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Fleisch oder Veggie? Low-carb oder Keto? 3 Mahlzeiten am Tag oder Intervallfasten? Welche Ernährungsform ist gesund und welche schadet? Viele Fragen und jeder wünscht sich mittlerweile eine Orientierung in dieser ernährungsmedizinischen Überinformation. Und diese bietet das neue Standardwerk von GU: Von der Ernährungsberatung bis zur Therapie ernährungsabhängiger Krankheiten, vom Umgang mit Übergewicht und Diäten bis zu den verschiedenen Nährstoffgruppen, von der Ernährung in verschiedenen Lebensphasen und Unverträglichkeiten bis hin zu zahlreichen gesunden Rezepten. Keine Frage bleibt unbeantwortet, und der kulinarische Genuss kommt auch nicht zu kurz - alles wissenschaftlich fundiert, alltagstauglich und leicht verständlich.
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Seitenzahl: 510
Veröffentlichungsjahr: 2022
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© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Projektleitung: Barbara Fellenberg
Lektorat: Angelika Lang
Bildredaktion: Simone Hoffmann
Covergestaltung: ki36 Editorial Design
eBook-Herstellung: Viktoriia Kaznovetska
ISBN 978-3-8338-8248-7
1. Auflage 2022
Bildnachweis
Coverabbildung: Wolfgang Schardt
Illustrationen: Pia Bublies; Dorothee Griesbeck; Adobe Stock; Klaus Arras; ddpimages; Foto Flück; Getty Images; GU-Archiv/Grossmann, Schürle; GU-Archiv/Juni; GU-Archiv/Coco Lang; GU-Archiv/Mathias Neubauer; GU-Archiv/Wolfgang Schardt; GU-Archiv/Nicky Walsh; GU-Archiv/Katrin Winner; iStockphoto; Mauritius Images; Plainpicture; Seasons Agency; Science Photo Library; Alex Schelbert; Shutterstock; Stocksy; Robert Ruggiero/Nathan Dumlao/American Heritage Chocolate/Unsplash
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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
helfen Low-Carb und Keto beim Abnehmen? Ist Intervallfasten gesund? Ist Fleisch wirklich krebserregend? Sicher kennen Sie das Problem: Im Dschungel der Ernährungsmythen scheinen sich die Empfehlungen ständig zu ändern. Dazu kommen Influencer in den Social Media und Pseudo-Experten, die eigentlich nur die eigene Weltanschauung verbreiten wollen.
Das Feld der Ernährungsmedizin ist extrem unübersichtlich. Was kann man da überhaupt noch glauben und was sind die wissenschaftlichen Fakten?
Genau da gibt Ihnen dieses Buch eine verlässliche Orientierung. Denn hier spricht die Wissenschaft. Gemeinsam mit meinem Team forsche und lehre ich am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Wir beschäftigen uns jeden Tag mit den neuesten Studienergebnissen, prüfen kritisch und diskutieren jedes Detail. Es ist unser Anspruch, die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse in alltagstaugliche Empfehlungen zu übersetzen. Denn die beste Ernährungsmedizin nützt nichts, wenn das Essen nicht schmeckt.
Im ersten Kapitel schauen wir uns an, was »gesunde Ernährung« ist. Wie können Sie sich und Ihre Familie vor ernährungsbedingten Krankheiten schützen? Anschließend starten wir die spannende Ernährungsreise durch unseren Körper, um zu verstehen, was Nahrung bewirken kann. Im dritten Kapitel erhalten Sie ernährungsmedizinische Empfehlungen zur Therapie vieler häufiger ernährungsbedingter Erkrankungen. Und im abschließenden Rezeptteil erfahren Sie, dass Sie eine leckere und gesundheitsförderliche Ernährung ganz einfach im Alltag umsetzen können.
Es gibt ein altes Sprichwort: Eine Krankheit hat viele Väter, aber die Mutter ist immer die Ernährung. Ernährung ist zwar nicht alles, doch bei den meisten Krankheiten in unserer westlichen Welt hat sie einen ganz entscheidenden Anteil: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Demenz, Adipositas, Diabetes, Gicht, Fettstoffwechselstörungen, Reizdarm-Syndrom, Unverträglichkeiten und viele andere mehr. Das Potenzial der Ernährung für die Prävention und die Therapie all dieser Krankheiten ist riesig. Mit diesem Buch möchten wir Sie dabei unterstützen, dieses weithin unterschätzte Potenzial im Sinne Ihrer Gesundheit zu nutzen. Gesunde Ernährung? Sie werden sie lieben!
Ihr Prof. Dr. Martin Smollich
In diesem Kapitel erfahren Sie, was es mit gesunder Ernährung auf sich hat. Nicht nur die Inhaltsstoffe sind wichtig, auch ihre Wechselwirkungen mit Stoffen im Körper sind von Bedeutung. Außerdem beeinflusst die Ernährung die Entstehung von Krankheiten. Und nicht zuletzt muss gesunde Ernährung auch Spaß machen, denn nur so bleiben Sie gern dabei.
Als Wissenschaftler am Lübecker Institut für Ernährungsmedizin genieße ich das unschätzbare Privileg, jeden Tag über gesunde Ernährung sprechen zu können. Gemeinsam mit meinem Team diskutieren wir die neuesten Studienergebnisse und überlegen, welche Schlüsse wir daraus für unsere Patienten ziehen können. Von Patientinnen und Patienten werden mir zwei Fragen mit Abstand am häufigsten gestellt: »Was ist gesunde Ernährung?« und »Welches Lebensmittel ist besonders gesund?« Die Antwort auf beide Fragen ist schwierig und einfach zugleich. Durch die enormen Fortschritte der Ernährungsmedizin wissen wir heute so viel über die gesundheitlichen Effekte von Ernährung wie noch nie. Es ist inzwischen sehr genau bekannt, welche Lebensmittelbestandteile wo und wie im Körper wirken.
Hier kommt meine Großmutter Frieda ins Spiel. Sie wurde 1916 auf einem ostpreußischen Bauernhof geboren. Als sie nach einem entbehrungsreichen Leben im Alter von 97 Jahren starb, waren ihr alle ernährungsbedingten Zivilisationskrankheiten erspart geblieben. Meine Großmutter war Bäuerin ohne medizinisches oder ernährungswissenschaftliches Fachwissen. Doch im Rückblick auf die Jahre, die ich als Kind spielend (und essend) in ihrer Küche verbracht habe, wird mir klar: Ihre Art der Ernährung entsprach ziemlich exakt dem, was die Ernährungsmedizin heute unter »gesunder Ernährung« versteht.
Heißt das, dass die Wissenschaft in den vergangenen hundert Jahren keinen Fortschritt gemacht hat? Definitiv nein. Diese Geschichte lehrt uns vielmehr: Heute wissen wir besser als je zuvor, warum bestimmte Ernährungsweisen für unsere Gesundheit gut oder schlecht sind. Denn Ernährung ist zwar kein Zaubermittel, das uns lebenslang vor Krankheiten schützt. Aber eine gesunde Ernährung ist die wichtigste Voraussetzung für ein langes und gesundes Leben.
Ersetzen Sie Fleisch durch Hülsenfrüchte und Nüsse!
Eiweißreiche Lebensmittel gelten als besonders gesund, sollen sie doch angeblich das Muskelwachstum fördern und nicht dick machen. Allerdings: So einfach ist es nicht.
Besonders spannend sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der 2020 veröffentlichten Rotterdam-Studie. Die Forscher der Erasmus-Universität untersuchten dabei an 7786 Studienteilnehmern, wie sich die Proteinzufuhr mit der Nahrung auf das Risiko auswirkt, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Die Gesamtergebnisse zeigten: Je höher die Proteinzufuhr, desto höher (!) war auch das Risiko, im Lauf der Studie zu versterben. Im nächsten Schritt schauten sich die Wissenschaftler dann an, ob es einen Unterschied macht, welche Art von Protein diesen nachteiligen Effekt vermittelt. Das Ergebnis der Rotterdam-Analyse zum Zusammenhang von Protein-Qualität und dem Risiko für einen Herz-Kreislauf-Tod war eindeutig:
Protein aus Fleisch und Milch war mit einer Risikoerhöhung verbunden.
Pflanzliches Protein insgesamt (v. a. aus Kartoffeln und Getreide) war ohne Einfluss auf das Risiko (Nulleffekt).
Pflanzliches Protein aus Hülsenfrüchten, Nüssen, Gemüse und Obst war mit einer Risikosenkung verbunden.
Je höher der Konsum vor allem an rotem Fleisch (z. B. Rind, Schwein) und verarbeitetem Fleisch (z. B. Wurst und Schinken), desto höher ist auch Ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Heißt das nun, dass Sie zwingend zur Vegetarierin oder zum Veganer werden müssen? Nicht unbedingt. Aufschlussreich und alltagsrelevant ist hier eine Analyse, die 2019 von der Ernährungswissenschaftlerin Marta Guasch-Ferré an der Harvard-Universität in Boston durchgeführt wurde: Das Forscherteam interessierte sich für die Frage, ob es einen Unterschied für die Herzgesundheit macht, wodurch man Fleisch ersetzt, oder ob es ganz egal ist, solange man Fleisch insgesamt reduziert.
Das Ergebnis: Entscheidend für Ihr Herz ist, wodurch Sie Fleischmahlzeiten ersetzen. Wenn Sie Rind- und Schweinefleisch zumindest teilweise durch hochwertiges pflanzliches Eiweiß aus Hülsenfrüchten (Erbsen, Bohnen, Linsen, Soja) und Nüssen (Walnüsse, Mandeln) ersetzen, dann sinkt Ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich. Ersetzen Sie das Fleisch dagegen durch Brot, Nudeln oder Kartoffeln, bringt das Ihrer Herzgesundheit nichts.
Sehr viele Nahrungsergänzungsmittel werden mit positiven Effekten auf die Herzgesundheit beworben. Ob solche Supplemente sinnvoll sind oder nicht, wurde inzwischen in sehr großen Studien geprüft. Die letzte große Auswertung zu dieser Frage wurde 2019 unter Leitung von Prof. Erin D. Michos an der Johns Hopkins School of Medicine (Baltimore, USA) durchgeführt. In die Analyse eingeschlossen wurden Daten aus 277 Studien mit knapp einer Million Teilnehmern. Die Ergebnisse waren für die Freunde der Nahrungsergänzungsmittel äußerst ernüchternd (siehe Tabelle >).
