Das Festival der Magie. Hüte dich vor falschen Zaubern! - Mara Peters - E-Book

Das Festival der Magie. Hüte dich vor falschen Zaubern! E-Book

Mara Peters

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Beschreibung

Echte Freundschaft oder falscher Zauber? Ein Festival der Magie in Starfalls! Penny und ihre beste Freundin Becca können es kaum erwarten, dass all die Zauberkünstler, Fakire und Wahrsager wieder ihre Heimatstadt besuchen. Doch dann geht ein klitzekleiner Wunsch von Penny tatsächlich in Erfüllung - und mächtig nach hinten los! Die zaghafte Becca ist mit einem Mal wie ausgewechselt und auf Streit gebürstet. Dabei hatte Penny sie sich doch nur ein bisschen mutiger gewünscht. Und echte Magie gibt es doch gar nicht! Oder doch? Bald steht ganz Starfalls auf dem Kopf und nur eine kann Penny helfen, um das Chaos wieder geradezubiegen: Becca. Zu blöd nur, dass die genau das Gegenteil im Sinn hat … Rasant und spannend bis zu letzten Seite - dieses magische-Abenteuer über die Macht der Freundschaft ist unvergesslich zauberhaft! Eine packende Geschichte über eine starke Heldin, die für Freundschaft, Fantasie und Freiheit kämpft. Für alle ab 10 Jahren, mit besonderer Lese-Empfehlung für Leser*innen von "Land of Stories" und "Mitternachtsstunde".

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Seitenzahl: 265

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Mara Peters

wurde Mitte der 1970er in eine magische Welt geboren. Bereits mit drei Jahren waren Kaninchen ihre besten Freunde und sie nutzte jede Gelegenheit, um ihren Eltern zu beweisen, dass Magie existiert. Heute verbringt sie jede freie Minute damit, für ihre Mitmenschen Magie real werden zu lassen, indem sie sie mit ihren Geschichten an verzauberte Orte schickt. Sie wohnt mit ihrer Familie und ein paar Kaninchen im Herzen Niedersachsens.

Mara Peters

Das Festival der Magie – Hüte dich vor falschen Zaubern!

 

Ein Verlag in der Westermann Gruppe

 

© 2023 Arena Verlag GmbH

Rottendorfer Str. 16, 97074 Würzburg

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung und Innenvignetten: Bente Schlick | www.benteschlick.com

E-Book-Herstellung: Arena Verlag mit parsX, pagina GmbH, Tübingen

E-Book ISBN978-3-401-81035-5

 

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www.arena-verlag.de

Kapitel 1

»Warte, Penny – was ist mit deinem Frühstück?« Erwartungsfroh hielt mir Mom einen Teller entgegen, als ich die Treppe heruntergaloppierte. Die Pancakes darauf schimmerten verführerisch goldbraun. Mom machte die besten weit und breit, doch heute, heute hatte ich keine Zeit, mich davon verführen zu lassen.

»Später im Mary’s«, rief ich und sauste an ihr vorbei durch die Haustür.

Okay, vielleicht war da eine Sekunde, eigentlich nur eine Viertelsekunde, in der der herrliche Duft der frischen Pancakes und des goldenen Sirups in mir summten. Und ganz, ganz vielleicht hätten sie auch tatsächlich eine Chance gehabt, mich zurück in die Küche zu ziehen.

Aber nicht heute.

Nicht am ersten offiziellen Anreisetag der Zauberer für das Festival der Magie.

Tau glitzerte auf dem Rasen und meine Sneakers wurden nass, als ich zum Carport sprintete und mein Rad herauszog. Die Sonne linste bereits über die Baumspitzen des Stadtparks und überzog alles mit warmem Sommermorgenlicht.

»Guten Morgen, Penny!«, rief mir Mrs Reynolds von gegenüber zu.

»Guten Morgen!«, antwortete ich fröhlich, obwohl ihr Mops Claudette mich schon wieder griesgrämig musterte. Vielleicht hatte der Hund aber auch nur das Warten auf Mr Thon satt. Mr Thon war unser Briefträger und er konnte Claudette nicht leiden. Das lag allerdings ausschließlich an ihrer Größe. Er liebte nämlich Hunde, jedoch vorrangig große. Zum Beispiel irische Wolfshunde, wie sein Stan einer war.

Aber Mrs Reynolds glaubte, dass Liebe alle Grenzen überwinden kann, und hoffte darauf, dass Mr Thon sich endlich mal auf ein Date mit ihr und Claudette einlassen würde … dann … Ich bremste so scharf, dass ich beinahe über den Lenker geflogen wäre.

Überrascht musterte ich den Hydranten, der mir fast zum Verhängnis geworden war. Zur Feier der kommenden Tage hatte er sich in Schale geworfen und trug Zylinder. Besser gesagt: Er war ein Zylinder.

Vermutlich die Idee unseres Bürgermeisters, der ebenfalls ein leidenschaftlicher Zauberkünstler war und sich für das Festival immer wieder kreative Straßendeko einfallen ließ. Während ich die Straße (jetzt ein bisschen umsichtiger) entlangfuhr, zählte ich drei weitere Zylinder und einen weißen Hasen, die ein Doppelleben als Hydranten führten. Der Hase schaute megasüß drein und hatte ein niedliches Näschen. Ich finde, Hasen sind einfach zum Knuddeln! Auch wenn sie einen Job als Hydrant haben.

