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"Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf heute geht um die teure Gnade." Für Dietrich Bonhoeffer gibt es keinen lebendigen Glauben ohne Gehorsam. Seit seinem Studienaufenthalt in New York, wo er eine Hinwendung zu einem persönlichen Christusglauben erlebte, sind seine Theologie und Spiritualität geprägt von der Sehnsucht, die Anweisungen der Bergpredigt wörtlich zu nehmen. Die Nachfolge, wie sie die Bergpredigt fordert, zur Mitte und zum Motor seiner Theologie und seines Lebens geworden. Wichtigstes Dokument dieses Strebens ist sein Buch "Nachfolge", eine Auslegung der Bergpredigt, die damals wie heute inspiriert, Jesus zu folgen. Die Einführung von Peter Zimmerling erläutert die Hintergründe des 1937 erstmals erschienenen Buches und zeigt, dass Bonhoeffer Leiter eines Predigerseminars der Bekennenden Kirche wurde, weil ihm damit ein Experimentierfeld zur praktischen Umsetzung seiner Gedanken zur Nachfolge zur Verfügung stand.
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Seitenzahl: 455
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DIETRICH BONHOEFFER
Herausgegeben und mit einer Einführung versehen von Peter Zimmerling
Auf Grundlage der 2. Auflage 1940 (München: Chr. Kaiser Verlag) Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden behutsam aktualisiert.
Die Bibelzitate folgen dem von Bonhoeffer verwendeten Text.
© an dieser Zusammenstellung:2016 Brunnen Verlag GießenUmschlagfoto: ShutterstockUmschlaggestaltung: Celia FriedlandSatz: DTP BrunnenISBN E-Book 978-3-7655-7392-7
www.brunnen-verlag.de
Zu dieser Ausgabe
Einführung von Peter Zimmerling
Vorwort
I.
Die teure Gnade
Der Ruf in die Nachfolge
Der einfältige Gehorsam
Die Nachfolge und das Kreuz
Die Nachfolge und der Einzelne
Die Bergpredigt
Mt 5: Vom „Außerordentlichen“ des christlichen Lebens
Die Seligpreisungen
Die sichtbare Gemeinde
Christi Gerechtigkeit
Der Bruder
Das Weib
Die Wahrhaftigkeit
Die Vergeltung
Der Feind – das „Außerordentliche“
Mt 6: Von der Verborgenheit des christlichen Lebens
Die verborgene Gerechtigkeit
Die Verborgenheit des Gebets
Die Verborgenheit der frommen Übung
Die Einfalt des sorglosen Lebens
Mt 7: Die Aussonderung der Jüngergemeinde
Der Jünger und die Ungläubigen
Die große Scheidung
Der Schluss
Die Boten – Auslegung von Mt 9,35 – 10,42
Die Ernte
Die Apostel
Die Arbeit
Das Leiden der Boten
Die Entscheidung
Die Frucht
II.
Die Kirche Jesu Christi und die Nachfolge – Vorfragen
Die Taufe
Der Leib Christi
Die sichtbare Gemeinde
Die Heiligen
Das Bild Christi
Bibelstellenregister
Stichwortverzeichnis
Dietrich Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 von den Nazis hingerichtet. 2015 waren es 70 Jahre, dass dieses Verbrechen geschah. Nach 70 Jahren werden die Bücher eines Verstorbenen „gemeinfrei“. Das schien dem Brunnen Verlag und mir eine gute Gelegenheit, vier zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Bücher Bonhoeffers neu herauszugeben: „Das Gebetbuch der Bibel“, „Gemeinsames Leben“, „Nachfolge“, „Schöpfung und Fall“. Durch sie ist er schon zu seinen Lebzeiten einer größeren Lesergemeinde bekannt geworden. Alle vier Bücher sind nach den beiden wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten, der Dissertation „Sanctorum Communio“ und der Habilitation „Akt und Sein“, erschienen. Zwischen diesen beiden ersten und den vier folgenden Büchern liegt Bonhoeffers Hinwendung zu einem persönlichen Christusglauben. Wesentliche Anstöße dazu erhielt er während eines Studienaufenthalts in New York 1930/1931. Seitdem führte er ein geregeltes geistliches Leben, das die Teilnahme am Sonntagsgottesdienst einschloss. Bemerkenswerterweise wirkte sich die spirituelle Wende auf die Sprache seiner Bücher aus: Bonhoeffer verzichtet fortan auf den üblichen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat und bedient sich einer auch dem theologischen Laien verständlichen Sprache.
Noch etwas anderes kommt hinzu: Als er 1935 aus dem Auslandspfarramt in London nach Deutschland zurückkehrte, um die Leitung eines Predigerseminars der Bekennenden Kirche zu übernehmen, ging Bonhoeffer in die Illegalität. Staat und offizielle Kirche lehnten seine Vikarsausbildung ab. Streng genommen, bekamen damit alle in der Folgezeit entwickelten theologischen Überlegungen als „Theologie der Illegalität“ einen besonderen Akzent. Das gilt gleichermaßen für die „Nachfolge“, das „Gemeinsame Leben“ und das „Gebetbuch der Bibel“. Bonhoeffer steht dabei in einer Reihe mit dem Apostel Paulus, der einen Teil seiner Briefe im Gefängnis verfasste, und dem Reformator Martin Luther, der während seiner Schutzhaft auf der Wartburg eine Reihe bedeutender Schriften, vor allem aber die Übersetzung des Neuen Testaments anfertigte. Nirgends besser als im Ernstfall erweist sich die Tragfähigkeit theologischer Überlegungen.
Die vier Bände Bonhoeffers werden hier in der Fassung der letzten, zu seinen Lebzeiten veröffentlichten Auflage abgedruckt. Ihnen ist jeweils eine Einführung vorangestellt, in der Entstehung, Eigenart, Inhalt und die Bedeutung für heute skizziert werden.
Wir möchten mit dieser Ausgabe der allgemein verständlich geschriebenen Werke gerade auch dem theologischen Laien die Lektüre Bonhoeffers ans Herz legen. Deshalb ist bei griechischen Wörtern die Umschrift ergänzt, und griechische und lateinische Begriffe werden in Anmerkungen übersetzt (bzw. wenn Bonhoeffer die deutsche Übersetzung selber liefert, ist diese kursiv gesetzt). Ebenso werden auch einige theologische Fachbegriffe in Anmerkungen erklärt.
Wer nach einer Vertiefung seiner eigenen Spiritualität sucht, wird in den Gedanken und dem Vorbild Bonhoeffers einen Schatz von bleibendem Wert finden, der an Aktualität bis heute nichts verloren hat.
Leipzig, im Herbst 2015Peter Zimmerling
Zusammen mit „Widerstand und Ergebung“, den Briefen aus der Haft, und dem „Gemeinsamen Leben“ ist die „Nachfolge“ das bekannteste Buch Dietrich Bonhoeffers, durch das er bereits zu Lebzeiten einer breiteren kirchlichen Öffentlichkeit bekannt wurde.
Nach Abschluss der Habilitation war Bonhoeffer zu jung, um in der Altpreußischen Union zum Pfarrer ordiniert zu werden.1 Darum schloss er 1930/31 ein Studienjahr am Union Theological Seminary in New York als Stipendiat an. In dieser Zeit wurden wesentliche Voraussetzungen für das spätere Buch „Nachfolge“ gelegt. Bonhoeffer fand hier – vor dem Dritten Reich und vor dem Kirchenkampf – zu einem persönlichen Christusglauben, der unmittelbar mit einem neuen Verständnis der Bergpredigt verbunden war. Ausgelöst wurde seine Hinwendung zu Jesus Christus durch Gottesdienst- und Gemeinschaftserfahrungen in einer schwarzen Gemeinde Harlems.2 Dabei scheint das Moment der Verfremdung eine wesentliche Rolle gespielt zu haben: „Man konnte hier wirklich noch von Sünde und Gnade und von der Liebe zu Gott und der Letzten Hoffnung christlich reden und hören, wenn auch in andrer Form als wir es gewohnt sind.“3
Zwar gibt es keine unmittelbaren Zeugnisse dieses spirituellen Umbruchs, der mit einschneidenden theologischen Erkenntnissen Hand in Hand ging. Bonhoeffer hat aber später ihm nahe stehenden Menschen brieflich davon erzählt.4 Im Rückblick auf diese Zeit schrieb er an eine Freundin: „Damals war ich furchtbar allein und mir selbst überlassen. Das war sehr schlimm. Dann kam etwas anderes, etwas, was mein Leben bis heute verändert hat und herumgeworfen hat. Ich kam zum ersten Mal zur Bibel. Das ist auch wieder sehr schlimm zu sagen. Ich hatte schon oft gepredigt, ich hatte schon viel von der Kirche gesehen, darüber geredet und geschrieben – und ich war noch kein Christ geworden, sondern ganz wild und ungebändigt mein eigener Herr. Ich weiß, ich habe damals aus der Sache Jesu Christi einen Vorteil für mich selbst, für eine wahnsinnige Eitelkeit gemacht. Ich bitte Gott, dass das nie wieder so kommt. Ich hatte auch nie oder doch sehr wenig gebetet. Ich war bei aller Verlassenheit ganz froh an mir selbst. Daraus hat mich die Bibel befreit und insbesondere die Bergpredigt. Seitdem ist alles ganz anders geworden. […] Das war eine große Befreiung. Da wurde mir klar, dass das Leben eines Dieners Jesu Christi der Kirche gehören muss […]“5. Schon ein Jahr früher, im Januar 1935, hatte Bonhoeffer an seinen Bruder Karl-Friedrich geschrieben: „Lieber Karl-Friedrich, ich glaube zu wissen, daß ich eigentlich erst innerlich klar und wirklich aufrichtig sein würde, wenn ich mit der Bergpredigt wirklich anfinge Ernst zu machen. […]6 Auch in „Widerstand und Ergebung“ hat er noch einmal auf den Umbruch in Amerika Bezug genommen. „Ich habe mich, glaube ich, nie sehr geändert, höchstens in der Zeit meiner ersten Auslandseindrücke […]“7.