SIND NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL HERZGESUND?
STOFF
FUNKTION
ERGEBNIS DER STUDIEN
Arginin
Aminosäure in pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln; ist an der Blutdruckregulation beteiligt
geringfügig blutdruck-senkender Effekt bei 6–8 g pro Tag
Kalzium
essenziell für die Knochengesundheit, reguliert auch den Blutdruck und die Blutgerinnung
Zufuhrmengen von mehr als 1 500 mg pro Tag verschlechtern die Herzgesundheit.
Kalzium plus Vitamin D
Einnahme ohne nachgewiesenen Mangel kann das Risiko für Schlaganfälle erhöhen.
Fischöl und Omega-3-Präparate
Eicosapen-taensäure und Docosahexaensäure wirken entzündungs-hemmend und reduzieren oxidativen Stress.
ohne Vorteil hinsichtlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Omega-3-Fettsäuren, chemisch verändert
Nur sie können bei bestimmten Patienten mit erhöhten Triglyzerid-Werten das Herzinfarkt-Risiko senken.
Magnesium
ist an sehr vielen Stoffwechsel-prozessen sowie an der Blutdruckregulation beteiligt
Ab 380 mg Magnesium pro Tag ist eine minimale Blutdruck-senkung möglich, jedoch nur bei echtem Magnesium-mangel.
Multivitaminpräparate
weder positive noch negative Effekte auf die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Vitamin A, E, C, B-Vitamine, Eisen
sind an der Blutdruckregulation beteiligt
ohne nachgewiesenen Effekt auf die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Phytosterole
pflanzliche Verwandte des körpereigenen Cholesterins
Dosierungen ab 2 g pro Tag senken die Blutkonzen-trationen von LDL-Cholesterin; sie beschleunigen (!) aber bei Menschen mit bestimmten Genen die Gefäßver-kalkung.
Probiotika
Beeinflussung der Bakterienzusammensetzung im Darm
Positive Effekte in Tierversuchen konnten im Menschen nicht nachgewiesen werden.
Resveratrol
antioxidative Wirkung
ab Dosierungen von über 1 g pro Tag minimale Blutdruck-senkung um 1–2 mmHg
Es ist Unsinn, sich bei der Frage nach einer möglichst gesunden Ernährung auf einzelne Lebensmittel zu konzentrieren. Sind Walnüsse gesünder als Mandeln? Ist Rapsöl gesünder als Hanföl? Solche Fragen sind ernährungswissenschaftlich interessant, aber selten praxisrelevant. Viel wichtiger ist ein alltagstaugliches Gesamtkonzept, selbst wenn es nicht perfekt ist.
Nach allem, was wir heute wissen, bringt das Konzept der »mediterranen Ernährung« die meisten Gesundheitsvorteile. Im Deutschen wird sie gern als »Mittelmeer-Diät« bezeichnet – allerdings ist diese Übersetzung nicht wirklich zutreffend (siehe unten). Wenn Sie die »mediterrane Ernährung« zu Ihrer Alltagsernährung machen, dann sinkt Ihr Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall schon nach fünf Jahren um rund 30 Prozent. An diese Effektstärken kommen selbst die besten Blutdruck- und Cholesterinsenker nicht heran.
Hierbei handelt es sich aber nicht um eine zeitlich begrenzte »Diät« zur Gewichtsreduktion, sondern um eine dauerhaft durchgeführte Ernährungsweise. Mit der südeuropäischen Touristen-Küche (Pizza, Pasta, Sangria) hat sie nichts zu tun. Am besten ist es, davon so viel wie möglich in den Alltag zu integrieren:
Möglichst wenig hochverarbeitete Lebensmittel
Mindestens 3 Portionen Fisch pro Woche, maximal 2 Portionen Fleisch (Bio-Geflügel) pro Woche, sehr wenig Wurst und Schinken
1 Portion Naturjoghurt täglich (kein Frucht-, Schokojoghurt)
2 Portionen Vollkorn-Getreideprodukte pro Tag: Hartweizengrieß, Couscous, Bulgur, Polenta, Hirse, Reis, eifreie Pasta
Mit frischen Kräutern würzen, statt zu salzen: Sie liefern wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe.
Süßigkeiten nur zu besonderen Anlässen (maximal 2-mal pro Woche)
Getränke: Standard ist Wasser; maximal 1 Glas Wein zum Essen, keine zuckerhaltigen Getränke
Mindestens 3 Portionen Gemüse pro Tag (roh und gegart), frisches Obst als Dessert oder Snack
Mindestens 3 Portionen Hülsenfrüchte pro Woche
Täglich eine Handvoll Nüsse, möglichst ungesalzen
Mindestens 4 EL Olivenöl als Standard-Speiseöl pro Tag, außerdem Leinöl und Weizenkeimöl (kalte Küche) sowie Rapsöl
Es geht auch ohne Olivenöl: Nordic Diet! Eine mediterrane Ernährung ist also besonders herzgesund – doch was tun, wenn Sie kein Olivenöl mögen? Dann ist für Sie die »Nordic Diet« perfekt. Dabei wurde die mediterrane Ernährung von Ernährungswissenschaftlern an eher nordeuropäische Geschmacksvorlieben und Lebensmittel angepasst (siehe Tabelle >). Auch sie ist eine langfristige Ernährungsweise, mit der Sie sowohl Ihren Blutdruck als auch das LDL-Cholesterin im Blut senken können.
ERNÄHRUNGSWEISEN IM VERGLEICH
MEDITERRANE ERNÄHRUNG
NORDIC DIET
Olivenöl
Rapsöl
Mediterrane Gemüse
Auberginen, Zucchini, Artischocken, Radicchio
Regionale Gemüse
Kohl, Wurzelgemüse
Hülsenfrüchte
Linsen, Bohnen, Erbsen, Kichererbsen
HülsenfrüchteLinsen, Bohnen, Erbsen
Mediterranes Obst
Oliven, Granatapfel, Feige, Nektarine, Esskastanie, Zitrusfrüchte
Regionales ObstÄpfel, Birnen, Pflaumen
Beeren Blaubeeren, Preiselbeeren, Sanddorn, Himbeeren, Stachelbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren
Getreide Vollkornweizen
Getreide Vollkornroggen, Vollkornhafer
Nüsse und Samen Walnüsse, Mandeln, Pistazien, Sesamsamen
Nüsse und Samen Haselnüsse
Mediterraner Fisch
Rotbarbe, Wolfsbarsch, Dorade,Sardinen, Sardellen/Anchovis
Regionaler Fisch
Wildlachs, Makrele, Hering/Matjes, Sprotten, Scholle
Fleisch Lamm, Kalb, Geflügel
Fleisch Wild, Geflügel
Käse
Käse
Wein
Keine Entsprechung
ZUSAMMENFASSUNG
1. Vermeiden Sie Übergewicht und Adipositas!
Halten Sie Ihren BMI zwischen 20 und 25 kg/m². Falls Sie übergewichtig oder adipös sind: Holen Sie sich qualifizierte Unterstützung zur Gewichtsreduktion!
2. Zufuhr erhöhen:
• Gemüse, möglichst bunt und abwechslungsreich (mind. 200 g/Tag)
• Obst als Snack bei »Süßhunger« nutzen
• einfach ungesättigte Fettsäuren (Olivenöl, Rapsöl, Nüsse)
• mehrfach ungesättigte Fettsäuren (fetter Seefisch, Leinöl, Hanföl, Algenöl)
• frische Gewürze (TK ist auch frisch!)
• Knoblauch
• Vollkornprodukte (Brot, Nudeln)
• Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen, Linsen, Kichererbsen, Soja
• ungesalzene Nüsse, wie Walnüsse, Mandeln (mind. 30 g/Tag)
Neutral
• Eier, Milchprodukte
• Kaffee ohne Zucker! (ob mit Vollmilch oder fettarmer Milch, spielt keine Rolle)
3. Zufuhr begrenzen:
• gesättigte Fettsäuren (rotes Fleisch/Wurst, Schmalz, Käse/Sahne, Palmöl, Kokosöl)
• Kochsalz (hochverarbeitete Lebensmittel)
• Alkohol (max. pro Woche: 8 Gläser Bier (0,3 l) oder 7 Gläser Wein (0,15 l)
• rotes Fleisch (max. 2-mal pro Woche)
4. Dringend vermeiden:
• Transfettsäuren (Junkfood, Chips, Snacks, industriell verarbeitetes Fleisch)
• zuckergesüßte Getränke (Softdrinks, Säfte)
• Phytosterolhaltige Nahrungsergänzungsmittel oder Lebensmittel, die mit Phytosterolen angereichert sind
Nach der Lektüre dieses Buches möchten Sie vielleicht zur Tat schreiten und ein Gesundheitsproblem ernährungsmedizinisch angehen. Das geht am besten, wenn Sie sich persönliche Unterstützung von einer qualifizierten Ernährungsfachkraft holen. »Qualifiziert« heißt in diesem Fall: zertifiziert! Denn in Deutschland sind weder »Ernährungsberater« noch »Ernährungstherapeut« gesetzlich geschützte Berufsbezeichnungen – jeder darf sich so nennen, auch ohne jegliche Art von Qualifikation.
Wie können Sie sich dann vor Scharlatanen im Ernährungsbereich schützen? Ganz einfach: Die Berufsverbände der Diätassistenten (VDD) und der Ökotrophologen (VDOE) sowie die zertifizierenden Institutionen VFED und QUETHEB und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bieten auf ihren Homepages Suchmasken, mit denen Sie zertifizierte Ernährungsfachkräfte in Ihrer Nähe finden können, oft sogar geordnet nach Themenschwerpunkten (z. B. Krebs, Diabetes, Übergewicht usw.). Adressen finden Sie auf >.
