltet ihr um diese Zeit nicht beim Frühstück in der Küche sitzen?«
Kevin winkte ab. »Momentan unmöglich. Tilda macht sich schreckliche Sorgen um Einstein und bricht ständig in Tränen aus. Wie es ihm wohl geht, ob er genug zu essen hat, ob er jemals zurückkehrt …«
»Und dann sitzen immerzu diese Brasilianerinnen bei ihr vor dem Fernseher und schauen Telenovelas«, beschwerte Chris sich keuchend. Die Muskeln traten hervor, als er seinen Körper erneut in die Höhe zog. »Das macht es nicht besser. Am Ende heulen sie alle gemeinsam.«
Jen ließ sich in den Sessel fallen.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Kevin und legte das Buch beiseite.
Sie fasste die Ereignisse zusammen. »Glücklicherweise hat Dylan eine Spätschicht im Krankenhaus. Ich habe Nils dorthin gebracht. Wir haben geschlafen und heute Morgen sind wir zurückgesprungen. Unnötig zu sagen, dass unser neuer Sprungmagier das Castillo um ein paar Kilometer verfehlt hat.«
Kevin lachte leise. »Selbst schuld. Du hättest dich mit uns absprechen können.«
»Genau.« Chris kam auf dem Boden auf und verkleinerte seinen Essenzstab wieder. »Wir wollen Alex schließlich auch zurückhaben.«
»Mein letzter Versuch hat mir Schreibtischdienst und Lehrstunden eingebracht«, erklärte Jen. »Da wollte ich euch nicht auch noch in Gefahr bringen.«
»Hab schon gehört, dass Grannys Kampfmagiestunden sehr beliebt sind. Jetzt noch mehr.«
»Was?«
Chris kicherte. »Du hast mächtig Eindruck auf die Neuerweckten gemacht. Da gibt es ziemlich viele verliebte Blicke, wenn die Jungs deinen Namen seufzen. Alle reden nur noch von Kampfmagie. Kleopatra ist vorhin ausgerastet, weil die Zaubertränke doch eigentlich viel wichtiger sind.«
»Würde mich nicht wundern, wenn sie demnächst auftaucht und sich mit dir duelliert«, ergänzte Kevin.
»Das ist nicht mein Tag. Ach was, nicht meine Woche.« Erst jetzt entdeckte Jen die Kaffeekanne, die auf dem Tisch stand. Daneben stapelten sich vier Tassen. Sie schnupperte. Das Aroma gehörte eindeutig zu Tildas Kaffeemischung.
»Gern geschehen«, sagte Kevin grinsend.
»Du bist ein Schatz.« Jen goss sich eine Tasse voll, sog das Aroma tief ein und nippte vorsichtig. Sofort kehrten ihre Lebensgeister zurück. »Also, irgendeine Idee, wie wir Alex helfen könnten?«
»Input von außen reicht auf jeden Fall nicht«, erklärte Chris. »Ich habe meine Granny ausgefragt. Sie hat ja diese besondere Fähigkeit …«
»Immunität gegen Vergessenszauber«, unterbrach ihn Jen.
»Genau.«
Neben Thomas Edison war Annora Grant die Einzige, die sich noch an das Auftauchen der Freunde in den 1970er-Jahren erinnerte. Damals waren sie und weitere Ordnungsmagier gerade dabei gewesen, einen der Blutsteine zu erbeuten. Ein Vorhaben, das grauenvoll schiefgegangen war.
»Sie hat sich eine Zeitlang intensiv mit Vergessenszaubern beschäftigt, weil sie ihre eigene Immunität testen wollte«, erklärte Chris. »Jede Art hat einen anderen Ansatz, um den Zauber zu brechen. Zuerst muss man also die Art des Vergessenszaubers kennen.«
»Wie?« Jen stellte die Kaffeetasse so fest ab, dass ein Teil der schwarzen Flüssigkeit über den Rand schwappte. »Ich habe Indikatorzauber durchgeführt, da ist nichts.« Sie zog eine kleine Phiole aus der Tasche.
