Das Höllenlied vom Wüstentrail - John Gray - E-Book

Das Höllenlied vom Wüstentrail E-Book

John Gray

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Der Mann war so breit und knorrig wie eine alte Doughwoodeiche. Sein graues Haar hing weit in den Nacken herab, und sein verwittertes Gesicht mit den tief liegenden Augen schien im fahlen Licht der Petroleumlampe wie aus einem Felsblock gemeißelt. Er sog gierig die kühle Nachtluft in seine Lungen und schloss dann die Fensterflügel. Mondlicht spiegelte sich auf den stumpfen Scheiben. Bedächtig wandte er sich um und ging zu dem rohgezimmerten Tisch in der Mitte des Raumes. Er trug ein verwaschenes Baumwollhemd, eine abgewetzte Levis-Hose und ausgetretene Stiefel. Das Hemd stand über der Brust offen, und deutlich war die fingerbreite rot schimmernde Säbelnarbe zu erkennen, die sich fast über den ganzen Oberkörper hinzog, ein Andenken an den Bürgerkrieg. Am Gürtel des Mannes baumelte in einer von Hand ausgeschnittenen Halfter ein 45er Colt. Sam Lindon strich sich über den sichelförmigen Schnauzbart, dessen Enden weit bis zu den Kinnwinkeln herabhingen. Er warf einen Blick auf die Wanduhr und beobachtete nachdenklich für einige Sekunden die Bewegungen des Pendels. Das Ticken des Uhrwerks war neben den scharfen Atemzügen des Mannes das einzige Geräusch im Raum. Sam Lindon ging zur Tür und trat hinaus. Der leichte Wind, der von den schroff gezackten, zerklüfteten Gila Mountains herunterstrich, kühlte seine kantige Stirn und bewegte leicht einige graue Haarsträhnen. Sam Lindon blickte auf den Schienenstrang, der aus dem Nichts der Dunkelheit in den blassen Schein der Mondsichel eintauchte, silbern blitzte, das Mondlicht reflektierte und dann wieder in undurchdringlicher Finsternis verschwand. Wie zwei nebeneinanderlaufende Metallschlangen, die sich durch das nächtliche Land wanden. Über Sam Lindons Kopf summte ständig der Telegrafendraht, und die massigen Schatten der beiden großen Wassertanks – nur knapp dreißig Yards neben der Blockhütte – ragten drohend in den Nachthimmel, wie zwei Riesen, die jeden Moment beginnen würden, aufeinander einzuschlagen. Mit leisem Quietschen bewegte sich das Wasserrad. In einer Stunde würde der Zug kommen, wie immer. Sam Lindon würde eine Meldung in sein Buch eintragen, den Wassertank der Lokomotive auffüllen und den Lokführer nach den neuesten Nachrichten fragen. Vielleicht hatte er diesmal sogar eine Zeitung für Sam Lindon.

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Die großen Western Classic – 80 –

Das Höllenlied vom Wüstentrail

John Gray

Der Mann war so breit und knorrig wie eine alte Doughwoodeiche. Sein graues Haar hing weit in den Nacken herab, und sein verwittertes Gesicht mit den tief liegenden Augen schien im fahlen Licht der Petroleumlampe wie aus einem Felsblock gemeißelt.

Er sog gierig die kühle Nachtluft in seine Lungen und schloss dann die Fensterflügel.

Mondlicht spiegelte sich auf den stumpfen Scheiben. Bedächtig wandte er sich um und ging zu dem rohgezimmerten Tisch in der Mitte des Raumes. Er trug ein verwaschenes Baumwollhemd, eine abgewetzte Levis-Hose und ausgetretene Stiefel. Das Hemd stand über der Brust offen, und deutlich war die fingerbreite rot schimmernde Säbelnarbe zu erkennen, die sich fast über den ganzen Oberkörper hinzog, ein Andenken an den Bürgerkrieg. Am Gürtel des Mannes baumelte in einer von Hand ausgeschnittenen Halfter ein 45er Colt.

Sam Lindon strich sich über den sichelförmigen Schnauzbart, dessen Enden weit bis zu den Kinnwinkeln herabhingen. Er warf einen Blick auf die Wanduhr und beobachtete nachdenklich für einige Sekunden die Bewegungen des Pendels. Das Ticken des Uhrwerks war neben den scharfen Atemzügen des Mannes das einzige Geräusch im Raum. Sam Lindon ging zur Tür und trat hinaus.

Der leichte Wind, der von den schroff gezackten, zerklüfteten Gila Mountains herunterstrich, kühlte seine kantige Stirn und bewegte leicht einige graue Haarsträhnen.

