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In der großen Familie der Menschheit haben wir uns viele Jahrhunderte hindurch voneinander abgegrenzt und unsere Verschiedenheit betont. Jeder von uns hat sich bestimmten Bereichen zugehörig gefühlt. Da gibt es die vielen Sprachen, Hautfarben, Interessen, Gebräuche, unterschiedliche Gesellschaftsformen und Kulturen, und über allem stehen dann die diversen Weltreligionen mit scheinbar widersprüchlichen Erklärungen. Es scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, an dem wir unsere Zusammengehörigkeit erkennen müssen, wenn wir überleben wollen. Die in diesem Buch enthaltene Gegenüberstellung des Korintherbriefes und der Bergpredigt mit den Worten des Buddha soll ein Beispiel für die Zusammengehörigkeit sein, die in der Familie der Menschheit besteht. Wenn wir das Gefühl für die Zusammengehörigkeit empfinden, können wir Frieden in unseren Herzen erleben und dadurch mehr Frieden in die Welt bringen. (Aus dem Vorwort)
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Seitenzahl: 99
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Ayya Khema
Das Größte ist die Liebe
Die Bergpredigt und das Hohelied der Liebe aus buddhistischer Sicht
Jhana Verlag im Buddha-Haus
www.jhanaverlag.de oder www.buddha-haus.de
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.ddb.deabrufbar
Textgrundlage dieses eBooks ist die gedruckte Version des gleichnamigen Titels.
Print-ISBN 978-3-931274-02-3
eBook-ISBN 978-3-931274-68-9
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Copyright eBook: © Jhana Verlag, Uttenbühl 2018
© der deutschsprachigen Ausgabe by Jhana Verlag, Uttenbühl 1995
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden. Dies gilt auch für
die Vervielfältigung, Übersetzungen, Microverfilmungen und für die
Verarbeitung mit elektronischen Systemen.
Korrektorat: Bärbel Wildgruber
Covergestaltung: Jörg Hoffmann
Satz und Layout: Claudia Wildgruber
Druck: Druckerei Steinmeier GmbH & Co. KG, Deiningen
Inhalt
Dank
Vorwort
1. Das Hohelied der Liebe
2. Liebende-Güte-Meditation (Goldene Kerze)
3. Ihrer ist das Himmelreich
4. Die Barmherzigkeit
5. Die Friedfertigen
6. Ihr seid das Licht der Welt
7. Liebende-Güte-Meditation (Frieden)
Quellenverzeichnis
Lebenslauf Ayya Khema
Dank
Dieses Buch ist aus Vorträgen entstanden, die ich mittwochs bei unseren öffentlichen Vortrags- und Meditationsabenden gehalten habe.
Nicht nur meinen Zuhörern ist zu verdanken, dass dieses Buch nun vorliegt, sondern auch Dr. Sylvia Kolk, die die Kassetten transkribiert hat, und Richard Häsli, der sich der Mühe unterzogen hat, alle Vorträge zu redigieren. Gudrun hat mir beim Durchsehen des Manuskripts geholfen, Traudel hat es am Computer gesetzt.
Jeder hat zum Gelingen beigetragen und alle haben sich gefreut, bei der Verbreitung des Konzepts der Zusammengehörigkeit mitzuhelfen.
Wenn sich bei einigen Menschen durch das Lesen dieses Buches das Herz weiter öffnet, so sind wir alle reich belohnt.
Ayya Khema Buddha-Haus im Allgäu Mai 1995
Vorwort
In der großen Familie der Menschheit haben wir uns viele Jahrhunderte hindurch voneinander abgegrenzt und unsere Verschiedenheit betont. Jeder von uns hat sich bestimmten Bereichen zugehörig gefühlt.
Da gibt es die vielen Sprachen, Hautfarben, Interessen, Gebräuche, unterschiedliche Gesellschaftsformen und Kulturen, und über allem stehen dann die Weltreligionen mit scheinbar widersprüchlichen Erklärungen.
