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"Das große Buch der Markttechnik" beschreitet einen neuen Weg: Es kombiniert die Darbietung von Fachwissen mit der Schilderung des Werdegangs eines jungen Traders in Gestalt eines Romans. Auf diese Weise führt Michael Voigt Schritt für Schritt in die Welt des markttechnisch orientierten Tradings ein. Die humorvolle Schilderung von Alltagssituationen beim Börsenhandel und der feine Wortwitz lassen den Leser die schwierige Materie der Technischen Analyse meistern und machen die umfangreiche Abhandlung zu einem echten Lesegenuss. Michael Voigt hat einen einmaligen Ratgeber geschrieben: informativ, in die Tiefe gehend, spannend. Der renommierte Börsenhändler gibt einen unterhaltsamen Einblick in die faszinierende Welt der Markttechnik und begleitet seine Leser bei der Suche nach Bewegung in den Märkten. Zusammen mit "Das große Arbeitsbuch der Markttechnik" und den drei Sammelbänden der "Händler-Reihe" die perfekte Grundlage für Ihre Tradingkarriere.
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Seitenzahl: 1133
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Gesamtbearbeitung: Druckerei Joh. Walch
Lektorat: Dr. Renate Oettinger
Korrektorat: Sigrid Graf
Covergestaltung: Stephanie Villiger
Druck: Firmengruppe APPL, aprinta Druck, Wemding
12. überarbeitete Auflage 2016
© 2006 FinanzBuch Verlag GmbH
Nymphenburger Straße 86
80636 München
Tel.:089 651285-0
Fax: 089 652096
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Den Autor erreichen Sie unter:
ISBN: 978-3-89879-125-0
ISBN E-Book (PDF): 978-3-86248-195-1
ISBN E-Book (EPUB&Mobi): 978-3-86248-222-1
Weitere Infos zum Thema
www.finanzbuchverlag.de
Für alle Menschen,
die in diesem Buch Fragen finden,
die sie selbst beschäftigen.
Vorwort
Hinweis Datenanbieter
Einführung in den Romanteil
Erstes Kapitel
Roman
Das Konto PB1212
Zweites Kapitel
Roman
Wie entsteht ein Kurs?
Fachteil
Entstehung und Ursachen von Kursänderungen
Drittes Kapitel
Roman
Trading, die Odyssee
Fachteil
Der Trendaufbau aus der Sicht der Markttechnik
Viertes Kapitel
Roman
Auf den
Punkt 2
gebracht
Fachteil
Die Innenstäbe
Fünftes Kapitel
Roman
Trading und die zu erlernende Aufmerksamkeit
Fachteil I.
Stopps Markttechnik
Fachteil II.
Einstiege Markttechnik
Fachteil III.
Zusammenführung der Elemente
Sechstes Kapitel
Roman
Die Handelsvorbereitung und das Tagebuch
Fachteil
Beispieltrades
Siebtes Kapitel
Roman
Fachwissen allein schützt nicht vor Fehlern …
Fachteil I.
Tradingfehler
Fachteil II.
Mechanische Handelssysteme & vollautomatischer Handel versus Markttechnik
Achtes Kapitel
Roman
Was hat Trading mit dem Begriff ›Qualität‹ gemeinsam?
Fachteil
Qualität ist die Reaktion eines Traders auf sein Trading
Neuntes Kapitel
Roman
Der Teppichhändler und der Casanova
Interview
Ursprünglich schrieb ich diese Seiten nur für unser Handelsbüro, für unsere Seminarteilnehmer und für mich selbst. Ich wollte meine Kenntnisse dokumentieren und dabei mein eigenes Trading sowie meine bisherigen Erfahrungen auf den Prüfstand stellen.
Da ich am leichtesten mit einem Stift in der Hand denke, ergab sich das Schreiben von selbst. Als ich meine Gedanken zum ersten Mal vor vielen Jahren auf dem Papier ordnete, glaubte ich zunächst, meine Erfahrungen seien sehr verschieden von denen anderer Trader. Mir war völlig klar, dass, ebenso wie ich, nicht alle Trader nach einem neuen Tradingstil und nach neuem Wissen suchen. Warum auch? Viele werden mit ihrem Trading erstaunlich gut fertig und benötigen keine weiteren Hinweise. Sie haben keine Sorgen mehr und längst schon eine Antwort auf all ihre Fragen gefunden.
Mir war aber auch bewusst, dass es ebenso viele Trader gibt, die neues Wissen und Erfahrungsberichte rund um das Trading suchen. Sie möchten ihr Trading verändern und verbessern, um so ihren individuellen Bedürfnissen und Zielen besser gerecht zu werden und um einen neuen, lebendigeren Kontakt zu sich selbst als Trader herzustellen.
Doch diesen Gedanken verwarf ich schnell wieder: Die zu Papier gebrachten Gedanken könnten nur für die Mitarbeiter im Büro, für die Seminarteilnehmer und für mich selbst von Wert und Interesse sein. Das Trading und die Ziele der Trader, so meine Überlegung, seien zu unterschiedlich, als dass man dieses Thema in einem Buch, das jedermann zugänglich ist, jemals zusammenhängend abhandeln könnte. Tradingwissen geht in die Tiefe, nicht in die Breite. Jeder erfahrene Trader weiß das.
Diese Ausrichtung vor Augen schrieb ich dennoch weiter. Im Laufe der Jahre unterhielt ich mich mit vielen anderen institutionellen Händlern und privaten Tradern. Und dabei stellte ich dann schließlich fest, dass ich mit meinen Ansichten über den Börsenhandel keineswegs alleine dastand. Auf den verschiedensten Wegen und in mannigfaltiger Gestalt entdeckte ich, dass viele Trader begierig waren, über ihren Handelsansatz und ihre Probleme zu sprechen und darüber zu diskutieren, um dadurch möglicherweise zu einer Lösung zu gelangen.
So nahm nach und nach dieses Buch Gestalt an, bildete sich diese Abfolge von Kapiteln heraus. Sie sind aus den Erfahrungen meiner täglichen Arbeit gespeist, aus Gesprächen, Argumenten und persönlichen Enthüllungen von Tradern verschiedenster Art. Es wurden mehr als nur ein paar Aufzeichnungen. Es ist ein umfangreiches Buch entstanden.
Und so habe ich zu guter Letzt doch beschlossen, die aufgezeichneten Details des Tradings denen zurückzugeben, die mich mit Hinweisen und Informationen beim Verfassen dieses Buchs unterstützten. Diesen Menschen bin ich sehr dankbar, und es ist mir ein echtes Anliegen, ihnen mein Wissen um die Markttechnik zur Verfügung zu stellen.
*
Das Trading erfreut sich seit einigen Jahren immer größerer Beliebtheit. Immer mehr Menschen erkennen für sich die vielfältigen Entwicklungschancen, die ihnen das Trading bietet. Die rasante Entwicklung des Tradings, der Märkte und der zur Verfügung stehenden Technik zu verfolgen ist nach wie vor etwas Aufregendes und Faszinierendes für den, der sich von der Durchsetzungskraft des menschlichen Geistes und vom erfolgreichen Zusammenspiel aller für das Trading wichtigen Faktoren gefangen nehmen lässt.
Die Entwicklung rund um den Börsenhandel, um die zahlreichen Publikationen und Marktprodukte steht nicht still. Das Ganze erscheint dem Trader wie ein Film im Zeitraffer-Modus, dessen Objekte, kaum dass sie Gestalt annehmen, sich unter seinen Augen wieder auflösen.