Bonhoeffers Hinwendung zu einem persönlichen Christusglauben beinhaltete zwei theologische Neuentdeckungen: zum einen eine neue Sicht der Bibel als persönlicher Anrede Gottes, als „Liebesbrief Gottes“,8 zum anderen – wie er in dem bereits zitierten Brief an den Bruder schreibt – „die Kompromisslosigkeit eines Lebens nach der Bergpredigt in der Nachfolge Christi“9, die sich für ihn im Engagement für „Friede[n] und die soziale Gerechtigkeit, oder eigentlich Christus“ konkretisierte.10 Wenn Luther als „Weihnachts-Christ“ bezeichnet werden kann – das Kind in der Krippe von Bethlehem ist für Luther der klarste Spiegel der väterlichen Liebe zum Menschen11 –, ist Bonhoeffer fortan ein „Bergpredigt-Christ“. Ab diesem Zeitpunkt muss seine ganze Theologie und Biografie bis hin zu „Widerstand und Ergebung“ als Bemühung um die möglichst wörtliche Befolgung der Bergpredigt verstanden werden – bis dahin eine Domäne katholischer Spiritualität, wenn man einmal von täuferischen und radikalpietistischen Erscheinungen absieht. Für den damaligen Mainstream-Protestantismus Europas ein völliges Novum! Hier hat Bonhoeffers Vorliebe für ethische Fragestellungen ihren Grund, auch sein Einsatz dafür, dass die Kirche in ethischen Entscheidungssituationen das konkrete Gebot verkündigen soll.
Zurück in Europa begann Bonhoeffer über die Bedeutung der Bergpredigt für Theologie und Glaube nachzudenken. Flankiert wurde dieses Nachdenken von einer geistlichen Lebensführung.12 Er ging von nun an regelmäßig zum Gottesdienst und meditierte täglich einen Abschnitt aus der Bibel, ganz ohne exegetische oder gemeindepraktische Nebenabsichten, einfach um darin Gottes Wort an ihn persönlich zu vernehmen. Seit Anfang der 1930er-Jahre hielt er überdies danach Ausschau, wo er ein Leben in der Nachfolge zusammen mit Gleichgesinnten verwirklichen konnte. Gleichzeitig bot er für seine Berliner Studierenden regelmäßig Wochenendfahrten in die Mark Brandenburg an, bei denen ein geistlicher Tagesrhythmus mit Meditationszeiten und Tagzeitengebeten eingeübt wurde. Hier wurden die Grundlagen für die spätere Lebensordnung des Finkenwalder Predigerseminars gelegt und damit die theoretischen Überlegungen zur „Nachfolge“ erstmals praktisch erprobt.
Während seines Londoner Auslandspfarramts von 1933–1935 scheint sich die Beschäftigung mit der Bergpredigt weiter intensiviert zu haben. Am 28.4.1934 schrieb Bonhoeffer an seinen Schweizer Pfarrersfreund Erwin Sutz: „Der Nat. Soz. [Nationalsozialismus] hat das Ende der Kirche in Deutschland mit sich gebracht […]. Und obwohl ich mit vollen Kräften in der kirchlichen Opposition mitarbeite, ist es mir doch ganz klar, daß diese Opposition nur ein ganz vorläufiges Durchgangsstadium zu einer ganz anderen Opposition ist, […] der eigentliche Kampf, zu dem es vielleicht erst später kommt, muß einfach ein glaubendes Erleiden sein […]. Wissen Sie, ich glaube – vielleicht wundern Sie sich darüber – daß die ganze Sache an der Bergpredigt zur Entscheidung kommt. […] es geht immer um das Halten des Gebotes und gegen das Ausweichen. Nachfolge Christi – was das ist, möchte ich wissen – es ist nicht erschöpft in unserem Begriff des Glaubens.“13 Wie dieses „glaubende Erleiden“, wie dieses „Halten des Gebotes“ gegenüber dem „Ausweichen“ aussieht, beschreibt Bonhoeffer in der „Nachfolge“.
Die im Brief an Sutz erkennbar werdende Prägung der Spiritualität Bonhoeffers deutet darauf hin, dass für seine Überlegungen zur „Nachfolge“ die „Imitatio Christi“ des Thomas à Kempis grundlegend war. Das wird an einer Fülle von Aussagen der „Imitatio“ erkennbar: Jesus soll die erste Stelle im Herzen einnehmen, nie ein Mensch (2. Buch, Kap. 8). Was würde aus dem Menschen werden, wenn er nicht das große Licht Jesu hätte, dem er nachfolgen kann? (3. Buch, Kap. 18). Der alte Mensch kann in diesem Leben nie vollständig unter die Herrschaft des Geistes Gottes gebracht werden (3. Buch, Kap. 20). Nur in der Nachfolge Jesu Christi ist die Wahrheit zu erkennen (3. Buch, Kap. 56). Nachfolger Jesu sind Diener des Kreuzes (3. Buch, Kap. 56). Christus spricht: „Denn deshalb werden so wenige erleuchtet und innerlich frei, weil sie sich nicht gänzlich opfern. Mein Wort bleibt in seiner ganzen Kraft: Wer nicht alles opfert, der kann nicht mein Jünger sein. Wenn du also mein Jünger sein willst, so opfere dich mir ganz, mit all deiner Liebe“ (4. Buch, Kap. 8).
Die „Imitatio“ begleitete Bonhoeffer seit seiner Habilitation bis in die Tegeler Gefängniszelle. Mindestens 15 Jahre lang beschäftigte er sich immer wieder mit ihr. Dabei ist auffällig, dass fast alle Bezugnahmen mit Zustimmung erfolgen. Laut kritischem Apparat der „Dietrich Bonhoeffer Werke“ geht Bonhoeffer in der gesamten „Nachfolge“ allerdings nicht ein einziges Mal auf die „Imitatio Christi“ ein, obwohl er sie im zeitlich bald darauf entstandenen „Gemeinsamen Leben“ häufig zitiert, er sich also mit der Spiritualität und Theologie Thomas à Kempis gerade in dieser Zeit verstärkt auseinandergesetzt haben muss. Ich gehe davon aus, dass der Versuch, die inhaltlich-theologische Bedeutung der „Imitatio Christi“ für Bonhoeffers „Nachfolge“ formalistisch durch die Suche nach wörtlichen Übereinstimmungen zu erfassen, nicht ausreicht. Dafür spricht z. B. folgende Beobachtung: Der letzte Satz der „Nachfolge“ Bonhoeffers lautet: „Der Nachfolger Jesu ist der Nachahmer Gottes. ‚So seid nun Gottes Nachahmer als die lieben Kinder‘ (Eph 5,1).“14 „Luther übersetzt μιμεται in Eph 5,1 mit Nachfolger; Bonhoeffers (auffallenderweise – am Schluss seines von Nachfolge handelnden Buches) abweichende Übersetzung erinnert an den Begriff imitatio (‚Nachahmung‘).“ Zunächst ist Nachahmung nur die genauere Übersetzung von μιμεται (Luther übersetzt hier freier mit Nachfolger). Gleichzeitig ist jedoch die Beobachtung nicht von der Hand zu weisen, dass eine solche Änderung des Luthertextes, vor allem am Schluss der „Nachfolge“, auffällig ist. Es könnte ein Hinweis darauf sein, dass die „Imitatio Christi“ inhaltlich wesentlich mehr Einfluss auf die „Nachfolge“ hatte, als dies der kritische Apparat vermuten lässt.
Erste Teile, zumindest Vorformen des späteren Buches „Nachfolge“, hat Bonhoeffer spätestens seit Ende 1933 in London erarbeitet und niedergeschrieben.15
Nicht in Berlin, Rom oder New York, sondern in Pommern hat Dietrich Bonhoeffer nach eigenen Aussagen die erfüllteste Zeit seines Lebens verbracht. „Der Sommer 1935 ist für mich […] die beruflich und menschlich ausgefüllteste Zeit bisher gewesen“, schreibt er in einem Brief an die Mitglieder des ersten Finkenwalder Vikarskurses.16 Warum besitzt Finkenwalde in der Biografie Bonhoeffers eine derart herausragende Bedeutung? Wie wir sahen, war seit seinem Studienaufenthalt in Amerika die Nachfolge Jesu Christi, wie sie die Bergpredigt fordert, zur Mitte und zum Motor seines theologischen Nachdenkens wie seines persönlichen Lebens und Glaubens geworden. Als die Leitung der Bekennenden Kirche ihn 1935 zum Direktor eines ihrer Predigerseminare berief, sagte er nicht zuletzt deshalb zu, weil sich ihm hier einerseits die Möglichkeit zur lehrmäßigen Weitergabe der Gedanken zur Nachfolge an die nachwachsende Theologengeneration und andererseits ein Experimentierfeld zur praktischen Umsetzung seiner Überlegungen bot. Bonhoeffer lehrte in Finkenwalde fünf Halbjahreskurse lang zum Thema „Nachfolge“.17 Er scheint dazu seine Vorarbeiten zur Bergpredigt aus der Londoner Zeit verwendet zu haben. Parallel dazu hielt er an der Berliner Universität im Wintersemester 1935/36 eine einstündige Vorlesung zum gleichen Thema – die letzte Lehrveranstaltung, bevor ihm die Lehrbefugnis wegen seiner Tätigkeit als Direktor eines Predigerseminars der Bekennenden Kirche entzogen wurde.