In meinem Bauch stieg dieses Blubbern auf. Das Vorfreudeblubbern, das Blubbern vor Aufregung, wenn man weiß, dass bald etwas Wunderbares passieren wird. Und weil ich mich so über dieses Gefühl freute, hätte ich um ein Haar das Haus meiner besten Freundin verpasst.

»Penny!« Becca hatte nach mir Ausschau gehalten und winkte aus ihrem Fenster im oberen Stock. »Bin gleich unten!« Sie verschwand im Dunkel des Zimmers. Ich sah kurz auf meine Armbanduhr. Sieben Uhr siebenundvierzig. Alles nach Plan.

Prüfend warf ich einen Blick zum Dach der Veranda, über der Beccas Zimmer lag. Gestern hatten wir sie mit einer Wimpelgirlande geschmückt. Auf den blauen Stoffecken leuchteten gelbe Sternchen. Es war zwar nicht gerade einfallsreich oder besonders eindrucksvoll, aber ich fand, es sah zauberhaft aus. Und, zugegeben, ich hätte die Girlande nur zu gerne bei mir zu Hause aufgehängt. Becca wohnte jedoch näher am Stadtzentrum und hier kamen garantiert mehr Leute vorbei, die das geschmückte Haus sehen würden. Außerdem war Beccas Vater handwerklich eindeutig begabter als meiner. Er nannte nicht nur eine Leiter in ausreichender Höhe sein Eigen, sondern auch das richtige Werkzeug, um die Girlande zu befestigen.

Beccas Nachbarn hatten ihre Häuser ebenfalls dem Anlass entsprechend ausstaffiert. So saßen auf dem Dachfirst nebenan stolze zwölf Eulen, die verknautschte Spitzhüte trugen. Das war sicher Mias Idee gewesen. Mia besuchte mit mir die sechste Klasse und sie war eine totale Vielleserin.

Gegenüber von Becca wohnten die Fairweathers. Ihre Veranda sah aus wie ein Theater und war mit einem samtroten Vorhang behangen, auf dem goldene Sterne glitzerten. Was für eine super Idee!

Bei Mr Mortimer stand ein verspiegelter Schrank im Vorgarten, an dessen Tür ein Schild angebracht war. Darauf stand: Zum Verschwinden bitte eintreten! Nun ja. Mr Mortimer fand das vermutlich witzig.

»Bye, Mom. Bis später.« Becca kam aus dem Haus geflitzt und schnappte sich ihr Rad. Wie jedes Mal prüfte sie, ob das Fahrradlicht funktionierte und genügend Luft auf den Reifen war. Dann zurrte sie ihren Helm fest und kam auf mich zu. »Kann losgehen. Hast du dein Handy?«, fragte sie mich. Ihre Wangen leuchteten und ich konnte ihr ansehen, dass sie mindestens so aufgeregt war wie ich.

Sieben Uhr neunundvierzig.

»Natürlich. Ich hab gestern Abend extra noch die alten Fotos gesichert und gelöscht. Mir sollte der Speicherplatz nicht ausgehen.«

»Super.« Becca grinste und die kleinen rosa Klammern ihrer Zahnspange blitzten auf. »Ich schreib den Blogbeitrag gleich heute Abend.«

Um unsere Begeisterung für die Zauberei mit der Welt zu teilen, hatten wir ein Blog eingerichtet. Bisher war dort noch nicht so viel zu lesen, nämlich nur, dass wir an unserem ersten Auftritt übten. Aber wir wollten unsere Leser mit auf das Festival der Magie nehmen. Da Becca richtig gut im Schreiben war, fiel mir die Rolle der Fotografin zu. Ich machte daher gleich mal einen Schnappschuss von Mr Mortimers Schrank.

»Hatte Mr Mortimer den Spiegelschrank nicht schon vor zwei Jahren mal als Deko?«, fragte ich, als wir losfuhren.

Becca überlegte kurz. »Nein, da hatte er die zersägte Lady und Mias Eltern haben sich über die halbierte Schaufensterpuppe aufgeregt.«

»Ach ja, stimmt!« Bei der Erinnerung daran mussten wir beide schmunzeln. »Hast du Mias Eulen gesehen? Das ist ja schon fast Themaverfehlung.«

»Ach, Penny. Sei nicht immer so streng. Eulen und Zauberei gehören doch schon seit Merlin zusammen.«

»Pfft, Merlin«, murmelte ich. »Das ist doch bloß eine Geschichte. Hast du schon mal einen echten Zauberkünstler mit Eule gesehen?« Aber ich wusste, dass mich eigentlich etwas ganz anderes störte, als dass hier jemand Fantasymagie mit der Kunst der Zauberei verwechselte, wie sie während des Festivals gefeiert wurde. Mich wurmte wie jedes Jahr, dass Mias Eltern das Haus geschmückt hatten – und meine nicht. Und das, obwohl ich für die Zauberkunst brannte und Mia sich nur für ihren Status als beliebteste Sechstklässlerin interessierte. Meine Mom hatte genug damit zu tun, ihr Café am Markt herauszuputzen, und Paps – der wohnte eh auf ’nem anderen Stern. Vermutlich wusste er noch nicht mal, dass an diesem Wochenende das beste, das einzigartige, das absolute Jahreshighlight in Starfalls stattfand. Und dieses Jahr würde ich endlich ein Teil davon sein.