»Ist das Blut?«, fragte Kevin.
»Jap. Ich habe Alex ein wenig davon abgenommen. Meine Idee war, einen Gegenzauber damit zu verweben und es ihm wieder zu injizieren.«
»Das ist gar nicht so blöd«, sagte Chris. »Aber andersherum: Wir könnten das Blut benutzen, um die Art des Vergessenszaubers herauszufinden.«
»Wenn du mir jetzt noch sagst, wie wir das anstellen sollen, bekommst du meinen Kaffee«, erklärte Jen.
Chris trottete zur Kanne und hob sie an. »Du hast sie leer gemacht.«
»Genau. Also?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Da geht er hin, der leckere Kaffee«, neckte Jen.
Chris schwang seinen Essenzstab. »Aportate Kaffeetasse.« Geschickt fing er ihre Tasse auf und trank lächelnd.
»Eins zu null für meinen Bruder«, warf Kevin ein. »Aber mal ernsthaft, wir brauchen einen Spezialisten für Vergessenszauber, der uns das Blut analysiert.«
»Was ist mit eurer Granny?«, fragte Jen.
Kevin schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Wir ziehen sie da nicht mit rein. Außerdem war sie mal Ordnungsmagierin. Zwar ist sie cool und frech, aber letztlich hält sie sich an die Regeln.«
»Vielleicht kennt Max jemanden. Oder Chloe.«
»Kannst du vergessen.« Chris stellte die leere Tasse auf den Tisch. »Max hat seine Nase ganz tief in irgendwelche Bücher vergraben. Er sucht nach Informationen zum Onyxquader. Und Chloe darf unseren Neuzugang babysitten.«
»Neuzugang?«
Die beiden brachten Jen abwechselnd auf den neuesten Stand.
»Das gefällt mir gar nicht«, murmelte sie.
»Sobald Max etwas hat, informiert er uns umgehend. Und Chloe können wir auch ausfragen«, sagte Chris. »Damit sind wir Team Alex.«
Jen trat ans Fenster.
Vom Turmzimmer aus hatte man einen atemberaubenden Blick auf die Ländereien des Castillos. Der Januar hatte Kälte mit sich gebracht. Im Rest von Europa bedeckte Schnee die Landschaft. Hier in Alicante wallte Nebel zwischen den Bäumen des angrenzenden Waldes, dem See und dem nahen Berg. Die Luft war kalt und klar.
Neuerweckte jeder Altersstufe und die Flüchtlinge aus den zerstörten Häusern stapften herum, erschufen magisch Schnee und ließen Bälle fliegen oder übten Kampfmagie.
Einige Magier waren von Wärmesphären umgeben. Gerade für die Besucher aus Indien und Brasilien musste die Kälte brutal anmuten. Lange würden die Sphären jedoch nicht halten. Wo ein starker Magier früher einen halben Tag in deren Schutz hatte verbringen können, gelang das heute nur noch ein bis zwei Stunden. Der Wall saugte die Essenz auf wie ein ausgetrockneter Schwamm.
»Ich kenne nur einen Ort außerhalb des Castillos, wo wir die Art Magier finden, die wir brauchen. Jemanden, der keine Fragen stellt und das notwendige Wissen besitzt.« Jen trat vom Fenster weg und wandte sich ihren Freunden zu. »Der Schattenmarkt.«
»Ich habe befürchtet, dass du das sagst«, bekundete Kevin. »Aber wir bleiben vorsichtig. Ich habe keine Lust auf ein Tribunal. Unsere Eltern müssen da bereits durch.«
»Immer.«
»Stellt sich nur noch die Frage, wo der Markt sich aktuell befindet«, warf Chris ein. »Und wie wir dorthin gelangen.«
»Da hätte ich eine Idee«, sagte Kevin mit einem Lächeln auf den Lippen.
Eine Trümmerlandschaft.