Was Finkenwalde gegenüber den anderen Predigerseminaren der Bekennenden Kirche besonders machte, war die Zentralstellung der Vorlesungen zur Nachfolge. Entsprechend neu und provozierend waren für die Finkenwalder Seminaristen Bonhoeffers Gedanken. Eine Aussage wie die folgende hatten sie in der traditionellen Theologie und Verkündigung noch nicht gehört: „Also Bergpredigt kein Wort, mit dem man hantieren könnte […]. Sondern tragfähig nur, wo gehorcht. Kein freies Wort zur Verwertung, nicht zum Mitnehmen und Bedenken, sondern entscheidendes Wort, zwingendes.“18 Zusammen mit dem theologischen Nachdenken über die Frage, was Nachfolge heißt, erfolgte ihre Umsetzung im gemeinsamen geistlichen Leben. In Finkenwalde sollte jeder Vikar persönlich ein Leben in der Nachfolge entsprechend den Geboten der Bergpredigt einüben.
Ihre Zuspitzung erfuhr dieses Experiment durch den Kirchenkampf.19 Auf der Bekenntnissynode von Barmen war im Frühjahr 1934 die im Wesentlichen von Karl Barth verfasste Theologische Erklärung von den Vertretern der Bekennenden Kirche verabschiedet worden, im Herbst desselben Jahres wurde in Berlin-Dahlem die kirchliche Notordnung der Bekennenden Kirche verabschiedet. Die Finkenwalder Vikare waren wie Bonhoeffer selbst bereit, mit ganzem Einsatz für die Beschlüsse beider Synoden einzustehen. Dazu gehörten Gestapo-Verhöre und Gefängnisaufenthalte, denen die meisten Finkenwalder Vikare im Laufe ihres Dienstes ausgesetzt waren – sowohl vor als auch nach der Finkenwalder Zeit.20 Dies bildet die dunkle Folie, vor deren Hintergrund die Arbeit in den Predigerseminaren erst die richtige Kontur gewinnt. Die Herausgeber der Bonhoeffer-Gesamtausgabe haben zu Recht den Titel „Illegale Theologenausbildung“ für Bonhoeffers Tätigkeit sowohl in Finkenwalde als auch in den sich anschließenden Sammelvikariaten gewählt. Wer nach Finkenwalde kam oder später in die Sammelvikariate eintrat, wusste, was ihn kirchenpolitisch erwartete. Die Vikare hatten das Studium und ein Lehrvikariat in einer Gemeinde unter der Anleitung eines normalerweise zur Bekennenden Kirche gehörenden Pfarrers hinter sich. In Finkenwalde sollten sie zum letzten Mal ein halbes Jahr konzentriert wissenschaftlich, d. h. praktisch-theologisch arbeiten, um sich auf das Pfarramt vorzubereiten. Aufgrund der Illegalität der Predigerseminare der Bekennenden Kirche mussten die Vikare damit rechnen, nach dieser Zeit weder festes Gehalt noch feste Anstellung noch ein Pfarrhaus zu bekommen. Trotzdem sind insgesamt 184 Vikare durch Finkenwalde und die Sammelvikariate gegangen. Sie alle waren jung und bereit, frei vom Ballast traditioneller kirchlicher Institutionen für die Erneuerung der Kirche zu arbeiten.
Unter allen Umständen wollte Bonhoeffer die Privatisierung der Frömmigkeit, den Rückzug in die Innerlichkeit auf Kosten des Engagements für den bedrohten Nächsten verhindern, einen Vorgang, den er auch in den Reihen der Bekennenden Kirche beobachtete. Vor diesem Hintergrund gelesen, wird die „Nachfolge“ plötzlich auch politisch hochbrisant. Das Buch stellt den Versuch dar, die Bergpredigt als konkrete Richtschnur für das Handeln der Bekennenden Kirche auszulegen – und zwar für Theologen und Laien gleichermaßen.21 Dass Bonhoeffer mit solchen Überlegungen auf die Dauer nicht nur in einen unüberbrückbaren Gegensatz zum deutschchristlichen Kirchenregiment, sondern auch zum Dritten Reich insgesamt geriet, erstaunt nicht.
Die Nachfolge im Gehorsam gegenüber den konkreten Weisungen der Bergpredigt sollte in Finkenwalde zur Inthronisation des Wortes Gottes führen. Ziel war, zum Vertrauen auf die Selbstwirksamkeit des Wortes Gottes anzuleiten. Heute, in einer insgesamt autoritätskritischen, demokratisch verfassten Gesellschaft, mutet die Betonung des Gehorsams gegenüber dem Wort Gottes autoritär an. Vor dem Hintergrund einer totalitären Ideologie kam jedoch das Befreiungspotenzial des Wortes Gottes in ganz anderer Weise zur Geltung.22 Es befreite von jeder Form von Manipulation. Die Orientierung des Glaubens am biblischen Jesus Christus beinhaltete einen Gegenentwurf zum Führerkult des Dritten Reiches. Im Glauben an Jesus verloren alle anderen Mächte ihren Herrschaftsanspruch über den Menschen.
Bonhoeffer begann seine Finkenwalder Vorlesungen zum Thema Nachfolge nach dem Ende des Sommerkurses 1936 zu einem Buchmanuskript umzuarbeiten.23 Als die Gebäude des Predigerseminars im September 1937 von der Gestapo versiegelt wurden, befand sich das Manuskript bereits beim Verlag. Es erschien im Advent 1937 in erster und 1940 in zweiter Auflage, die dritte Auflage konnte erst nach dem Krieg 1950 gedruckt werden. Bis zur Ausgabe in „Dietrich Bonhoeffer Werke“ erlebte die „Nachfolge“ 16 Auflagen. Längst ist das Buch in alle Weltsprachen übersetzt worden.24
1935 schreibt Bonhoeffer an seinen Lehrer und Freund Reinhold Niebuhr vom New Yorker Union Theological Seminary: „Es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo aufgrund einer bis zu einem gewissen Grad wiederhergestellten reformatorischen Theologie [vgl. das solus Christus, das allein Christus, der Barmer Theologischen Erklärung] die Bergpredigt – und zwar in einem andern als dem reformatorischen Verständnis – wieder in Erinnerung zu bringen ist.“25 Bonhoeffer versucht durch seine „Nachfolge“ über die reformatorische Theologie hinaus den Anschluss an das Urchristentum zu gewinnen. Dadurch will er das viel beklagte Erfahrungsdefizit des Protestantismus, seinen Mangel an Konkretion des Glaubens, überwinden. Nicht ohne Grund sind im Neuen Testament den Paulusbriefen die Evangelien einschließlich der Apostelgeschichte vorgeschaltet. Rechtfertigungsbotschaft und Bergpredigt sind wechselseitig aufeinander zu beziehen. In der „Nachfolge“ findet Bonhoeffer dafür die klassisch gewordene Formulierung: „Nur der Glaubende ist gehorsam, und nur der Gehorsame glaubt.“26
Von diesem Ansatz her kommt es in der „Nachfolge“ zu einer Korrektur der traditionellen protestantischen Verkündigung von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden. Bonhoeffer wirft der klassischen reformatorischen Theologie vor, dass sie weithin bloß „billige Gnade“ verkündigt. Sie habe außer Acht gelassen, dass Glaube und Nachfolge, d. h. Glaube und Gehorsam, untrennbar zusammengehören. Das Buch setzt ein mit den berühmten Sätzen: „Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf heute geht um die teure Gnade. […] Billige Gnade heißt Gnade als Lehre, als Prinzip, als System; heißt Sündenvergebung als allgemeine Wahrheit, heißt Liebe Gottes als christliche Gottesidee. Wer sie bejaht, der hat schon Vergebung seiner Sünden. […] Billige Gnade heißt Rechtfertigung der Sünde und nicht des Sünders.“27
Die Bergpredigt zeigt für Bonhoeffer beispielhaft, wie die teure Gnade verkündigt werden muss. An der Bergpredigt will er lernen, wie diese Verkündigung heute aussehen müsste. „Teure Gnade ist das Evangelium, das immer wieder gesucht, die Gabe, um die gebeten, die Tür, an die angeklopft werden muss. Teuer ist sie, weil sie in die Nachfolge ruft. Gnade ist sie, weil sie in die Nachfolge Jesu Christi ruft; teuer ist sie, weil sie dem Menschen das Leben kostet. Gnade ist sie, weil sie ihm so das Leben erst schenkt […].“28 Bonhoeffer setzt alle Energie daran, die Flucht in eine vorschnelle spirituelle Auslegung der Bergpredigt und damit in die unverbindliche religiöse Innerlichkeit unmöglich zu machen. Darum Bonhoeffers Drängen auf „einfältigen Gehorsam“, auf wörtliche Auslegung.