Nebeneinander radelten wir weiter Richtung Stadtplatz. Der Bürgermeister hatte in allen Straßen, die zum Zentrum führten, Lampionketten zwischen den Platanen aufhängen lassen, die mit Sternen, Monden oder Hasen und Zylindern bedruckt waren.

»Oh! Das wird so cool!«, quietschte ich. In mir blubberte es wie im Sprudelbad. Ich liebte all die hübschen Dekorationen, die unsere Stadt in den Ort für Zauberei verwandelten!

Über die Hauptstraße spannte sich ein nachtblaues Banner, das jeden zum Festival der Magie willkommen hieß. Wir stoppten und bestaunten den Stadtplatz. Ich zückte mein Handy und machte eine Panoramaaufnahme von dem Platz, der von kleinen Ladengeschäften, Moms Café, der Bücherei und ein paar knuffigen Wohnhäusern umgeben war.

Mitten in Starfalls war über Nacht eine Zeltstadt aufgebaut worden. Überall leuchteten bunte Stoffbahnen, Wimpel und jede Menge Lichterketten in den Bäumen. Ich freute mich schon, wenn es dunkel wurde und die Lichter diesen Ort der Zauberei so richtig verzaubern würden.

»Guck mal, da!« Becca deutete auf den Musikpavillon, der auf dem Rasen in der Mitte des Stadtplatzes stand.

»Das sieht ja super aus!« Begeistert schob ich mein Rad über die Straße zum Pavillon. Auf seinem Dach war eine Spielkarten-Fontäne angebracht. Die in der Luft erstarrten, unzähligen Karten regneten wie ein Wasserfall herab, teilten sich über dem Eingang und rauschten links und rechts davon zu Boden. Vorsichtig tippte ich eine Karte an und bemerkte, dass sie an durchsichtigen Fäden befestigt war. Jemand hatte sich enorm viel Arbeit gemacht.

In diesem Moment erklang am anderen Ende der Hauptstraße die helle Glocke der Turmuhr.

»Halb neun«, kommentierte Becca zufrieden und setzte sich auf die Stufen des Pavillons. »Wir haben noch richtig viel Zeit, bevor wir in der Schule sein müssen.« Ich nahm neben ihr Platz und wir beobachteten, wie Starfalls erwachte.

Ich liebte unser Städtchen einfach. Wie auf Knopfdruck öffneten nun die Geschäfte, die sich rund um den Platz reihten. Schmucke Häuschen mit orangeroten Backsteinfassaden und weiß gefassten Fenstern und Türen. Die Ladenbesitzer kurbelten bunte Markisen aus und stellten ihre Waren auf den Bürgersteig.

Mr Jakob rollte die Auslage mit Obst vor seinen Supermarkt, Miss Taylor arrangierte Körbe mit ihren handgemachten Seifen aller Art vor dem himbeerrosa Schaufenster. Leeland Henry, ein stämmiger Junge aus der zehnten Klasse, half seinem Vater, einen mannshohen Pappaufsteller auf den Bürgersteig zu wuchten. Normalerweise stand vor seinem Bistro ein Kellner aus Pappe, der zum Brunch einlud. Für das Festival der Magie hatte Mr Henry einen extra Aufsteller: einen Zauberer mit echtem Mantel und Zylinder.

Ich spähte hinüber zum Mary’s, wo Mom bereits die gestreifte Markise ausgekurbelt hatte und gerade die weißen, verschnörkelten Stühle vor dem Café aufstellte, damit ihre Kunden in der Morgensonne sitzen konnten.

Wann hatte Mom uns denn überholt? Aber da zupfte mich Becca schon am Ärmel und deutete zur Bücherei. Auf dem Vorplatz, der an normalen Tagen für die Fahrräder der Bücherfreunde vorgesehen war, parkte nun ein Pick-up und zwei der McCallum-Brüder entluden Bühnenbretter.

»Bühne Nummer eins.« Becca klatschte aufgeregt in die Hände.

Schon seit Monaten übten wir unsere Tricks und nun war es in ein paar Tagen so weit. Ich behaupte: Wir waren gut. So gut, dass uns der Bürgermeister eine Viertelstunde auf einer der Bühnen gewährt hatte.

Ich zeigte auf die andere Seite des Platzes, gleich neben Moms Café, denn dort hielt mit quietschenden Bremsen ein zweiter Pick-up. Der älteste der McCallum-Brüder und sein Vater stiegen aus und hievten weitere Bretter von der Ladefläche. »Bühne Nummer zwei«, meinte Becca.

»Unsere Bühne!« Wir schauten uns an und in meinem Bauch wirbelte erneut das Aufgeregtheitsblubbern herum.

In zwei Tagen würden wir auf dieser kleinen Bühne stehen und als Nachwuchszauberkünstlerinnen unsere Tricks vorführen. Ich konnte es kaum mehr erwarten und hätte am liebsten die Zeit vorgedreht. Bei Becca war ich mir da nicht so sicher. Sie war plötzlich ganz blass um die Nase und schien ziemlich nervös. Hoffentlich bekam sie keine kalten Füße.

»Meinst du, uns werden viele Leute zugucken?«

»Na klar! Deine Familie, meine Familie, unsere Freunde, die ganze Klasse und natürlich die Nachbarschaft«, zählte ich an den Fingern ab.