Beißende Wut kochte in Moriarty hoch. Chloe O’Sullivan würde bezahlen für diesen Akt der Zerstörung. Zwar hatte er mit seinen Schattenkriegern noch zahlreiche Artefakte bergen können und schlussendlich hatten sie einen neuen Ort gefunden, der sich als Hauptquartier eignete, doch diese Attacke würde er niemals vergeben.
Von dem Herrenhaus war nichts geblieben. Trümmerteile türmten sich auf, durchzogen von kleinen Gängen, die die Bergungsteams erschaffen hatten. Die Bäume und Pflanzen waren großteils verbrannt. Nun zahlte es sich aus, dass kein Splitterreich direkt an diesem Areal verankert lag, da sie den Zugang nicht hätten stabilisieren können. Selbst die Artefaktkaverne war ausgeräumt worden.
Auf der Haben-Seite musste man verbuchen, dass die Schattenfrau besiegt worden war. Ebenso hatte Moriarty Alfie Kent gänzlich auf seine Seite ziehen können.
Doch wieder kochte Wut in ihm hoch, als er an den Wall dachte. Das Werkzeug der Unterdrückung war erwacht und wie erwartet wurde die Magie weiter zu Boden gepresst. Die alten Schriften hatten davon gekündet und der Mann, den die Lichtkämpfer nur »Verräter« nannten, hatte davor gewarnt.
Moriarty machte einen letzten Rundgang.
Die Kuppel über den Trümmern begann bereits zu verblassen. Kalter sibirischer Wind fuhr ihm durch das dunkle Haar. Ascheflocken verfingen sich in seinem Vollbart.
Trotzdem verzichtete er auf eine Schutzsphäre.
Die raue Gewalt der Natur erdete ihn. Er hatte sie schon immer geliebt. Das klare Wasser von Bergbächen, der Geruch nach frischem Gras oder Meer. Damals, in seinem Leben als Nimag, hatte er viel Zeit im verrußten London verbracht. Ein Wunder, dass er nicht an Lungenkrebs gestorben war. Nein, für sein Ableben war ein Wasserfall verantwortlich gewesen. Und ein Feind, den er unterschätzt hatte.
Sofort richteten seine Gedanken sich auf Max Manning. Auch ihn hatte Moriarty unterschätzt. Der Agent der Lichtkrieger hatte ihn verraten, hatte Leonardo befreit und war sogar dem Tod entronnen. Thomas Alva Edison hatte sein Leben gegeben, um den Lichtkämpfer zu retten. Was für eine Verschwendung! Unsterbliche standen über den Nimags und den gewöhnlichen Magiern, warum sahen manche seiner Art das nicht? Narren!
»Das hättest du nicht gedacht, Saint Germain«, sinnierte Moriarty. »Alles, was von deiner Regentschaft bleibt, sind Trümmer.«
Um die Macht unter den Schattenkriegern an sich zu reißen und den Pakt mit der Schattenfrau zu lösen, hatte Moriarty seinen alten Widersacher getötet. Natürlich wusste das niemand. Andernfalls hätten sie ihn alle gemeinsam erledigt. Egal wie viele Intrigen auch im Hintergrund geschehen mochten – kein dunkler Unsterblicher tötete einen anderen. Das war in Stein gemeißelt.
»Ich schreibe meine eigenen Gesetze«, murmelte er. »So war es schon immer.«
Er streifte durch die Aschelandschaft, vorbei an Trümmern und dem Zugang zu den Katakomben. Es war an der Zeit zu gehen.
Gerade wollte er Crowley das Signal schicken, damit dieser ihn abholte, als er es spürte: ein Zupfen am Rande seines Geistes. Eindeutig Magie. Hier?
Mit gerunzelter Stirn und wachsam erhobenem Essenzstab schob Moriarty sich durch eine der Trümmerschneisen. Wo es nicht weiterging, half er selbst nach und pulverisierte das Gestein. Die Magie wurde immer stärker. Etwas war hier. Es musste hinter einer Illusionierung verborgen gewesen sein. Für niemanden zu erkennen.