Es scheint der Zeitpunkt gekommen zu sein, an dem wir unsere Zusammengehörigkeit erkennen müssen, wenn wir überleben wollen.
Mehr und mehr Menschen bemühen sich um diese neue Weltsicht, denn es ist uns leichter denn je gemacht, uns gegenseitig kennen zu lernen. Wenn wir uns näherkommen, merken wir recht schnell, dass wir alle das gleiche Anliegen haben: Wir möchten Glück und Frieden finden. Dann wird es viel einfacher, das »Ich« mit dem »Du« zu vereinen.
Ein bedeutsamer Schritt muss von uns zur besseren Verständigung, vor allem auf der spirituellen Ebene, unternommen werden, denn die verschiedenen religiösen Vorstellungen sind tief in unserem Bewusstsein verankert und oft mit vielen Vorurteilen belastet.
Die in diesem Buch enthaltene Gegenüberstellung des Korintherbriefes und der Bergpredigt mit den Worten des Buddha soll ein Beispiel für die Zusammengehörigkeit sein, die in der Familie der Menschheit besteht. Wenn wir das Gefühl für die Zusammengehörigkeit empfinden, kann Frieden in unsere Herzen einziehen und dadurch Frieden in der Welt herrschen.
Ayya Khema
1. Das Hohelied der Liebe
»Wenn ich mit den Zungen der Menschen und der Engel rede, doch Liebe nicht habe, bin ich ein tönendes Metall oder eine klingende Schelle.
Und wenn ich Prophetengabe besitze und um alle Geheimnisse weiß und alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben habe, dass ich Berge versetze, doch Liebe nicht habe, so bin ich nichts.
Und wenn ich all meine Habe austeile zur Speise für die Armen, und wenn ich meinen Leib hingebe zum Verbrennen, doch Liebe nicht habe, nützt es mir nichts.
Die Liebe übt Nachsicht; in Güte handelt die Liebe. Sie eifert nicht; die Liebe macht sich nicht groß, sie bläht sich nicht auf.
Sie benimmt sich nicht ungehörig; sie sucht nicht das ihre; sie lässt sich nicht erbittern; sie rechnet das Böse nicht an.
Sie hat nicht Freude am Unrecht, freut sich jedoch an der Wahrheit.
Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
Die Liebe hört niemals auf. Ob Prophetengaben, sie gehen zu Ende; ob Reden in Zungen, sie werden aufhören; ob Erkenntnis, sie nimmt ein Ende.
Denn Stückwerk ist unser Erkennen und Stückwerk unser prophetisches Reden.
Kommt aber die Vollendung, wird das Stückwerk abgelegt werden.
Als ich noch Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte ich wie ein Kind, überlegte wie ein Kind; da ich aber Mann geworden, legte ich die Art des Kindes ab.
Denn jetzt schauen wir im Spiegel ein unklares Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, so wie auch ich erkannt bin.
Jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei: am größten unter ihnen ist die Liebe.«
Wir wollen den Korintherbrief (13. Kapitel) aus dem Neuen Testament mit zwei Lehrreden des Buddha vergleichen, sodass wir beide Religionsgründer und deren Anliegen besser verstehen lernen. Ich denke, es ist für uns von Interesse, einmal festzustellen, dass in jeder Religion das Gleiche gelehrt wird. Unsere Schwierigkeiten liegen nicht daran, welchen Religionen wir folgen möchten, es kommt nur darauf an, ob wir den Anweisungen Gehör schenken. Vor allem kommt es darauf an, ob wir überhaupt verstehen, was zu tun ist. Als Nächstes müssen wir uns daran erinnern und können letztlich den aufgezeigten Weg auch praktizieren. Wenn wir diese drei Schritte unternehmen, können wir nicht fehlgehen. Aber vielleicht ist es gar nicht so einfach, den Zugang zu dem zu finden, was die großen Meister der Religionen uns mitteilen wollten.
