Das Geheimnis der Megalithkulturen. Stonehenge, Menhire, Großsteingräber - Wolfgang Korn - E-Book

Das Geheimnis der Megalithkulturen. Stonehenge, Menhire, Großsteingräber E-Book

Wolfgang Korn

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Beschreibung

Ob Stonehenge, Carnac oder Malta – die geheimnisvollen Bauten der Megalith-Zeit zählen zu den größten Rätseln der Menschheitsgeschichte. Von Irland bis in die Türkei, von Rügen bis Sardinien sind die steinzeitlichen Dolmen, Menhire, Ringtempel und Hünengräber über ganz Europa verteilt. Doch warum türmten die Menschen des Neolithikums gewaltige Felsblöcke aufeinander, die bis heute die Landschaft prägen? Wie war es möglich, die tonnenschweren Massen zu bewegen? Und wer waren ihre Erbauer? Der renommierte Wissenschaftsjournalist und Historiker Wolfgang Korn erzählt auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse von Entstehung, Vielfalt und Bedeutung dieser faszinierenden Monumente.

  • Mega-Geschichtsthema! Von der Steinzeit bis zu Keltischen Kulturen
  • Mega geheimnisvoll: die Kultstätten geben der Wissenschaft immer noch Rätsel auf

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Wolfgang Korn

Das Geheimnis derMegalithkulturen

Stonehenge, Menhire, Großsteingräber

Anaconda

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind imInternet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2024 by Anaconda Verlag, einem Unternehmender Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Adobe Stock / Andy Lee/Stocksy

Umschlaggestaltung: Druckfrei. Dagmar Herrmann, Bad Honnef

Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus

ISBN 978-3-641-31985-4V001

www.anacondaverlag.de

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung: Hinkelsteine, Hünengräber und Henges

II. Deutungen: Von Gigantengräbern zu germanischen Gotteshäusern

III. Anfänge am Atlantik (I): Wann entstanden die ersten Megalithbauten?

IV. Anfänge am Atlantik (II): Waren die ersten Megalithiker Jäger, Hirten oder Bauern?

V. Das Buch der Dolmen, Ganggräber und Hünenbetten

VI. Das Buch der megalithischen Kultgräber und Tempelbauten

VII. Das Buch der Hinkelsteine: Menhire, Cromlechs und Alignements

VIII. Das Buch der Henge-Monumente: Gräber, Kultstätten oder Observatorien?

IX. Die Untergänge der Megalithkulturen und das Weiterleben ihrer Monumente

X. Was können wir über den Sinn und Zweck der Megalithkulturen wissen?

Literatur und Quellen

Register

Bildnachweis

I. Einleitung: Hinkelsteine, Hünengräber und Henges

Wie das Tor zu einer anderen Welt wirkt der Dolmen von Poulnabrone in Irland. In der Grabkammer des zwischen 3800 bis 3200 v. Chr. errichteten Portaldolmens entdeckten Archäologen die Überreste von 20 bis 30 hier bestatteten Menschen.

II. Deutungen: Von Gigantengräbern zu germanischen Gotteshäusern

Der Riese Merlin errichtet Stonehenge. Buchmalerei aus dem 14. Jahrhundert zum Versroman »Roman de Brut« des Normannen Wace.

Rügen im Mittelalter. Dass auf Rügen Hunderte von Steingräbern standen, konnten sich die Bewohner nur damit erklären, dass sie von Riesen errichtet worden waren. So soll sich auf dem Riesenberg – wie der Name schon sagt – die steinerne Grabstätte eines Riesen befunden haben, berichtet Alfred Haas in seiner Sagen- und Märchensammlung: »Die Steine, die den Nobbiner Steinkreis bilden, sind von einer Riesin in der Schürze vom Strand auf das hohe Ufer hinaufgetragen worden, an der Schürze waren seidene Fäden als Bänder.« Und das Großsteingrab bei Sassnitz, an dessen Westende zwei große Ecksteine standen, wurde als das Grab zweier Riesenkinder, die im nahe gelegen See ertranken, gedeutet.