Vermutlich musste er dem Wall dieses eine Mal dankbar sein.
Die Schneise führte in die Tiefe zu jener Stelle, an der die Kerker sich befunden hatten. Moriarty taumelte in einen Hohlraum, der sich abrupt vor ihm auftat. Verblüfft sah er sich um. Vor ihm war eine Holztür im Stein erschienen, die Eisenklinke war verziert. Überall gab es Schutzzeichen, die mit Hammer und Meißel angebracht worden waren. Niemand hätte diesen Raum je finden können, wenn der Essenzbedarf für Zauber nicht sprunghaft angestiegen wäre.
»Was hast du hier versteckt, Germain?«
Moriarty war überzeugt davon, dass dieser hierfür verantwortlich war. Niemand hätte einen solchen Raum ohne das Wissen des Obersten Unsterblichen hier einbauen können.
Der Schutzzauber war beinahe restlos erloschen. Es kostete Moriarty nur einen Schwenk seines Stabes und das angedeutete Portal wurde zu einem echten. Es teilte sich. Beide Türhälften schwangen nach außen auf.
»Fiat Lux!«
Aus aschegrauer Essenz entstand eine Lichtsphäre, die zwei Meter in die Höhe stieg und über Moriarty verharrte.
Er betrat den geheimen Raum.
Dieser war überraschend klein. Rechts und links zogen sich Regale in die Höhe, die nur spärlich befüllt waren. Darüber hinaus gab es nur einen Gegenstand. Eine Statue. Exakt im Zentrum des Raumes.
Moriarty ging näher.
Und zuckte zurück.
Die Augen hatten sich bewegt! Es war keine Statue. Es war ein Mensch, der durch einen Zauber zur Bewegungslosigkeit erstarrt war. Seine Haut war zu Stein geworden, nur die Augen nicht. Er konnte sehen, was um ihn herum geschah, und erlebte jede Sekunde der verstreichenden Zeit mit an. Was hatte er verbrochen, dass Saint Germain ihn derart bestrafte? Ein solches Schicksal war an Grausamkeit nur durch wenig zu übertreffen.
Moriarty betrachtete den Unbekannten. Er war recht jung, wohl Mitte zwanzig. Das Gesicht konnte man als hübsch bezeichnen, obgleich der Körper völlig abgemagert war. Seine Kleidung bestand aus Lumpen. Das Haar war im Gestein fast weiß, musste in Wahrheit also hellblond sein. Die Lumpen entsprachen den Resten moderner Kleidung. Jeans, ein Shirt, an dem der Markenname noch zu erkennen war, und teure Schuhe.
Verblüfft registrierte Moriarty, dass es keine magische Ausstrahlung gab.
»Du bist ein Nimag«, keuchte er. »Wieso hält Saint Germain einen Nimag gefangen?«
Mit einer schnellen Bewegung seines Essenzstabes ließ er den Zauber verwehen. Der unbekannte junge Mann fiel zu Boden und begann zu schreien. Sein Körper zitterte. Die Gefangenschaft musste ihn nahe an den Wahnsinn getrieben haben. Möglicherweise sogar darüber hinaus.
Mit fliegenden Bewegungen erschuf Moriarty ein komplexes magisches Symbol. Dies war einer der Zauber, die er fast niemals anwendete. »Omnio Pace.« Absoluter Friede.
Die Schreie wurden zu einem Wimmern. Der Unbekannte blickte mit einem Lächeln ins Nichts. Einzelne Tränen rannen über seine Wange.
Moriarty ließ ihn vor sich herschweben. Als er die Oberfläche erreichte, schickte er das Signal. Doch es ging nicht an Crowley. Der Sprungmagier wurde momentan für seine zahlreichen Dummheiten und Rückschläge als Taxi eingesetzt, was ihn fast zur Raserei trieb. Nicht einmal die gewöhnlichen Schattenkrieger hatten noch Respekt vor ihm.
Das machte ihn jedoch auch unberechenbar.