Dafür gibt er ein anschauliches Beispiel: „Wie ist solche Verkehrung möglich? Was ist geschehen, dass das Wort Jesu sich dieses Spiel gefallen lassen muss? Dass es so dem Spott der Welt ausgeliefert wird? Wo immer sonst in der Welt Befehle ausgegeben werden, sind die Verhältnisse klar. Ein Vater sagt zu seinem Kind: Geh ins Bett!, so weiß das Kind wohl, woran es ist. Ein pseudotheologisch dressiertes Kind aber müsste nun folgendermaßen argumentieren: Der Vater sagt: Geh ins Bett. Er meint, du bist müde; er will nicht, dass ich müde bin. Ich kann über meine Müdigkeit auch hinwegkommen, indem ich spielen gehe. Also, der Vater sagt zwar: Geh ins Bett!, er meint aber eigentlich: Geh spielen. Mit einer solchen Argumentation würde das Kind beim Vater, würde der Bürger bei der Obrigkeit auf eine sehr unmissverständliche Sprache stoßen, nämlich auf Strafe. Nur dem Befehl Jesu gegenüber soll das anders sein. Hier soll einfältiges Gehorchen verkehrt, ja Ungehorsam sein. Wie ist das möglich?“29
Durch die Erkenntnis der teuren Gnade, die die Nachfolge Christi untrennbar mit einschließt, wird deutlich, dass die christliche Gemeinde für das Leben des einzelnen Christen unverzichtbar ist. An Gott glauben kann man vielleicht für sich allein im stillen Kämmerlein. Nachfolge jedoch ist nur möglich in der Gemeinschaft mit Brüdern und Schwestern. Die „Nachfolge“ führt zur Wiederentdeckung des gemeindlichen, ja des kirchlichen Horizonts von Christsein.
Bonhoeffer selbst hat die „Nachfolge“ in zwei Teile gegliedert. In einem ersten Teil wird gezeigt, wie sich der irdische Jesus von Nazareth Nachfolge gedacht hat: dass von Anfang an Glaube und Gehorsam zusammengehört haben; dass ein Glaube ohne Nachfolge eine Unmöglichkeit darstellt. Darum Bonhoeffers Polemik gegen die „billige Gnade“ des Luthertums seiner Zeit. Im zweiten Teil entfaltet Bonhoeffer, wie Nachfolge heute, also nach Kreuzigung und Auferstehung Jesu, in der Gemeinschaft der Kirche aussieht.
Bei genauerem Hinsehen lassen sich drei ungefähr gleich große Teile erkennen, denen eine Art Präludium vorangestellt ist. Das Präludium hat die „Nachfolge“ bekannt gemacht. In diesem kritisiert Bonhoeffer, wie wir schon sahen, mit schneidenden Worten das Missverständnis einer billigen Gnade und fordert die Kirche seiner Zeit an diesem entscheidenden Punkt zum radikalen Umdenken auf.
Im ersten Hauptteil beschreibt Bonhoeffer die Konstitutionsbedingungen für die Nachfolge der ersten Jünger Jesu. An ihnen wird deutlich, dass Nachfolge teure Gnade war. Hier werden vor allem Texte aus den synoptischen Evangelien Matthäus, Markus und Lukas ausgelegt. Bonhoeffer entfaltet die Bedingungen der Nachfolge unter den folgenden vier Stichworten: der Ruf in die Nachfolge, der einfältige Gehorsam, die Nachfolge und das Kreuz, die Nachfolge und der Einzelne. Die vier Stichworte markieren wie vier eherne Pflöcke die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wenn ein Mensch Jesus nachfolgen will: keine Nachfolge Jesu, ohne dessen persönlichen Ruf gehört zu haben, keine Nachfolge ohne die Bereitschaft zum einfältigen Gehorsam, keine Nachfolge ohne Bejahung des Kreuzes, keine Nachfolge, ohne ein Einzelner geworden zu sein. Was sich zunächst ziemlich traditionell anhört, wird in der Auslegung Bonhoeffers zur bedrängenden Herausforderung, ja Infragestellung eines bürgerlichen Glaubensverständnisses. Jesus ruft in seine Nachfolge, weil er der Christus, der Messias ist, den Gott seinem Volk gesandt hat. Die Nachfolge beinhaltet die Bindung an eine Person, eben an Jesus, und darf nicht mit dem Fürwahrhalten einer Idee oder eines Mythos verwechselt werden. Ziel der Nachfolge Jesu Christi ist es, Gott glauben zu lernen.30 Die Nachfolge konkretisiert sich im einfältigen Gehorsam. Jesus fordert von seinen Jüngern nicht mehr – aber auch nicht weniger –, als sich allein auf sein Wort zu verlassen. Weil die Nachfolge der Jünger Nachfolge Jesu Christi ist, gehört zur Nachfolge von Anfang an auch das Leiden. Bonhoeffer spricht sogar vom „Gesetz des Leidens“.31 Am Anfang der Nachfolge steht das Sterben, die Bereitschaft der Nachfolgenden, am Tod Jesu Christi teilzuhaben. Auch wenn nur das Leiden Jesu selbst Versöhnungsqualität besitzt, werden Christen als Nachfolger Jesu wie dieser zu Trägern von Sünde und Schuld für andere Menschen. „Gott ist ein Gott des Tragens“, schreibt Bonhoeffer.32 Zur Nachfolge gehört schließlich die Bereitschaft, ein Einzelner zu werden. Indem Jesus Christus einen Menschen in seine Nachfolge ruft, wird er aus allen weltlichen Unmittelbarkeiten herausgelöst und allein in die Unmittelbarkeit zu ihm selbst gestellt. Jesus macht den Menschen einsam, damit dieser allein ihn sieht. Die politische Brisanz der „Nachfolge“ zeigt sich in diesem Zusammenhang daran, dass Bonhoeffer nüchtern feststellt, dass dort, wo eine Gemeinschaft Menschen hindert, vor Christus Einzelne zu sein, d. h., wo sie einen Anspruch auf Unmittelbarkeit erhebt, Christen von dieser Gemeinschaft um Christi willen gehasst werden müssen.
Der zweite Hauptteil stellt eine Auslegung der Bergpredigt (Mt 5–7) und der Aussendungsrede Jesu an seine Jünger dar (Mt 10). Bonhoeffer stellt die einzelnen Kapitel des Matthäusevangeliums dabei unter markante Überschriften. Mt 5: Vom „Außerordentlichen“ des christlichen Lebens. Hier wird noch einmal betont, dass mit dem Gebot der Feindesliebe klar ist, dass das Sonderliche des Christlichen im Kreuz besteht: „Die passio in der Liebe des Gekreuzigten – das ist das ‚Außerordentliche‘ in der christlichen Existenz.“33 Mt 6: Von der Verborgenheit des christlichen Lebens. Dazu gehört die eigene Gerechtigkeit des Christen, sein Gebet, ja seine frommen Übungen überhaupt, genauso wie die Einfalt eines sorglosen Lebens, das sich ausschließlich an die Zusage Jesu hält und keine weiteren Sicherungen will. Mt 7: Die Aussonderung der Jüngergemeinde. Allein eine Person, Jesus Christus, macht den Menschen zum Jünger. Bonhoeffer betont hier die Grenzen des Auftrags der Jünger. Ihr Wort ist schwach, weil es das Wort Gottes ist, der wollte, dass Menschen es verachten und verwerfen können. „Es wird ihnen gesagt, dass kein anderer Weg zum Nächsten führt als das Gebet zu Gott.“34 Wiederum wird die politische Dimension der „Nachfolge“ erkennbar, wenn Bonhoeffer das Wort Gottes mit der Idee kontrastiert, die keinen Widerstand zulassen will. „So sind auch die Zeugen des Wortes mit dem Wort schwächer als die Propagandisten einer Idee.“35 Mt 9,35–10,42: Die Boten. Hier geht Bonhoeffer speziell auf die Arbeit der Apostel ein: ihren Auftrag und dessen Grenze.
Der abschließende dritte Hauptteil des Buches beschreibt mithilfe der Auslegung vor allem von Texten aus den Paulus-briefen, wie die Nachfolge nach Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi aussieht. Bonhoeffer geht davon aus, dass die synoptischen Evangelien keinen anderen Jesus als die Paulusbriefe bezeugen. Es zeigt sich in diesem Teil, dass Bonhoeffer an die reformatorische Lehre anknüpft: Jesus Christus ist auch heute gegenwärtig – leiblich und in seinem Wort. Bonhoeffer formuliert in Anlehnung an den 7. Artikel des Bekenntnisses von Augsburg von 1530: „Der Ruf Jesu Christi ergeht in der Kirche durch sein Wort und Sakrament.“36 Bonhoeffer macht deutlich, dass der Ruf und der Eintritt in die Nachfolge, die wir in den Evangelien finden, in den Paulus-briefen ihre Entsprechung in der Taufe haben. Die Kirche ist der gegenwärtige leibliche Christus selbst. Nur als Ganze ist die christliche Gemeinde der neue Mensch, der Leib Christi, Christus.37 Damit wird noch einmal erkennbar, dass für Bonhoeffer Nachfolge immer nur inmitten der Kirche möglich ist. Weil der Leib Jesu Christi in seinen Gliedern Raum auf Erden einnimmt, ist er sichtbar. Der leibgewordene Christus ruft Menschen in die leibliche Gemeinschaft mit sich, die sichtbar ist. Als Jüngergemeinde ist die Kirche ein eigener Herrschaftsbereich in der Welt und damit deren Herrschaft entrissen. „Wie ein versiegelter Zug im fremden Lande, so geht die Gemeinde durch die Welt.“38 Bonhoeffer betont, dass weder die Welt Kirche noch die Kirche Welt sein soll.