»Teufelsbackofen« wird ein Dolmen mit umringendem Steinkreis im Everstorfer Forst westlich von Wismar genannt. Laut Überlieferung wurde an dieser Stelle ein Riese, der dort wohnte und den Bauern die Felder vernichtete, von den Einheimischen im Schlaf begraben. Nach diesem ersten Begräbnisversuch wachte er jedoch wieder auf und setzte sein Zerstörungswerk fort. Erst als die Bauern die schweren Steine des Dolmen über den begrabenen Riesen zogen, blieb er im Erdreich verborgen.

»Sicher ist es, dass diese Steindenkmäler nicht von Menschen unserer Gestalt und auch nicht von Einheimischen errichtet wurden«, führte der Bentheimer Forscher und Theologe Johan Picardt 1660 aus, »Diese besaßen nicht die Kraft und die Handfertigkeit, solche gewaltigen Prachtbauten zu errichten, auch hatten sie keine Maschinen oder Instrumente, um solche schweren Steine von weither durch unwegsames Gelände zu transportieren und schließlich übereinander zu stapeln, da diese Steine sehr groß und schwer waren. Es ist vorgekommen, dass eine Kompanie Soldaten versucht hat, einen der oberen Steine zu bewegen, bzw. herunterzuwälzen, aber trotz der Anstrengungen dieser 150 Mann rührte sich dieser Stein nicht von der Stelle. Sie sind alle zusammen Begräbnisplätze von grausamen und barbarischen Riesen, Hünen oder Giganten, den Nachkommen von Menschen schrecklicher Gestalt, riesigen Kräften und tierischer Wildheit, die weder Gott noch die Menschen gefürchtet haben, die nur geboren waren zum Unglück des menschlichen Geschlechts.«

Nur Riesen, diese Auffassung teilte auch der dänische Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus, wären in der Lage, diese Bauwerke zu errichten.

»Stehende Steine« wurden die jahrhundertelang aus dem Hügel von Hagar Qim herausragenden einzelnen Megalithen von den späteren Bewohnern Maltas genannt. Sie wurden zuerst 1647 von Giacomo ­Abela, dem Vizekanzler des Johanniterordens, in seiner »Discrittione di Malta« beschrieben. Seiner Meinung nach waren die ersten Bewohner Maltas Giganten, Nachkommen der Zyklopen Siziliens. Denn nur Giganten wären in der Lage gewesen, diese Bauwerke zu errichten.

Die Stahlskulptur im Steingarten von Hösseringen erinnert an die Sagen von »Hünen«gräbern, die von Riesen errichtet wurden.

Beim Bau von Stonehenge schließlich soll der Zauberer Merlin persönlich beteiligt gewesen sein. Allein der Name des Steinkreises zeigt das alte Interesse für ihn – »Stonehenge« geht zurück auf die altenglischen Worte »Stan« (Stein) und »hengues/h-eng-es« (hängen): hängende Steine. Das erste Mal berichtete 1130 der Geistliche Henry von Hun-tington in seiner »Geschichte von England« über Stonehenge, ziemlich sachlich: »In Stanenges wurden Steine von erstaunlicher Größe in der Art von Toren errichtet, sodass Tor hinter Tor sich erhebt. Niemand kann sich vorstellen, wie solch gewaltige Steine in die Höhe gehoben wurden, oder warum man sie dort aufgestellt hat.«