»Und wenn wir uns blamieren?«

Ich lachte, zupfte an einer ihrer blonden Haarsträhnen und hielt ihr einen Nickel hin, der mir in die Hand gefallen war. »Dann geben wir ihnen das Eintrittsgeld zurück.«

Lachend nahm sie mir die Münze ab, warf sie in die Luft, fing sie und als sie die Hand öffnete, lag nichts darin.

»Siehst du. Wir müssen uns keine Sorgen machen.« Ich hob die Hand für ein High Five und sie klatschte ab.

»Wer als Erstes einen der Gastmagier entdeckt, bekommt bei Mary’s einen Milchshake«, schlug sie vor und gab mir die Münze zurück.

»Deal«, nahm ich die Wette an.

Wieder läutete die Turmuhr, die hinter dem schmucken Rathaus in einem Rapunzelturm über dem Stadtplatz thronte, diesmal zur vollen Stunde. Pünktlich mit dem Glockenschlag kam Leben auf die Straßen. Autos fuhren vorbei und Passanten spazierten an den hübschen, altmodischen Häuserfassaden entlang, manche schlenderten voll Muße, andere waren offensichtlich auf dem Weg zur Arbeit und in Eile.

»Hab einen!«, jubelte Becca und deutete zum Mary’s.

Mom reichte gerade einem Herrn, der in der Morgensonne Platz genommen hatte, die Speisekarte.

Mein Herz machte vor Aufregung einen Salto. »Wer ist das?« Er sah herrlich schick aus. Ganz nach alter Tradition trug er einen dunklen Frack, sein Zylinder lag auf dem Tisch und über einem Stuhl hing sein Zauberumhang. Er hatte die Augen geschlossen, ließ sich die Sonne in sein blasses Gesicht scheinen und zwirbelte dabei die Enden seines Barts.

Becca zerrte das Notizbuch aus ihrem Rucksack und wir steckten die Köpfe zusammen. In dieses Buch hatten wir Steckbriefe aller Zauberkünstler eingeklebt, die je beim Festival zu Gast gewesen waren.

»Das muss Mr Diamonds sein«, stellte Becca fest und hielt die aufgeschlagene Seite mit seinem Foto so, dass wir direkt vergleichen konnten.

Jepp – derselbe Zwirbelbart und ein klassisches Outfit. »Du hast recht. Hier steht, er hat letztes Jahr den zweiten Platz beim magicMagic gemacht. Das ist doch ein internationaler Wettbewerb. Wie cool!«

»Seine Karten lösen sich in Rauch auf«, las Becca von unseren Notizen vor.

»Ich schulde dir einen Shake«, gab ich zu.

Becca schaute auf. »Jetzt?«

»Na sicher. Ein Shake geht doch immer.« Ich sah zu Mr Diamonds. »Und vielleicht … vielleicht zeigt er uns ja einen Trick.«

In Zeitlupe fuhren wir zu Moms Café hinüber, den eleganten Zauberer fest im Blick. Wir stellten die Fahrräder ab und schlichen auf den Eingang des Cafés zu. Voll unauffällig – wie eben Fangirls beim Anhimmeln eines Stars so sind. Ich war wirklich soooo aufgeregt, einen so berühmten Zauberer bei Mom im Café zu treffen.

Wir gingen an ihm vorbei, aber er bemerkte uns nicht. Jedenfalls machte er keine Anstalten, seine Sonnenanbetung zu unterbrechen

»Hey, Mom«, begrüßte ich meine Mutter, als wir ihr lauschiges Café betraten. Sie hatte Stühle, Tische, Tresen und Wandverkleidung in Pastellfarben gestrichen und seltsamerweise sah das überhaupt nicht kitschig aus, sondern einladend und gemütlich. In jeder Nische stand eine Grünpflanze, es gab viele bunte Kissen und es duftete nach Kakao, Schlagsahne, Marshmallows und Kaffee.

»Penny?« Überrascht tauchte sie hinter dem Tresen auf, wo schon die Kaffeemaschine dampfte. Aus der Küche wehte das Aroma von frischen Waffeln zu uns herüber. »Guten Morgen, ihr zwei. Wie kann ich helfen?« Sie warf mir einen kritischen Blick zu. »Doch nicht etwa Hunger?«

»Penny schuldet mir einen Shake«, verkündete Becca und zog sich auf einen mintfarbenen Barhocker vor dem Tresen.

»Wettspiele? Und das so früh am Morgen?« Tadelnd sah Mom mich an.

»Nur, wer den ersten Magier sieht.«

Mom nickte lächelnd. Sie wusste natürlich, dass Becca und ich die größten Magiefans von ganz Starfalls waren. Vor zwölf Jahren hatte unser Bürgermeister das erste Mal Zauberkünstler des ganzes Landes in unser Städtchen eingeladen. Becca und ich waren sozusagen in diese Zaubertradition hineingeboren.

»Zweimal Erdbeere, wie immer?«, fragte Mom, während sie bereits alle Zutaten in den Mixer warf. Sie hätte nicht fragen müssen, sie kannte uns eben.

»Sehr gerne.« Becca strahlte und drehte sich auf dem Hocker hin und her. Ich setzte mich neben sie und beobachtete durchs Fenster Mr Diamonds.