Übrigens: Die Kostenübernahme für eine Ernährungstherapie ist eine Kann-Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Die meisten Krankenkassen bezuschussen eine Ernährungstherapie – fragen Sie vorher bei Ihrer Krankenkasse nach! Für Kinder werden die gesamten Kosten erstattet. Voraussetzung ist, dass Ihre Ernährungsfachkraft ein gültiges Zertifikat führt.
Wichtig: Sie benötigen eine Notwendigkeitsbescheinigung Ihres Arztes und in der Regel einen Kostenvoranschlag der Ernährungsfachkraft.
Beratungs-Standards
Zertifikatsinhaberinnen und -inhaber der Berufs- und Fachverbände verpflichten sich, gewisse Standards in der Beratung einzuhalten. Dazu gehört die Produktneutralität – Produktwerbung oder das Anbieten z. B. von Nahrungsergänzungsmitteln sollte Sie ebenso misstrauisch machen wie unrealistische Versprechen (»Mit mir nehmen Sie 5 kg in einer Woche ab!«).
Wertschätzung der Arbeit von Kolleginnen und Kollegen ist nicht verpflichtend, gehört aber zum guten Ton. Von einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit mit Ärzten und anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen profitieren vor allem Sie.
Der Begriff »Ernährungsfachkraft« erstreckt sich auf folgende länderspezifische Berufsbezeichnungen: Diätassistent, Ökotrophologin und Ernährungswissenschaftler (Deutschland), Diaetologin (Österreich), Ernährungsberaterin (Schweiz) und Ernährungstherapeut (Südtirol, Italien).
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg ist für jeden jungen Nachwuchswissenschaftler eine beeindruckende Institution. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie ich selbst das DKFZ zum ersten Mal betrat: Ich war 24 Jahre alt, es war mein erster Kontakt mit der biomedizinischen Forschung. Später widmete ich die besten Jahre meines Lebens der experimentellen Krebsforschung. Die Krebspatienten, die ich täglich in der Klinik sah, waren meine Motivation dafür, das Labor zum Mittelpunkt meines Wirkens zu machen.
Doch während all dieser Jahre wurde eine Frage in mir immer drängender: Wenn seit Jahrzehnten Generationen der weltweit besten Wissenschaftler nicht der Durchbruch gelingt, wie man Krebs heilen kann – wäre es nicht eigentlich viel stärker, bei der Krebsprävention anzusetzen?
Statistisch gesehen muss jeder zweite von uns damit rechnen, einmal in seinem Leben die Diagnose »Krebs« zu erhalten. Allein 2020 wurden in Deutschland 234 000 Frauen und 260 000 Männer damit konfrontiert.
Aber selbst hier gibt es eine gute Nachricht. Durch Ihren persönlichen Lebensstil haben Sie es in der Hand, Ihr Krebsrisiko deutlich zu senken. Bitte verstehen Sie das nicht falsch: Nicht jeder Krebs ist dadurch zu verhindern. Hirntumore, Leukämien und viele Krebserkrankungen bei Kindern sind Beispiele dafür, dass Umwelteinflüsse bei der Krebsentstehung nicht alles sind. Auch unsere Gene spielen eine Rolle. Aber durch unsere Ernährung können wir sogar unsere Gene an- und abschalten (siehe Info >).
Krebs kann entstehen, wenn sich unsere Körperzellen unkontrolliert teilen. In jeder Sekunde unseres Lebens sterben Zellen in unserem Körper ab, während sich andere Zellen teilen und vermehren. Dieses Gleichgewicht von Aktivierung und Hemmung der Zellteilung ist durch komplexe Mechanismen sehr gut kontrolliert. Bei der Krebsentstehung ist dieses Gleichgewicht gestört: Die Zellen wachsen und teilen sich selbst dann, wenn sie Stoppsignale erhalten.
Der Hauptgrund für dieses ungebremste Wachstum sind Programmierfehler in unseren Zellen. Diese genetische Software kontrolliert alle Abläufe in einer Zelle, ihren Stoffwechsel, ihr Wachstum und auch ihr Absterben. Gespeichert ist dieses Programm auf der im Zellkern jeder Zelle enthaltenen DNA. Ein Mensch mit einem Körpergewicht von 70 kg besteht aus ca. 30 Billionen einzelnen Zellen (30 000 000 000 000), und in jeder davon befindet sich eine Kopie der DNA. Wenn sich eine Zelle teilt, muss Erbinformation kopiert und dann auf die zwei Tochterzellen verteilt werden. Sie wissen, wie das so ist: Bei jeder Kopie können sich Fehler einschleichen.
GUT ZU WISSEN
Lebensmittel steuern unsere Gene
Viele Menschen glauben, dass vor allem unsere Gene unsere Gesundheit bestimmen. Jeder kennt die Geschichte, dass schon der Großvater und der Vater eine bestimmte Krankheit hatten – und deshalb werde ich diese Krankheit wahrscheinlich auch bekommen.
Neueste Forschungsergebnisse zeigen aber: Wir können die krank machenden Gene in unseren Zellen durch unsere Nahrung an- oder abschalten. Es sind vor allem zwei Ernährungsfaktoren, die unsere Schalter auf »gesund« stellen:
Bestimmte Mikronährstoffe: B-Vitamine, Cholin (Eier, Sojabohnen, Weizenkeime, Wildlachs), Betain (Quinoa, Rote Bete, Vollkorn, Spinat), Zink, Magnesium
Sekundäre Pflanzenstoffe (siehe >):
Isoflavone (Soja, Mungbohnen, Kichererbsen, Erdnüsse)
Indol-3-Karbinol und Sulforaphan (Kohlgemüse)
Resveratrol (Himbeeren, Brombeeren, Weintrauben/Rosinen)
Epigallocatechingallat (Grüner Tee)
Quercetin (Äpfel, Zwiebeln, Brokkoli, Tomaten)
»Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus welchem wir nicht getrieben werden können«, schrieb der Dichter Jean Paul im Jahr 1812. Für mindestens anderthalb Millionen Menschen in Deutschland stimmt das leider nicht, denn sie sind an einer Demenz erkrankt und verlieren langsam, aber unaufhaltsam ihre Erinnerungen. Weltweit nimmt die Häufigkeit von Demenz-Erkrankungen rasant zu, und die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt die Alzheimer-Krankheit zu den größten medizinischen Problemen insgesamt.
Oft beginnt es mit leichter Zerstreutheit: Wo war noch mal meine Brille? Habe ich die Haustür wirklich abgeschlossen? Anfangs gelingt es den Betroffenen noch gut, ihre zunehmenden Gedächtnisprobleme zu verbergen, aber mit der Zeit bemerken vor allem die Menschen im privaten Umfeld immer mehr Anzeichen dafür, dass irgendetwas nicht stimmt.
Denn es ist nicht nur das Erinnerungsvermögen, das langsam nachlässt, sondern die Selbstständigkeit schwindet unaufhaltsam und die Persönlichkeit ist nicht mehr die, die wir kannten. Mit den verblassenden Erinnerungen zerfällt scheinbar das ganze bisher gelebte Leben.
In der Medizin fasst man unter dem Oberbegriff »Demenzen« unterschiedliche Erkrankungen zusammen – es gibt also nicht die eine Form der Demenz. Leitsymptom aller Demenzen ist die Gedächtnisstörung, die in fortgeschrittenen Stadien auch mit einem Verlust der Orientierungsfähigkeit verbunden ist. Damit einher gehen oft auch Verschlechterungen der emotionalen und sozialen Funktionen.
Fast alle Demenzen sind stark altersabhängig. Während sie bei Menschen unter 65 Jahren extrem selten sind, kommt es nach dem 65. Lebensjahr zu einem drastischen Anstieg der Erkrankungshäufigkeit. Aktuell sind in Deutschland fast 1,6 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen. Wissenschaftliche Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Anzahl der an einer Demenz erkrankten Menschen in Deutschland bis zum Jahr 2050 mindestens verdoppeln wird. Und es gibt noch eine schlechte Nachricht: Bisher existiert keine wirksame Therapie, um Demenzen zu heilen oder auch nur in ihrem Fortschreiten zu verzögern. Die eingesetzten Medikamente bringen den Betroffenen im Alltag praktisch keinerlei Vorteil. Angesichts dieser düsteren Lage ist es umso wichtiger, Demenz-Prävention zu betreiben. Aber wie?
Die Alzheimer-Krankheit und die vaskuläre Demenz (einschließlich der Mischformen aus beiden Demenzen) machen zusammen rund 80 Prozent aller Demenz-Erkrankungen aus (siehe Info >). Deshalb wollen wir uns hier auf diese beiden Demenz-Formen konzentrieren.
Alzheimer-Krankheit: Ihre genaue Ursache ist noch immer unklar. Man weiß, dass bestimmte Gene eine Rolle spielen und dass es im Lauf der Krankheit zu Ablagerungen von Eiweißpartikeln an den Nervenzellen im Gehirn kommt, die dort toxisch wirken und die Nervenzellen absterben lassen. Auch Entzündungsprozesse und Umweltgifte spielen vermutlich eine Rolle.
GUT ZU WISSEN
Hauptgruppen der Demenzen
Alzheimer-Krankheit: ca. 50 Prozent aller Demenzen
Vaskuläre Demenz: ca. 20 Prozent aller Demenzen
Mischform von Alzheimer-Krankheit und vaskulärer Demenz: ca. 10 Prozent aller Demenzen
Andere Demenz-Formen: ca. 20 Prozent aller Demenzen
Vaskuläre Demenz (Blutgefäß-Demenz): Ursache der vaskulären Demenz ist die Verkalkung der Blutgefäße im Gehirn, was über die Jahre zu winzigen Gefäßverschlüssen im Gehirn führt. In der Folge kommt es zu Durchblutungsstörungen, weshalb die mangelversorgten Nervenzellen absterben.
Bewegung und gesundes Essen in jungen Jahren kann einer Demenz im Alter vorbeugen.
Eine herzgesunde Ernährung ist gleichzeitig auch der beste Schutz vor vaskulärer Demenz. Da die vaskuläre Demenz ihre Ursache in Durchblutungsstörungen hat, sind alle Risikofaktoren für Arteriosklerose zugleich auch Risikofaktoren für eine vaskuläre Demenz. Alles, was Sie ab > zur herzgesunden Ernährung gelesen haben, gilt im Prinzip auch für die Prävention der vaskulären Demenz.