Sein Bericht löste eine Vielzahl von Theorien aus, darunter die weitreichende von Geoffrey von Monmouth. In seiner 1136 erschienenen »History of the Kings of Britain« (Geschichte der Könige von England) behauptete er, der Zauberer Merlin habe die Monolithen als Grabmal für König Artus errichtet. Der Steinkreis, den er »Chorea Gigantum«, Tanz der Riesen, nannte, sollte demnach um 500 n. Chr. erbaut worden sein. In dieser Zeit kämpften die Briten unter Aurelius Ambrosius und dessen Bruder Uther Pendragon, dem Vater des legendären Königs Artus, gegen die verhassten Angelsachsen, die von Hengist geführt wurden. Hengist lockte im Jahr 460 britische Adelige unbewaffnet zu einer Friedensverhandlung, um sie hinterrücks ermorden zu lassen. Nachdem Ambrosius das Heer von Hengist besiegt und diesen enthauptet hatte, wollte er bei dem nahe Salisbury gelegenen Kloster, wo die Adeligen begraben lagen, ein imposantes Denkmal errichten lassen. Da keine Bauhandwerker hierzu in der Lage waren, wandte er sich an den Weisen und Zauberer Merlin. Dieser riet ihm eine Gruppe von Steinen, den »Tanz der Riesen« herzutransportieren. Riesen hätten diese magischen Steine aus Afrika nach Irland gebracht. Ambrosius Bruder Uther zog mit 15 000 Kriegern nach Irland, doch es gelang ­ihnen nicht, die Steine zu bewegen. Erst mit der Hilfe Merlins errichteten sie eine Apparatur, mit der sie die Steine mühelos zu den Schiffen transportieren konnten.

Diese Geschichte wurde das ganze Mittelalter durch in immer neuen Varianten in England erzählt und in Theaterstücken aufgeführt. »Es war eine Geschichte, wie das Publikum sie hören wollte: Ein patriotisches Thema garniert mit spannenden Abenteuern, Tapferkeit und Ritterromantik«, urteil der Stonehenge-Experte Chris Chippindale.

Auch die Rollright-Steine, ein Steinkreis in Oxfordshire mit einem Durchmesser von rund 30 m, wurden früher als versteinerte Krieger angesehen. In der im 17. Jahrhundert veröffentlichten »Britannia« berichtet William Camdens, dass die Einheimischen annehmen, es handele sich bei den Steinen um einen König.

Die zahlreichen Megalithbauten in Schweden dagegen wurden bereits in der frühen Neuzeit als Gräber großer Krieger der Vorzeit identifiziert. Die erste überlieferte Einordnung stammte aus dem 16. Jahrhundert von Olaus Magnus, einem Erzbischof aus Uppsala. In seiner 1555 veröffentlichten »Historia de gentibus spentrionalibus« beschrieb er die Megalithanlagen in Schweden detailliert und urteilte: Linien einzelner Menhire sind Gräber von Kriegern, Steine in einem Square wurden für Helden errichtet, Steine im Kreis für Familien, während sie für Reiter in einer Eckformation errichtet wurden.

Kolorierter Kupferstich mit der Darstellung von Stonehenge aus dem Jahr 1645 des niederländischen Kartografen und Kupferstechers Joan Blaeu (1596–1673).

»Das ist ja alles sehr schön«, witzelte Gustave Flaubert rund drei Jahrhunderte später über Magnus, »doch er hat uns vergessen zu erzählen, wie zwei Cousins beerdigt wurden, die einander umgebracht haben – auf einem Pferderücken.«

Römer, Wikinger und Kelten

1620 wurde das erste Mal in Stonehenge aus wissenschaftlicher Neugierde gegraben, nachdem der englische König Jakob I. das Monument besichtigt hatte. Was dabei gefunden wurde, ist nicht genau bekannt – über 40 Jahre später befragte John Aubrey, einer der ersten Altertumsforscher, die Anwohner nach dieser Grabung und erhielt als Antwort: Hirschgeweihe, Holzkohle und etwas, das man vergessen habe.

Der Architekt Inigo Jones vermaß auf Wunsch des Königs die Anlage und fertigte eine Dokumentation an, die erst 1652 sein Schüler John Webb unter dem Titel »Stone-Heng Restored« veröffentlichte. Jones bestritt, dass einheimische Briten oder Druiden die Erbauer von Stonehenge gewesen sein könnten, da ihnen jedes architektonische Wissen fehlte. Die Säulen und die Proportionen des Baus erinnerten Jones an die römische Architektur, außerdem hatten die Römer Erfahrung mit Monumentalbauten. Doch schon Zeitgenossen kritisierten: Die inneren Steinsetzungen müssten dann kreisförmig statt hufeisenförmig sein und außerdem fehlten die für Römer typischen Inschriften.