Ziel der Nachfolge ist die Gleichgestaltung des Nachfolgenden mit dem Bild Christi. Es geht dabei um die Einwohnung Jesu Christi im Herzen. „Es ist die heilige Dreieinigkeit selbst, die in dem Christen Wohnung gemacht hat, ihn erfüllt und ihn zu ihrem Ebenbilde macht.“39 Die Einwohnung Gottes im Menschen ist die Voraussetzung dafür, dass Bonhoeffer schreiben kann: „Das Leben Jesu Christi ist auf dieser Erde noch nicht zu Ende gebracht. Christus lebt es weiter in dem Leben seiner Nachfolger.“40 Im Martyrium erweist das Leben eines Jüngers die tiefste Gleichheit mit der Todesgestalt Jesu Christi.
Die „Nachfolge“ stellt eine Konkretion von Bonhoeffers Lehre von Jesus Christus dar. Bonhoeffer fragt darin, welche ethischen Konsequenzen aus dem Glauben für das Leben als Christ zu ziehen sind. Das Buch will zeigen, wie konsequente Nachfolge Jesu nach der Bergpredigt im Dritten Reich gelebt werden kann. Bonhoeffer kritisiert und korrigiert damit indirekt die Theologie seines wichtigsten Lehrers Karl Barth, der vor allem in seiner Frühzeit abgelehnt hatte, dass der Glaube an Jesus Christus für den Glaubenden zur Erfahrung und damit anschaulich wird.
Im Zentrum von Bonhoeffers Lehre von Jesus Christus steht in der „Nachfolge“ der Gedanke von Christus als dem Mittler. „Er ist der Mittler, nicht nur zwischen Gott und Mensch, sondern auch zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mensch und Wirklichkeit.“41 Bonhoeffer begründet diesen Gedanken mit der Schöpfungsmittlerschaft Jesu Christi. „Weil alle Welt durch ihn und zu ihm geschaffen ist (Joh 1,3; 1Kor 8,6; Hebr 1,2), darum ist er der einzige Mittler in der Welt.“42 Weil Christus der Schöpfungsmittler ist, ist er der Einzige, der zu Recht in einem unmittelbaren Verhältnis zu allem Geschaffenen steht. Sich als Mensch an Christus vorbei, also unmittelbar, den Mitgeschöpfen bzw. dem Mitgeschaffenen zu nähern, ist Raub und Frevel gegenüber der Schöpfungsmittlerschaft Jesu Christi.
Bonhoeffer zieht im Hinblick auf die Nachfolge drei Konsequenzen aus der Erkenntnis der Mittlerschaft Jesu Christi. Die erste Konsequenz besteht darin, dass die Nachfolge den Menschen einsam macht: Christus löst den Menschen aus seiner Unmittelbarkeit zur Welt und stellt ihn in die Unmittelbarkeit zu sich selbst.43 D. h., es kommt zum Bruch zwischen demjenigen, der Jesus Christus nachfolgt, und der Welt. Die Folge ist, dass es für ihn keine „gottgegebenen Wirklichkeiten“ mehr gibt. „Was mir nicht durch Christus, den menschgewordenen, gegeben wird, ist mir nicht von Gott gegeben.“44 Die Aktualität einer solchen Aussage im Dritten Reich kann man auch heute noch unschwer nachvollziehen. Selbst lutherische Theologen priesen damals die Zugehörigkeit zur arischen Herrenrasse und das Erscheinen des Führers Adolf Hitler als „gottgegebene Wirklichkeiten“. Bonhoeffers Gedanke der Mittlerschaft Jesu Christi bildete angesichts dieser theologischen Irrwege ein nicht zu unterschätzendes kritisches Potenzial.
Die Rede von Christi Mittlerschaft hat zweitens für das menschliche Miteinander Folgen. Bonhoeffer stellt lapidar fest: „[…] es gibt keine seelischen Unmittelbarkeiten. Christus steht dazwischen. Nur durch ihn hindurch geht der Weg zum Nächsten. Darum ist die Fürbitte der verheißungsvollste Weg zum Anderen, und das gemeinsame Gebet im Namen Christi die echteste Gemeinschaft.“45 Was heißt das konkret? Die Erkenntnis der Mittlerschaft Christi schützt in Beziehungen zwischen Menschen den einen vor den Übergriffen des anderen. Z. B. werden alle Versuche, den Nächsten nach dem eigenen Bild umzugestalten, als Überhebung entlarvt. Der Nächste ist allein Bild Jesu Christi. Er bleibt mein Gegenüber, seine Würde ist für mich unantastbar. Indem Christus zwischen uns tritt, entsteht ein Spielraum der Freiheit.
Die Mittlerschaft Jesu Christi hat schließlich drittens folgende Konsequenz: Indem ich in die Nachfolge Jesu Christi trete, werde ich nicht nur von allen Unmittelbarkeiten zu anderen Menschen gelöst und damit zu einem Einzelnen. Die Mittlerschaft Christi ist gleichzeitig die Ursache zu einer neuen Gemeinschaft. Indem Christus mich aus den natürlichen Beziehungen herauslöst, führt er mich in die Gemeinschaft mit den anderen, die ihm nachfolgen. „Jeder tritt allein in die Nachfolge, aber keiner bleibt allein in der Nachfolge.“46 Bonhoeffer begründet dies biblisch mit Mk 10,28-31: „Da sagte Petrus zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus antwortete und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, so er verlässt Haus oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfältig empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“ Die Vikare des Bonhoefferschen Predigerseminars erlebten die Erfüllung dieser Verheißung ganz buchstäblich. Vikare wie Wolf-Dieter Zimmermann hatten sich von den kirchlichen und gesellschaftlichen Überzeugungen ihrer Elternhäuser radikal distanziert. In Finkenwalde wuchs ihnen eine neue Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern zu. Die von Bonhoeffer in der „Nachfolge“ vorgetragenen Überlegungen blieben somit keine blasse Theorie, sondern waren gesättigt von schweren und zugleich beglückend konkreten Erfahrungen.
Neben dem Gedanken der Mittlerschaft Christi entfaltet Bonhoeffer in der „Nachfolge“ noch einen weiteren Aspekt einer Lehre von Christus. Er geht davon aus, dass Gott durch Jesus Christus das menschliche Ebenbild neu geschaffen hat. Der durch den Sündenfall zerstörte Ebenbildcharakter Adams ist in Christus wiederhergestellt. Bonhoeffer teilt mit Karl Barth den Gedanken, dass allein am Menschsein Jesu Christi zu erkennen ist, wie Gott sich den Menschen eigentlich gedacht hat.
Im Zusammenhang mit der Vorstellung, dass Jesus Christus das wiederhergestellte menschliche Ebenbild Gottes verkörpert, sind wiederum drei Dinge wichtig: Erstens rückt für Bonhoeffer von hier aus das Menschsein Jesu Christi in das Zentrum seiner Überlegungen. Darum sein Interesse am irdischen Jesus, vor allem an dessen Handeln, wie es in den Evangelien geschildert wird. „In seiner Lehre und seinen Taten, seinem Leben und seinem Sterben wird sein Bild offenbar. […] Menschwerdung, Wort und Tat Jesu und sein Tod am Kreuz gehören unveräußerlich zu diesem Bild.“47 Darum auch Bonhoeffers Kritik am Apostolikum. Schon früh meinte er, dass es zu kurz vom Erdenleben Jesu spreche, wenn es dieses im Ausdruck „gelitten“ zusammenfasse.48
Zweitens ist Bonhoeffer wichtig, das Inkognito Jesu Christi zu wahren. Die Erneuerung des menschlichen Ebenbildes geschieht in der Gestalt des Gekreuzigten. „Niemand findet das verlorene Ebenbild Gottes wieder, es sei denn, dass er teilgewinnt an der Gestalt des menschgewordenen und gekreuzigten Jesus Christus.“49 Dabei ist die Gleichgestaltung mit dem leidenden Christus allerdings nicht das letzte Wort, das Bonhoeffer zu sagen hat. Ziel der Nachfolge ist die Teilhabe an Kreuz und Auferstehung Christi. Aber wie für Paulus gibt es für Bonhoeffer keine Teilhabe an der Auferstehung Christi ohne Teilhabe an dessen Leiden und Sterben (Röm 6 u. ö.). „Christus ruht nicht mit seiner Arbeit an uns, bis er uns zur Christusgestalt gebracht hat. Es ist die ganze Gestalt des Menschgewordenen, des Gekreuzigten und des Verklärten, der wir gleich werden sollen.“50 Wiederum beginnt eine solche Aussage gerade vor dem Hintergrund der Verhältnisse im Dritten Reich kraftvoll zu leuchten. Auch die Nationalsozialisten wollten den neuen Menschen schaffen: Im Gegensatz zur Christusgestalt propagierten sie jedoch die Gestalt eines Herrenmenschen im Sinne Nietzsches unter Verleugnung des mit dem menschlichen Leben untrennbar verbundenen Leidens und Sterbens.