Die entscheidende Phase für die Demenz-Prävention ist Ihre Lebensweise im Alter zwischen 30 und 60 Jahren. Weil die Entstehung der vaskulären Demenz sehr langsam abläuft (über Jahrzehnte), ist die Prävention durch Ernährung nur wirksam, wenn Sie mit der gesunden Ernährung so früh wie möglich beginnen und sie über Ihr gesamtes Leben täglich praktizieren. Wenn im Alter von 60 oder 70 Jahren die ersten Symptome auftreten, bringt eine Ernährungsumstellung hinsichtlich der Demenz nichts mehr.
Eine herzgesunde Ernährung reduziert auch Ihr Alzheimer-Risiko. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und Fettstoffwechselstörungen auch das Risiko für die Alzheimer-Krankheit erhöhen.
Gill Livingston vom University College London ist eine der renommiertesten Alters- und Demenz-Forscherinnen weltweit. Im Jahr 2020 veröffentlichte sie eine aktuelle Zusammenfassung dessen, was wir heute zur Prävention von Demenz wissen (Livingston et al., 2020). Die Auswertung zeigt: Ungefähr 40 Prozent aller Demenz-Erkrankungen werden durch vermeidbare (!) Risikofaktoren verursacht. Dabei wurden vier ernährungsabhängige Risikofaktoren für Demenz identifiziert:
Bluthochdruck
Alkoholkonsum
Adipositas
Diabetes
Die folgenden vier Punkte sind das Wichtigste, was Sie durch Ihre persönliche Ernährung dazu beitragen können, damit Sie im höheren Alter nicht an einer Demenz erkranken.
1. Vermeiden Sie Bluthochdruck im mittleren Alter! Die wirksamsten Ernährungsumstellungen zur Vermeidung von Bluthochdruck finden Sie zusammengefasst ab >. Im Alter von 40 Jahren sollte Ihr systolischer Blutdruckwert (der »obere Wert«) auf keinen Fall über 130 mmHg liegen; Werte zwischen 110 und 120 mmHg sind definitiv besser. Versuchen Sie, diesen gesunden Blutdruck langfristig durch Bewegung und gesunde Ernährung zu erreichen. Falls das nicht (ausreichend) gelingt, zögern Sie nicht, dies mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin zu besprechen und blutdrucksenkende Medikamente einzunehmen. Blutdrucksenker im mittleren Lebensalter sind die einzigen Arzneimittel, die zur Demenz-Prävention wirksam sind.
2. Trinken Sie möglichst wenig Alkohol! Die ernährungsmedizinische Obergrenze für risikoarmen Konsum ist eine Alkoholmenge von maximal 100 g pro Woche. Das entspricht (pro Woche)
8 Gläsern Bier (0,3 l) oder
5 Gläsern Weizenbier (0,5 l) oder
7 kleinen Gläsern Wein (0,15 l)
3. Vermeiden Sie, an Typ-2-Diabetes zu erkranken! Wenn Sie im mittleren Lebensalter an Typ-2-Diabetes erkranken, erhöht das Ihr Risiko für Demenz im Alter um 50 bis 60 Prozent. Deshalb sollten Sie alles tun, um keinen Typ-2-Diabetes zu entwickeln (siehe ab >). Das heißt: Übergewicht vermeiden, Kohlenhydrate reduzieren. Wenn Sie bereits an Typ-2-Diabetes erkrankt sind, sollten Sie dringend eine spezielle und qualifizierte Ernährungstherapie machen, um damit Ihren Diabetes möglicherweise wieder rückgängig zu machen (siehe >).
PROF. SMOLLICH RÄT
Salz und Alzheimer
Ein besonderes Augenmerk sollten Sie auf Ihren Salzkonsum legen (siehe ab >). Eine 2019 vom renommierten Demenzforscher Professor Constantino Iadecola (Weill Cornell Medicine, New York) veröffentlichte Studie zeigt, dass Kochsalz unabhängig von der Blutdrucksteigerung die Bildung genau jener fehlgebildeten Proteine im Gehirn fördert, die für die Alzheimer-Entstehung maßgeblich sind.
4. Vermeiden Sie Adipositas! Ein Body-Mass-Index (BMI) von über 30 kg/m² im mittleren Lebensalter ist mit einem um 30 Prozent erhöhten Demenz-Risiko im Alter verbunden. Für Übergewicht im BMI-Bereich zwischen 25 und 30 kg/m² ist ein solcher Zusammenhang dagegen nicht belegt. Schon 2014 konnte das Team von Prof. Carol Brayne (Universität Cambridge) in einer Analyse zeigen: Wenn Sie im mittleren Alter darauf achten, keine Adipositas zu entwickeln, dann senkt das Ihr Demenzrisiko im Alter deutlich.
In der Konsequenz bedeutet das: Nutzen Sie die Möglichkeiten der gesunden Ernährung (siehe >), damit es gar nicht erst zu Übergewicht kommt. Sollten Sie bereits übergewichtig oder adipös sein, finden Sie ab > wichtige Hinweise, wie Sie Ihr Körpergewicht reduzieren.
Mit einer gemüsereichen Ernährung tun Sie langfristig das Beste für Ihre Gesundheit.
Und das soll alles sein?
Vermutlich werden einige von Ihnen beim Blick auf diese vier Punkte enttäuscht sein. Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes vermeiden und nicht zu viel Alkohol trinken – das soll schon alles sein? Gibt es nicht noch irgendwelche besonders wirksamen »Superfoods«? Man liest doch überall und ständig davon, dass bestimmte Nüsse, Omega-3-Fettsäuren oder exotische Früchte gut für das Gehirn sind. Und was ist mit »basischer Ernährung« (siehe Info >)?
Nun, die wissenschaftliche Realität ist leider nicht so schillernd, wie es manche Schlagzeilen und Marketingversprechen vermuten lassen. Fakt ist zwar: Einzelne Vitamine, Mineralstoffe und Pflanzenextrakte zeigen unter Laborbedingungen positive Effekte auf Nervenzellen oder die kognitiven Effekte von Versuchstieren. Doch bislang hat sich nichts davon im Menschen bestätigen lassen. Deshalb wird von unkontrollierter Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln abgeraten. Anders ist es, wenn Ihre kognitiven Einschränkungen durch einen Vitaminmangel verursacht sind. Liegt ein durch Blutuntersuchung nachgewiesener Mikronährstoffmangel vor, muss unbedingt (ärztlich kontrolliert) supplementiert werden. Umso wichtiger ist es, das zu tun, was wirklich wirksam ist: Eine herzgesunde Ernährung (siehe ab >) ist auch die beste Demenz-Prävention.
PROF. SMOLLICH RÄT
Gesund durch »basische« Ernährung?
Für die Behauptung, eine »Übersäuerung« des Körpers sei die Ursache fast aller Zivilisationskrankheiten, gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg.
Wissenschaftlich werden Lebensmittel hinsichtlich ihrer Säure-Basen-Wirkung in drei Gruppen eingeteilt:
Säurebildende (»saure«) Lebensmittel: Fleisch/Wurst, Fisch, Eier, Käse, Zucker, Alkohol
Basenbildende (»basische«) Lebensmittel: Gemüse/Obst, Nüsse, Vollkorn, Fruchtsäfte
Neutrale Lebensmittel: Fette und Öle
Was Sie erkennen: Eine Vegetarierin führt ihrem Körper mehr gesundheitsförderliche Lebensmittel zu als ein Fleischesser. Und hierin liegt schon die Erklärung: Eine »basische Ernährung« ist reich an Gemüse und Obst, Nüssen und Vollkornprodukten und enthält wenig Fleisch bzw. Wurstwaren. Mit einer »basischen« Wirkung haben die so erzielten Gesundheitsvorteile nichts zu tun.
In diesem Kapitel haben Sie gesehen, wie Sie sich mithilfe der wissenschaftlichen Ernährungsmedizin vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Demenz schützen können. Erinnern Sie sich an die Geschichte meiner Großmutter, die bei bester Gesundheit fast hundert Jahre alt wurde? Ohne medizinisches und biochemisches Hintergrundwissen hatte sie genau das umgesetzt, was die moderne Ernährungsmedizin als bestmögliche Prävention ernährungsbedingter Krankheiten erkannt hat.
Damit kommen wir zum entscheidenden Punkt. Vermutlich möchten Sie weder an Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch an Krebs noch an Demenz erkranken. Das heißt: Es geht darum, die einzelnen Ernährungsempfehlungen zu einer Gesamternährung zusammenzubringen, die gleichzeitig vor allen drei Krankheitsgruppen schützt.
Das Wunderbare ist: Es gibt eine insgesamt gesundheitsfördernde Präventivernährung. Dabei handelt es sich im Kern um eine pflanzenbasierte mediterrane Ernährung. Wenn Sie die Prinzipien auf der folgenden Doppelseite umsetzen, dann tun Sie nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft das Beste für Ihren Körper und Ihre langfristige Gesundheit.
ZUSAMMENFASSUNG
Gemüse, Gemüse, Gemüse!
Gemüseregel 1: Mindestens die Hälfte Ihres Tellers soll mit Gemüse gefüllt sein! Gemüseregel 2: Essen Sie Gemüse teilweise roh und teilweise gegart. Gemüseregel 3: Bevorzugen Sie saisonales und regional angebautes Gemüse. Gemüseregel 4: Essen Sie bunt! Abwechslung ist bei Gemüse extrem wichtig! Essen Sie Hülsenfrüchte mindestens 3-mal pro Woche!
Beeren, Beeren, Beeren!
Berberitzen, Blaubeeren, Cranberrys, Himbeeren, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Brombeeren, Preiselbeeren, Sanddorn, Weinbeeren
Essen Sie täglich eine Handvoll Nüsse oder Samen.
Walnüsse, Haselnüsse, Mandeln, Pistazien, Hanfsamen, Leinsamen, Kürbiskerne, Sesamsamen, Chiasamen
Vermeiden Sie hochverarbeitete Lebensmittel möglichst vollständig.