Das Trading ist ein wunderbares Gefüge aus verschiedenen Disziplinen und unterschiedlichen Betrachtungsweisen, die dennoch gemeinsame Merkmale aufweisen. Gleichzeitig demonstrieren das Trading an sich und auch jeder einzelne Trade die enorme Vielfalt der geistigen Arbeit, die ein Trader leisten muss. Daher war es sinnvoll, das vorliegende Buch so zu konzipieren, dass das markttechnisch orientierte Trading und die daraus resultierenden Entwicklungswege ganzheitlich dargestellt werden. Alles, was zu diesem Thema gesagt werden kann, wird auch gesagt – und zwar ohne sich ins Uferlose zu verlieren.
Während meiner Tätigkeit als Händler musste ich immer wieder feststellen, dass vielen Tradern – egal ob Anfänger oder Fortgeschrittene – die grundsätzlichen Einsichten in den Tradingprozess fehlten. Ihr Fachwissen war ganz einfach unzureichend. Gerade die tagtägliche Tradingpraxis erfordert aber ein fundiertes Wissen um die Materie und die daraus resultierenden Zusammenhänge. Bestimmte mentale Grundsätze und ihre konkreten Anwendungen im Trading gehören ebenso zum Handwerkszeug eines Traders.
Obwohl die bloße Anwendung des Tradings an sich sehr simpel ist, gestaltet sich der Entwicklungsprozess schwieriger. Viele Tradinganfänger verfügen über unzureichende Informationen zum praktischen Trading. Diese Lücke will das vorliegende Buch schließen: Es versteht sich als Leitfaden und Wegweiser für den konkreten Entwicklungsprozess des markttechnisch orientierten Tradings. Es richtet sich gleichermaßen an Leser, die mit dem Trading noch wenig vertraut sind, wie auch an Leser, die bereits viele Jahre ihres Lebens dem Trading und der Börse gewidmet haben.
Bereits bei seinem allerersten Trade wird der Trader mit den beiden großen Themenbereichen konfrontiert, die für das markttechnisch orientierte Trading von Bedeutung sind.
□ Der erste Themenbereich kann mit der Frage: Wo entsteht Bewegung im Markt? umrissen werden: Es geht um die Markttechnik.
□ Der zweite Themenbereich betrifft die Qualität. Hier bietet das Buch grundsätzliche Einsichten darüber, wie sich die bisherigen Erfahrungen des Traders und das vorhandene, immer mehr zunehmende Wissen in der Persönlichkeit des Traders und vor allem in der praktischen Tradingarbeit zusammenfügen.
Grundbedingungen des Tradings sind das Wissen um die Markttechnik und das Merkmal der Qualität, die ein Trader dem Trade beimisst. Wer sich zu einem erfolgreichen Trader entwickeln möchte, der muss diese Grundbedingungen kennen und sie in sein Tradingkonzept integrieren.
Aus diesen Gründen befassen sich die ersten sieben Teile des Buches ausführlich mit dem Bereich der Markttechnik. Aus dem Wissen heraus, wie ein Kurs entsteht und wie sich markttechnische Trends aufbauen, werden Einstiege, Ausstiege und Handelstechniken abgeleitet und behandelt. Es wird das grundlegende Wissen des markttechnisch orientierten Tradings vermittelt, sodass Sie als Leser von Anfang an Ihren Weg beim Trading aktiv gestalten können. Sie bekommen viele Gedankengänge und Techniken im Umgang mit dem Trading aufgezeigt.
Ganz wichtig: Alle Überlegungen bauen aufeinander auf und erfordern Grundkenntnisse in Markttechnik. Das beschriebene markttechnisch orientierte Trading zielt im Grunde nur auf ein Ergebnis ab, nämlich auf die Beantwortung und effektive Umsetzung der Frage: Wo kann an den Märkten Bewegung entstehen? Nachfolgend kann dieses Wissen umgesetzt und anhand der praktischen Tradingbeispiele vom Leser bearbeitet werden.
Der letzte Teil des Buches befasst sich neben den praktischen Elementen des Tradings mit dem Bereich der Qualität im Trading. Hier möchte ich Sie animieren, aus Ihren Erfahrungen stets greifbare Rückschlüsse für sich und Ihr eigenes Trading zu ziehen. Die Erkenntnisse aus dieser Selbstbetrachtung muss der Trader aktiv und klug in sein Trading umsetzen und in jeden neuen Trade mit einfließen lassen. Sie sollen dazu angeregt werden, Ihre Tradingziele mit Ihren Erfahrungen ständig abzugleichen, um so den besten Weg zur Erreichung Ihrer Ziele zu finden.
*
Es liegt mir fern, Ihnen das markttechnisch orientierte Trading als einzig mögliche Art des Tradings vorzustellen. Vielmehr will ich Ihnen mit meinem Buch ermöglichen, sich mit dieser Art und Weise des praktischen Handels zu beschäftigen. Es soll lediglich als umfassende Einführung in das markttechnisch orientierte Trading dienen. Meine Aussagen sind kein Dogma – Dogmen gibt es im Trading nicht.
Den erfahrenen Tradern unter Ihnen wird eine neue schriftliche Darstellungsform des Tradingprozesses an die Hand gegeben. Aus der detaillierten Beschreibung des Tradingalltags und aus den ausführlich erörterten Themenbereichen, die allesamt aufeinander aufbauen, kann selbst der tradingerfahrene Leser den einen oder anderen praktischen Hinweis in sein Trading übernehmen.
Das Buch ist also sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene ein wertvolles Hilfsmittel und ein Wegweiser im Umgang mit dem markttechnisch orientierten Trading. Dieser Anspruch wird durch die ganzheitliche Darstellungsweise aller notwendigen Wissensbereiche erfüllt. Ein weiteres Merkmal des vorliegenden Buches ist seine Offenheit bezüglich des Tradings und seine kritische Einstellung zu der Sichtweise, man müsse »geheimes Wissen« bewahren.
Mit zahlreichen Beispielen werden die Vorgänge und Zusammenhänge beim Börsenhandel und beim markttechnisch orientierten Trading in übersichtlichen Darstellungen aufgezeigt. So ist es Ihnen möglich, Ihnen Unbekanntes selbst zu durchdenken. Sehr großen Wert habe ich auf eine methodisch zweckmäßige und in der Ausführung ansprechende Illustration gelegt. Eine Vielzahl von Bildern unterstützt die Veranschaulichung des Stoffs. Damit möchte ich Sie quasi an die Hand nehmen – Ihnen sozusagen einen Blick von einer Anhöhe auf die wesentlichen Züge einer Landschaft ermöglichen, an deren weiterer Gestaltung Sie selbst maßgeblich beteiligt sind.
Kurz gesagt soll das vorliegende Buch Ihnen, lieber Leser, also einen umfassenden und grundlegenden Zugang zum Wissensgebiet des markttechnisch orientierten Tradings verschaffen. Es soll als Wissensspeicher dienen, der hilft, Lücken zu schließen, Unsicheres zu festigen und einen Überblick über Neues zu geben.
Dieses Buch ist ein praxisorientiertes Werk und ein zuverlässiger Ratgeber. Alle Informationen haben einen konkreten praktischen Gehalt – egal ob diese nun unter die Rubrik »Roman« oder »Fachbuch« fallen. Jede Information kann relevant für das eigene Trading sein. Daran sollte bei der Arbeit mit dem Buch gedacht werden. Theorie und Praxis gehören beim Trading zusammen. Denn: Aus der Praxis entsteht die Theorie im aktiven Börsenhandel.
Das Buch ist wie folgt gegliedert: Die Romanteile und die jeweils zugehörigen Fachbuchteile wechseln einander ab und bauen aufeinander auf. Im Romanteil wird der Fachbuchteil vorbereitet, erläutert und praktisch umgesetzt, im Fachbuchteil werden die Erkenntnisse aus dem Romanteil zusammengefasst und vertieft. Beides für sich getrennt ergibt für den Leser keinen Sinn; deshalb können beide Teile, Roman und Fachbuch, nicht getrennt voneinander gesehen werden. Sie bekommen in den Romanteilen ebenso viel Wissen vermittelt wie in den Fachbuchteilen.
