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Seinen Grundsatz, den Glauben im Handeln zu verwirklichen, lebte der Theologe Dietrich Bonhoeffer mutig und konsequent. Nach Hitlers »Machtergreifung« verurteilte er öffentlich die Judenverfolgung und arbeitete engagiert für die Bekennende Kirche. Bonhoeffers Nähe zum wehrmachtsinternen Widerstand führte 1943 zu seiner Inhaftierung. Wenige Monate vor seiner Hinrichtung im KZ Flossenbürg 1945 schrieb er die bekannten Zeilen »Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag«. Der vorliegende Band versammelt Texte von und über Bonhoeffer, den sein Gottvertrauen bis zum Ende stärkte.
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Seitenzahl: 93
Dietrich Bonhoeffer
Das erfüllte Leben
Optimismus als Lebenskraft
Herausgegeben und eingeleitet vonMareike von Landsberg
Anaconda
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© 2023 by Anaconda Verlag, einem Unternehmender Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlagmotiv: Bill Jacklin (*1943), »Calle I« (Öl auf Leinwand),Privatsammlung, © Bridgeman Images
Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de
Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus
ISBN 978-3-641-31141-4V001
www.anacondaverlag.de
Inhalt
Zu diesem Buch
»Einer trage des anderen Last« –
Gemeinsam leben und handeln in der Nachfolge Christi
»Selig sind, die Frieden stiften« –
Krieg und Frieden
»Werdet nicht der Menschen Knechte« –
Der Widerstand
»In der Welt habt ihr Angst …« –
Leiden, Angst und Tod
»… aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.« –
Optimismus, Hoffnung und Vertrauen in Gott
Literaturhinweise
»Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht,dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessereZukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.«
Dietrich Bonhoeffer: Rechenschaft an derWende zum Jahr 1943: Nach zehn Jahren
Zu diesem Buch
Dietrich Bonhoeffer hat früh damit gerechnet, dass sowohl sein Leben als auch sein theologisches Werk – beides ist nahezu untrennbar miteinander verwoben – vorzeitig enden, fragmentarisch und unabgeschlossen bleiben würden. Zwar war er zu sehr Optimist, um nicht bis zum Schluss auf Freiheit und Frieden zu hoffen; doch spätestens bei seiner Verhaftung durch die Gestapo im April 1943 sah er klar und realistisch, dass der Preis für seinen mutigen und kompromisslosen Widerstand der Tod sein könnte. Im Februar 1944 schreibt er aus seiner Tegeler Gefängniszelle an die Eltern: »[…] ein Leben, das sich im Beruflichen und Persönlichen voll entfalten kann und so zu einem ausgeglichenen und erfüllten Ganzen wird, wie es in Eurer Generation noch möglich war, gehört wohl nicht mehr zu den Ansprüchen, die unsere Generation stellen darf. Darin liegt wohl der größte Verzicht, der uns Jüngeren, die wir Euer Leben noch vor Augen haben, auferlegt ist und abgenötigt wird.«1 Doch dieses Bedauern ist keine verzweifelte Klage, denn er schreibt weiter: »Aber gerade das Fragment kann ja auch wieder auf eine menschlich nicht mehr zu leistende höhere Vollendung hinweisen. […] Wenn auch die Gewalt der äußeren Ereignisse unser Leben in Bruchstücke schlägt, wie die Bomben unsere Häuser, so soll doch möglichst noch sichtbar bleiben, wie das Ganze geplant und gedacht war, und mindestens wird immer noch zu erkennen sein, aus welchem Material hier gebaut wurde oder werden sollte.«2
Bonhoeffers Werk ist sichtbar geblieben. Sichtbar und leuchtend beeindruckt es bis heute Menschen auf der ganzen Welt, unabhängig von ihrer jeweiligen religiösen oder atheistischen Überzeugung. Denn Bonhoeffer errichtete sein Werk aus »Materialien«, die keiner seiner Richter und Henker zerstören konnte: aus Mut, Liebe und unerschütterlichem Vertrauen in Gott.
Mit ausgewählten Zitaten zu Bonhoeffers wichtigsten Lebens- und Arbeitsthemen will dieses Buch einen kleinen Einblick geben in die Gedankenwelt eines außergewöhnlichen Menschen und Theologen. Wer tiefer in Bonhoeffers Leben und Werk eintauchen möchte, findet im Anhang einige Hinweise zu weiterführender Literatur.