Gebäck, Chips, Süßigkeiten, Snacks, Fastfood
Verwenden Sie als Alltagsöl Olivenöl oder Rapsöl.
Für die kalte Küche: Leinöl, Walnussöl, Hanföl, Weizenkeimöl
Sehr gute Omega-3-Quelle: Algenöl
Essen Sie regelmäßig fermentierte Lebensmittel.
Naturjoghurt, Milchkefir, Tempeh, Kimchi, Sauerkraut
Wenn Fisch, dann fetter Seefisch!
Wildlachs, Makrele, Hering
Schlecht: frittierter Fisch
Würzen statt salzen.
Nutzen Sie Kochsalz, wenn Sie selbst Gemüse zubereiten. Vermeiden Sie dagegen hochverarbeitete Fertiglebensmittel, die Salz enthalten. Ersetzen Sie Kochsalz teilweise durch frische Kräuter, Zwiebeln und Knoblauch. Außerdem gilt: Wenn Kochsalz, dann Jodsalz.
Getreide: Es kommt drauf an!
Gut: handwerklich hergestellte Vollkornlebensmittel, Haferflocken, Sauerteigbrot, Vollkornnudeln
Schlecht: Weißmehlprodukte
Bei Heißhunger auf Süßes: Obst!
Setzen Sie auf Zuckerentzug. Verwenden Sie beim Kochen keinen Zucker. Achten Sie bei Fertiglebensmitteln auf einen niedrigen Zuckergehalt. Süßigkeiten sind ganz besonderen Ausnahmen vorbehalten.
Möglichst wenig Fleisch!
Wenn Fleisch, dann Bio-Geflügel oder Wild
Möglichst wenig rotes Fleisch; keine Wurst, kein Schinken.
Getränke: Wasser, Filterkaffee, Tee
Möglichst wenig Alkohol
Keine Softdrinks/Limonaden, Smoothies
Keine Snacks zwischendurch!
Falls im Alltag praktikabel: Intervallfasten
Verwenden Sie bestimmte Lebensmittel möglichst nur in Bio-Qualität.
Tierische Lebensmittel (Fisch/Fleisch, Eier, Milch/Milchprodukte)
grüne Salate, Kräuter & Gewürze, Paprika, Tee
Beerenobst, Trauben, Zitrusfrüchte, Kartoffeln, exotische Früchte
Esskultur leben: Langsam, bewusst und mit Genuss essen
Essen Sie möglichst in Gesellschaft, ohne Ablenkung durch Smartphone oder TV. Kein Perfektionismus: An Weihnachten und Geburtstagen gibt es keine Regeln!
Alles was wir essen, durchläuft den gesamten Verdauungsapparat (Gastrointestinaltrakt). Auf ihrer Reise wird die Nahrung mithilfe zahlreicher Werkzeuge schrittweise zerteilt, bis sie mikroskopisch winzig ist und über das Blut zu den verschiedensten Zielzellen gelangt. Verfolgen Sie den Weg der Nahrung auf der Abbildung auf >.
Als Erstes erfolgt der für uns angenehmste Part der Verdauung: Wir genießen eine leckere Mahlzeit! Vom Mund gelangt die Nahrung durch die Speiseröhre in den Magen. Dieser mündet in den drei bis sechs Meter langen Dünndarm, der sich in den Zwölffingerdarm (Duodenum), den Leerdarm (Jejunum) und den Krummdarm (Ileum) untergliedert. In den Zwölffingerdarm münden außerdem kleine Kanäle, die ihren Ursprung in der Bauchspeicheldrüse und der Gallenblase haben.
Hindurch fließen reichlich Verdauungssäfte, die dem Speisebrei im Dünndarm beigemischt werden und dessen Weiterverarbeitung dienen. Jetzt haben die meisten Nährstoffe ihren großen Auftritt: Der Dünndarm ist ausgekleidet mit spezialisierten Zellen, sogenannten Epithelzellen, die für die Nährstoffe das Tor in den Körper bilden. Haben die Nährstoffe die Epithelzellen passiert, gelangen sie ins Blut und werden über die Pfortader auf direktem Weg zur Leber transportiert, bevor sie ihre Reise in unseren Körper fortsetzen. Nicht alle Nährstoffe verlassen im Dünndarm den Verdauungstrakt: Wem der Zutritt verwehrt bleibt, wird weiter in den etwa 1,5 m langen Dickdarm geleitet. Hier stehen vor allem die Ballaststoffe im Rampenlicht, die von unseren Milliarden Darmbakterien in sehr gesundheitsförderliche Produkte umgewandelt werden (siehe >). Bevor wir die Nahrungsreste samt einer Menge Bakterien ausscheiden, wird noch reichlich Wasser entzogen. Der zum Ausscheiden bereite Stuhl verweilt in der letzten Station des Dickdarms, dem Rektum, bis wir schließlich die Toilette aufsuchen.
Verdauungstrakt des Menschen Abgebildet sind die einzelnen Stationen, die die Nahrung durch den Körper durchläuft, sowie wichtige Verdauungsorgane.
»Lass die Nahrung deine Medizin sein!« – das ist das Motto dieses Kapitels. Das Zitat ist rund 2500 Jahre alt und stammt von Hippokrates, dem Vater der abendländischen Medizin. So alt ist das Wissen, dass sich viele Krankheiten durch die richtige Ernährung heilen oder zumindest lindern lassen. Alphabetisch geordnet finden Sie in diesem Kapitel ernährungsmedizinische Therapien für die häufigsten Krankheiten.
In Deutschland ist mehr als die Hälfte aller Menschen übergewichtig, Männer etwas häufiger als Frauen. In den letzten Jahren hat sich der Anteil der Menschen mit hochgradigem Übergewicht (Adipositas) weltweit stetig erhöht.
Global betrachtet muss man gar von einer Adipositas-Pandemie sprechen. Auch etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben bereits in jungen Jahren Übergewicht oder eine Adipositas (6 Prozent), die meist bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt (Schienkiewitz et al., 2018).
Die Deutsche Adipositas Gesellschaft beschreibt Adipositas als »eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts«. Dies drückt sich üblicherweise in einem erhöhten Körpergewicht aus. Bei der Beurteilung des Körpergewichts wird dieses in Bezug zur Körpergröße gesetzt, wodurch man den sogenannten Body-Mass-Index (BMI, siehe >) erhält.
Dieser BMI-Wert hat die etwas merkwürdige Einheit kg/m². Durch diesen Trick werden Gewichtsangaben erst vergleichbar. Ab einem BMI von 25 kg/m² liegt Übergewicht als Adipositas-Vorstufe (Präadipositas) vor.
Häufig wird der BMI kritisiert, da er die individuelle Körperzusammensetzung nicht berücksichtigt. Ein gern genutztes Beispiel ist der Bodybuilder, der aufgrund seiner ausgeprägten Muskulatur zwar einen zu hohen BMI, aber keine Adipositas haben wird.
Kritische Fettdepots erkennt man an der Fettverteilung Beim Birnen-Typ verteilt sich das Fett auf die Regionen Hüfte und Oberschenkel. Beim Apfel-Typ sitzt es innerhalb des Bauchraums und produziert entzündungsfördernde Botenstoffe.
Entscheidend für die Beurteilung des Gesundheitsrisikos ist das Fettverteilungsmuster. Es kommt also darauf an, wo das Übergewicht sitzt (siehe Abbildung >): Beim Übergewicht vom »Birnentyp« verteilt sich das Körperfett auf die Regionen Hüfte und Oberschenkel. Die bauchbetonte Adipositas (der »Apfeltyp«) entsteht durch Fettansammlungen innerhalb des Bauchraums. Sie führt eher zu Folgeerkrankungen, denn das Fettgewebe am Bauch (wissenschaftlich als »viszerales Fettgewebe« bezeichnet) produziert entzündungsfördernde Botenstoffe. Diese wirken sich schädlich auf unser Immunsystem und die Blutgefäße aus und begünstigen Folgeerkrankungen.
Zur Beurteilung kritischer Fettdepots dient daher die Messung des Taillen- bzw. Bauchumfangs: Er sollte bei Frauen unter 80 cm und bei Männern unter 94 cm liegen. Ab einem Taillenumfang von mehr als 88 cm bei Frauen bzw. mehr als 102 cm bei Männern liegt eine bauchbetonte Adipositas vom »Apfeltyp« vor. Dadurch kommt es zu einem deutlich erhöhten Risiko für Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Adipositas wurde 2020 zwar vom Bundestag als eigenständige Erkrankung anerkannt, die Kostenübernahme ambulanter Therapien ist aber bisher nicht geregelt. Betroffene müssen häufig jahrelang um therapeutische Unterstützung kämpfen. Adipositas-Therapie durch Ernährungsfachkräfte wird von den gesetzlichen Krankenkassen nur teilweise bezuschusst. Gleichzeitig hat sich ein riesiger Markt mit unseriösen Diätkonzepten und Produkten zur Gewichtsreduktion etabliert.
GUT ZU WISSEN
Ist Übergewicht erblich?
Spätestens seit sich herumgesprochen hat, dass der Apfel oft nicht weit vom Stamm fällt, ist für viele Menschen mit Übergewicht klar: Die Gene sind schuld! Das ist nicht ganz falsch, aber derart vereinfacht eben auch nicht korrekt. Fakt ist: Unsere Gene beeinflussen unser Körpergewicht und können die Entstehung von Übergewicht begünstigen (Goodarzi, 2018). Fast ebenso relevant wie unsere vererbte genetische Ausstattung sind aber die gemeinsamen familiären Umgebungsbedingungen. Sie beeinflussen nämlich – und das bereits vor der Geburt –, wie aktiv unsere Gene später sind. Mitglieder derselben Familie ernähren sich ähnlich, als Kinder lernen wir alles rund ums Essen am (elterlichen) Vorbild. Auch der Zusammenhang zwischen niedrigem Sozialstatus und ungünstiger Ernährung bei Kindern ist wissenschaftlich belegt (Bogl, 2018). Wenn man den Begriff »erblich« also weiter fasst, als es das Biologiebuch vorgibt, muss man leider sagen: Ja, in unserer Gesellschaft ist Adipositas erblich. Dennoch ist Adipositas keine unbeeinflussbare Gesetzmäßigkeit, sondern durch die richtige Enährung beeinflussbar.