Was immer das Rätsel um den Nimag war, Moriarty musste es selbst lösen. Doch dafür benötigte er eine Umgebung mit Unterstützern.
Er wartete etwa eine Stunde, dann kam ein gewaltiger Zeppelin mit angeflanschter Holzkabine hoch über ihm zum Stehen.
Die East End.
Moriarty lächelte.
Das Holz waberte kurz auf und verschwand.
Dichte Wolken zogen vor dem Fenster vorbei. Die East End durchflog einen Sturm. Blitze zuckten wie gierige Finger aus dem Firmament herab, um nach dem Luftschiff zu greifen. Wirbel bildeten sich, Strudel, die ein Flugzeug sofort ins Verderben gerissen hätten.
Nicht so die East End. Der Zeppelin war mit magischen Schutzsymbolen versehen, die ihre Essenz aus Bernsteinspeichern bezogen. Ärgerlicherweise schienen sie seit wenigen Wochen schneller ihren Inhalt abzugeben und mussten in kürzeren Intervallen aufgeladen werden.
Doch der Schutz hatte Bestand.
Wind und Wetter konnten dem Luftschiff nichts anhaben.
Die angeflanschte Kabine zog sich über den Bauch des Zeppelins und bot sechzig Personen Platz. Neben der Crew gab es nur wenige Passagiere, da Moriarty die Existenz der East End geheim hielt.
Alfie, Jason und Madison befanden sich an Bord in irgendeiner Kabine. Vermutlich füllte der Bruder von Alexander Kent gerade seine Bernsteinspeicher auf, indem er ein wenig Spaß mit seinen beiden Freunden hatte.
»Er ist stabil«, erklärte Olga. Die Heilmagierin mochte nach außen oft ruppig wirken, doch sie war eine Meisterin auf ihrem Fachgebiet und sanft zu ihren Patienten. »Ein Wunder, dass er noch lebt. Schon vor der Versteinerung bekam er kaum zu essen und nur minimal zu trinken. Hätte er die letzten Wochen nicht in Stein verbracht, wäre er gestorben.«
Moriarty nickte nachdenklich.
Saint Germain hatte nichts von dem bevorstehenden Kampf geahnt. Es handelte sich also um eine Folter. Nach dem Entzug körperlicher Kraft sollte der Geist gebrochen werden. Doch weshalb? »Ist er ansprechbar?«
»Ich kann ihn wecken, wenn du das willst«, antwortete Olga. »Aber sein Geist ist verwirrt. Ich lasse langsam Heilmagie in sein Bewusstsein sickern, um ihn zu stabilisieren.«
»Auffälligkeiten?«
»Keine Magie, wenn du das meinst. Er ist ein gewöhnlicher Nimag. Es gibt keine verborgenen Zauber, Tätowierungen oder Artefakte. Meine Vermutung: Saint Germain wollte lediglich sein Wissen.«
Das nahm auch Moriarty an. Denn wozu sollte ein Nimag sonst von Nutzen sein? Gut, Alfie Kent war eine Ausnahme, doch der war eine Waffe gegen seinen Bruder, geschmiedet durch Moriartys Einflüsterungen. »Wecke ihn auf.«
Mit einem kurzen Nicken trat Olga an das Kopfende der Liege.
Ein wenig mutete die Szene an wie aus einem Horrorfilm. Der Raum war angefüllt mit magischen Apparaturen, die auf einen unbedarften Geist wie Artefakte aus einem Steampunk-Film wirken mussten. Ein Glaskolben stand auf einem Eisenquader und stieß grünliches Gas aus. In einem offenen Kasten bewegten sich Zahnräder und brachten einen Saphir zum Leuchten, der auf der Oberseite angebracht war und Heilmagie in einen Bernstein leitete. Vor dem Fenster zuckten unaufhörlich Blitze.