Der Romanteil ist weder als Lückenfüller noch als belletristischer Versuch aus meiner Feder zu verstehen. Vielmehr leite ich von ihm aus all jene Fragen und Gedankengänge her, die in einem reinen Fachbuch niemals so auftauchen könnten und somit dem Trader verborgen bleiben würden.
Bevor der erste Romanteil beginnt, stelle ich Ihnen die »handelnden Personen« und den »Ort des Geschehens« vor – ganz wie im Theater. Je nach Ihrer eigenen Handelserfahrung werden Sie sich vielleicht in der einen oder anderen Situation wiederfinden, denn alle Situationen spiegeln die tagtäglichen Probleme und Begebenheiten im Trading wider. Nichts ist erfunden oder an den Haaren herbeigezogen, alle Bereiche des Tradings kommen vor – offen oder versteckt, in einer amüsanten Art präsentiert und an vielen Stellen gewürzt mit leichter Ironie. Die gestellten Fragen und die nachvollziehbar hergeleiteten Antworten sollen als Hilfe und vor allem als Spiegel der eigenen Erfahrungen dienen.
Die Ausschnitte aus dem Tradingalltag in einem Handelsbüro und die dazugehörigen Fachkapitel geben in ausführlicher Form die Grundbedingungen für das markttechnisch orientierte Trading wieder. Um dies nachzuvollziehen, sollten Sie sich ausreichend Zeit nehmen. Ein einmaliges Durchlesen wird kaum zu einem tieferen Verständnis führen.
Man sollte jedem Kapitel ausreichend Zeit widmen – manche Aspekte müssen mehrmals durchdacht werden, damit man sie nachvollziehen kann. Speziell dem Tradinganfänger empfehle ich, ein Kapitel zu lesen und es zunächst auf sich wirken zu lassen. Dann sollte er die Inhalte in den konkreten Zusammenhang mit den eigenen bisherigen Tradingerfahrungen oder Trades stellen und damit vergleichen. Das klingt nach viel Arbeit, gewiss. Aber lassen Sie sich davon nicht abschrecken: Der Lohn der Mühe wird sich einstellen – aus reinem Glauben wird echtes Wissen.
Noch eine Bemerkung am Rande: Einiges bleibt absichtlich ungesagt – es steht zwischen den Zeilen der Romanabschnitte, wo es der intelligente Trader und aufmerksame Leser, woran ich nicht zweifle, mit Leichtigkeit finden wird. Sollte dennoch Wissenswertes vermisst werden, so bin ich für jeden Hinweis auf Mängel oder Lücken und für jede Anregung dankbar. Außerdem bin ich dann so frei und verstecke mich hinter der praktischen Weisheit: Ein kluger, erfahrener Trader hat mehr Fragen, als 100 Bücher beantworten können.
Nun denn: Viel Spaß beim Lesen!
Ich möchte mich bei allen, die an der Umsetzung des Buches beteiligt waren, ganz herzlich bedanken. Vorangestellt möchte ich meiner Familie und Viola danken. Sie haben mir für den Zeitraum der Bucherstellung den Rücken frei gehalten und mich in diesem Vorhaben durch Rat und Tat unterstützt und bekräftigt.
Einen großen Dank gilt es auch meiner Assistentin Frau Roeder auszusprechen, die sich in unzähligen Stunden mit meiner Handschrift und schnellen Diktaten auseinander setzen musste. Ebenso möchte ich Frau Dr. Lassen, Frau Dr. Oettinger, Ralf, Marcus und Herrn Corzilius sowie Ivonne für ihre vielen Bemühungen und Hinweise meinen Dank aussprechen.
Hinweise zu den Datenanbietern und Charts
Alle in diesem Buch verwandten Charts und Kurse sind von den nachfolgend genannten Firmen zur Verfügung gestellt worden:
DySen Future-Station ist ein Produkt der Firma Fipertec GmbH, Anbieter performanter Systeme zur technischen Analyse. Es kann über den Broker WH Selfinvest AG bezogen werden. Die Lieferung der Realtime-Daten erfolgt vom Informationsanbieter FIDES Information Services (www.fides.ch). Alle Markt- und Fundamentaldaten werden von FIDES Information Services, Zürich, geliefert.
DySen Future-Station – für ganzheitliche Chartanalyse, intuitives Trading und programmunterstützte Order-Auslösung.
WH Selfinvest AG Fipertec GmbH Blvd Großherzogin Charlotte 11 Rankestraße 26 L-1331 Luxemburg 10789 Berlin Luxemburg Deutschland (weitere Büros in: Gent, Amsterdam und Paris) Telefon: +352 42 80 42-83 Telefon: +49 30 7261036-40 Telefax: +352 42 25 75-25 Telefax: +49 30 7261036-70 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Web: www.whselfinvest.com Web: www.fipertec.comHandelsbüro der Firma E.T.S.I. Invest Ltd. Die Büroräume befinden sich in einer großräumigen alten Villa inmitten eines schönen Gartens und mit Blick auf einen nahe gelegenen See. Die Firma verwaltet seit 18 Jahren Gelder von englischen Institutionen. In diesem Büro arbeiten sechs Händler, weitere sechs sind in einem Auslandsbüro tätig.
Philip, der Praktikant,
ist 27 Jahre alt und hat bisher wenig Erfahrung mit dem Futuretrading. Sein Interesse für die Materie des aktiven Börsenhandels entdeckte er bereits weit vor dem Beginn seines Praktikums. Philip ist offen und neugierig. Er will etwas erreichen und lässt sich auch durch Niederlagen nicht so schnell unterkriegen. So ist er auch in seinem freiwilligen Praktikum sehr ernsthaft bei der Sache. Er will unbedingt Fachwissen und Erfahrungen rund um das Trading erwerben. Bereits vor seinem Praktikum hat er viel mit Aktien gehandelt, allerdings mit sehr zweifelhaftem Erfolg.
Philips Vater ist ein erfolgreicher Unternehmer und mit dem Chef des Handelsbüros befreundet. Durch diese persönliche Verbindung kam auch das Praktikum zustande. Im Handelsbüro sind die Händler Hofner und Sander die Ansprechpartner für Philip.
Hofner, ein erfahrener Händler,
ist 40 Jahre alt, stets braungebrannt und immer gut gelaunt. Seit mehr als 20 Jahren ist er professioneller Händler. Während dieser Zeit war er schon für viele Institutionen als Trader beschäftigt, unter anderem in deutschen, Schweizer und griechischen Handelsbüros. Im Büro der E.T.S.I. Invest Ltd. arbeitet er nun seit fast fünf Jahren. Zurzeit handelt Hofner überwiegend Futures an der Eurex. Seine große Leidenschaft ist die Philosophie.
Sander, ein erfahrener Händler,
ist ein hochgewachsener und durchtrainierter Mann, dem man kaum ansieht, dass er die Fünfzig bereits überschritten hat. In der Reklamebroschüre einer Bank würde es über ihn wohl heißen: Er verfügt über 23 Jahre Investmenterfahrung. Sander hat das Handelsbüro der E.T.S.I. mit aufgebaut und steht in täglichem Kontakt mit den Geldgebern. Er handelt ebenfalls überwiegend Futures und teilweise auch Aktien. Sander ist Experte auf dem Gebiet der mechanischen Handelssystemerstellung und des automatisierten Handels.
Sander ist nicht nur Hofners Kollege, sondern seit vielen Jahren auch sein enger Freund.
Laura und Claudia, Mitarbeiterinnen des Handelsbüros
Laura
ist seit fünf Jahren im Unternehmen; gleich nach ihrer Lehre hat sie diese Stelle angenommen. Sie ist zuständig für die administrativen Verwaltungsaufgaben und die organisatorischen Abläufe im Büro.