»Penny?« Meine Mutter stellte eine Tasse Espresso vor mir auf dem Tresen ab. »Sei so gut und bring das raus. Bitte kassier auch gleich ab.« Sie legte das große Kellnerportemonnaie daneben. »Und lass dich nicht täuschen.«

Empört schüttelte ich den Kopf. »Zauberer sind die ehrlichsten Leute überhaupt!«

»Na sicher.« Mom zwinkerte mir zu, verschwand in der Küche und ich hörte das Waffeleisen zischen.

Beccas Blick sprang nervös zwischen dem Espresso und Mr Diamonds hin und her. »Oh Mann, traust du dich das?«, murmelte sie.

»Ach, der ist bestimmt total nett.« Ich schob ihr die Tasse hin. »Willst du mitkommen?«

»Was? Ich soll? Neeeneenee!«, quiekte sie so laut, dass der Magier vor dem Lokal tatsächlich zusammenzuckte. Becca ließ sich vom Hocker gleiten und tat, als wäre ihr etwas heruntergefallen. Typisch Becca.

»Du, Becca, wenn wir auf der Bühne stehen – da bist du dann aber nicht so schüchtern, okay? Besonders wenn zum Beispiel Mr Diamonds zuguckt?«

Mit großen Augen sah sie zu mir hoch. »Oh Shit. Da hab ich noch gar nicht drüber nachgedacht! Meinst du, so berühmte Magier gucken uns zu?«

Ich nahm das Portemonnaie und den Espresso. »Hör auf, dir so ’nen Kopf zu machen. Wir sind gut. Wir schaffen das.« Ich brachte den Espresso hinaus.

Inzwischen war Starfalls ziemlich wach. Die Händler für Zaubereibedarf begannen, ihre Stände rund um den Pavillon auf dem Rasen aufzubauen. Cedric, die selbst ernannte rechte Hand des Ordnungsamts, streifte zwischen den Buden umher und nahm immer wieder Maß, vermutlich um zu überprüfen, ob die Abstände eingehalten wurden.

Mr Diamonds saß zurückgelehnt im Stuhl in der milden Morgensonne. »Mr Diamonds? Ihr Espresso.«

Der Mann sah erfreut auf und zwirbelte seinen Bart. »Vielen Dank, Miss.«

Verlegen hob ich das Portemonnaie. »Meine Mom sagt, ich soll auch gleich abkassieren.«

»Natürlich.« Er zog einen Schein aus der Innentasche seines Jacketts und ich öffnete das Portemonnaie, um das Wechselgeld herauszusuchen. Da lachte er und wedelte mit dem Geldschein vor meiner Nase.

»Nicht doch«, meinte er. »Stimmt so.« Und statt des Scheins – der sich plötzlich in Rauch auflöste – prasselten Münzen in mein Portemonnaie.

»Wow! Das war cool!« Begeistert nahm ich eine Münze und betrachtete sie von allen Seiten. Sie war offensichtlich echt.

»Vielen Dank.« Er nickte lächelnd. »Interessierst du dich für Zauberei?«

Hektisch nickend kiekste ich ein »Ja, und wie!«.

»Na, dann sehe ich dich später bei meiner Show?«

»Aber sicher!« Wie konnte er nur fragen – ich wollte am liebsten alle Shows sehen!

»Gut. Denn fähige Assistentinnen kann ich immer gebrauchen.«

Ich musste mehrmals blinzeln, bis ich begriff, was er gesagt hatte. »Oh … Das … Ich darf auf die Bühne? Zu Ihnen?«

Er nickte.

»Das ist … Danke!«

Strahlend hüpfte ich zu Becca ins Café, die uns offenbar die ganze Zeit beobachtet hatte. Sie riss mir sofort das Portemonnaie aus der Hand. »Das Geld war nicht echt. Oder? Wie viel muss da drin sein?« Sie schüttete das Wechselgeld auf den Tresen und nahm jede Münze unter die Lupe.

Ich nannte ihr das Wechselgeld, das Mom immer Anfang des Tages hineinlegte, und den Preis des Espressos.

In Blitzgeschwindigkeit hatte Becca die Münzen durchgezählt. »Du hast zwei Dollar Trinkgeld!« Sicherheitshalber biss sie auf eine besonders glänzende Münze. »Echte zwei Dollar, wie es scheint. Das war ein sehr cooler French Drop, wetten?«

»Mit einer kleinen Rauchkapsel und … einer Einladung zu seiner Show.« Noch immer grinste ich von einem Ohr bis zum anderen.

Becca starrte mich mit offenem Mund an. »Eine Einladung?«

»Stell dir vor, er will mich als Assistentin auf die Bühne holen!«

»Woah, wie cool! Vielleicht findest du raus, was das für eine Rauchkapsel war.« Becca spähte hinaus zu Mr Diamonds, als würde sie hoffen, er würde die Kapseln offen auf den Tisch legen.

»Klar finde ich das raus! Und dann besorgen wir uns die auch, für unsere Show!«

Plappernd über mögliche coole Gadgets leerten wir unsere Shakes, denn es wurde Zeit für die Schule.

Kapitel 2

An unserer Schule sind wir vierhundertsechsundfünfzig Schüler. Und wenn die Magier zu uns in die Stadt kommen, sind wir oft neun oder zehn mehr, denn die Kinder der Zauberkünstler sind dann für eine Woche bei uns Gast.