Glücklicherweise wirkte Olga in ihren Jeans und ihrem Pullover völlig normal, gar nicht wie eine Krankenschwester oder Frankensteins Gehilfin. Ihr Blick fixierte den Nimag, in den Händen hielt sie den Essenzstab. Vorsichtig ließ sie dessen Spitze über die Stirn des jungen Mannes wandern und hinterließ dabei ein saftiges Grün, wie frische Blätter im Frühling. »Sanitatem Spirit.«
Leuchtendes Grün sickerte durch die blutverkrustete Haut.
Die Brust des Mannes hob sich. Keuchend fuhr er auf. »Germain.«
»Der Graf ist tot«, erklärte Moriarty mit ruhiger Stimme. »Er kann dir nichts mehr tun. Ich habe ihn getötet.«
Vor Olga konnte er es zugeben. Die Crew der East End war handverlesen.
»Tot?«
»Zu Staub und Asche zerfallen«, sprach Moriarty leise weiter. »Alles, was von ihm geblieben ist, sind Erinnerungen. Echos seiner dilettantischen Führung. All das wird sich nun ändern.«
Die Augen des Nimags fuhren hektisch zwischen Olga und ihm hin und her. »Tötet mich.«
Wie schrecklich musste das Leid des Mannes gewesen sein, dass er nun so etwas nach seiner Rettung verlangte!
»Was wollte er von dir? Warum hat er dich eingesperrt und gefoltert?«
Das Haar des Mannes hing ihm strähnig in die Stirn. Blut klebte daran. Eine einsame Träne löste sich aus einem seiner Augen und rann die Wange hinab. »Weil ich … bin.«
»Wie meinst du das?«
»Es schwindet«, flüsterte der Nimag. »Es kam, doch nun geht es wieder.«
»Was?«, fragte Moriarty ruhig.
»Was war.«
»Erinnerungen? Interessant. Woran?« Er rückte etwas näher und gab sich selbst den Anschein von Sanftmut. Das konnte er gut. Die vielen Gesichter des James Moriarty. »Es wird deine Seele erleichtern.«
»Du musst mich töten«, flüsterte der Nimag. »Ich muss zurückkehren.« Seine Lider flatterten. »Spiegelsaal.«
Die keuchend ausgestoßenen Worte gingen in gleichmäßige Atemzüge über.
»Wecke ihn wieder auf«, forderte Moriarty.
»Das kann ich nicht.« Olga sank auf einen Stuhl. »Diese Zauber gehören zu den schwersten, das weißt du. Wenige Minuten zehren bereits jede Kraft auf. Ich muss schlafen.«
Er akzeptierte es. Die Heilmagierin wusste, wovon sie sprach. Und er hatte gelernt, das Unabänderliche nicht infrage zu stellen.
»Spiegelsaal«, flüsterte er. »Was ist das?«
»Ich habe noch nie davon gehört«, sagte Olga. »Vielleicht wissen die anderen Unsterblichen mehr.« Sie sank auf eine der Krankenliegen und schlief sofort ein.
Moriarty trat an das breite Fenster, legte die Handflächen auf den Holzrahmen und blickte hinaus in das tosende Unwetter. Was konnte ein Nimag für Informationen besitzen, die Saint Germain unbedingt hatte haben wollen? Und wieso vergaß er sie wieder? Lag es an der langen Gefangenschaft? Der Verwirrung des Geistes?
»Du alter Mistkerl, was hattest du geplant?«
Bedauerlicherweise hatte es nirgends eine Chronik gegeben, kein Tagebuch, in dem Saint Germain seine Vorhaben verzeichnet hatte.
Es stand für Moriarty außer Frage, dass er die übrigen Unsterblichen nicht einweihen konnte. Seine Herrschaft fußte auf Stärke und Angst. Er durfte keine Schwäche zeigen, darauf reagierten seine Kollegen wie Piranhas, die Blut witterten. Nein, dieses Wissen musste er sich anders beschaffen.
»Es ist also soweit«, flüsterte er an die Wolke Backbord des Luftschiffs gewandt.
Er würde einen Ort aufsuchen müssen, den er bisher gemieden hatte. Jeder Oberste Unsterbliche musste das tun. Das Risiko war beträchtlich, doch ebenso der Lohn.