Sam Lindon blickte auf den Schienenstrang, der aus dem Nichts der Dunkelheit in den blassen Schein der Mondsichel eintauchte, silbern blitzte, das Mondlicht reflektierte und dann wieder in undurchdringlicher Finsternis verschwand. Wie zwei nebeneinanderlaufende Metallschlangen, die sich durch das nächtliche Land wanden.

Der stählerne Trail …

Über Sam Lindons Kopf summte ständig der Telegrafendraht, und die massigen Schatten der beiden großen Wassertanks – nur knapp dreißig Yards neben der Blockhütte – ragten drohend in den Nachthimmel, wie zwei Riesen, die jeden Moment beginnen würden, aufeinander einzuschlagen. Mit leisem Quietschen bewegte sich das Wasserrad.

In einer Stunde würde der Zug kommen, wie immer. Sam Lindon würde eine Meldung in sein Buch eintragen, den Wassertank der Lokomotive auffüllen und den Lokführer nach den neuesten Nachrichten fragen. Vielleicht hatte er diesmal sogar eine Zeitung für Sam Lindon. Es würde alles so sein wie immer.

Sam London beschloss, zu den Wassertanks zu gehen, und setzte sich bedächtig in Bewegung.

*

Vance Gard maß in seinen Stiefeln über sechs Fuß. Er war hager wie ein verhungerter Wolf – und auch so gefährlich. Sein knochiges Gesicht lag stets im Schatten der breiten Hutkrempe. Um die Hüfte schlang sich ein breiter Revolvergurt, dessen Schlaufen mit mattschimmernden Patronen gespickt waren. Schwer hing der 44er Frontier Colt in dem Halfter, und sein abgewetzter Kolben bog sich wie ein zupackender Geierschnabel vom Körper des Mannes ab.

Vance Gard blickte sich nicht nach den anderen Männern um, die abwartend hinter ihm standen. Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und drängte sein Pferd hinter die dichte Buschgruppe zurück, die seinen Partnern schon als Deckung diente.

Das Tier schnaubte leise. Gard wandte sich erschrocken um und hielt dem Pferd mit beiden Händen das Maul zu. Pfeifend entwich der Atem den Nüstern.

Vance Gard nickte einem riesigen Mann mit ebenholzfarbener Haut zu. Der Farbige grinste schmal. Die makellos weißen Zähne seines Gebisses schimmerten hell. Dann wandte er sich um und huschte davon.

Vance Gard ließ sein Pferd los und bewegte sich langsam vorwärts. Wenige Yards vor ihm wuchsen die riesigen Wassertanks aus dem Boden, und ihre Konturen zeichneten sich im blassen Mondlicht scharf gegen den Nachthimmel ab. Es roch nach feuchtem Holz. Über der Strauchgruppe, hinter der die anderen mit den Pferden warteten, ballten sich Mückenschwärme zu schwirrenden und zuckenden Gebilden zusammen.

Und da war ein Mann, der langsam durch die Dunkelheit heranstampfte. Ein Mann, so groß und breit wie ein Bär, mit eisgrauem Haar und martialischem Schnauzbart.

Leise knirschte Kies und Schotter unter den Stiefeln des Mannes.

Vance Gard hatte einen Wassertank erreicht und presste sich hart gegen das kühle Holz. Schweiß perlte dick auf seiner Stirn, denn die Nacht war schwül. Unruhig tasteten seine Hände über das rissige Holz. Er hörte die Schritte des anderen immer deutlicher. Er öffnete den Mund und bemühte sich darum, leise zu atmen. Sam Lindon verhielt vor dem Tank, den er jetzt erreicht hatte, und lehnte sich gegen das Holzgerüst, das aus schenkelstarken Pfählen bestand.

»Verdammte Hitze!«, fluchte er vor sich hin und wischte sich mit einem ­fadenscheinigen Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Sam Lindon bemerkte den Schatten nicht, der kaum fünf Yards von ihm stand. Er begann, die Kette, die das Rohr hielt, zu lösen.

Vance Gard presste grimmig die Lippen zusammen und spürte salzig die Schweißtropfen in seinem Mund.

Jetzt, dachte er. Jetzt ist es soweit.

Geschmeidig wie eine Schlange stieß er sich vom Gerüst des Tanks ab und huschte fast geräuschlos durch das dichte Gras. Es raschelte nur leise. Doch dann kam der Schotter, der scharfkörnige Sand, der Kies – und am ersten Tank stand der grauhaarige Mann.

Vance Gard ließ seine Rechte zum Kolben des Revolvers sinken und bewegte sich hastig vorwärts.