Rund ein Jahrzehnt später vermutete Walter Charleton, Leibarzt König Karl II., Stonehenge sei im 9. Jahrhundert nach Christus von den Wikingern errichtet worden – eine Königsstätte der dänischen Könige in Form einer Krone.

Nur wenige Jahre später, 1666, erstellte auch John Aubrey einen Plan der Anlage, der jedoch realistischer als die Vorläuferskizzen ausfiel. Außerdem entdeckte er 56 Löcher, welche die Steinsetzungen kreisförmig umschließen und die später ihm zu Ehren »Aubrey-Löcher« genannt wurden. Aubrey kannte das Werk des Schweden Rudbeck und kopierte dessen Völkerliste und einige archäologische Skizzen für seine »Monumenta Britannica«.

Aubrey schloss aus, dass Römer, Sachsen oder Wikinger die Erbauer von Stonehenge waren. Von den prähistorischen Briten, die damals bekannt waren, kamen für ihn eigentlich nur die keltischen Druiden, wie sie in römischen Quellen beschrieben wurden, als Erbauer von Stonehenge in Frage. Aubrey hatte im Ausschlussverfahren ganz unspektakulär die Kelten mit Stonehenge in Verbindung gebracht – ­William Stukeley dagegen popularisierte diese These 1740 in seinem Buch »Stonehenge: A Temple Restor’d to the British Druids«.

Auch Stukeley hatte bescheiden begonnen. Er reiste viel im Land herum, beobachtete und zeichnete dabei genau. Sein erstes 1725 erschienenes Buch »Itinerarium curiosum«, das die ungewöhnlichen Bauwerke Englands schildert und dessen zahlreiche Illustrationen die antiken Stätten in ihrer Umgebung dokumentieren, machte ihn berühmt. Er galt als unvoreingenommener Forscher und wurde Sekretär der neu gegründeten Society of Antiqunies in London ernannt.

Doch schon bald danach zog er aufs Land, heiratete und wurde ein gläubiger Aktivist der »Church of England«. Er beobachtete nun nicht mehr, sondern er war von einer Mission erfüllt, mit der er begeistern sollte, die allerdings nur bedingt mit den Kelten und den Megalithanlagen zu tun hatte. »Was immer dort oder in der Nähe ausgegraben wurde, erinnert an die Druidenzeiten: Urnen, Knochen, Amulette, Schlangensteine, Pfeilspitzen ... Zeugnisse der Menschen, die kurz nach Noahs Flut in unser Land kamen.« Indem er diese Einwanderer das »Neue Jerusalem« in England gründen ließ, verband er die Megalithanlagen mit dem Druidenkult und der zeitgenössischen Englischen Kirche.

Aus dieser komplizierten These löste sich die Behauptung: Es handle sich bei Stonehenge um einen keltischen Druiden-Tempel – und sie gewann im Laufe der Zeit an Eigendynamik. Damit war der Grundstein für den Druidenkult gelegt, der trotz aller Kritik von wissenschaft­licher Seite bis heute praktiziert wird. In London entstanden zwei Druiden-Gesellschaften und am 21. Juni 1792 feierten sie das erste Gorsedd, eine angeblich traditionelle Druidenfeier zur Mitsommernachtswende, zunächst noch an einem nachgebauten Steinzirkel mitten in London. Diese Keltomanie wurde im 19. Jahrhundert als Gegenbewegung zur Industrialisierung äußerst populär und wurde später auch zur Nationalisierung der Massen eingesetzt.