Naturwissenschaftlich betrachtet, ist die Hauptursache für Adipositas immer eine »positive Energiebilanz« – das heißt: Wir nehmen mehr Energie in Form von Lebensmitteln auf, als wir verbrauchen. Für die Therapie von Übergewicht und Adipositas greift dieses rein physikalische Verständnis jedoch viel zu kurz. Unser Ernährungsverhalten ist ein sehr komplexes System aus bewussten und unbewussten Entscheidungen, beeinflusst durch Emotionen, Prägungen und nicht zuletzt durch hormonelle Einflüsse. Die möglichen Ursachen für die Entstehung einer Adipositas sind vielfältig und können individuell sehr verschieden sein. Es ist von grundlegender Bedeutung, psychologische, soziale und individuelle Entstehungsfaktoren gleichermaßen zu berücksichtigen, um unser Verhalten nachhaltig, also langfristig ändern zu können.
Die wichtigste Erkenntnis dabei ist: Es ist nicht Ihre Schuld, dass Sie übergewichtig sind. Trotzdem haben aber nur Sie es in der Hand, daran etwas zu ändern.
GUT ZU WISSEN
Metabolisches Syndrom
Häufig liegen Übergewicht und Adipositas nicht einzeln vor, sondern treten gemeinsam mit Zuckerstoffwechselstörungen (Insulinresistenz), Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen auf. Das Zusammenspiel dieser Erkrankungen heißt »metabolisches Syndrom«. Mediziner bezeichnen die Kombination von Übergewicht/Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen zu Recht als »tödliches Quartett«.
Nach internationalen Kriterien liegt ein metabolisches Syndrom vor, wenn mindestens drei der folgenden fünf Kriterien zutreffen:
ein Taillenumfang > 94 cm bei Männern bzw. > 80 cm bei Frauen
ein Triglyzeridspiegel im Blut von mindestens 150 mg/dl (nüchtern)
ein erniedrigtes HDL-Cholesterin (das »gute« Cholesterin!): < 50 mg/dl bei Frauen und < 40 mg/dl bei Männern
ein Blutdruck von mindestens 130/85 mmHg (oder Einnahme von Blutdrucksenkern)
ein Blutzuckerwert (nüchtern) von mindestens 100 mg/dl (oder Einnahme von Diabetes-Medikamenten)
Auch wenn das metabolische Syndrom also keine eigenständige Erkrankung ist, vereint es (neben dem Rauchen) die entscheidenden Risikofaktoren für die Entstehung von Blutgefäßschäden und koronarer Herzkrankheit. Glücklicherweise lässt sich das metabolische Syndrom über Ernährung (insbesondere über eine Gewichtsreduktion!) entscheidend beeinflussen.
Zunächst muss man sich klarmachen, dass die Vorliebe für süße, fettige und damit energiereiche Lebensmittel im Lauf der Evolution tief in uns verankert wurde. Und diese Prägung hatte durchaus ihren Sinn: In Zeiten von Nahrungsmittelknappheit war eine Geschmacksvorliebe für energiereiche Lebensmittel überlebenswichtig, gleichzeitig waren diese nur unregelmäßig verfügbar.
Auch waren Lebensmittel grundsätzlich unsicher: Eine Abneigung gegen Bitterstoffe bewahrte uns vor dem versehentlichen Verzehr von Giftpflanzen und Verdorbenem. Wenn es süß schmeckte, war es ungefährlich – es gibt kein natürliches Lebensmittel, das giftig ist, obwohl es süß ist. Auch der süße Geschmack der Muttermilch, die besonders viel Milchzucker (Laktose) enthält, prägt uns vom ersten Lebenstag an. Viele Gemüse enthalten hingegen Bitterstoffe und vergleichsweise wenig Energie – sie werden intuitiv nicht von uns bevorzugt, sondern erst im Lauf des Lebens »angewöhnt«. Wer Kinder hat, kennt dieses Phänomen.
Ach ja, die Kinder: Zu Beginn unseres Lebens können wir nicht zwischen Hunger und Durst unterscheiden. Unser Durstgefühl richtig zu erkennen, »lernen« wir erst im Lauf der Beikost-Einführung im Kindesalter. Wenn Kleinkindern überwiegend energieliefernde Flüssigkeiten (also süße Getränke) angeboten werden, wird das Erlernen der Unterscheidung zwischen Hunger und Durst gestört bzw. findet nie statt. Auch im Erwachsenenalter missverstehen wir das Durstgefühl unseres Körpers häufig als Hungersignal, besonders wenn wir insgesamt wenig trinken. Dieser Umstand erschwert oft die Entwicklung eines gesunden Körpergewichts. Auch deshalb ist es so wichtig, Kindern nach Möglichkeit nur Wasser oder ungesüßte Tees als Hauptgetränke anzubieten.
Heute leben wir in einem Umfeld des Überflusses mit einem unüberschaubaren Angebot an hochverarbeiteten Lebensmitteln, die dank der Wunder der Verfahrenstechnik kaum noch etwas mit natürlichen, das heißt unverarbeiteten Lebensmitteln gemein haben (siehe >). Beispiele für hochverarbeitete Lebensmittel sind Convenience-Produkte, Snacks und Süßigkeiten, aber auch gesund anmutende Lebensmittel wie bestimmte Backwaren oder Fruchtjoghurts fallen in diese Kategorie.
Das Problem ist: Diese Lebensmittel enthalten mehrheitlich viel Energie in Form von Zucker und Fett, gleichzeitig aber fast gar keine Mikronährstoffe und Ballaststoffe. Weltweit ist der Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel mit Übergewicht und Adipositas verbunden (Askari et al., 2020). Auch wenn diese Studien in der Regel auf Beobachtung der Bevölkerung basieren und nicht eindeutig beweisen können, dass industriell hochverarbeitete Lebensmittel dick machen, so ist die Datenlage insgesamt doch im wahrsten Sinn des Wortes erdrückend.
Die unkritische und von überall auf uns einprasselnde Werbung tut ihr Übriges. Gleichzeitig bewegen wir uns zu wenig. Viele Menschen presst der Alltag zwischen Beruf und familiärer Verantwortung in ein zeitlich enges Korsett, das wenig Raum für Entspannung und Erholung bietet. Kein Wunder, dass wir uns abends mental erschöpft vor dem Bildschirm ausruhen.
An diese Adipositas-fördernde (»adipogene«) Lebenswelt, ein Schlaraffenland mit seinem Überangebot an schnell verfügbarer Energie und wenig Bewegung, sind unser Stoffwechsel und unser Gehirn schlicht nicht angepasst. Während der Menschheitsgeschichte war es über Zehntausende Jahre überlebenswichtig, immer dann möglichst viel Fett und Zucker aufzunehmen, wenn sich die Gelegenheit dafür bot. Denn diese Gelegenheiten waren sehr selten, und dazwischen lagen oft lange Perioden von Nahrungsmittelknappheit und Hunger.
Diese evolutionäre Ausnahmesituation mit rascher Verfügbarkeit von kalorienreicher Nahrung ist heute dagegen der Normalzustand – zumindest in unserem Teil der Welt. Durch diese Umstände erhöht sich das Risiko, Übergewicht und Adipositas zu entwickeln. Doch es gibt noch weitere, individuelle Faktoren, die unser Essverhalten stark beeinflussen können.
Hunger und Sättigung unterliegen komplizierten Regulationsmechanismen, die durch Stress und Emotionen beeinflusst werden: Finanzielle Sorgen, soziale Unsicherheiten, aber auch Schichtarbeit und Schlafstörungen führen bei vielen Menschen dazu, dass sie essen, obwohl sie eigentlich keinen Hunger haben. Der »Selfish-Brain-Theorie« zufolge handelt es sich dabei um eine Anpassungsstrategie an chronische Stresssituationen, in denen unser Gehirn nicht genug Energie bekommt und diese über den Bedarf des Körpers hinaus anfordert. Andauernde Stressbelastungen können also neurobiologische Prozesse auslösen, die dazu führen, dass Menschen mehr und häufiger essen und dadurch zunehmen (Peters, 2017). Offensichtlich trifft das aber nicht auf alle Menschen gleichermaßen zu.
Achtung Übergewicht: Stress treibt den Insulinspiegel in die Höhe und lässt uns zu viel essen.
Was löst chronischer Stress in uns aus? Wenn wir anhaltendem Stress ausgesetzt sind, bildet unsere Nebenniere vermehrt das Hormon Cortisol. Erhöhte Cortisolspiegel können den Insulinspiegel in die Höhe treiben, was wiederum unseren Appetit steigert. Hinzu kommt, dass fett- und zuckerreiches Essen evolutionär bedingt aktivierend auf unser Belohnungssystem wirkt – Lasagne und Schokolade helfen also (kurzzeitig!) gegen negative Emotionen bei Stress. Schnell entsteht ein Teufelskreis, bei dem Essen als Trost und Bewältigungsstrategie für stressige Lebenssituationen eingesetzt wird.
Auch Traumatisierungen können unser Essverhalten lebenslang beeinflussen. So besteht ein Zusammenhang zwischen physischen und psychischen Gewalterfahrungen in der Kindheit und dem Auftreten einer Adipositas im Erwachsenenalter (Noll et al., 2007; Vamosi et al., 2010). Vielen Betroffenen ist das nicht bewusst.
Wir unterscheiden uns auch in den Erfahrungen, die wir in Bezug auf »Essen« gemacht haben. Diese können uns lebenslang prägen. Unser Essverhalten basiert auf den Lernprozessen, die wir in unseren sozialen Systemen – also zum Beispiel in unserer Herkunftsfamilie – durchlaufen haben. Langfristig beeinflussen kann uns, was in der Psychologie »familiäre Glaubenssätze« genannt wird: In jeder (Herkunfts-)Familie finden sich Aussagen und Zuschreibungen, die wir im Lauf unserer Kindheit verinnerlichen und die zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden können. Waren Sie schon immer die »Naschkatze« oder das »Pummelchen«? Regnete es am nächsten Tag, wenn Sie den Teller nicht leer aßen? Gerade in Bezug auf unser Bewegungs- und Essverhalten können uns Glaubenssätze wie »Sport ist Mord« und »gesundes Essen schmeckt einfach nicht« daran hindern, unser Verhalten zu verändern.