Zu den verwendeten Texten
Die Texte des vorliegenden Bands wurden folgenden Werken entnommen:
Dietrich Bonhoeffer, Werke 4: Nachfolge. Hrsg. von Martin Kuske und Ilse Tödt; Christian Kaiser Verlag, München 1989 (im Folgenden abgekürzt: DBW 4)
Ders., Werke 5: Gemeinsames Leben. Das Gebetbuch der Bibel. Hrsg. von Gerhard Ludwig Müller und Albrecht Schönherr; Christian Kaiser Verlag, München 1987 (im Folgenden abgekürzt: DBW 5)
Ders., Werke 6: Ethik. Hrsg. von Ilse Tödt, Heinz Eduard Tödt, Ernst Feil und Clifford Green; Christian Kaiser Verlag, München 1992 (im Folgenden abgekürzt: DBW 6)
Ders., Werke 8: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. Hrsg. von Christian Gremmels, Eberhard Bethge und Renate Bethge in Zusammenarbeit mit Ilse Tödt; Christian Kaiser Verlag, München 1998 (im Folgenden abgekürzt: DBW 8)
Ders., Werke 9: Jugend und Studium, 1918–1927. Hrsg. von Hans Pfeifer in Zusammenarbeit mit Clifford Green und Carl-Jürgen Kaltenborn; Christian Kaiser Verlag, München 1986 (im Folgenden abgekürzt: DBW 9)
Ders., Werke 10: Barcelona, Berlin, Amerika, 1928–1931. Hrsg. von Reinhard Staats und Hans Christoph von Hase in Zusammenarbeit mit Holger Roggelin und Matthias Wünsche; Christian Kaiser Verlag, München 1991 (im Folgenden abgekürzt DBW 10)
Ders., Werke 11: Ökumene, Universität, Pfarramt, 1931–1932. Hrsg. von Eberhard Amelung und Christoph Strohm; Christian Kaiser Verlag, München 1994 (im Folgenden abgekürzt: DBW 11)
Ders., Werke 12: Berlin 1932–1933. Hrsg. von Carsten Nicolaisen und Ernst-Albert Scharffenroth; Christian Kaiser Verlag, München 1997 (im Folgenden abgekürzt DBW 12)
Ders., Werke 13: London 1933–1935. Hrsg. von Hans Goedeking, Martin Heimbucher und Hans-Walter Schleicher; Christian Kaiser Verlag, München 1994 (im Folgenden abgekürzt DBW 13)
Ders., Werke 14: Illegale Theologenausbildung. Finkenwalde 1935–1937. Hrsg. von Otto Dudzus und Jürgen Henkys in Zusammenarbeit mit Sabine Bobert-Stützel, Dirk Schulz und Ilse Tödt; Christian Kaiser Verlag, München 1996 (im Folgenden abgekürzt: DBW 14)
Ders., Werke 15: Illegale Theologenausbildung. Sammelvikariate 1937–1940. Hrsg. von Dirk Schulz; Christian Kaiser Verlag, München 1998 (im Folgenden abgekürzt: DBW 15)
Ders., Werke 16: Konspiration und Haft 1940–1945. Hrsg. von Jørgen Glenthøj, Ulrich Kabitz und Wolf Krötke; Christian Kaiser Verlag, München 1996 (im Folgenden abgekürzt DBW 16)
Ders.: Predigten – Auslegungen – Mediationen Bd. 1: 1925 bis 1935. Hrsg. von Otto Dudzus; Christian Kaiser Verlag, München 1984 (im Folgenden abgekürzt: PAM 1)
Ders.: Predigten – Auslegungen – Mediationen Bd. 2: 1935 bis 1945. Hrsg. von Otto Dudzus; Christian Kaiser Verlag, München 1985 (im Folgenden abgekürzt: PAM 2)
Ders.: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. Hrsg. von Eberhard Bethge; Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1951 (im Folgenden abgekürzt: WE)
Maria von Wedemeyer u. Dietrich Bonhoeffer: Brautbriefe Zelle 92. 1943–1945. Hrsg. von Ruth-Alice von Bismarck und Ulrich Kabitz; C. H. Beck, München 1992 (im Folgenden abgekürzt: Brautbriefe)
1Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. Hrsg. von Eberhard Bethge; Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1951 (im Folgenden abgekürzt: WE), S. 62 f.
2ebd.
»Einer trage des anderen Last« –
Gemeinsam leben und handeln inder Nachfolge Christi
Jesus von Nazareth ist für Dietrich Bonhoeffer das lebendige, immer gegenwärtige Zentrum, an dem er all sein Denken und Handeln ausrichtet. Das mag zunächst nicht verwundern bei einem evangelischen Pfarrer und Theologen. Doch die Kompromisslosigkeit, mit der Bonhoeffer an der bedingungslosen Nachfolge Christi festhält – und die ihn letztlich in den aktiven Widerstand gegen Hitler führt – ist bis heute eines der beeindruckendsten Zeugnisse für konsequent gelebtes Christentum.