Drittens vertritt Bonhoeffer in der „Nachfolge“ die Lehre vom inklusiven Menschsein Jesu Christi. Durch Jesus Christus ist alles objektiv mit Gott versöhnt, weil er die Menschheit als Ganze mit ihrer Schuld am Kreuz getragen hat. „In der Menschwerdung Christi empfängt die ganze Menschheit die Würde der Gottesebenbildlichkeit zurück.“51
Immer wieder ist in der Vergangenheit zum Teil heftige Kritik an der „Nachfolge“ geübt worden: Hier werde Luthers Lehre von der Rechtfertigung allein aus Gnaden in gefährliche Nähe zu einer neuen Werkgerechtigkeit gebracht.52 Die „Nachfolge“ bleibe mit ihrer Betonung des Gegensatzes von Kirche und Welt weit hinter Bonhoeffers späterer „Ethik“ zurück, in der er zu einer Theologie vorangeschritten sei, die die Verantwortung für den Nächsten – egal ob innerhalb oder außerhalb der Kirche – in den Vordergrund rücke.53 Ja, Bonhoeffer selbst habe sich später von der „Nachfolge“ distanziert. Auch die eigene Familie hat den Finkenwalder Bonhoeffer als „Intermezzo“ verstanden.54
Seit einigen Jahren lässt sich jedoch eine Rehabilitierung des „kirchlichen“ Bonhoeffer beobachten.55 Bonhoeffers letztes Wort zur „Nachfolge“ findet sich in einem Brief an Eberhard Bethge, den er am 21.7.1944 schrieb, einen Tag nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler: „Ich dachte, ich könnte glauben lernen, indem ich selbst so etwas wie ein heiliges Leben zu führen versuchte. Als das Ende dieses Weges schrieb ich wohl die ‚Nachfolge‘. Heute sehe ich die Gefahren dieses Buches, zu dem ich allerdings nach wie vor stehe, deutlich. Später erfuhr ich und ich erfahre es bis zur Stunde, daß man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt.“56 Mit anderen Worten: Zum Inhalt der „Nachfolge“ steht Bonhoeffer weiterhin, nur der Ort der Nachfolge hat sich für ihn verändert: Es ist nicht mehr ein kommunitärer Lebensrahmen, sondern die Gemeinschaft der Widerstandskämpfer gegen Hitler. Ich bin geneigt zu sagen: Ein solcher Lebensrahmen wird nicht nur für Christen, sondern grundsätzlich für alle Menschen die Ausnahme sein. Dafür gilt analog, was Bonhoeffer im Hinblick auf das Martyrium in der „Nachfolge“ geschrieben hat: „Christus würdigt das Leben nur weniger seiner Nachfolger der engsten Gemeinschaft seines Leidens, des Martyriums.“57 Von daher behält das Buch als Entfaltung der theologischen Grundlagen der Nachfolge Jesu Christi seine ungebrochene Bedeutung. Die Situation des Dritten Reiches ist paradigmatisch für jede Nachfolge-Situation. Sie stellt sich als Brennglas dar, durch das ich dem Wesen der Nachfolge Jesu Christi überhaupt deutlicher auf die Spur zu kommen vermag.
Theologie und Kirche sind heute weithin konzentriert auf die Frage nach der Vermittelbarkeit des Evangeliums.58 Zauberwort und Ausschlusskriterium ist die notwendige „Anschlussfähigkeit“ theologischer Überlegungen. Im Zentrum steht dabei die Analyse der Situation des Menschen in persönlicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Darüber tritt die Besinnung auf die zu verkündigenden Inhalte des Evangeliums in auffälliger Weise zurück. Es drängt sich der Eindruck auf, als würden diese als selbstverständlich bekannt und gegeben vorausgesetzt. Der empirisch vorfindlichen Kirche kommt als Bezugshorizont höchstens eine Nebenrolle zu. Die gelegentlich zu beobachtende sog. „Doppelstrategie“ – Besinnung auf die Grundlagen und Öffnung nach außen – stellt häufig ein hilflos anmutendes Hin- und Herlavieren dar. Angesichts dieser Situation eröffnet der radikal kirchliche Ansatz Bonhoeffers in der „Nachfolge“ nicht nur einer Kirche, die durch staatliche Verfolgung marginalisiert ist, einen Weg in die Zukunft. Auch eine Kirche, die durch Mitgliederschwund, Selbstsäkularisierung (Wolfgang Huber) und gesellschaftlichen Pluralismus zunehmend in die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit gedrängt wird, kann durch die Besinnung auf das theologisch Wesentliche ein neuer Anfang ermöglicht werden.
Dass sich der Protestantismus gegenwärtig in einer schwierigen Umbruchsituation befindet, ist übereinstimmende Ansicht vieler. Unterschiedlich sehen dagegen die vorgetragenen Lösungsansätze aus. Der bekannte amerikanische Soziologe Peter L. Berger spricht von West- und Mitteleuropa als dem „Katastrophengebiet für die Kirchen“.59 Dabei ist jede Krise doppelgesichtig: Sie birgt nicht nur Gefahren, sondern gleichermaßen auch Chancen in sich. Sie eröffnet einen Raum, in dem Neues wachsen kann, weil die alten Strukturen sich als nicht mehr tragfähig erweisen. Bonhoeffer war bereit, Neues zu denken und das Erkannte in die Praxis umzusetzen, wobei er allerdings von bestimmten undiskutierbaren Fundamenten ausging. Dazu gehörte wesentlich die Konzentration seines Glaubens auf Jesus Christus und die Kirche. In der „Nachfolge“ überwindet er die falsche Dominanz von Individualismus, Subjektivismus und Innerlichkeit des neuprotestantischen Glaubensverständnisses. Gegenwärtige spirituelle Pluralisierungs- und kirchliche Verselbstständigungs-prozesse drohen den Protestantismus in die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit zu führen. Bonhoeffers Insistieren auf der empirisch-vorfindlichen Kirche als gegenwärtiger Gestalt der Gemeinde Jesu Christi bewahrt vor der unendlichen – vergeblichen – Suche nach der perfekten Gemeinde. Zur Gestalt der christlichen Gemeinde gehört ihre unaufhebbare Unfertigkeit. Diese Erkenntnis kann für Menschen, die unter den Mängeln der Kirche leiden, eine große Entlastung darstellen. Sie schiebt überdies der weiteren Zersplitterung des Protestantismus einen Riegel vor.
Der organisatorischen Erneuerung der Kirche muss die Erneuerung ihrer Spiritualität vorausgehen. Das Nachdenken über neue Strukturen in der Kirche hat unter eschatologischem Vorbehalt zu erfolgen. Erneuerung der Kirche gibt es nur „ubi et quando visum est deo“ – „wo und wann es Gott gefällt“ (Bekenntnis von Augsburg 1530, Artikel 5). Die Erneuerung der Kirche ist nur auf dem Weg der Erneuerung ihrer Theologie und Frömmigkeit zu haben. Angesichts der seit einiger Zeit zu beobachtenden „Wiederkehr der Religion“ erweist sich die Konzentration von Bonhoeffers Theologie auf Jesus Christus als hilfreiches Kriterium religiöser Neuaufbrüche. Sie verhindert, dass anstelle des Glaubens an den für mich gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus eine nebulöse, christlich angereicherte und verbrämte Erlebnisreligion tritt. Daneben ist die Orientierung von Bonhoeffers Theologie an Jesus Christus als kritisches Moment gegenüber einer häufig zu beobachtenden christologischen Unterbestimmtheit volkskirchlichen Handelns, z. B. ihrer Verkündigung und Seelsorge wichtig.
Teile von Theologie und Kirche haben die Orientierung an Jesus Christus aufgegeben. Sie sind überzeugt, dass diese das interreligiöse Gespräch unmöglich macht und in einer multireligiösen Gesellschaft zu gesellschaftlichem Unfrieden führt. Die Gottessohnschaft Jesu ist jedoch das unaufgebbare Zentrum des christlichen Glaubens (1Joh 4,2). An ihr hängt die Erlösung allein aus Gnaden. An ihr hängt auch die Gewissheit des Heils und des ewigen Lebens. Analoges gilt im Hinblick auf die Kirche Jesu Christi. Sie steht nicht zur Diskussion, weil in ihr allein das Reich Gottes zeichenhaft erfahrbar ist. Sie allein erlaubt eine Vorwegerfahrung des Reiches Gottes. Das Reich Gottes lässt sich nicht in der Gesellschaft insgesamt verwirklichen. Die Geschichte zeigt, dass das immer nur zu Gesinnungsterror führen wird.