Dieses Jahr hatten wir gleich vier Gastschüler in unserer Klasse. Mrs Botter, unsere Klassenlehrerin, hatte uns vor einigen Wochen gefragt, wer gerne Pate für einen Gastschüler sein würde. Ein Pate soll sich um den Gast kümmern, ihm helfen, sich in der Schule zurechtzufinden, oder etwas im Unterricht erklären, falls er den Stoff nicht kennt. Schlicht und einfach: ihm ein hilfsbereiter und netter Gastgeber sein.

Keine Frage: Ich hatte mich sofort, also wirklich sofort, gemeldet. Denn wenn deine Familie im Zaubergeschäft ist, dann bist du es als Sprössling sowieso. Wem immer ich also als Patin zur Seite stehen durfte, würde mir sicher ein paar Blicke hinter die Kulissen geben können. Deshalb konnte ich es jetzt gar nicht abwarten, bis Mr Mouse, unser Direktor, endlich unsere Gastschüler in die Klasse brachte.

Mrs Botter hatte eben verkündet, wen wer betreuen sollte, und nun saß ich zitternd vor Aufregung an meinem Platz. Ich hatte das große Los gezogen!

Luke Rabano sollte mein Patenschüler sein.

Luke Rabano – der Sohn des großen Rabano! DER berühmteste und unglaublichste Zauberer unserer Zeit! Er ließ ganze Gebäude verschwinden!

»Jetzt komm mal wieder runter, Penny«, zischte mir Becca zu.

Aber mein Puls raste und ich rutschte so zappelig auf meinem Stuhl hin und her, dass ich schon drei Mal fast runtergefallen war. Becca hingegen blieb wie immer konzentriert und organisiert. Sie hatte sich ja auch nicht als Patin gemeldet.

Dann endlich öffnete sich die Klassenzimmertür.

Zuerst trat ein Mädchen ein. Dünn wie ein Grashalm, hell wie das gleißende Licht der Mittagssonne. Zur Begrüßung neigte sie nur leicht den Kopf und streckte wie in Trance ihre Hand hinter sich. Ein Junge, weniger Grashalm, aber genauso blass und blond, folgte ihr, nahm ihre Hand und musterte uns skeptisch.

»Die Zwillinge Sinisa und Damian Shamanato«, flüsterte Mia ehrfürchtig. Natürlich hatte auch sie sich als Patin gemeldet. Kein Projekt, kein Planungskomitee ohne sie. Sie sollte Sinisa während der Woche durch die Schule helfen. Ich finde, die beiden passten zusammen: Sinisa wirkte so prinzessinnenhaft, wie Mia sich immer aufführte. Damian setzte sich zu Levin. Ich glaube, Levin hatte sich nur als Pate gemeldet, um Mia zu beeindrucken. Jeder wusste, dass er in sie verknallt war. Und er freute sich wie Bolle, dass er nun den Zwilling von Mias Schützling abbekommen hatte, denn so würde er viel Zeit mit Mia verbringen.

Hinter Damian kam ein breiter Junge durch die Tür, er kaute schmatzend auf einem Kaugummi und sah sich herausfordernd in der Klasse um. Das war Thomas Bubkostji. »Nennt mich Bubbo!«, knurrte er und tat, als sei er Hulk. Breitbeinig marschierte er zu Steven, seinem Paten, der etwas eingeschüchtert auf seinem Stuhl zusammensackte und Mrs Botter einen Hilfe suchenden Blick sandte.

Nun stand nur noch Mr Mouse neben der Tür und wartete geduldig auf unseren vierten Gast. Ich hielt den Atem an. Luke Rabano. Sohn des fantastischen, des grenzenlosen Rabano! Eines musste man ihm schon mal lassen: Gutes Timing für einen effektvollen Auftritt hatte er drauf. Die ganze Klasse starrte gebannt zur Tür. Da endlich betrat er die Klasse.

Echt jetzt?

In der Klasse wurde es ungewöhnlich still. Ich vermute, aus Schock. Nicht aus Ehrfurcht vor dem großen Namen oder weil wir alle so beeindruckt von Lukes Erscheinung waren.

Oder doch …?

Ich war beeindruckt von seiner Erscheinung. Allerdings nicht, weil er meine Vorstellung von einem glamourösen, selbstsicheren und charismatischen Zauberkünstlersohn übertraf, sondern weil … na ja, er keine meiner Erwartungen erfüllte.

Seine schwarzen Haare hingen ihm wie ein schwerer Vorhang bis übers Kinn, das auf seiner Brust lag, sodass man nichts von seinem Gesicht sah. Die schmalen Schultern hochgezogen, schlurfte er in staubigen Turnschuhen zum Platz neben mir. Er trug den dreckigsten Mantel, den man sich vorstellen konnte. Der schwarze Stoff wirkte, als hätte sich Luke Rabano damit zu Fuß durch die letzte Tornadosaison gekämpft und ihn anschließend bei einer Saharadurchquerung getragen, denn als er sich setzte, rieselte Sand aus dem abgetragenen Stoff.

Ungelogen! Echt. Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen!

Genauso wie irgendetwas seltsam Schleimiges aus seinen Haaren tropfte und im Mantel versickerte.

Auch das hab ich genau gesehen! Ich habe ihn nämlich die ganze Stunde nicht aus den Augen gelassen. Ich habe ihn angestarrt.

Fassungslos und schockiert.

Das war mein Schützling?

Ihn sollte ich durch die Schule begleiten?

Er hatte niemandem Hallo gesagt, als er unsere Klasse betreten hatte. Nicht mal Mrs Botter hatte er gegrüßt.