Stukeley hatte jedoch nicht nur spekuliert, er hatte auch geforscht. So entdeckte er 1721 eine Prozessionsstraße, die einst vom drei Kilometer entfernten Fluss Avon nach Stonehenge führte. Vor allem jedoch kritisierte er den fortschreitenden Tourismus zu seiner Zeit. Immer mehr Besucher kamen nach Stonehenge und schlugen mit Hämmern Stücke aus den Sarsensteinen als Souvenirs. Vermutlich als Folge dieses Vandalismus stürzte 1797 eine der Trilithen um. Der Höhepunkt des Missbrauchs war allerdings noch nicht erreicht, denn im 19. Jahrhundert wurde Stonehenge schlicht und einfach »in«. Jagdgesellschaften trafen sich vor den Steinkreisen, selbst ernannte Druiden vollzogen zwischen ihnen ihre Rituale und ganz normale Ausflügler entzündete gelegentlich ein Lagerfeuer unter ihnen.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Stonehenge wieder geforscht. Flinders Petrie, der bereits in Ägypten gegraben hatte, nahm sich 1877 Stonehenges an. Er vermaß genauestens sämtliche Steine und ersann einen Plan, um unter ihnen zu graben: Er wollte ein Gerüst errichten lassen, das das Gewicht der Steine tragen sollte, sodass sie quasi in der Luft hängen würden, während die Erde unter ihnen abgetragen würde. »Glücklicherweise wurde Petries Idee nie realisiert«, kommentiert der britische Archäologe Nick Thorpe rückblickend, »sie hätte mit Sicherheit katastrophale Folgen gehabt.« Darüber hinaus vermutete Petrie, dass die Ausrichtung von Stonehenge mit dem Sonnenstand in

So stellte man sich im 18. Jahrhundert einstige Druidenfeiern in Stonehenge vor. Aquatinta von Robert Havell (1816).

Zusammenhang stehen muss. Er setzte eine Peillinie durch den Großen Trilithen über die Oberkante des Heel Stone zum Horizont. Seine Berechnungen ergab: Diese Linie markierte zwar einen Punkt am Horizont, wo die Sonne bei der Sommersonnenwende aufgeht, doch nur um 730 n. Chr. – die Erbauer waren demnach die Sachsen.

Wikinger, Sachsen, Kelten und Römer – keiner der bekannten historischen Eroberer der Britischen Inseln wurde ausgelassen.

Heilige, Ketzer und selbst ernannte Druiden

Als der französische Schriftsteller Henri Beyle – bekannt als Stendhal und Verfasser von »Rot und Schwarz« sowie »Die Kartause von Parma« – 1837 die Bretagne bereiste, wurde ihm die Existenz der Menhirstraßen von Carnac mit der Geschichte des Heiligen Cornelius erzählt: Der Heilige war in Rom nicht mehr vor seinen Feinden sicher. Daher floh er auf einem Karren, der von zwei Ochsen gezogen wurde, die ihn bis in die Bretagne brachten. Doch selbst hier wurde er verfolgt. Eine ganze Armee hatte ihn schließlich am Strand von Carnac eingekesselt. Da kein Schiff zur Flucht in Sicht war, drehte sich der Heilige den Verfolgern zu und schleuderte ihnen Flüche oder Beschwörungen (beide Varianten kommen vor) entgegen. Daraufhin erstarrten die heidnischen Verfolger zu Stein. »Die Soldaten müssen aber recht groß und unförmig gewesen sein«, urteilte Stendhal – doch die Einheimischen konnte er damit nicht in ihrem Glauben erschüttern.

Gleichzeitig hießen die Menhirstraßen an der bretonischen Küste im Volksmund auch »Caesars Lager«, bis ins 19. Jahrhundert hinein galten die Steinreihen von Carnac als ein römisches Heerlager: Caesar hatte die Steine aufstellen lassen, damit die Zelte seiner Soldaten im Windschatten errichtet werden konnten und nicht von den heftigen Stürmen fortgerissen würden.

Doch schon im frühen 18. Jahrhundert setzte mit Chrisophe-Paul de Robien (1698–1756) eine ernste Auseinandersetzung mit den Megalithen ein. Der Marquis war Präsident des Bretonischen Parlaments und Eigentümer großer Ländereien im Distrikt Carnac. Er führte eine Zählung der Steinsetzungen durch, die jedoch unveröffentlicht blieb und fertigte detailgerechte Zeichnungen der Megalithanlagen an. Er beschrieb zahlreiche kursierende Theorien über ihre Urheber und ihre Funktion, resümierte jedoch nüchtern: Es könne nur festgestellt werden, dass diese Werke ein großes Quantum an Arbeit repräsentierten und sehr viele Menschen dazu nötig waren. Er sah in ihnen vor allem Begräbnisstätten – eine auf die Dolmen zutreffende Ansicht, die sich jedoch erst im 20. Jahrhundert durchsetzen sollte.