Es scheint gegenwärtig keine fertigen Lösungen zu geben, wie eine zukunftsfähige Kirche aussehen sollte. Deshalb gilt es, die Improvisation als Kategorie kirchlichen Handelns neu zu entdecken. Bonhoeffers Theologie ist fragmentarisch geblieben. Er hat, auch in der „Nachfolge“, kein theologisches System entwickelt, sondern hat seine Überlegungen angesichts neuer Herausforderungen ständig weiterentwickelt. Gerade das Fragmentarische jedoch macht seine Gedanken heute so anregend: Es eröffnet die Chance zum eigenen Weiterdenken und erlaubt eigenes Experimentieren. Zudem entspricht das Fragmentarische der beschleunigten Zeit in der Postmoderne. Fertige Lösungen wären im Moment ihrer Fertigstellung bereits wieder veraltet.
Eine weitere Einführung von Peter Zimmerling in das Leben und Werk Dietrich Bonhoeffers finden Sie im Internet:
• Stationen auf dem Weg zur Freiheit:Dietrich Bonhoeffers Lebenwww.brunnen-verlag.de/peter-zimmerling-dietrich-bonhoeffers-leben
• Stationen auf dem Weg zur Freiheit:Dietrich Bonhoeffers Werkwww.brunnen-verlag.de/peter-zimmerling-dietrich-bonhoeffers-werk
1Vorformen der folgenden Überlegungen habe ich erstmals veröffentlicht in: Peter Zimmerling, Bonhoeffer als Praktischer Theologe, Göttingen 2006, 29–31.
2„Den tiefsten Eindruck einer lebendigen Gemeinde empfing Bonhoeffer in der Abessinian Baptist Church seines Freundes Frank Fisher im nahen Harlem, in deren Sonntagsschule und Gottesdiensten er ein halbes Jahr intensiv mitarbeitete“ (so Hans Christoph von Hase, in: Dietrich Bonhoeffer, Barcelona, Berlin, Amerika (1928–1931), hg. von Reinhart Staats/H.C. von Hase, DBW, Bd. 10, München 1991, 595).
3A.a.O., 274; Hervorhebungen von P.Z.
4Vgl. Dietrich Bonhoeffer, London (1933–1935), hg. von Hans Goedeking u. a., DBW, Bd. 13, Gütersloh 1994, 272f; Dietrich Bonhoeffer, Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde (1935–1937), hg. von Otto Dudzus/Jürgen Henkys, DBW, Bd. 14, Gütersloh 1996, 112ff.144ff.
5Brief vom 27.1.1936, zit. nach DBW, Bd. 14, 113.
6DBW, Bd. 13, 272.
7Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. von Christian Gremmels u.a., DBW, Bd. 8, Gütersloh 1998, 397.
8Vgl. z. B. DBW, Bd. 14, 486. Carl Friedrich von Weizsäcker interpretiert richtig: „So geschieht sein Durchbruch zur Bibel nicht an dem hochintellektuellen Text des Römerbriefs [wie bei Karl Barth], sondern in der unerträglich-gnädigen Einfachheit der Bergpredigt“ (C.F. Weizsäcker, Gedanken eines Nichttheologen zur theologischen Entwicklung Dietrich Bonhoeffers, in: Genf ’76. Ein Bonhoeffer-Symposion, bearb. von Hans Pfeifer (Internationales Bonhoeffer-Forum, Bd. 1), München 1976, 41).
9DBW, Bd. 13, 273.
10A.a.O.
11Paul Scheurlen (Hg.), Vom wahren Herzenstrost. Martin Luthers Trostbriefe, Stuttgart 1930, 59.
12Dietrich Bonhoeffer. Theologe, Christ, Zeitgenosse. Eine Biographie, Gütersloh8 2004, 246ff.
13DBW, Bd. 13, 128f (Hervorhebung im Text).
14Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, hg. von Martin Kuske/Ilse Tödt, DBW, Bd. 4, Gütersloh 21994, 304.
15A.a.O., Anm. 17.
16Vgl. dazu im Einzelnen a.a.O., 8ff (Vorwort der Herausgeber mit Belegen).
17DBW, Bd. 14, 97f.
18Vgl. hier und im Folgenden DBW, Bd. 4, 8ff (Vorwort der Herausgeber).
19Nachbemerkung Bonhoeffers zur Bergpredigtauslegung 1935, zit. nach DBW, Bd. 4, 191, Anm. 28.
20Gegen Sabine Bobert-Stützel, Dietrich Bonhoeffers Pastoraltheologie, Gütersloh 1995, die die Gewichte genau andersherum verteilt.
21Vgl. dazu Bethge, Bonhoeffer, bes. 563ff.611ff.652ff.673wff.
22Darauf weist Christian Möller hin in: ders., „Wie geht es in der Seelsorge weiter? Erwägungen zum gegenwärtigen und zukünftigen Weg der Seelsorge“, in: Theologische Literaturzeitung 113, 1988, bes. 411.415.
23Vgl. hier und im Folgenden DBW, Bd. 4, 10ff (mit Belegen).
24Vgl. dazu im Einzelnen a.a.O., 14, Anm. 31.
25DBW, Bd. 13, 171.
26S. 61, vgl. DBW, Bd. 4, 52.
27S. 40, vgl. DBW, Bd. 4, 29.
28S. 42, vgl. DBW, Bd. 4, 31.
29S. 80f, vgl. DBW, Bd. 4, 71f.
30S. 60, vgl. DBW, Bd. 4, 51.
31S. 87, vgl. DBW, Bd. 4, 78.
32S. 93, vgl. DBW, Bd. 4, 84.
33S. 152, vgl. DBW, Bd. 4, 148.
34S. 188, vgl. DBW, Bd. 4, 182.
35S. 187, vgl. DBW, Bd. 4, 181.
36S. 219, vgl. DBW, Bd. 4, 215.
37S. 236, vgl. DBW, Bd. 4, 233.
38S. 276, vgl. DBW, Bd. 4, 276.
39S. 304, vgl. DBW, Bd. 4, 303.
40A.a.O.
41S. 96, vgl. DBW, Bd. 4, 88; Hervorhebung im Text.
42S. 96, vgl. DBW, Bd. 4, 88f.
43S. 95, vgl. DBW, Bd. 4, 87.
44S. 99, vgl. DBW, Bd. 4, 91.
45A.a.O.
46S. 102f., vgl. DBW, Bd. 4, 95.
47S. 301, vgl. DBW, Bd. 4, 300.
48Nachweise bei Ernst Feil, Die Theologie Dietrich Bonhoeffers. Hermeneutik, Christologie, Weltverständnis, München 3[1980], 165.208.
49S. 301, vgl. DBW, Bd. 4, 300.
50S. 302, vgl. DBW, Bd. 4, 301.
51S. 302, vgl. DBW, Bd. 4, 301.
52Gerhard Krause, Art. „Bonhoeffer, Dietrich“, in: TRE, Bd. 7, Berlin/New York 1981, 55–66.
53Feil, Theologie.
54Eberhard Bethge, Bekennen und Widerstehen. Aufsätze, Reden, Gespräche, München 1984, 203f.
55S. Schmitz, Nachfolge; DBW, Bd. 4, 321–332 (Nachwort der Herausgeber); Zimmerling, Bonhoeffer als Praktischer Theologe.
56DBW, Bd. 8, 542.
57S. 303, vgl. DBW, Bd. 4, 302.
58Vgl. hier und im Folgenden Zimmerling, Bonhoeffer als Praktischer Theologe, 52–55.
59P. L. Berger, „An die Stelle der Gewissheit sind Meinungen getreten“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.5.1998, 14.