Claudia
enthält ein zehn Zentimeter dickes Buch; eine morgendliche Einweisung; ein Konto PB1212; einen Hinweis vom Chef des Handelsbüros an Philip und eine E-Mail an Philips Vater.
Hofner klickte die Maus-Taste. Der Computer begann, den Chart des Bund-Futures zu laden. Wie jeden Morgen saß der erfahrene Trader an seinem großen Schreibtisch, umgeben von Monitoren und zwei Laptops. Während das Handelsprogramm den Befehl bearbeitete, holte Hofner sein Tradingtagebuch aus der Schublade.
Im Laufe der vielen Jahre als Trader war das ursprünglich schmale Heft ein Tagebuch von beachtlichem Umfang geworden. Zurzeit schrieb er an einem längeren Kapitel: Seit Wochen stellte er Lösungsvorschläge für einige Tradingprobleme zusammen.
Gedankenverloren blickte Hofner auf und schaute aus dem Fenster. Die durchgehende gläserne Fensterfront nahm die gesamte Längsseite des Raums ein. Das Handelsbüro der Firma E.T.S.I. Invest Ltd. lag im ersten Stock einer großen alten Stadtvilla. Endlich Frühling, Anfang Mai; die Birken in einigen Gärten zeigten bereits einen zarten grünen Schleier.
Die große Bürouhr zeigte zehn nach sieben. Seit fast einer Stunde hatte er bereits allein und ungestört gearbeitet. Hofner begann, schnell und konzentriert zu schreiben. Er wusste, wie selten gerade in den letzten Wochen die Augenblicke gewesen waren, in denen er im Tradingbüro Ruhe gefunden hatte, um kreativ zu arbeiten.
Hofner schaute kurz auf den Chartverlauf des Bund-Futures vom Freitag. Es war ein toller Handelstag gewesen. Der Markt hatte über den gesamten Handelsverlauf eine hohe Dynamik gezeigt. Es war zu vielen Trades gekommen. Vier Trades wurden mit leichtem Minus ausgestoppt. Zwei Trades liefen gut und brachten ein kleines Plus. Der letzte Trade hingegen konnte einen großen Teil des am Nachmittag auf Tick-Basis entstandenen Trends mitnehmen. Dieser Trade glich die Minustrades in diesem Markt aus und es blieb ein passables Handelsergebnis übrig.
Er schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und atmete gleichmäßig und tief. Er versuchte, für einen kurzen Moment mit seinem Umfeld eins zu werden. Aber es blieb eine leise und nagende Unruhe.
»Schwierig«, murmelte er vor sich hin. Nur – warum? Er öffnete die Augen und sah in den hellen großen Raum, wobei er die Brauen runzelte und die Lippen kurz zusammenkniff.
Da war dieser Praktikant, Philip, den ihm sein Chef vor einigen Wochen zur Betreuung übergeben hatte. Den Tag, an dem der junge Mann in dem Büro aufgekreuzt war, würde er so schnell nicht vergessen. Vor drei Monaten war das gewesen …
*
Herzer, der Chef, hatte Philip die Räume gezeigt und ihn den sechs Tradern vorgestellt. Mit großen Schritten war Philip quer durch den Handelsraum gestapft und hatte jedem Mitarbeiter die Hand geschüttelt.
»Sie haben also Interesse, ein hauptberuflicher privater Händler zu werden?«, fragte ihn Hofner.
Philip hatte zögernd den Kopf geschüttelt: »Ich? Vollzeit? Eher nicht. – Ich weiß noch nicht so recht. Ich will erst mal ein bisschen Geld machen. Danach sehen wir weiter.«
Hofner räumte einen der Ablagetische frei, den Philip als Schreibtisch benutzen konnte. Während Philip sich häuslich einrichtete, erklärte er Hofner, er wolle das Trading von der rein praktischen Warte heraus erlernen.
»… also, ich sag mal, ich weiß ja nicht, ob ich an das Zeug der Technischen Analyse, der Markttechnik und so weiter überhaupt glaube. Ich bin eigentlich ziemlich, na ja, skeptisch von wegen Magie und so. Ich meine, nicht dass ich Ihre Arbeit für Magie halte, das nun gerade nicht. Aber ich würde doch gern alles von der praktischen Seite sehen und offen darüber reden.«
Hofner war sich zwar nicht sicher, was Magie im Zusammenhang mit der Technischen Analyse bedeutete, doch eines wusste er mit einem innerlichen Vergnügen genau: Mit diesem jungen Mann würde es vorläufig erst einmal mit der Ruhe im Büro vorbei sein. Seine Beobachtungen während der folgenden Stunden bestätigten seinen Eindruck. Unablässig stellte Philip die Fragen: »Wo steht der DAX? Wo stehen meine Aktienkurse? Wo steht der DAX?«
Vom ersten Tag an notierte Philip alles, was Hofner sagte, und hörte bei allen Telefonaten aufmerksam und gespannt zu. Hofner sah sich die ersten Tage sogar genötigt, bei einigen Besprechungen auf den Gebrauch von E-Mail auszuweichen. Aber trotz dieser ständigen Belagerung mochte Hofner Philip auf Anhieb. Er war unkompliziert und aufgeschlossen. Seine Neugier war eine gute Voraussetzung dafür, dass er hier wirklich etwas lernte. Das war für Hofner vorerst völlig ausreichend. Und Hofner freute sich, dass er seit langem einmal wieder mit einem Praktikanten an der Seite arbeitete. So wurde er einmal wieder an seine eigenen Anfänge erinnert.
Schon bald war Philips Handelsplatz, der ihm inzwischen eingerichtet worden war, mit sämtlichen Börsenzeitschriften zugemüllt. Philip selbst telefonierte die meiste Zeit mit seinen Freunden und philosophierte über sämtliche Zeitungsartikel. Ständig leitete er mit seinen Freunden den Marktverlauf anhand irgendwelcher Ereignisse her. Hofner und seine Kollegen ließen ihn gewähren.
In den ersten Tagen begleitete Philip oft die Trades von Hofner. Jedoch liefen die Diskussionen um die Trades oftmals ins Leere, denn Philips Gedankengänge waren zu einfach, und ihm fehlte noch das Sachverständnis. Völlig normal, denn Hofner konnte ihm momentan noch nicht das Warum, Wieso und Wie für die Trades erläutern. Philip wusste, dass man mit Long auf steigende Kurse und mit Short auf fallende Kurse setzte. Er wusste, was Aktien waren und dass der DAX-Future an der Eurex gehandelt wurde. Nun ja – das war aber vorerst schon alles. Für Philip war der Börsenhandel bisher wie »Wetten auf einer riesigen Pferderennbahn« gewesen: hopp oder topp. Mal auf dieses Pferd setzen, mal auf jenes. Philip sah die Börse als riesige Lotto-Bude. Und da bekanntlich beim Lotto kein Fachwissen erforderlich ist, ging Philip in manchen Momenten davon aus, dass er genauso viel Wissen hatte wie jeder Händler in diesem Büro. Eigentlich wusste er ja, dass das Quatsch war. Aber Philip hatte doch jede Börsenzeitung, jeden Newsletter und sämtliche Musterdepots abonniert im Gegensatz zu den Händlern. Und so dachte er oft, dass er besser rund um den Marktverlauf informiert war als jeder andere im Büro.
Aber im Großen und Ganzen war Philip ein aufgeschlossener und angenehmer Zeitgenosse – und er hatte sich schnell den Gepflogenheiten im Büro angepasst.