Es knirschte unter seinen Stiefeln, und in seinen Ohren hallte das Geräusch so laut wie Schüsse.

Der Mann am Tank wandte verstört den Kopf, als die Detonation kam, die die Schienen aufriss. Ehe er begriff, was geschah, sah er die hagere Gestalt, und seine Augen weiteten sich. Vance Gard stieß sich blitzschnell vom Boden ab und federte dem Alten entgegen, der jetzt zum Colt griff.

Der Schreck durchfuhr Sam Lindon. Doch er reagierte rasch. Er fühlte den kühlen Griff des Revolvers in seiner Hand und wollte die Waffe herausreißen, hochheben, zielen, als der Schatten schon dicht vor ihm stand und ein mörderischer Schlag sein rechtes Handgelenk traf.

Sam Lindon stöhnte vor Schmerz und fühlte dann schon, wie man ihm den Colt aus dem Halfter riss und die Waffe zu Boden warf. Ein Fausthieb trieb ihn zurück. Er schnappte nach Luft und warf seine mächtigen Fäuste vor. Doch der andere tauchte hinweg, blitzschnell wie ein Schemen.

Sam Lindon wollte schreien, sich wehren, sich herumwerfen und davonlaufen, doch eine eisige Faust schien nach seinem Herzen zu greifen, und seine Glieder waren mit einem Mal bleischwer. Er blickte dem herankommenden Mann nur aus weit aufgerissenen Augen entgegen. In seinen Augen stand wahnsinnige Angst. Er wollte etwas sagen, doch er bekam keinen Ton heraus. Sein Mund öffnete sich, und er schüttelte nur hastig den Kopf.

»Nicht, nicht …«

Strähnig hing ihm sein Haar in die schweißnasse Stirn.

Das harte Gesicht des anderen kam näher. Vance Gard blickte mit unbarmherzigen Augen auf den Alten, und als dieser plötzlich zusammenzuckte und aufstöhnte, verhielt er im Schritt.

Der riesige Farbige war von hinten herangehuscht und drückte Sam Lindon den Revolver hart in die Nieren.

»Bleib still stehen, alter Mann, ganz still, sonst drücke ich ab.«

Seine tiefe Stimme klang melodisch, aber es schwang auch etwas Bedrohliches darin mit.

Lindon nickte hastig.

»Ja, ja …«, presste er hervor. Vance Gard trat heran und durchsuchte ihn nach Waffen.

»Nichts«, murmelte er. Sein stechender Blick richtete sich auf den Alten, und seine Augen glitzerten so kalt wie Eiskristalle. »Wer ist noch auf der Station?«

Sam Lindon hörte die schneidende Stimme, und er schüttelte fast willenlos den Kopf. »Niemand. Niemand ist da. Ich bin ganz allein …«

Vance Gard nickte befriedigt. Er ließ den Revolver in den Halfter zurückgleiten und wandte sich ab.

»Pass gut auf ihn auf, Isa«, sagte er über die Schulter, und der Dunkelhäutige nickte.

Vance Gard huschte auf die Station zu. Das Blockhaus lag flach und geduckt in der Dunkelheit. Aus der halbgeöffneten Tür fiel der matte Lichtschein der Petroleumlampe.

Vance Gard warf seinen Blick durch eines der schmalen Fenster und schaute sich um.

»Ihr könnt kommen!«

Sein Ruf hallte weit durch die Nacht. Doch das Land war leer und einsam. Nach wenigen Meilen begann schon die Gila-Wüste.

Männer und Pferde lösten sich aus der Strauchgruppe und kamen auf die Hütte zu, die aus fast mannsstarken Baumstämmen erbaut worden war. Die Ritzen waren mit Lehm verschmiert und mit Grassoden verstopft worden.

Der Dunkelhäutige tauchte mit dem gefangenen Stationsmann auf. Er schob den Alten über die Schwelle ins Haus. Seine Hände zitterten. In stummer Furcht schaute er auf den Farbigen, der breitschultrig und fast zwei Yards groß, in den Lichtschein der Petroleumlampe trat und sich den speckigen Stetson vom Kopf nahm. Sein ebenholzfarbenes Gesicht glänzte vor Schweiß.

Die anderen traten ein. Als Letzter kam Vance Gard. Er schloss die Tür und trat an den eisernen Kanonenofen, auf dessen Platte ein massiver Kessel stand. Gard hob den Deckel und schaute hinein.

»Kaffee.« Mürrisch fügte er hinzu: »Kalt.«

Klirrend setzte er den Deckel wieder auf den Kessel und fasste den Stationsmann hart ins Auge.