Menschen streben von Natur aus nach Bestätigung durch das soziale Umfeld. Anerkennung von und Zugehörigkeit zu einer Peergroup werden auch durch angepasstes (Ess-)Verhalten begünstigt. Ein Beispiel hierfür ist der Konsum von Energy-Drinks als Symbol sozialer Zugehörigkeit unter Jugendlichen oder auch die Kategorisierung von Lebensmitteln als typisch »männlich« (Holzfällersteak) oder »weiblich« (Salat). Selbst Jungs, die eigentlich gern Gemüse essen würden, trauen sich in Gegenwart ihrer fleischessenden Clique meist nicht, dieser Präferenz nachzugeben. Mädchen, die lieber ein Steak als einen Salat essen würden, geht es oft genauso.
Zudem verlernen wir im Lauf unseres Aufwachsens, unsere natürlichen Innenreize in Bezug auf Hunger und Appetit unabhängig von Außenreizen wahrzunehmen. Das heißt: Wir essen nicht, weil wir echte Hungersignale verspüren, sondern weil die Mittagspause um 12:30 Uhr beginnt oder weil gerade eine dampfende Pizza in der TV-Werbung unseren Appetit angeregt hat. Wir essen eine bestimmte Menge, weil unsere Teller eben diese Portionsgröße vorgeben, obwohl wir bereits nach zwei Drittel der Menge satt waren. Sicher finden auch Sie weitere Beispiele für derartige Situationen in Ihrem Alltag.
Wir sollten uns also bewusst machen: Unser Essverhalten besteht zu einem erheblichen Teil aus erlerntem Verhalten, das wir – und das ist die frohe Botschaft – bewusst verändern können.
PROF. SMOLLICH RÄT
Ernährungsberatung lohnt sich
Menschen haben oft unbewusste Gründe, mehr zu essen, als ihr Körper benötigt. Sich dieser Gründe bewusst zu werden, kann ein erster Schritt in Richtung einer dauerhaften Verhaltensänderung sein. Experte für diese individuellen Faktoren sind Sie selbst. Es kann sich lohnen, Ihr persönliches Essverhalten zu erforschen. Immer mehr zertifizierte Ernährungsfachkräfte arbeiten dabei mit den Ansätzen von systemischer Beratung und Therapie, die ein nachhaltiges Veränderungsmanagement unterstützen – was bei Adipositas äußerst sinnvoll ist. Die Therapie von schwerer Adipositas (ab einem BMI von > 40 kg/m²) sollte immer durch ein interdisziplinäres Team erfolgen und psychologisch/psychotherapeutisch begleitet werden.
Einige Erkrankungen, wie die Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), und bestimmte Medikamente (Antidepressiva, Cortison-Präparate) beeinflussen unser Körpergewicht in typischer Weise und können Ursache einer Gewichtszunahme sein oder diese zumindest begünstigen. Deshalb sollte vor einer Ernährungsumstellung bzw. bei plötzlicher Gewichtszunahme immer ein umfassender medizinischer Check-up beim Arzt erfolgen, bei dem auch die aktuelle Medikation besprochen wird.
So lange bestimmte Medikamente eingenommen werden, die eine Zunahme an Körpergewicht begünstigen, kann es sehr schwierig sein, durch Änderungen des Essverhaltens dagegen anzukommen. Zum Glück gibt es in den meisten Fällen Medikamente, die als Alternative eingesetzt werden können. Wie diese Umstellung am besten gelingen kann, sollten Sie auf jeden Fall mit Ihrer Hausärztin bzw. Ihrem Hausarzt besprechen. Setzen Sie auf keinen Fall ohne Rücksprache Medikamente ab, weil Sie die Vermutung oder Sorge haben, dadurch an Gewicht zuzunehmen.
Eine unpopuläre Wahrheit ist, dass die meist über mehrere Jahre angesammelten Kilos nicht in kurzer Zeit wieder verloren gehen. Das Ziel einer dauerhaft erfolgreichen Gewichtsabnahme erreichen Sie am ehesten über eine individuell angepasste und damit langfristig leicht umsetzbare Ernährungsumstellung. Um erfolgreich zu sein, orientiert sich diese langfristige Ernährungsumstellung – gern in kleinen Schritten – an Ihren persönlichen Vorlieben und berücksichtigt Ihre individuelle Lebenssituation. Hungern und Verzicht sind auf diesem Weg keine guten Begleiter.
Gewicht zu reduzieren muss nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Auch ein insgesamt gesünderer Lebensstil mit mehr Bewegung reduziert die gesundheitlichen Risiken bei Adipositas.
Wer weniger Energie aufnimmt, als er verbraucht, nimmt ab. Daran hat sich bisher nichts geändert. Wer wissen möchte, wie viel Energie er aufnimmt, muss Kalorien zählen. Kalorien sind die kleinen Tierchen, die nachts die Kleider enger nähen, aber das wissen Sie ja. Kalorienzählen als Abnehm-Strategie ist zu Recht in Verruf gekommen und wird von vielen Fachleuten als nutzlos oder sogar schädlich abgelehnt. Kalorienzählen führe zu Essstörungen und verhindere den genussvollen Umgang mit Lebensmitteln. Im Einzelfall mag das stimmen. Und natürlich kommt es mit Blick auf die Gesundheit insgesamt darauf an, was man isst und nicht nur auf den Energiegehalt, der als Zahl auf der Verpackung ohnehin allenfalls als grobe Richtgröße taugt. Es schadet aber nichts, wenn Sie sich durch einen Blick auf die Nährwerttabelle mal bewusst machen, wie viel Energie in Form von Zucker und Fett besonders Fertigprodukte tatsächlich enthalten.
Fünfzehn Kilo weg in zwei Wochen, wer kennt derartige Werbeversprechen nicht? Zwar gilt: Je höher das Ausgangsgewicht ist, desto zügiger nimmt man ab – zumindest zu Beginn. Doch der Körper passt sich an. Je weniger wir wiegen, desto niedriger ist auch der Energiebedarf.
Um ein Kilogramm Körperfett zu verbrennen, müssen Sie etwa 7000 kcal »einsparen« oder verbrennen. Generell empfohlen wird eine Gewichtsabnahme um 250 g bis 1 kg pro Woche (Semlitsch et al., 2019). Nachhaltig ist ein Gewichtsverlust in einer Größenordnung von 5 bis 10 Prozent des Ausgangsgewichts über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten. Wenn Sie durch eine Ernährungsumstellung ca. 500 kcal täglich einsparen (oder zusätzlich verbrauchen), nehmen Sie zwar langsam, aber nachhaltig ab. Und die Aussichten sind vielversprechend: Schon ein Gewichtsverlust von 5 bis 10 Prozent kann mögliche Begleiterkrankungen verbessern und damit die Lebensqualität steigern. Es lohnt sich also.
Ihr Energiebedarf hängt von vielen Faktoren ab, besonders davon, wie viel Sie sich bewegen, und von Ihrer Muskelmasse. Ihre Muskulatur verbraucht nämlich sogar Energie, wenn Sie sich gar nicht bewegen – je trainierter Ihre Muskeln sind, desto mehr. Deswegen sind Sport und körperliche Aktivität so wichtig und helfen, auch langfristig ein normales Körpergewicht zu halten. Gelenkschonende Sportarten sind z. B. Schwimmen, Radfahren, der Crosstrainer oder Nordic-Walking. Aber auch Gartenarbeit und Spaziergänge sind gut.
Hülsenfrüchte liefern dem Körper hochwertige pflanzliche Eiweiße und sättigen lang.
Eiweiße (Proteine) sind wichtige Baustoffe unseres Körpers (siehe >), besonders unserer Muskeln – und die wollen wir auf keinen Fall »abnehmen«. Eiweißreiche Lebensmittel unterstützen aber auch unser Sättigungsgefühl. Deshalb sollte der Eiweißanteil Ihrer Ernährung ausreichend hoch sein, wenn Sie abnehmen wollen. Ein Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht ist ein guter Orientierungswert, aber keine Grundvoraussetzung für einen Abnehmerfolg. Der tatsächliche Eiweißbedarf ist deutlich niedriger (siehe >).
Besonders Low-Carb-Diäten, die einen hohen Anteil tierischer Lebensmittel (Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte) propagieren, enthalten relativ viel Eiweiß. Doch es geht auch pflanzlich: Erbsen, Bohnen, Linsen, Tofu/Soja, Nüsse und Samen sowie Hafer, Dinkel und Quinoa sind gute pflanzliche Eiweißlieferanten. Besonders hochwertig ist die Kombination von Hülsenfrüchten mit Getreide, da sich dann die einzelnen Aminosäuren optimal ergänzen (siehe >). Gute Kombinationen sind z. B. Linsen mit Reis oder Nudeln, Bohnen und Mais, Reis mit Tofu, Haferflocken in Sojajoghurt. Eine ausreichende Eiweißversorgung lässt sich so auch bei vegetarischer bzw. veganer Lebensweise sicherstellen.
Low-Carb oder Low-Fat?
Über wenig wird in den Ernährungswissenschaften so sehr gestritten wie darüber, mit welchem Mengenverhältnis von Fett, Kohlenhydraten und Eiweiß es sich am wirkungsvollsten abnehmen lässt. Da wir auf Eiweiß nur schlecht verzichten können, bleibt uns, entweder Fette oder Kohlenhydrate zu reduzieren. Daraus ergibt sich die Frage: Ist eine kohlenhydratarme Ernährung (»low carb«) wirksamer oder eine fettarme Ernährung (»low fat«)?
Bis vor wenigen Jahren galten Fette als Hauptschuldige bei der Entstehung von Adipositas. Fett ist mit 9 kcal pro Gramm der energiereichste Makronährstoff (siehe >). So schien es zunächst plausibel, dass weniger Fett zu weniger Kalorien und damit zu weniger Gewicht führt. Auch standen Nahrungsfette insgesamt unter dem Verdacht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verursachen. Entsprechend eindeutig fielen die Empfehlungen der Fachgesellschaften aus: Fettarme Ernährung schützt vor Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kohlenhydratreiche Lebensmittel (Brot, Nudeln, Reis) sollten die Grundlage unserer Ernährung sein.