*
Eine Wolke hatte sich vor die milde Mai-Sonne geschoben. Hofner tauchte aus seinen Gedanken auf und konzentrierte sich wieder auf das Tradingtagebuch. Er war stolz auf diesen Besitz: ein umfangreiches Notizbuch, bestimmt zehn Zentimeter dick. Überwiegend hatte er es mit der Hand geschrieben und mit unzähligen eingeklebten Chartverläufen und Hinweisen versehen – inzwischen war es zerfleddert und voller Eselsohren. Auf Hunderten von Seiten enthüllte es seine Erfahrungen und Erkenntnisse als Trader. Und da es jeden Tag neue Trades gab, kam ein Trader im Laufe seines Lebens niemals bei der letzten Seite seines Tradingtagebuchs an. Hofner vertiefte sich wieder in seine Aufzeichnungen.
Mittlerweile war es 7.35 Uhr geworden. Die ersten Schlagzeilen kamen auf dem Nachrichtenticker herein. Noch war es ruhig im Büro, das Summen der eingeschalteten Rechner das einzige Geräusch.
Das änderte sich schlagartig, als Laura den Raum betrat. Sie rief Hofner ein fröhliches Hallo zu und setzte sich an ihren Schreibtisch. Leise vor sich hinsummend begann sie sogleich, sich um die administrativen Aufgaben für den heutigen Arbeitstag zu kümmern.
Kurz darauf traf Sander ein – irgendwie sah er blass aus heute morgen. Wahrscheinlich hatte er wieder zu lange am Schreibtisch gesessen und sein Fitnessprogramm vernachlässigt. Er begrüßte die anderen mit einem kurzen Nicken und begab sich an seinen Arbeitsplatz. Eingehend studierte er die Papiere, die er dort hatte liegen lassen, und ließ nebenbei die Rechner hochfahren. Seine Lesebrille, die er an einer Kette trug wie die Damen im Bridge-Club, balancierte auf dem scharfen Nasenrücken.
Wenige Minuten später kamen auch die anderen Händler. Die Mannschaft war damit fast vollständig. Als letzte kam Claudia, die Assistentin des Handelsbüros, ins Büro geschlendert.
08.00 Uhr: Der Bund-Future eröffnete nahe dem Schlusskurs vom Freitag. Hofner und Sander betrachteten den Markt auf dem Tick-Chart. Es versprach eine volatile Handelswoche zu werden. Vorige Woche hatte der Bund-Future den langfristigen Aufwärtstrend auf Tagesbasis gebrochen. Daher würde es sicherlich zu genügend Short-Signalen in den kleinen Zeiteinheiten kommen.
Hofner schaute auf die Uhr und gab den anderen Händlern ein Zeichen, ihre Unterlagen zusammenzustellen. In wenigen Augenblicken sollte im Konferenzraum das Morgenmeeting beginnen. Fast jeden Tag fand dieses Treffen statt, bei dem kurz und knapp die gehandelten Märkte besprochen wurden. Dazu stand immer auch ein Beamer bereit. Da alle Händler über das gleiche Fachwissen verfügten, wurden die Charts nüchtern analysiert, für phantasiereiche Ausführungen war hier keiner zu haben. Auch die anstehenden administrativen Aufgaben kamen bei den Meetings zur Sprache.
Heute zu Wochenbeginn waren wie jeden Montag die Mitarbeiter eines benachbarten Handelsbüros eingeladen. Da beide Büros feststehende Handelsmandate hatten, sah man sich nicht als Konkurrenz. Alle Kollegen kannten sich gut, und alle waren froh, dass sie sich gegenseitig unterstützen konnten.
Einige Händler waren schon auf dem Weg in den Konferenzraum, als Philip das Büro betrat. Hofner winkte ihn heran und bedeutete ihm, sich den anderen anzuschließen. Philip wurde rot vor Aufregung. Bisher hatte er noch nie an einem Meeting teilnehmen dürfen, er war sichtlich gespannt.
Es konnte kein Zweifel darüber herrschen, wie die anwesenden Personen ihren Lebensunterhalt verdienten. Ob jung oder schon älter, ob topmodisch gekleidet, lässig oder eher konservativ – trotz unterschiedlichen Alters und Aussehens –, eine Eigenschaft war allen Händlern in diesem Raum gemeinsam: Entschlossenheit.
Während die Trader ihre Notizen durchsahen, flüsterte Hofner dem Neuling ein paar Informationen zu dieser Morgenroutine zu.
»Täglich kurz vor halb neun, mit Ausnahme von Dienstag, werden hier die einzelnen Trades vom Vortag durchgesprochen. Kurz und knapp, ohne großes Blabla. Danach werden schnell die Tages-Charts betrachtet und die Stopps für die offenen Übernachtpositionen durchgesprochen. Ebenso werden die Kontraktgrößen für zukünftige Positionen beraten. Und dann wird noch …«
Hofner kam nicht dazu, seine einführende Erklärung zu beenden. Herzer, der Chef des Handelsbüros, betrat den Raum und übernahm das Kommando, er grüßte kurz in die Runde, formelle Höflichkeitsfloskeln waren nicht sein Ding: »Leute, überlasst mir das Wort …!«
Die leisen Gespräche verstummten, erwartungsvolles Schweigen erfüllte den Raum. Jedem im Raum war klar, dass diese kommenden 20 Minuten sehr konstruktive und nachhaltige Worte beinhalten würden. Es war Ruhe im Raum und das Meeting nahm seinen Lauf.
Nach 30 Jahren im aktiven Börsenhandel hatte Herzer in seinem Fachgebiet alles erreicht, was es zu erreichen gab. Er war ein Mann mittlerer Größe mit einem gewölbten Brustkorb und kurzen Armen. Seine eher nüchterne Erscheinung drückte seine Auffassung vom Leben und vom Trading aus. Seiner Ansicht nach war Trading eine der schwersten Varianten, um Geld zu verdienen. Mehr hatte er darüber nicht zu sagen. Gefühle im Trading gab es für ihn nicht, nicht mehr. Von jedem Trader erwartete er, dass er ein qualitativ hochwertiges Trading betrieb. Er war mit jedem Händler und dessen Handelsstil vertraut und über die Jahre der Zusammenarbeit hatte er ein besonderes Verhältnis zu jedem Händler aufgebaut.
Nach Herzers Meinung konnte man aus jedem x-beliebigen Menschen einen hochwertigen Trader machen. Dazu brauchte man nur viel Zeit und die völlige Hingabe an das Traden. Laut Herzer war das Wichtigste im Trading die Qualität. Diese Ansicht wurde ausnahmslos von allen anderen Händlern geteilt und darin bestand auch der einzige »Aufnahmetest« in diesem Handelsbüro. Herzer erwartete von jedem Trader, dass er sich und seinen Handelsstil ständig überprüfte und aus Erfahrungen lernte. So beharrte er darauf, dass jeder Händler Erkenntnisse aus dem eigenen Trading zog und diese in die nächsten Trades mit einfließen ließ. Sollte ein Trader keine Erkenntnisse oder Rückschlüsse aus seinen Trades ziehen, so wäre er nur ein ›billiger naiver Zocker‹. Sollte ein Trader Rückschlüsse und Erkenntnisse aus seinem Handel gezogen haben und diese aber nicht in seinem aktuellen Handel umsetzen, so hätte dieser Trader noch ein zu großes Ego und keine konkreten Ziele. Herzers Motto lautete: Wenn du ein glückliches Trading willst, so verbinde es mit einem Ziel. Weise Worte – aber Herzer wusste auch, wie lang und steinig der Weg dahinter war.