Mit einem Seufzen wandte er sich dem Nimag zu. »Das sollte es besser wert sein. Andernfalls werfe ich dich nach meiner Rückkehr aus dem Luftschiff.«
Mit zielstrebigen Schritten eilte er aus der Krankenkabine in Richtung Steuerdeck. Der Kapitän musste einen neuen Kurs setzen.
Strahlender Sonnenschein tauchte die Umgebung in einen Schimmer aus Grün und Braun.
Saftiges Gras bedeckte die Wiesen und bot den Pferden Nahrung. Schmetterlinge von der Größe eines Hundes bedienten sich an mannsgroßen Blütenkelchen. Seltsame Fischflossen tauchten manchmal für wenige Sekunden aus dem Wasser des angrenzenden Sees auf.
»Das ist … beeindruckend.« Die Augen des Mannes waren weit geöffnet.
Chloe hatte beschlossen – natürlich mit der Zustimmung der Obersten Heilmagierin –, ihn in das Splitterreich von Frau Franke zu bringen. Die Lehrerin für Pflanzenmagie und magische Geschöpfe hatte hier ein Sanktuarium geschaffen, das seinesgleichen suchte. Da sie Ataciaru liebte und dieser den Ausflug hierher stets genoss, durfte Chloe das Splitterreich jederzeit aufsuchen.
Sie erinnerte sich an das erste Zusammentreffen von Frau Franke und Ataciaru. Sie hatte sanft ihre schwieligen Hände auf sein Fell gelegt und gesagt: »Ein ganz besonderes Geschöpf. Seine Treue sucht ihresgleichen in unserer Welt vergeblich und das Böse in seiner reinen Form wird ihn niemals sehen.«
Auf Nachfragen hatte Frau Franke nur gelächelt. Sie war ein wenig seltsam, aber liebenswert und der Natur verbunden.
»Nicht wahr«, sagte Chloe. »Hier leben zahlreiche magische Geschöpfe sicher Seite an Seite. Viele sind selbst unter Magiern nicht mehr bekannt.«
»Die Luft riecht so süß.«
»Das sind die Blütenpollen.« Chloe hätte Ataciaru gerne bei sich gehabt, doch ihr Husky schien einen Narren an Nils gefressen zu haben. »Frau Franke hat hier auch irgendwo Bienen. Der Honig schmeckt phänomenal.«
»Honig«, echote der Unbekannte. »Ja, ich weiß, was das ist. Und wie er schmeckt.«
»So langsam brauchen wir einen Namen für dich.«
»Ich weiß nicht … such du einen aus.«
Chloe ließ ihren Blick von den Haarspitzen bis zu den Schuhsohlen ihres Gegenübers wandern. »Ich glaube, wenn du etwas mehr gegessen hast, besitzt du ganz schöne Muskeln.«
Mittlerweile hatte sich einer der Heilmagier um das Äußere des Mannes gekümmert. Der Bart wirkte gepflegt, das Haar glänzte seidig und war frisch geschnitten. Nur die Hose und der Pullover schlackerten etwas an seinem Körper, weil er so dünn war. »Du hast freundliche Augen. Ich gebe dir den Namen Ellis.«
Kurz dachte der Unbekannte nach, dann nickte er. »Ich glaube, das gefällt mir. Hat der Name eine Bedeutung?«
»Das ist schottisch und bedeutet Der Gutmütige.«
»Du kommst aus Schottland?«
Chloe ließ ihren Blick über die saftigen Wiesen und die Schönheit der hier verborgenen Vielfalt gleiten. »Meine Familie lebt noch immer dort. Aber als Heimat bezeichne ich mittlerweile das Castillo.«
»Warum hast du dieses Stück Metall in der Zunge?«
»Das Piercing?« Sie musste lachen. »Das ist Schmuck. Genau wie mein Tattoo.« Sie hob ihre linke Hand und deutete auf das Gelenk.
»Ich verstehe. Warum haben die anderen das nicht?«