Wir brauchen unser Herz und nicht nur den Intellekt, um unsere spirituelle Natur zum Leben zu erwecken. Mit dem Intellekt haben wir nicht so viele Schwierigkeiten wie mit unserem Herzen. Daher ist auch dieses Kapitel des Korintherbriefes, »Das Hohelied der Liebe«, von größter Wichtigkeit. Es beginnt mit:
»Das Größte ist die Liebe. Wenn ich mit den Zungen der Menschen und der Engel rede, doch Liebe nicht habe, bin ich ein tönendes Metall oder eine klingende Schelle.«
Wir können also noch so schöne Reden halten, aber ohne Liebe sind sie hohl und nichtig. Wenn wir uns so anschauen, was alles für Vorträge angeboten und wo überall Reden gehalten werden, so fehlt es uns bestimmt nicht an klugen Worten.
»Und wenn ich Prophetengabe besitze und um alle Geheimnisse weiß und alle Erkenntnis, und wenn ich allen Glauben habe, dass ich Berge versetze, doch Liebe nicht habe, so bin ich nichts.«
Die Zukunft vorauszusagen war von jeher eine viel bewunderte Fähigkeit. Ein Drittel des Alten Testaments handelt von den Propheten Israels. Dennoch sagt der Apostel, dass dies ohne Liebe wertlos sei. Auch ein tiefer Glaube, der sogar Berge versetzen kann, ist immer noch nichts, verglichen mit Liebe.
»Und wenn ich all meine Habe austeile zur Speise für die Armen, und wenn ich meinen Leib hingebe zum Verbrennen, doch Liebe nicht habe, nützt es mir nichts.«
Dazu sagt der Buddha folgendes:
»Einstmals lebte ein Brahmane, namens Velama. Dieser spendete folgende gewaltige Gaben. Er verschenkte 84.000 mit Silber gefüllte goldene Gefäße, 84.000 mit
Gold gefüllte silberne Gefäße, und vieles mehr. Was soll man da erst von Speise und Trank sagen, von den Kauwaren, Esswaren, Leckereien und Getränken, die dort gleichsam in Strömen flossen? … Bei weitem verdienstvoller aber ist es, wenn man selbst nur so viel wie einen flüchtigen Duft liebevoller Gesinnung erweckt.«
Hier begegnen wir dem gleichen Prinzip. Obwohl der Brahmane Velama unendlich viele Wertgegenstände und auch Speise und Trank verschenkt hat, so sagt der Buddha dennoch, es sei viel verdienstvoller, wenn wir selbst nur einen flüchtigen Duft liebevoller Gesinnung in uns erwecken würden.
Es ist wichtig, das Wort oder den Begriff »Liebe« richtig zu verstehen, und nicht einfach anzunehmen, es wäre das, was wir im Allgemeinen darunter verstehen, oder was wir auch schon selbst erlebt haben. Wäre das der Fall, hätten wir sicherlich einen ganz anderen Zugang zum spirituellen Leben. Jeder von uns hat ja schon Liebe erlebt oder erlebt sie noch. Aber diese Art der Liebe, die wir kennen, ist auf bestimmte Menschen gerichtet und soll dort auch Resonanz finden. Wir wollen wiedergeliebt werden. Außerdem sind wir kritisch, beurteilen, verurteilen und sind sehr wählerisch, wem wir unsere Liebe schenken. Häufig denken wir auch an eine Größenordnung bei unserer Liebe, als ob ein Gefühl zu messen wäre. Wenn wir viel Liebe geben, wollen wir auch die gleiche Menge erhalten. Solche zwischenmenschlichen Beziehungen sind äußerst schwierig. Im Allgemeinen glauben wir, wenn Probleme auftauchen, es läge an dem Partner oder an uns selbst oder an beiden. Unsere Beziehungen sind aber so schwierig, weil unsere Art, mit Liebe umzugehen, auf der weltlichen, materiellen Ebene stattfindet. Wir stellen Bedingungen, deren Erfüllung oft ausbleibt, und dadurch wird unser Gemüt erschüttert. Wir denken, wir bräuchten eine bestimmte Person um zu lieben, die bei uns bleiben soll und so reagieren soll, wie wir es wünschen. Das erzeugt Angst und Unruhe, denn wir wissen unterschwellig, dass dies unrealistische Ansprüche sind.