Gespannt lauschte Philip den Worten seines Chefs, sein Blick schweifte über die konzentrierten Gesichter. Auf dem Tisch vor Herzer lag ein Ordner. Die Aufschrift PB1212 erkannte Philip sofort. Schlagartig brach ihm der Schweiß aus: PB1212 war das Konto, das er zu Beginn seines Praktikums zugeteilt bekommen hatte. Dieses Konto hatte einen Anfangssaldo von 55.000 Euro gehabt. Philip wurde ganz schlecht, als er sich an den Schlusssaldo vom vergangenen Freitag erinnerte. Er konnte sich an rund 22.300 Euro erinnern. Also zirka 60 Prozent minus – in drei Monaten Praktikum.
Als das Meeting beendet war, sah Herzer Philip kurz an und klopfte mit der flachen Hand auf den Hefter. Er bat Philip, noch zu bleiben. Philip nickte stumm, die Rädchen in seinem Gehirn arbeiteten auf Hochtouren.
»Du bist jetzt fast drei Monate bei uns und hast das Konto mehr als halbiert.« Offenbar erwartete Herzer auf diese Eröffnung keine Antwort. Er fuhr fort: »Ich denke, dass es jetzt an der Zeit ist, dass du was lernst. Du hast laut dieser Auswertung hier rund 650 Trades gemacht. Also durchschnittlich zehn Trades am Tag. Von daher hast du mehr Trades gemacht als der durchschnittliche Anleger in seinem ganzen Leben.« Herzer lachte, Philip lächelte unsicher zurück. Aber innerlich atmete er auf. An der Tonlage der Worte hatte er erkannte, dass ihn keine Standpauke erwartete, dass er nicht vorgeführt werden sollte. Vielmehr ging es hier um Hilfe für ihn. Herzer hatte inzwischen auch Hofner zu sich herangewunken.
»Sei so nett und fasse die letzten Monate deines Handels in einem kurzen Satz zusammen«, bat Herzer den Praktikanten.
Philip räusperte sich, legte seinen Kopf etwas schief, als ob er in sich hineinhörte, und begann schließlich: »Ist verdammt dumm gelaufen. Ich habe mir Mühe gegeben und war morgens der Erste am Rechner und abends der Letzte im Büro. Ich habe den Markt nie aus den Augen verloren, aber trotzdem ist der Markt ständig anders gelaufen, als ich dachte. Ich habe alle Berichte gelesen und trotzdem war ich immer auf der falschen Seite.«
Herzer stand auf und ging im Konferenzraum umher, zündete sich eine Zigarette an und blieb vor dem Fenster stehen. Draußen kündigte sich ein schöner Tag an.
»Es ist gut so. Es ist gut, dass du Geld verloren hast«, sagte Herzer ruhig, aber bestimmt. »Wir haben dich und deine Handelstage ein bisschen verfolgt. Nun, es wäre falsch zu sagen, dass man aus deinen Trades einen konkreten Fehler oder einen falschen Handelsstil hätte erkennen können. Genau genommen kann man aus deinen Trades gar nichts herauslesen. Wie auch? Du hast ja nur aus dem Bauch gehandelt, und je nachdem, wie der Chart und der letzte Bar aussahen, hast du mal Long, mal Short gedrückt. Hast ’ne Wette daraus gemacht. Von daher kann man hier aus deinen Trades nichts ableiten oder schlussfolgern. Wenn den Trades keine Logik, keine Idee und kein nachvollziehbarer Ansatz zu Grunde liegen, kann man auch schlecht auf einen konkreten Fehler hinweisen. Es ist dann nur ein einfaches Herumgezocke. Ein besserer Nervenkitzel. Aber leider ohne Ergebnis. Nun gut. Deine Schonzeit ist vorbei und das Geld auf dem Konto geht auch zur Neige. Ich denke, dass du nun so weit bist: So weit, dass du aufnahmefähig für eine Hand voll Fachwissen und ein paar konkrete Hinweise bist. Ab morgen weht hier für dich ein anderer Wind!« Herzer lächelte Philip aufmunternd zu. Er gab ihm damit eindeutig zu verstehen, dass er ihm Mut machen wollte.
So recht konnte Philip die Worte noch gar nicht verstehen. Er war in seinem Glauben erschüttert. Nicht in dem Glauben an Gott, aber in dem Glauben an sich selbst, der ihn bisher nie verlassen hatte. In dem Glauben an seine Intelligenz und seinen Mut. Er hatte gedacht, dass er in diesem Gespräch gegen eine Flut von Anschuldigungen würde ankämpfen müssen. Stattdessen gab Herzer ihm ganz einfach zu verstehen, dass es völlig normal sei, am Anfang Geld zu verlieren. Man hatte ihn beobachtet und trotz der Verluste nichts gesagt? Scheinbar gehörten diese ersten drei Monate mit zum Bestandteil des Praktikums und des Lernens. Philip schlich sich aus dem Raum und ging zu seinem Arbeitsplatz. Dort ließ er sich seufzend auf seinen Stuhl fallen.
Die beiden Händler sahen ihm nach und Hofner schloss die Tür. Sie waren jetzt allein im Raum.
»Hör zu«, begann Herzer. »Bitte schreibe Philips Vater eine ausführliche Mail, wie die letzten Wochen gelaufen sind. Erklär ihm, wie es jetzt mit seinem Sohn weitergeht, wie wir das Praktikum ab jetzt durchführen, und vor allem, was nun mental auf Philip zukommt. Philip ist ein netter Bursche, und ich denke, dass es Zeit wird, ihm mal den Kopf zu waschen. Er müsste jetzt nach den vielen Trades und der hier verbrachten Zeit einen anderen Bezug zum Handel bekommen haben. Er hat seine anfängliche Arroganz dem Markt gegenüber abgelegt und zur Genüge zu verstehen bekommen, dass der Markt Recht hat und niemals er. Man hat es ihm gerade angesehen, dass er inzwischen mitbekommen hat, dass das Trading weit mehr ist als nur Tastendrücken und Lottospielen.« Herzer packte seine Sachen zusammen.
»Bitte kümmere dich ab jetzt persönlich um Philip und zeige ihm stufenweise, Schritt für Schritt, wo es langgeht. Eins nach dem anderen. So lernt er, dass das Fachwissen aufeinander aufbaut. Es ist alles miteinander verknüpft! Du weißt, was ich meine. Lass ihn seine Erfahrungen mit dem Fachwissen machen und bringe ihm nach und nach die wichtigsten Bausteine im Trading bei. Du weißt, ich halte viel davon. Ich meine vor allem die Qualität im Trading!«
Herzer verabschiedete sich von Hofner. Er erinnerte ihn nochmals, dass er unbedingt heute noch die Mail an Philips Vater rausschicken solle.
Hofner ging zu seinem Arbeitsplatz und verschaffte sich routiniert mit einigen Handgriffen schnell einen Überblick über den aktuellen Markt. Der DAX-Future hatte mit einem leichten Plus von 20 Punkten eröffnet. Der SMI-Future schaffte es sogar auf ein Plus von 44 Punkten. Hofner sah sich im Büro um. Alle Händler tippten auf ihren Tastaturen herum. Bei jedem Händler wurden Positionseröffnung und -schließung von den Programmen akustisch mit einem frei definierten Signalton unterlegt. Nach einigen Jahren konnte jeder Händler im Büro anhand des ständigen Gepiepses der jeweiligen Programme genau heraushören, welche Order von welchem Händler ausgeführt wurde.
Hofner starrte auf den Chart des Schweizer Futures. Sollte der Markt noch fünf Punkte zurückkommen, so würde er eine Long-Position eingehen. Der Markt hatte einen kleinen Trend auf Tick-Basis herausgebildet. Hofner eröffnete am liebsten in eine laufende Korrektur hinein Positionen. Diese Handlungsweise ist ein Zeichen von Mut und Entschlossenheit. Vor allem aber zeigt sie ein hohes Maß an Fachwissen über die Materie und den Handel.