Und ich hatte nur einen einzigen Gedanken im Kopf:

Nein.

Nein, nein, nein.

Neinneinneinneinneinneinnein!

 

Sogar als es schon längst zur Pause geklingelt hatte, saß ich noch immer auf meinem Platz und starrte Luke ungläubig an. Während der gesamten Stunde hatte er sich nicht bewegt. Mit artig auf dem Tisch gefalteten Händen (die übrigens in weißen – na ja, ehemals weißen – Handschuhen steckten) saß er kerzengerade da, das Gesicht hinter dem Haarvorhang verborgen.

Hilfe suchend glitt mein Blick zu Becca. Was mach ich denn jetzt mit diesem seltsamen Typen?

Becca zuckte ebenso ratlos mit den Schultern.

Na gut. Was soll’s, dachte ich. Seit wann scherst du dich um Äußerlichkeiten, Penny? Oder um Höflichkeit wie ein nettes Hallo? Gib ihm eine Chance! Wer weiß, wann er angekommen ist? Wer weiß, von wo er mit seinem Vater angereist ist …?

»Ähm. Hey. Hi. Ich bin Penny …«, stellte ich mich zögerlich vor.

Schweigen.

Er hob noch nicht mal den Kopf.

»Also … Willkommen.«

Nichts.

Letzter Versuch. »Also ich … ich bin deine … also … wenn du ’ne Frage hast …«

Er zeigte echt gar keine Regung. Nur Sand rieselte leise von ihm runter auf den Boden.

Ich beugte mich vor, um hinter seine Haare zu sehen, doch der Haarvorhang war zu dicht. Keine Chance.

So langsam wurde ich sauer. »Na gut. Verstehe. Der Sohn des großen Rabano spricht nicht mit uns. Wir sind also unter deinem Niveau. Klasse. Gut. Dann sande doch alleine vor dich hin. Wir gehen.« Damit sprang ich auf und zog Becca mit mir.

Was für ein arroganter Schnösel!

Ich war plötzlich einfach nur sauer! Ich hatte mir so viele Hoffnungen gemacht. Ich hatte davon geträumt, einen echten Zauberkünstler zu treffen, vielleicht ein paar Tricks zu lernen … und das Magiefestival aus einer anderen Perspektive zu erleben.

Aus der Traum.

»Bubbo wäre aber auch nicht besser gewesen«, versuchte Becca, mich zu trösten, und beobachtete, wie Bubbo den armen Steven auf dem Schulhof über seinem Kopf wie einen Propeller kreisen ließ. Sehr zur Belustigung einiger Mädchen aus der Siebten.

»Ich hab mich einfach zu sehr in den Wunsch verrannt, mich mit einem Zauberkünstler anzufreunden. Der uns vielleicht auch mal Backstage mitnimmt. Und … echt – Rabano! Das war einfach zu großartig, um wahr zu sein! Zu gerne hätte ich dem mal über die Schulter geguckt.«

Aus der Ferne sahen wir, wie Mia mit ihren Zauberzwillingen angab, die bereitwillig simple Tricks mit Münzen und Ohren zum Besten gaben und einige staunende Schüler verzauberten.

Als wir nach der Pause ins Klassenzimmer zurückkehrten, war Luke weg. Nur ein Häufchen Sand bezeugte, dass er da gewesen war. Zum Glück hatten wir eine Doppelstunde Chemie. Aber selbst mein Lieblingsfach konnte meine Laune nicht wirklich verbessern.

Kapitel 3

Mrs Botter gab uns keine Hausaufgaben auf, schließlich begann heute das Festival. Und auch wenn nicht alle Schüler so zaubereibegeistert waren wie Becca und ich – heute hatte niemand Zeit für Kolumbus und Pythagoras.

»Wohin wollen wir zuerst?«, fragte ich, als wir auf den Stadtplatz einbogen. Nicht nur Zauberkünstler kamen für die magische Woche nach Starfalls. Auch Händler, die dem Publikum von einfachen Scherzartikeln bis hin zu Kinderzauberkästen ein Stück Zauberei verkaufen wollten, hatten ihre Buden aufgestellt. Es war inzwischen eine richtige kleine Zauberstadt entstanden – dank Cedric in korrektem Abstand zu den Rosenbüschen, die den Stadtplatz umrahmten. Mit leuchtenden Augen musterte ich das bunte Treiben.

Becca und ich parkten die Räder bei einer der Platanen am Rand und tauchten in das fröhliche Getümmel ein. Das Festival von Starfalls zog Magiebegeisterte von nah und fern an, die die Auftritte sehen wollten. Und so herrschte bereits am frühen Nachmittag Andrang vor den Ständen. Ich knipste Bilder für unseren Blog, während Becca die Fingerfallen und Lachsäcke in einer der bunten Buden musterte.

»Da, guck mal.« Sie hielt ein Päckchen Bonbons hoch. »Die sollte ich Charlie schenken.«

Beccas kleiner Bruder Charlie war ein gefräßiger Langfinger. Alle paar Tage musste sie sich ein neues Versteck für ihre Süßigkeiten ausdenken, denn Charlie hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Becca um sämtliche Naschwaren zu bringen. Hartnäckig suchte er in sämtlichen Ecken und fand wirklich jedes Versteck.