Auch die Industrie passte sich dem Trend an: Ihre fettarmen »Light«-Lebensmittel enthalten durch den hohen Zuckergehalt teilweise sogar mehr Kalorien als das fettreiche Original (siehe Info >).
Bald zeigte sich aber in großen Studien, dass eine fettreduzierte Ernährung mit einem hohen Anteil an Kohlenhydraten per se nicht gesünder ist. Besonders kohlenhydrathaltige Lebensmittel aus Weißmehl sättigen nicht gut, und vielen Menschen gelingt es, mit einer Ernährung, die auch fettreiche Lebensmittel einschließt, insgesamt weniger zu essen.
Inzwischen weiß man: Nicht nur Fett macht »fett«, sondern auch Zucker. Ein übermäßiger Verzehr zuckerhaltiger Lebensmittel und Weißmehlprodukte erhöht die Triglyzeride im Blut und begünstigt Insulinresistenz. Ohnehin sind nicht alle Fette »böse«. Die (mehrfach) ungesättigten Fettsäuren aus pflanzlichen Ölen, fettem Seefisch oder Nüssen und Samen bieten Gesundheitsvorteile, die so stark sind, dass wir keinesfalls auf sie verzichten sollten (siehe > f.). Also: Zum Abnehmen ist es weder notwendig noch sinnvoll, auf Fett zu verzichten. Da Fett ein wichtiger Geschmacksträger in Speisen ist, ist auch das eine gute Botschaft.
Dennoch ist der Hype um die kohlenhydratreduzierten »Low-Carb-Diäten« zur Gewichtsreduktion nicht gerechtfertigt (siehe Info >). Ja, Zucker (ein Kohlenhydrat!) ist im Übermaß schädlich – und oft beginnt dieses Übermaß viel früher, als wir glauben. Doch es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass ein Vermeiden aller Kohlenhydrate uns auf Dauer schlanker macht und bleiben lässt. Vielmehr zeigen vergleichende Analysen verschiedener Ernährungsformen, dass es langfristig in Bezug auf das Körpergewicht so gut wie keinen Unterschied macht, mit welcher Strategie – ob Low-Carb oder Low-Fat, Intervallfasten oder Paläo-Diät – Sie abnehmen (Ge et al., 2020; Obert et al., 2017), so lange Sie die Energiezufuhr insgesamt reduzieren.
Mit einer Low-Carb-Diät nehmen Sie wahrscheinlich aber erst einmal schneller ab. Eine Gesamtauswertung (Metaanalyse) von 17 Studien, die die Effektivität von Low-Carb- mit der von Low-Fat-Diäten verglichen haben, nahmen die Teilnehmer mit der Low-Carb-Diät im statistischen Mittel auch etwa 2 kg mehr ab – innerhalb des ersten Jahres. Langfristig (nach zwei Jahren) verringert sich dieser – ohnehin nicht riesige – Unterschied um fast die Hälfte (Sackner-Bernstein et al., 2015). Das macht aber nichts! Denn es verdeutlicht ja, dass Sie die Wahl haben – zumindest, wenn es Ihnen nur um die Gewichtsabnahme geht. Und das ist wichtig, denn Sie müssen das Ganze umsetzen. Mit der Umsetzbarkeit steht und fällt jede Ernährungsumstellung.
Möglicherweise führen individuelle Vorlieben, aber vielleicht auch Einflüsse durch unser Darmmikrobiom dazu, dass Frau Meier mit einer Low-Carb-Ernährung langfristig wesentlich glücklicher ist als Herr Schmitz. Sie können und sollten daher ausprobieren, was Ihnen eher liegt.
Natürlich kann man aus diesen Ergebnissen nicht folgern, dass es egal wäre, was Sie essen: Die Auswahl der Lebensmittel insgesamt ist entscheidend, besonders zur Vermeidung Adipositas-bedingter Folgeerkrankungen. Eine pflanzenbasierte, fettreiche mediterrane Ernährung mit wenig rotem Fleisch ist einer fleischlastigen Paläo-Ernährung (siehe Info >), die reich an gesättigten Fettsäuren ist, sicher überlegen, was das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrifft. Unabhängig davon, wofür Sie sich entscheiden, eins gilt immer: Eine Lebensmittelauswahl weg von zuckerreichen, hochverarbeiteten Lebensmitteln und Fertigprodukten (siehe >), hin zu möglichst unverarbeiteten pflanzlichen bzw. traditionellen Lebensmitteln (Gemüse, Vollkornprodukte, Obst, Sauerkraut, fermentierte Milchprodukte) verspricht den größten Abnehm-Erfolg.
GUT ZU WISSEN
Die Zuckerverschwörung
In den 1950er- und 1960er-Jahren kam es in den USA zu einem drastischen Anstieg von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Der Tod von Präsident Eisenhower an Herzversagen im Jahr 1969 löste eine große Debatte aus, welche Ernährungsfaktoren für diese dramatische Entwicklung verantwortlich sein könnten. Der britische Ernährungswissenschaftler John Yudkin konnte mit seinen Studien Mitte des 20. Jahrhunderts rasch zeigen, dass es vor allem Zucker ist, der zu Adipositas führt und die Herzgesundheit nachhaltig beeinträchtigt.
Durch gezielte Manipulationen und politische Einflussnahme gelang es Vertretern der Zuckerindustrie aber, Fett als den größten Risikofaktor für die Gesundheit darzustellen. Die Folge waren weltweite Empfehlungen zu fettarmer Ernährung und der Siegeszug fettreduzierter Produkte.
Heute wissen wir: Dies war ein ernährungsmedizinischer Irrweg wider besseres Wissen. Spätestens mit den 2006 veröffentlichten Ergebnissen der Women’s Health Initiative ist klar: Eine fettreduzierte Ernährung ist nicht automatisch gesünder. Viel gesundheitsschädlicher ist es, zu viel Zucker zu essen.
Bis in die 1960er-Jahre waren wir trotz unserer genetischen Vorliebe für Süßes vor einem übermäßigen Verzehr von Zucker und Süßigkeiten geschützt – weil diese Lebensmittel sehr teuer waren. Bis dahin war Zucker lediglich ein selten genutztes, wertvolles Gewürz. Diese Situation hat sich aber dramatisch geändert: Jeder Bundesbürger verzehrt pro Jahr im Schnitt rund 37 kg Zucker – mehr als 100 g am Tag. Das entspricht ca. 30 Stücken Würfelzucker. Wie das geht? Besonders industriell hergestellte Lebensmittel enthalten häufig viel Zucker. Er ist sowohl Geschmacksverstärker als auch ein billiger Füllstoff und deshalb in der Lebensmittelindustrie sehr beliebt.
Landläufig verstehen wir unter dem Begriff »Zucker« das weiße raffinierte Endprodukt aus der Zuckerrübe, die Saccharose. Sie wird auch »Rübenzucker« oder einfach »Haushaltszucker« genannt. Es handelt sich um einen Zweifachzucker, der aus einem Molekül Glukose (Traubenzucker) und einem Molekül Fruktose (Fruchtzucker) besteht. Neben ihm gibt es viele weitere Zuckerarten (siehe Tabelle >).
Gut getarnt verbirgt sich Zucker immer öfter – als vermeintlich gesündere Alternative – hinter wohlklingenden Namen wie »Traubensüße« oder »natürliche Fruchtsüße«. Zusätze wie Apfel- oder Agavendicksaft suggerieren einen niedrigeren Zuckergehalt. Die Hersteller vermeiden so den Begriff »Zucker« in der Zutatenliste, da sich längst herumgesprochen hat, dass ein hoher Zuckerkonsum mit Karies und Übergewicht einhergeht. Wenn Sie also ein Lebensmittel mit der Aufschrift »Ohne Zuckerzusatz – nur mit Apfeldicksaft gesüßt« finden, kann trotzdem viel Zucker enthalten sein – nur eben nicht als Haushaltszucker. Für die Gesundheit macht das keinen Unterschied.
Tatsächlich hat Zucker aus ernährungsmedizinischer Sicht ziemlich viele schlechte Eigenschaften: Er enthält keine Vitamine, keine Mineralstoffe, kein Eiweiß, keine sekundären Pflanzenstoffe und keine Ballaststoffe. Stattdessen liefert er schnell verfügbare Energie, also Kalorien – was in einer Überflussgesellschaft, wie sie hier vorherrscht, kein Vorteil ist.
Doch es gibt noch mehr Kritik: Negative Auswirkungen auf unseren Stoffwechsel durch den Zucker sollen uns – selbst unabhängig von den Kalorien – dick machen. Der amerikanische Kinderarzt und Professor für Neuroendokrinologie, Robert H. Lustig, sagt sogar: »Zucker ist eine Droge« (siehe Literatur >). Hier muss man differenzieren: Fruktose (Fruchtzucker) macht zwar 50 Prozent des Haushaltszuckers aus (siehe Tabelle >), sie wird aber seit einigen Jahren als Fruktose-Glukose-Sirup (mit hohem Fruktose-Anteil) vermehrt in Softdrinks und anderen Fertigprodukten zugesetzt.
Lange als ideales Süßungsmittel für Diabetiker empfohlen, weiß man heute um die negativen Auswirkungen von Fruktose auf den Stoffwechsel. Fruktose wird, anders als Traubenzucker (Glukose), insulinunabhängig von der Leber aufgenommen. Fruktose stört die Leber dabei, Fette aus der Nahrung effektiv abzubauen; dadurch kommt es zur Leberverfettung und Leberentzündung. Der regelmäßige Konsum fruktosehaltiger Limonaden – also so ziemlich aller Softdrinks – erhöht das Risiko, ein metabolisches Syndrom (siehe Info >) zu entwickeln (Semnani-Azad et al., 2020). Besonders die Kombination aus einer gleichzeitig fett- und fruktosereichen Ernährung scheint – zumindest für Labormäuse – ungünstig zu sein (Softic et al., 2019).