Seufzend erinnerte sich Hofner an die E-Mail, die er Philips Vater schreiben sollte. Philips Vater und Herzer waren seit vielen Jahren enge Freunde. Aus diesem Grund hatte sich Herzer auch damit einverstanden erklärt, sich um Philip zu kümmern und ihm ansatzweise das Traden beizubringen.
Herzer wusste, dass man das Traden niemals durch das bloße Nachahmen von anderen Trades bzw. Tradern erlernen konnte. Dies hatte er Philips Vater zu verstehen gegeben und dieser hatte dem erfahrenen Trader eine ausreichende Summe Geld überwiesen. So konnte das Handelsbüro Philip ein scharfes Handelskonto, also ein Konto mit echtem Geld, zur Verfügung stellen. Die voraussehbaren Verluste, die Philip produzieren würde, konnten so mit diesem Geld gegengebucht werden.
Normalweise gab es diese Art von Praktikum in einem Handelsbüro nicht. Hier und da jobbte mal ein unterbeschäftigter Student im Büro, während er an irgendeinem Forschungsprojekt arbeitete. Aber die Form, in der Philips Praktikum ablief, war einzig und allein der Freundschaft zwischen dem Chef und Philips Vater geschuldet.
Hofner holte sich einen Kaffee und überlegte, wie er Philips bisherige Wochen seinem Vater schildern sollte. Er wusste, dass es Philips Vater mit der Ausbildung seines Sohns sehr ernst war. Dem alten Herrn war auch klar, dass man das Trading niemals in wenigen Monaten erlernen konnte und dass es vor allem auf die richtige Einstellung zum Trading ankam.
Nach einem prüfenden Blick auf den Schweizer Future eröffnete Hofner eine Position: 50 Kontrakte Long bei 5.420 Punkten. Hofners Handelsprogramm setzte nach Eröffnung automatisch einen Stopp von zehn Punkten für die eingegangene Position. Dieser wurde im laufenden Chart angezeigt.
In den anderen Märkten gab es momentan keinerlei Signale. Seine jahrelange Erfahrung sagte Hofner, dass in den kommenden Minuten auch kein weiteres Signal anstehen konnte. Dies lag im aktuellen Chartverlauf begründet. Er hatte somit genügend Zeit für die E-Mail an Philips Vater:
Sehr geehrter Herr Walter,
anbei ein kurzer Zwischenbericht zum Praktikum Ihres Sohnes.
Philip hat sich gut bei uns eingelebt und kommt mit den Kollegen gut zurecht. Wir haben Philip nun drei Monate einfach das tun lassen, wozu er beim Trading Lust hatte. Ihm wurde ein scharfes Handelskonto zur Verfügung gestellt, und wir haben ihn traden lassen, so wie er wollte. Ohne Hinweise und ohne Fachwissen. Wir haben kaum in seinen Handel und seine Ideen eingegriffen. Dies ist ein grundlegender Bestandteil dieses Praktikums. Da Philip bisher noch nicht viel Erfahrung im Trading hat, ist es wichtig, seine anfängliche leichte Überheblichkeit gegenüber dem Trading abzubauen. Denn solange jemand daran festhält, ist es fast unmöglich, ihm Wissen zu vermitteln. Also haben wir Philip einfach traden lassen, bis er selbst in ersten Ansätzen erkannte, dass das Traden weit mehr an Fachwissen erforderte, als er zunächst gedacht hatte. Das geht jedem Tradinganfänger so. Von daher wollten wir Ihrem Sohn diesen Teil seiner Tradingkarriere in dem Praktikum nicht vorenthalten.
Was ist das bisherige Ergebnis? Nun – Philips Konto wurde halbiert. Das ist okay und wird von uns keineswegs bedauert oder als falsch angesehen. Sie hatten dieses Geld ja als »Lehrgeld« zur Verfügung gestellt. Ihr Sohn hat nun zur Genüge erkennen können, dass das Trading weit mehr an Wissen erfordert, als er geglaubt hat. Dabei hat Philip wirklich törichte Schnitzer gemacht und diese in einer Beständigkeit tagein und tagaus wiederholt. Der Grund war in der Regel immer der gleiche: Er hatte zu Beginn seiner Praktikumszeit nicht begriffen, dass es darum geht, etwas zu lernen, ja nicht mal den Wunsch, das Trading in seiner Materie richtig zu verstehen. Das liegt einfach und allein daran, dass für ihn das eigentliche Trading und Beobachten des Charts momentan noch interessanter sind als das Fachwissen. Zurzeit ist Philip noch allzu sehr von der Werbung und den üblichen Sprüchen geblendet. Er wird aber im Laufe der Praxis immer mehr erkennen, dass das Trading einige Probleme aufwirft. Diese erste Phase durchläuft ausnahmslos jeder private Trader, der sich das Trading selbstständig aneignete.
So konnten wir Philip als Schüler zunächst einmal ernsthaft dabei helfen, seine Neugier anzustacheln, und haben dadurch in ihm das Verlangen geweckt, Aufgaben und anstehende Fragen rund um das Trading zu lösen. Philip hat in den letzten Wochen am eigenen Leibe zu spüren bekommen, dass niemals er, sondern immer der Markt Recht hat.
Ein Lehrer sollte dem Schüler immer etwas Zeit einräumen, damit der wiederum das Lernen als einen Teil seiner Lebensaufgabe sehen kann. Das gilt auch beim Trading. Denn wenn Philip das Fachwissen nur als notwendiges Übel ansieht, dann sollte das zukünftig zu verwaltende Geld besser an Dritte abgegeben werden, damit diese sich darum kümmern. Dort wäre es dann besser aufgehoben. Aber jetzt, nachdem Philip einige Zeit mit dem Trading zugebracht hat und in der Folge das Konto halbiert wurde, ist der Weg frei, und wir können ihm nach und nach das erforderliche Fachwissen beibringen. In den kommenden Wochen werden wir Philip die Grundlagen der Markttechnik vermitteln und ihm innerhalb dieses Praktikums genügend Zeit und Möglichkeiten geben, die einzelnen Stufen des Wissens in Übungsphasen praktisch umzusetzen. Dies ist sehr wichtig. Beim Trading erwächst die Theorie aus der Praxis.
Zu Beginn werden wir Philip das Wissen vermitteln, wie ein Kurs entsteht. Mit diesem Wissen kann Philip zwar für sich allein genommen noch nichts anfangen, und er wird eventuell auch noch nicht gleich den Bezug zum markttechnisch orientierten Trading herstellen können, dennoch ist es einer der wichtigsten Grundbausteine für das weitere Wissen. Mit diesem Wissen können wir dann mit Philip gemeinsam das Fachwissen rund um den Trend, den Trendaufbau und die Marktteilnehmer innerhalb eines Trends erschließen. Innerhalb dieser riesigen Thematik werden Philip viele wichtige Randbedingungen und Gegebenheiten rund um das Trading bewusst werden. Danach werden wir gemeinsam mit Philip Einstieg und Stoppregel für das Trading durchsprechen und aus dem bisherigen Wissen ableiten. Auch hier werden ihm wieder viele Randbedingungen und praktische Hinweise mit an die Hand gegeben. Wir werden dann mit Philip viele Trades gemeinsam durchgehen und anhand der Praxis die Theorie vermitteln. Im Zuge der praktischen Trades können wir dann Philip auf viele Tradingfehler hinweisen, die ihm aber erst durch die praktische Anwendung bewusst werden. Durch die praktische Anwendung von Fachwissen wird Philip die mentale und psychische Komponente im Trading deutlich werden. Dieses Bewusstsein werden wir aufgreifen und ihm einige praktische Fragen aufzeigen, die ihn zum Nachdenken und Überdenken anregen sollen. Wir werden ihm in den darauf folgenden Schritten eine qualitative Herangehensweise an das Trading aufzeigen.