»Die schmecken nach Knoblauch und Senf und so Sachen. Und das Allerbeste«, sie grinste mich schadenfroh an, »sie färben die Zunge von dem kleinen Monster.«

Ich grinste zurück. »Dann kann der Dieb nicht mehr leugnen, dich bestohlen zu haben.«

»Genau!« Während sich Becca an den Händler wandte, um die Tüte Bonbons zu kaufen, sah ich mich um. Direkt neben dem Pavillon, von dem die Spielkarten herunterregneten, stand inzwischen eine dritte Bühne. Sie war die kleinste der drei. Wie auch bei den anderen beiden war auf dem Podest ein mannshoher Rahmen befestigt, vor dem ein dunkelroter Samtvorhang hing. Die Seiten waren durch schwarze Stellwände flankiert, damit das Publikum den Zauberer nicht hinter dem Vorhang beobachten konnte.

Momentan fand keine Zaubershow statt, dennoch hatte sich eine Menschentraube vor der Bühne gebildet. Eine Frau saß auf dem Rand des Podests und knotete Ballontiere. Mit einem Seufzen verdrehte ich die Augen. Ballontiere waren definitiv keine Zauberkunst. Gerade wollte ich mich abwenden, da ließ die Frau, die schlicht in Jeans und T‑Shirt gekleidet war, einen Ballonvogel aus ihrer Hand emporsteigen. Mir klappte der Mund auf, als der verknotete Luftballon höher und höher stieg, mit seinen wulstigen Ballonflügeln schlug und über den Köpfen kreiste. War da Helium drin? Oder eine Minidrohne?

Ich kniff die Augen zusammen, um gegen den strahlend blauen Himmel besser sehen zu können. Gegenlicht! Immer eine gute Option, um einen Mechanismus zu verschleiern. Plötzlich platzte der Ballonvogel und Konfetti regnete auf die Zuschauer herab. Die Frau lachte, sprang von der Bühne, verbeugte sich und tauchte in der Menge unter. Stirnrunzelnd überlegte ich, wie der Trick funktionieren mochte. Auf jeden Fall war ihr Auftreten ein Teil davon: das schlichte Outfit, der Platz am Rand der Bühne – all das hatte den Eindruck von etwas Zufälligem und Simplem kreiert. Doch der Flugtrick war alles andere als einfach. Zu blöd, dass ich kein Foto gemacht hatte. Aber ich nahm mir vor, sie für unseren Blog zu interviewen.

Ein paar Schritte weiter wurden Mäntel und Zylinder für klassische Zauberer angeboten. Ich mochte diesen altmodischen Look total. Zu unserer Vorführung hatte ich mir deshalb auch einen Zylinder und einen langen schwarzen Mantel besorgt. Becca meinte, ich sähe damit eher so aus wie Belle, die sich in Dracula verwandeln wollte. Ich fand es ein wenig nervig, wenn sie mich mit Disneyprinzessinnen verglich, schließlich eiferte ich David Blaine oder Shin Lim nach.

Becca stand aber nun mal auf Prinzessinnen und sie wäre am liebsten wie Arielle. Deshalb glitzerte ihr Bühnenoutfit türkis und sie hatte sogar versucht, ihre blonden Haare rot zu tönen, aber darüber reden wir besser nicht …

»Willst du deine Sammlung erweitern?« Becca war neben mich getreten und zog zielsicher einen pinkfarbenen Zylinder aus dem Stapel. Sie setzte ihn sich probehalber auf und sah mich fragend an.

Ich hob mein Handy und schoss ein Foto von ihr. »Wenn du deine Soloshow hast – perfekt!«, murmelte ich. Auch wenn mich die Ballontierfrau mit ihrem Alltagslook beeindruckt hatte – ich stand einfach auf Zylinder und Zauberumhänge. Allerdings nur in Schwarz und Rot. Bestenfalls noch Dunkelblau. Aber sicher nicht Pink.

»Was ist das?« Hastig legte Becca den Zylinder zurück und zog mich mit sich. »Das gab es letztes Mal nicht, oder?«

Zuerst wusste ich gar nicht, was sie meinte, doch als sie mich durch den Strom der Besucher gezerrt hatte, standen wir vor einem nachtblauen Zelt. Es war nicht viel größer als ein Auto und über dem Eingang baumelte ein Holzschild. Darauf war in geschwungenen Lettern Madame Fu geschrieben.

Beccas Augen leuchteten. »Eine Wahrsagerin!«

»Sieht ganz danach aus«, grummelte ich wenig begeistert. »Willst du etwa reingehen?«

»Na klar!« Und schon war sie zwischen den Stoffbahnen verschwunden.

»Ach, Becca. Die zieht dir nur das Geld aus der Tasche!« Missmutig starrte ich das Holzschild an. Bei Zauberei ging es darum, den Menschen einen Trick zu zeigen, von dem sie wussten, dass es ein Trick war. Der Spaß daran war, den Trick so verblüffend zu gestalten, dass das Publikum nach Hause ging, unablässig darüber rätselnd, wie er wohl funktionierte. Meiner Meinung nach ist es nicht das Ziel eines Zauberers, sein Publikum glauben zu machen, dass er Märchenbuchmagie beherrscht. Aber Wahrsagerinnen, die sich Madame Fu nannten, taten genau das: Sie gaukelten den Leuten vor, dass sie tatsächlich übersinnliche Fähigkeiten hatten, und belogen die Leute.