»Wie lange dauert es noch, bis der Zug kommt?«

»In – in einer Stunde etwa«, stammelte der Mann. Nervös krampften sich seine Hände um die Kante der gescheuerten Tischplatte.

»Stimmt das auch?« Ric Gander, ein untersetzter, stämmiger Mann musterte Sam Lindon misstrauisch und drohend.

»Sicher stimmt das. Natürlich, bestimmt!«

»Dann wird’s schon so sein, Ric.« Vance Gard lächelte schmal. »Er wird doch jetzt nicht lügen. Nicht wahr, Alter, das wirst du doch nicht wagen?«

Sam Lindon blickte für Sekunden in die tückisch flimmernden Augen des Banditen und senkte verbittert den Kopf.

»Sicher nicht«, sagte er.

»Wie lange hast du diese Station schon?«

Vance Gard hatte sich niedergelassen und streckte die Beine mit den abgewetzten Stiefeln von sich.

»Sechs Jahre, fast sieben.« Sam Lindon blickte den Banditen verständnislos an.

»Und wie lange willst du diese Station noch behalten?«, fuhr der Bandit unbeirrt fort.

Sam Lindon schluckte. Sein Hals war plötzlich ausgetrocknet, und er hatte das Gefühl, seine Zunge habe sich in ein Stück verschrumpeltes Leder verwandelt.

»Wie – wie soll ich das verstehen?«

Vance Gard grinste böse. Er hatte sich eine Zigarette zwischen die schmalen Lippen geschoben, und das aufflackernde Streichholzflämmchen spiegelte sich sekundenlang in seinen Augen.

»Tote leiten keine Station«, sagte er leise.

»Nein!«, antwortete Sam Lindon und fühlte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren brach.

»Wir fangen an, uns zu verstehen.« Vance Gard sprach sanft und langsam, mit seltsamer Betonung.

»Ich – ich weiß nicht …«

»Du weißt sehr genau was ich meine, Alter. Im Packwagen des Zuges befinden sich 12 000 Dollar. Wenn du uns Schwierigkeiten machst, werden sehr bald einige dickbäuchige Direktoren der Railroad Company Gelegenheit haben, ihre schwarzen Fräcke anzuziehen und ein paar pathetische Reden halten.« Er schaute den Stationsmann an, dessen kantiges, zerfurchtes Gesicht im blassen Licht der Lampe zerfallen und müde wirkte. »In tapferer Ausübung seiner Pflicht gestorben. Genauso wird man es sagen, und so wird es auf den Kranzschleifen stehen.«

Gard saugte gierig an der Zigarette. Feine Rauchschleier trieben sanft mit dem würzigen Geruch des Virginiatabaks durch den Raum.

»Wo ist der Telegraf?«

Seine Stimme klang wieder klirrend und scharf.

Sam Lindon hob langsam den Arm und deutete auf einen schlichten Sackleinenvorhang an einem kleinen Wandschrank.

Als Miguel Chavez, ein lederhäutiger Mexikaner, den Stoff beiseitezog, kam der Telegraf zum Vorschein. Die sorgfältig gepflegten Metallteile blinkten leicht im Lampenlicht.

»Kommen vor dem Zug gewöhnlich noch Meldungen durch?«

»Nein.« Sam Lindon schüttelte hastig den Kopf. »Nein, nie.«

»Das ist gut«, sagte Vance Gard. Er nickte dem Mexikaner zu.

Der dunkelhäutige Mann lächelte schmal und bückte sich. Er riss mit schnellem Ruck den Vorhang aus seinen Halterungen und warf den Stoff in eine Ecke. Dann zog er sein nadelscharf geschliffenes Messer aus der Gürtelscheide. Er hob den mattschimmernden Draht, der vom Gerät in die Wand führte und den Telegrafen an die Außenleitung anschloss, und zerschnitt ihn. Es knirschte leise. Die Klinge verschwand wieder.

Vance Gard war aufgestanden und kam näher. Er zog seinen Colt aus dem Halfter, drehte ihn um und zertrümmerte mit dem Kolben die Röhren der Apparatur. Schweigend und mit brennenden Augen schaute der Alte dabei zu.

»Ihr Schweine«, murmelte er leise und senkte dann den Kopf. »Oh, ihr Schweine!«

Das Gesicht Will Lattinghams, eines krummbeinigen Texaners, umwölkte sich. Drohend trat er auf Sam Lindon zu. Und der Alte schreckte zusammen.