Keine fünfzig Jahre später gab sich Count de Cayles weniger bescheiden: Die Erbauer waren unbekannte Seefahrer, die in der Bretagne an Land gingen, dort siedelten und später auch auf die Britischen Inseln übersetzten. Damit baute er eine Brücke, die noch einmal 50 Jahre später Mandet de Penhouet vollendete mit der Feststellung: Diese frühen Seefahrer waren niemand anderes als die antiken Ägypter. Als Napoleon eine französische Flagge über die Pyramiden von Gizeh hissen ließ, wagte Jacques de Cambry schließlich mit seinem Werk »Le Monde celtique« den Umkehrschluss. Er erklärte die Megalithbauten von Carnac, die er in Zeichnungen vollkommen überdimensioniert darstellte, zu Druidentempeln. Diese ältesten und größten Monumente der Welt seien von allen anderen Völkern – auch den Ägyptern – kopiert worden. Damit waren die Kelten-Gallier-Franzosen das älteste Kulturvolk der Welt, das durch diesen Status dazu legitimiert war, die anderen zu befrieden.

Ähnlich wie in England löste die Interpretation der Megalithbauten als Druidentempel eine Kelten- und Druidenwelle aus. Cambrys Buch stachelte das Nationalgefühl im nachrevolutionären Frankreich an – Traditionen und Megalithanlagen verdeutlichten die Überlegenheit des französischen Volkes. 1805 wurde die »Académie celtique« gegründet, die der Erforschung der keltischen Sprache und Traditionen dienen sollte und Cambry wurde ihr erster Präsident. Tatsächlich erfüllten vor allem Künstler diese neue Nationalromantik mit Leben: In Gedichten, Romanen und Gemälden wurde eine kolportierte Vergangenheit beschworen, in der Druiden in kunstvollen Gewändern vor den Steintempeln ihre Riten vollzogen. Aus diesen Fantasieprodukten wiederum schöpften neugegründete Druidenorden und Keltenfeste Ideen für ihre zelebrierten Feierlichkeiten.

Von den Kelten zum neuzeitlichen Druidenkult

Die ersten Druidenorden der Neuzeit wurden zwar im 18. Jahrhundert in England gegründet, doch im Laufe des 19. Jahrhunderts erregte das vermeintliche Heimatland dieses Kulturkreises bei allen Keltomanen in Frankreich, England und dem Rest Europas gesteigertes Interesse: die Bretagne.

Heute wissen wir, dass die Keltenkultur in der Hallstattzeit (ab 800 v. Chr.) in Mitteleuropa entstand, doch im 19. Jahrhundert wurde die Bretagne für ihr Stammgebiet gehalten – vor allem wegen dreier wichtiger Indizien: die Megalithbauten, die bretonische Sprache und die bretonische Volkskultur, die alle drei bis in die keltische Zeit zurückreichen sollten. Das zumindest behaupteten die Wegbereiter des modernen bretonischen Keltentums Francois-Marie Luzel, Thédore Hersart de la Villemarqué und Charles de Gaulle (1837–1880, nicht zu verwechseln mit dem späteren General und Staatsmann). Der an Kinderlähmung leidende de Gaulle veröffentlichte Artikel, in denen er von einer Wiedererweckung der gälischen Sprachen als Literatursprachen schwärmte. Er wurde Sekretär der bretonischen Poetenvereinigung »Breuriez Breiz« und verfasste einen »Aufruf an die gegenwärtigen Repräsentanten der keltischen Rasse«.

Aus der Bewegung zur Belebung des Gälischen gingen jedoch gegen Ende des 19. Jahrhunderts Regionalgruppen wie beispielsweise die »L’Union Régionaliste Bretone« in Morlaix hervor, deren Mitglieder sich in logenartigen Bruderschaften organisierten und rituelle Feiern und Initiationen – wie das »Gorsedd« zur Mittsommerwende – zelebrierten.