Es stellt sich in Zeiten der kirchlichen Erneuerung von selbst ein, dass uns die Heilige Schrift reicher wird. Hinter den notwendigen Tages- und Kampfparolen der kirchlichen Auseinandersetzung regt sich ein stärkeres Suchen und Fragen nach dem, um den es allein geht, nach Jesus selbst. Was hat Jesus uns sagen wollen? Was will er heute von uns? Wie hilft er uns dazu, heute treue Christen zu sein? Nicht was dieser oder jener Mann der Kirche will, ist uns zuletzt wichtig, sondern was Jesus will, wollen wir wissen. Sein eigenes Wort wollen wir hören, wenn wir zur Predigt gehen. Daran liegt uns nicht nur um unsertwillen, sondern auch um all der vielen willen, denen die Kirche und ihre Botschaft fremd geworden ist. Wir sind wohl auch der Meinung, dass ganz andere Menschen das Wort hören und auch ganz andere Menschen sich wieder abwenden würden, wenn es dazu käme, dass Jesus selbst und Jesus allein mit seinem Worte in der Predigt unter uns wäre. Nicht als wäre die Predigt unserer Kirche nicht mehr Gottes Wort, aber wie viel unreiner Klang, wie viele menschliche, harte Gesetze und wie viele falsche Hoffnungen und Tröstungen trüben noch das reine Wort Jesu und erschweren die echte Entscheidung! Es ist doch nicht nur die Schuld der anderen, wenn sie unsere Predigt, die ja gewiss ganz allein Christuspredigt sein will, hart und schwer finden, weil sie belastet ist mit Formeln und Begriffen, die ihnen fremd sind. Es ist doch nicht wahr, dass jedes Wort, das sich heute gegen unsere Predigt richtet, schon eine Absage an Christus, Antichristentum ist. Wollen wir wirklich die Gemeinschaft mit denen verleugnen, deren es heute eine große Zahl gibt, die zu unserer Predigt kommen, sie hören wollen und doch immer wieder betrübt bekennen müssen, dass wir ihnen den Zugang zu Jesus zu schwer machen? Sie glauben, dass es nicht das Wort Jesu selbst sei, dem sie sich entziehen wollten, aber dass zu viel Menschliches, Institutionelles, Doktrinäres zwischen sie und Jesus träte. Wer von uns wüsste nun nicht sogleich all die Antworten, die man hier geben könnte, und mit denen man sich der Verantwortung für jene Menschen leicht entziehen kann. Wäre es aber nicht auch eine Antwort, wenn wir uns fragten, ob nicht wir selbst dem Worte Jesu oft in den Weg treten, indem wir vielleicht zu stark an bestimmten Formulierungen, an einem für seine Zeit, seinen Ort und seine Gesellschaftsstruktur bestimmten Predigttypus hängen, indem wir vielleicht wirklich zu „dogmatisch“ und zu wenig „aufs Leben“ hin predigen, indem wir gewisse Gedanken der Schrift gern immer wieder sagen und dabei an wichtigen andern Worten zu achtlos vorübergehen, indem wir doch immer noch zu viel eigene Meinungen und Überzeugungen und zu wenig Jesus Christus selbst predigen? Es gäbe ja nichts, was unserer eigenen Absicht tiefer widerspräche und was zugleich verderblicher wäre für unsere Verkündigung, als wenn wir die Mühseligen und Beladenen, die Jesus zu sich ruft, mit schweren Menschensatzungen belasteten und sie so wieder von ihm forttrieben. Wie würde die Liebe Jesu Christi damit verspottet vor Christen und vor Heiden! Weil aber hier nicht allgemeine Fragen und Selbstbeschuldigungen etwas helfen, lassen wir uns zur Schrift, zum Wort und Ruf Jesu Christi selbst zurückführen. Hier suchen wir aus der Armut und Enge unserer eigenen Überzeugungen und Fragen die Weite und den Reichtum, die uns in Jesus geschenkt sind.
Wir wollen von dem Ruf in die Nachfolge Jesu sprechen. Laden wir damit den Menschen ein neues, schwereres Joch auf? Sollen hier zu all den Menschensatzungen, unter denen Seelen und Leiber seufzen, noch härtere, unerbittlichere hinzugefügt werden? Soll mit der Erinnerung an die Nachfolge Jesu nur noch ein spitzerer Stachel in die beunruhigten und verletzten Gewissen getrieben werden? Sollen hier etwa zum soundsovielten Male in der Kirchengeschichte unmögliche, quälerische, exzentrische Forderungen aufgestellt werden, deren Befolgung wohl ein frommer Luxus einiger weniger sein mag, die aber von dem arbeitenden, um sein Brot, um seinen Beruf, um seine Familie sorgenden Menschen als das gottloseste Gottversuchen verworfen werden müssen? Geht es denn der Kirche darum, eine geistliche Gewaltherrschaft über die Menschen aufzurichten, indem sie eigenmächtig unter Androhung irdischer und ewiger Strafen setzt und befiehlt, was alles ein Mensch zu glauben und zu tun habe, um selig zu werden? Soll das Wort der Kirche neue Tyrannei und Vergewaltigung über die Seelen bringen? Es mag ja sein, dass manche Menschen sich nach solcher Knechtung sehnen. Aber könnte die Kirche jemals einem solchen Verlangen dienen?
Wenn die Heilige Schrift von der Nachfolge Jesu spricht, so verkündigt sie damit die Befreiung des Menschen von allen Menschensatzungen, von allem, was drückt, was belastet, was Sorge und Gewissensqual macht. In der Nachfolge kommen die Menschen aus dem harten Joch ihrer eigenen Gesetze unter das sanfte Joch Jesu Christi. Wird damit dem Ernst der Gebote Jesu Abbruch getan? Nein, vielmehr wird erst dort, wo das ganze Gebot Jesu, der Ruf in die uneingeschränkte Nachfolge bestehen bleibt, die volle Befreiung der Menschen zur Gemeinschaft Jesu möglich. Wer ungeteilt dem Gebote Jesu folgt, wer das Joch Jesu ohne Widerstreben auf sich ruhen lässt, dem wird die Last leicht, die er zu tragen hat, der empfängt in dem sanften Druck dieses Joches die Kraft, den rechten Weg ohne Ermatten zu gehen. Das Gebot Jesu ist hart, unmenschlich hart, für den, der sich dagegen wehrt. Jesu Gebot ist sanft und nicht schwer für den, der sich willig darein ergibt. „Seine Gebote sind nicht schwer“ (1Joh 5,3). Das Gebot Jesu hat nichts zu tun mit seelischen Gewaltkuren. Jesus fordert nichts von uns, ohne uns die Kraft zu geben, es auch zu tun. Jesu Gebot will niemals Leben zerstören, sondern Leben erhalten, stärken, heilen.
Aber noch bedrängt uns die Frage, was der Ruf in die Nachfolge Jesu heute für den Arbeiter, für den Geschäftsmann, für den Landwirt, für den Soldaten bedeuten könne, die Frage, ob hier nicht ein unerträglicher Zwiespalt in das Dasein des in der Welt arbeitenden Menschen und Christen getragen werde. Ist das Christentum der Nachfolge Jesu nicht doch eine Sache für eine gar zu kleine Zahl von Menschen? Bedeutet es nicht ein Zurückstoßen der großen Massen des Volkes, eine Verachtung der Schwachen und Armen? Wird aber nicht gerade damit die große Barmherzigkeit Jesu Christi verleugnet, der zu den Sündern und Zöllnern, den Armen und Schwachen, den Irrenden und Verzweifelnden kam? Was sollen wir dazu sagen? Sind es wenige oder sind es viele, die zu Jesus gehören? Jesus starb am Kreuz allein, verlassen von seinen Jüngern. Neben ihm hingen nicht zwei seiner Getreuen, sondern zwei Mörder. Aber unter dem Kreuz standen sie alle, Feinde und Gläubige, Zweifelnde und Furchtsame, Spötter und überwundene, und ihnen allen und ihrer Sünde galt in dieser Stunde das Gebet Jesu um Vergebung. Die barmherzige Liebe Gottes lebt mitten unter ihren Feinden. Es ist derselbe Jesus Christus, der uns aus Gnade in seine Nachfolge ruft und dessen Gnade den Schächer am Kreuz in seiner letzten Stunde selig macht.
Wohin wird der Ruf in die Nachfolge diejenigen führen, die ihm folgen? Welche Entscheidungen und Scheidungen wird er mit sich bringen? Wir müssen mit dieser Frage zu dem gehen, der allein die Antwort weiß. Jesus Christus, der Nachfolge gebietet, weiß allein, wo der Weg hingeht. Wir aber wissen, dass es ganz gewiss ein über alle Maßen barmherziger Weg sein wird. Nachfolge ist Freude.
Es scheint heute so schwer zu sein, den schmalen Weg der kirchlichen Entscheidung in aller Gewissheit zu gehen und doch in der ganzen Weite der Christusliebe zu allen Menschen, der Geduld, der Barmherzigkeit, der „Philanthropie“ Gottes (Tit 3,4) mit den Schwachen und Gottlosen zu bleiben; und doch muss beides beieinander sein, sonst gehen wir Menschenwege. Gott schenke uns in allem Ernst des Nachfolgens die Freude, in allem Nein zur Sünde das Ja zum Sünder, in aller Abwehr der Feinde das überwindende und gewinnende Wort des Evangeliums. „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“ (Mt 11,28ff.).
Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf heute geht um die teure Gnade.
Billige Gnade heißt Gnade als Schleuderware, verschleuderte Vergebung, verschleuderter Trost, verschleudertes Sakrament; Gnade als unerschöpfliche Vorratskammer der Kirche, aus der mit leichtfertigen Händen bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet wird; Gnade ohne Preis, ohne Kosten. Das sei ja gerade das Wesen der Gnade, dass die Rechnung im Voraus für alle Zeit beglichen ist. Auf die gezahlte Rechnung hin ist alles umsonst zu haben. Unendlich groß sind die aufgebrachten Kosten, unendlich groß daher auch die Möglichkeiten des Gebrauchs und der Verschwendung. Was wäre auch Gnade, die nicht billige Gnade ist?
Billige Gnade heißt Gnade als Lehre, als Prinzip, als System; heißt Sündenvergebung als allgemeine Wahrheit, heißt Liebe Gottes als christliche Gottesidee. Wer sie bejaht, der hat schon Vergebung seiner Sünden. Die Kirche dieser Gnadenlehre ist durch sie schon der Gnade teilhaftig. In dieser Kirche findet die Welt billige Bedeckung ihrer Sünden, die sie nicht bereut und von denen frei zu werden sie erst recht nicht wünscht. Billige Gnade ist darum Leugnung des lebendigen Wortes Gottes, Leugnung der Menschwerdung des Wortes Gottes.
Billige Gnade heißt Rechtfertigung der Sünde und nicht des Sünders. Weil Gnade doch alles allein tut, darum kann alles beim Alten bleiben. „Es ist doch unser Tun umsonst.“ Welt bleibt Welt und wir bleiben Sünder „auch in dem besten Leben“. Es lebe also auch der Christ wie die Welt, er stelle