Betrachtet man Bonhoeffers Lebens- und Leidensweg, fragt man sich immer wieder, woher ein Mensch die Kraft nimmt für so viel Mut, Nächstenliebe und die Bereitschaft, Verantwortung für sich und andere zu tragen. Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisteten hier sicher Elternhaus und Erziehung. Als sechstes von acht Kindern wird Dietrich Bonhoeffer 1904 in eine wohlhabende, bildungsbürgerliche Familie hineingeboren, in der eine für die damalige Zeit offene und warme Atmosphäre herrscht. Vor allem anderen ist es den Eltern wichtig, ihre Kinder zu verantwortungsbewussten Menschen zu erziehen.3 Für den Vater, einen angesehenen Psychiater und Neurologen, ist dies ein humanistisches Ideal; Bonhoeffers Mutter, die aus einer preußischen Theologendynastie stammte, handelt durchaus nach christlichen Prinzipien.4 »So wurde«, schreibt Bonhoeffers langjähriger Freund Eberhard Bethge, »früh von den Geschwistern erwartet, immer die Gefühle und Bedürfnisse der anderen mitzubedenken. Lob und Tadel bezogen sich fast ausschließlich auf diesen Bereich. Dies Bedenken-der-anderen wurde eine wichtige Komponente in Bonhoeffers Theologie.«5 Wie seine Geschwister profitiert Bonhoeffer zudem von einem Haus voller Bücher. Früh liest er nicht nur die Klassiker, sondern auch philosophische, sozialwissenschaftliche und theologische Literatur. In einem Werk des evangelischen Theologen und liberalen Politikers Friedrich Naumann stößt Bonhoeffer als Primaner auf einen Widerspruch des christlichen Lebens: »Viele sind praktisch mit der rechten Hand Kaufleute und mit der linken Hand Wohltäter der Armen. […] Alle Stimmungen des Evangeliums schweben nur wie ferne, weiße Sehnsuchtswolken über allem wirklichen Tun unserer Zeit.«6 Mit seiner vehementen Forderung der Nachfolge Christi, die er 1937 nach Dissertations- und Habilitationsschrift in seinem ersten theologischen Werk7 ausformuliert, wird Bonhoeffer sich später gegen »diese saubere Trennung eines relevanten von einem irrelevanten Raum – Welt und Evangelium – […] leidenschaftlich auflehnen.«8 Als gemeinsamen Ort, in der Christen ihr Leben in der Nachfolge führen können, bestimmt Bonhoeffer die Kirche, die damit eine zentrale Stellung innerhalb seines Lebens und theologischen Wirkens einnimmt: »Der menschgewordene, der gekreuzigte und der verklärte Christus nimmt Gestalt an in den Einzelnen, weil sie Glieder seines Leibes, der Kirche sind. Die Kirche trägt die Menschengestalt, die Todesgestalt und die Auferstehungsgestalt Jesu Christi. Sie ist zuerst sein Ebenbild (Eph 4;24; Kol 3,10), und durch sie sind es alle ihre Glieder. Im Leibe Christi sind wir ›wie Christus‹ geworden.«9 Dabei betont Bonhoeffer, wie wichtig für Christen die Gemeinschaft und wie essenziell es ist, dass nicht jeder für sich allein das Wagnis der Nachfolge eingeht: »Der Christ braucht den Christen, der ihm Gottes Wort sagt, er braucht ihn immer wieder, wenn er ungewiss und verzagt wird; denn aus sich selbst kann er sich nicht helfen, ohne sich um die Wahrheit zu betrügen.«10
Bonhoeffer versucht zeitlebens, im Sinne des Paulus-Worts »Einer trage des anderen Last« (Galater 6,2) zu handeln und Verantwortung für andere zu übernehmen. So entscheidet er sich etwa in dem Moment, als ihm die Türen für eine akademische Karriere weit offenstehen, zunächst für die kirchliche Ausbildung in der Gemeinde, für den Weg in die praktische Arbeit bei den Menschen.11 Und so lässt er, als er Anfang der 1930er-Jahre doch eine Dozentur annimmt, Vorlesungen und Seminare ausfallen, um sich im proletarischen Berliner Wedding um eine »verwilderte Konfirmandenklasse«12 zu kümmern. Dabei tut er für die teilweise verwahrlosten und vernachlässigten Kinder viel mehr, als ihnen den Katechismus zu predigen: Er spielt mit ihnen Schach, bringt ihnen Englisch bei, packt für jeden ein Weihnachtsgeschenk und sorgt dafür, dass alle Stoff für ihre Konfirmationsanzüge bekommen.13 Das mögen im Gesamten gesehen eher kleine Gesten sein, doch für die Weddinger Jungs bedeutet es unendlich viel. Als später christliche Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft lebensgefährlich werden, ändert das für Bonhoeffer nichts. Er hilft Juden bei der Flucht aus Nazideutschland und baut 1935 ein Predigerseminar für junge Männer der »Bekennenden Kirche« auf, obwohl dies längst illegal ist. In seiner Gefängniszeit in Tegel setzt er sich auch dort für die Menschen ein; für Mitgefangene ebenso wie für Wächter. Er versucht eigene Vergünstigungen für andere zu nutzen, verfasst Beschwerden für Mithäftlinge über die Haftbedingungen, versorgt Kranke oder bei Luftangriffen Verletzte als Sanitäter.14
Dietrich Bonhoeffer predigt und lebt die Nachfolge Christi. Die Gesetzte des Hitler-Regimes gelten ihm nichts, er sieht sich allein Jesus Christus und vor allem der Bergpredigt verpflichtet: »Die Bergpredigt gilt als Wort der weltversöhnenden Liebe Gottes entweder überall und jederzeit, oder sie geht uns ernstlich überhaupt nichts an.«15