Philip muss lernen, dass ein ernsthaftes markttechnisch orientiertes Trading nicht aus nachahmbaren Regeln besteht, sondern aus einer gewissen Logik, die aus dem Grundwissen um die Börse und aus den Einsichten zu seinem eigenen Trading erwächst.
Für Philip werden dieses schrittweise Lernen, das Erkennen eines Tradingproblems, die Lösung der Fragen seiner ständig hin- und herspringenden Gedanken, in der Summe eine große Entdeckung werden. Denn jeder einzelne Fortschritt, jede noch so kleine Lösung wird für ihn künftig einen Erfolg darstellen. Eine Aufgabe mag noch so bescheiden sein, wenn sie aber das eigene Interesse weckt, wenn die eigene Erfindungsgabe angeregt wird und man diese Aufgabe aus sich selbst heraus löst, so wird man die Spannung und den Triumph eines Entdeckers erfahren. Und darum geht es beim Trading.
Philip muss eine eventuelle Begabung für das Lösen von geistigen Tradingabschnitten erst entdecken. Keinem Tradinganfänger ist diese Begabung gleich zu Beginn bewusst. So kann Philip später eventuell zu der Feststellung kommen, dass ihm das Lösen der geistigen, psychologischen und philosophischen Gedanken im Trading so viel Vergnügen bereitet wie ein schönes Buch und dass die geistige Arbeit für ihn so angenehm sein kann wie eine Tennispartie. Wenn er einmal die Freude am geistigen Traden erlebt hat, so wird er sie nicht wieder verlieren, und das ist dann die Chance, dass das Trading für Philip eine wirkliche Bedeutung bekommt: Vielleicht wird Trading sein Hobby, vielleicht seine große Leidenschaft oder Berufung oder ganz und gar sein künftiger Beruf.
Unsere wichtigste Aufgabe als Lehrer ist es, Philip zu helfen. Diese Aufgabe ist beim Trading nicht ganz leicht; sie erfordert Zeit, Übung, Hingabe und klare Grundsätze. Philip muss sich als Trader ein großes Maß an Selbstständigkeit erwerben. Natürlich werden wir Philip helfen, aber nicht zu viel und nicht zu wenig, sodass für ihn ein vernünftiger Anteil an selbstständiger Arbeit bleibt. Außerdem muss Philip lernen, dass jeder Trader zum Selbststudium verpflichtet ist. Aber während des ganzen Praktikums wollen wir Philip auch niemals in dem Glauben lassen, dass Trading eine rein verstandesgemäße Angelegenheit ist. Denn das entspricht nicht der Wahrheit. Entschlossenheit, Gefühlsregungen und ein starker Wille werden für Philip künftig eine wichtige Rolle spielen. Laue Entschlusskraft und die schläfrige Einwilligung, ein bisschen was zu tun, mögen ausreichen für eine typische Schulaufgabe. Aber damit Philip später ein ernsthaftes Trading betreibt, ist eine Willenskraft erforderlich, die Jahre mühsamer Arbeit und bitterer Enttäuschungen zu überstehen vermag. Die Entschlusskraft wird von widerstreitenden Gefühlen wie Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Befriedigung und Enttäuschung immer wieder ins Wanken gebracht werden. Aber bei Philip wird sich der Lohn der Mühe ganz bestimmt einstellen. So wird es ihm möglich sein, vom naiven Glauben zum wirklichen Wissen fortzuschreiten.
Mit besten Grüßen Hofner
Hofner las die E-Mail noch einmal durch und schickte sie ab. Er wendete sich dem aktuellen Marktverlauf zu. Seit der Positionseröffnung im SMI-Future waren nun 30 Minuten vergangen. Die Position lag neun Punkte im Gewinn. Der Markt stand auf 5.429. In den letzten Minuten gab es kaum nennenswerte Bewegung. Hofner kontrollierte den Stoppkurs für die Position, den das Handelsprogramm selbstständig nachgezogen hatte.
Hofner sah keinen Grund, den Markt weiter zu beobachten. Die Stopps waren gesetzt, und er wusste, dass der Computer den Stopp bei erneut einsetzender Bewegung auch ohne seine Anwesenheit nachziehen würde. So war es von Hofner angedacht. So war es von Hofner programmiert. Sollte er aus der Position ausgestoppt werden, so erforderte dies auch nicht seine ständige Anwesenheit vor dem Bildschirm. Er wusste, dass die meisten Minustrades und die größten entgangenen Gewinne durch falsche Stoppsetzung entstehen. Diese oft unüberlegte Stoppsetzung entsteht vor allem bei Tradinganfängern – meist dann, wenn sie ununterbrochen über ihren gesetzten Stopp nachgrübeln und diesen mit jeder aktuellen Kursveränderung abgleichen und dann den Stopp ständig wahllos verändern.
Hofner betrachtete den Handelsraum. Alle Händler saßen an ihrem Arbeitsplatz. Sander hatte ein Buch in der Hand und las aufmerksam. Einen Stadtführer von Rom. Sander wollte dort demnächst Urlaub machen. Die anderen Händler surften im Internet. Auf den ersten Blick hatte es den Anschein, als würde sich niemand ernsthaft für den gerade stattfindenden Marktverlauf interessieren.
Hofner verschränkte die Arme hinter dem Kopf, streckte die Beine aus und sah durch die große Fensterfront hinaus in die Frühlingssonne. Es schien ein guter Handelstag zu werden. Alle Händler waren heute gut drauf. Hofner musste unwillkürlich schmunzeln, als er einen Blick zu Philip hinüberwarf. Keine Minute konnte er die Augen vom Bildschirm lassen. Er verglich mit all seinem vorhandenen Wissen sekündlich den Markt und suchte unablässig nach obskuren Einstiegssignalen, die er sich selbst zusammengereimt hatte. Über jede entgangene oder nicht vorhergesehene Punktveränderung ärgerte er sich. Für Philip waren das Beobachten und vor allem das Traden echter Stress. Seine Pulsfrequenz war wohl ständig im Grenzbereich, immer am obersten Limit.
Da ließen es die Kollegen schon etwas gelassener angehen. Sander blätterte immer noch in seinem Buch und die anderen Händler amüsierten sich gerade über irgendwelche sinnlosen Aussagen in einem Trading-Internetforum. Niemand schaute ständig dem Markt hinterher.
Hofner nahm wieder sein Tagebuch zur Hand und setzte sich so, dass er mit einer schnellen Wendung des Kopfes seinen Arbeitsplatz im Blick behielt. Er vertiefte sich in die Notizen, die er heute morgen gemacht hatte. Ein letztes Mal betrachtete er Philip und schaute dann hinüber zu den professionellen Händlern. Dann begann er eine neue Seite mit der fetten Überschrift: Je langweiliger der Handel, umso erfolgreicher …
enthält die eine Aktie, die um 17 Prozent fällt; ein geheimes Kursbuch; viele simulierte Order-Anrufe; einen Eröffnungskurs bei 88 Euro und eine interessante Lektion, die Philip erhält.
Am Dienstagmorgen erschien Philip kurz vor halb acht im Handelsbüro. Hastig nahm er sich eine Tasse Tee und wechselte noch ein paar Worte mit Laura. Dann schaltete er seinen Laptop und den Rechner ein und ließ die Programme hochfahren. Hofner und Sander waren auch schon im Büro, sie besprachen bereits die künftigen Handelseinstiege und druckten dabei verschiedene Charts aus. Philip sah, dass Hofners Schreibtisch unter einem Berg von Charts und ausgedruckten Listen verschwunden war. Die beiden Trader waren so in ihre Arbeit vertieft, dass sie Philip keine besondere Aufmerksamkeit schenkten.
Philip stellte seine Tasse auf den Schreibtisch und ließ sich mit Schwung auf den Bürostuhl fallen.
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