Auf der spirituellen Ebene wird eine andere Art und Weise des Liebens angesprochen. Wir können das im Korintherbrief nachvollziehen, wenn wir lesen:
»Die Liebe übt Nachsicht.«
Die Liebe wird als ein unpersönliches Gefühl bezeichnet; es heißt nicht: »der Liebende übt Nachsicht«.
»In Güte handelt die Liebe.«
Diese Unpersönlichkeit ist das, worauf es hier ankommt. Liebe ist, genau wie es der Buddha lehrt, eine Fähigkeit und Qualität des Herzens, die jeder von uns in sich trägt, die wir aber entwickeln müssen, weil wir sie so oft vernachlässigen. Wir kümmern uns nicht recht um dieses innere Juwel, weil wir hoffen, es wäre jederzeit zu finden. Vielleicht erinnern wir uns daran, wie wir das erste Mal verliebt waren. Es war ganz entzückend, auch recht unruhig und aufregend, aber dennoch bezaubernd. Aber wieso waren wir überhaupt unruhig und aufgeregt? Weil wir uns von jemand anderem abhängig gemacht hatten, was nicht unbedingt wunschgemäß verlaufen musste. Diese Erklärung soll uns zu verstehen geben, wie wir uns fühlen könnten, wenn es sich nicht um eine bestimmte Person handelt, sondern unser Herz sich die Liebesqualität aneignet und immer in sich trägt.
Vielleicht können wir hier auch den Sinn der Religionen spüren, den beide Lehrer uns vermitteln. Der Buddha sagt in der Lehrrede von der Liebenden Güte:
»Wenn man den Frieden des Herzens sucht, bemühe man sich um folgende Gesinnung: Man sei freundlich, sanft und ergeben.«
Diese Worte zeigen in die gleiche Richtung, der wir bereits als »nachsichtig« und »in Güte« begegnet sind. Es gibt Wegweiser für die Eigenschaften, die wir üben sollten, um das Liebesgefühl in uns so zu erwecken, dass wir es nicht mehr verlieren können. Oft denken Menschen, wenn sie das hören, dass sie dann vielleicht übervorteilt werden. Können wir denn auf der Ebene der Liebe übervorteilt werden? Das kann höchstens auf der weltlichen, materiellen Ebene geschehen, auf der die Dualität von »mein« und »dein« herrscht. Wenn uns aber klar ist, so wie der Buddha sagt, »dass der Frieden des Herzens das Ziel des Lebens ist«, dann kommt es ja wohl nicht mehr darauf an, ob jemand, dem wir Liebe schenken, das Gleiche tut, und ob demjenigen dadurch irgendein Vorteil erwächst. Wir erkennen dann ohne jeden Zweifel, dass alles Gute, das wir tun, so wie lieben, helfen, Nachsicht üben, in Güte handeln, für uns selbst der größte Gewinn ist. Wir erleben dann im Alltag: »Wie du säst, sollst du ernten«. Und selbst wenn jemand unsere Saat nicht erkennt, was macht es schon? Sie bringt immer die dazugehörende Ernte.
Das nächste, was wir im Korintherbrief über die Liebe finden, ist:
»Die Liebe macht sich nicht groß, Sie bläht sich nicht auf.«
Der Buddha sagt:
»Man sei aufrecht und gewissenhaft und ohne Stolz.«