*

Das Ticken der Wanduhr klang überlaut, wie das ständige monotone Dröhnen von Paukenschlägen. Und es schien immer lauter zu werden, von Sekunde zu Sekunde.

Sam Lindon schien auf seinem Stuhl in sich zusammenzusinken. Er atmete flach und starrte den Texaner wortlos an.

Die Gesichter der Banditen wirkten steinern.

»Er beleidigt uns«, sagte Ric Gander.

»Wir haben ihm nichts getan, aber er beleidigt uns«, sagte Isaiah Dorman.

Vance Gard sagte gar nichts. Er schaute den Alten nur verächtlich an.

Will Lattingham schüttelte stumm den Kopf und fasste dann mit der Rechten nach dem Hemdkragen des Stationsmannes.

Sam Lindon schloss für einen Moment die Augen. Ein Schwindelgefühl stieg in ihm auf. Er sah das stoppelbärtige Gesicht des kleinen krummbeinigen Mannes aus Texas nur verschwommen vor sich.

»Wir sind also Schweine«, sagte Will Lattingham. Jedes Wort kam wie zähflüssiges Wachs langsam und mit seltsamer Betonung über seine schmalen Lippen. Seine Rechte zog den Hemdkragen des Alten immer mehr zusammen, und Sam Lindon spürte den Druck an seinem Hals. Nackte Furcht überlief ihn.

»Ganz verdammte Schweine«, sagte der Texaner und grinste böse.

Will Lattingham packte mit der linken Hand zu und krallte seine Finger in den Stoff des Hemdes von Sam Lindon. Langsam zog er den Alten von seinem Stuhl.

»Wir sind also Schweine?«, wiederholte er. Seine Wangen waren mit hektischen roten Flecken übersät.

Sie starrten sich einige Atemzüge lang schweigend und regungslos an. Der Blick des Texaners war so kalt wie ein Eisblock, und Sam Lindon senkte nach kurzer Zeit den Kopf. Seine Unterlippe zitterte, und seine Schultern sanken müde herab.

»Nein«, flüsterte er und schüttelte den Kopf, um den wirr die grauen Haarsträhnen hingen. »Nein, ich – ich weiß nicht, wie ich das sagen konnte …«

Will Lattingham lächelte schmal. Er gab Sam Lindon einen leichten Stoß, und der Alte fiel auf seinen Stuhl zurück. Er stützte den Kopf in beide Hände. Die Gesichter der Banditen entspannten sich.

Langsam ging auch Vance Gard wieder zum Tisch und ließ sich nieder. Er warf seinen Zigarettenstummel zu Boden und schaute nachdenklich in das blinkende Glas der Lampe, hinter dem die Flamme brannte.

»In einer Stunde«, murmelte er zu sich selbst.

*

Das Kreischen der Dampfpfeife schrillte durch die Nacht. Stampfend und fauchend bewegten sich die mächtigen Kolben der Lokomotive. Und der Mann auf der Zugmaschine schob den Kopf aus dem Fenster. Winzige Rußkörnchen flogen an ihm vorbei oder trafen sein windgepeitschtes Gesicht, das von einer verschmierten Rußschicht bedeckt war.

Bill Wornam nahm das Zittern und Stampfen der Lokomotive längst nicht mehr wahr. Es gehörte zu seinem Leben, das wilde und machtvolle Stampfen der Maschine unter seinen Füßen zu spüren, das Höllenlied des Stahlgiganten, dessen Herr er war, zu hören. Er zog den Fahrthebel weiter herunter, und der Zug flog noch schneller dahin. Der Wind trieb die dichten Dampfwolken des Schlots nach hinten weg, und sie verschmolzen mit der Dunkelheit. Die Kerosinlaterne am Bug warf ihr Licht auf die blanken Schienen. Und der flackernde Schein tanzte auf dem Metall vor dem Zug her, der ins Dunkel raste wie ein zuckendes, hüpfendes Irrlicht.

Jeff Turnton, der Heizer, tauchte am Tender auf und schleppte schwitzend ein halbes Dutzend mächtige Kiefernkloben heran. Er ließ sie polternd fallen, riss die Eisenklappe des Kessels auf und schaute für Sekunden in eine Hölle aus prasselnden, lodernden, gierig leckenden Flammen. Dann schob er die Holzkloben hinein und warf die Klappe krachend zu. Sein nackter, muskulöser Oberkörper war schwarz von Rauch und Ruß, er glänzte vor Schweiß, der von seinem Gesicht über den Hals und den Oberkörper rann. Seine Hände waren breit, schwielig, rissig von Holzsplittern, klebrig vom Harz und hart von der Arbeit wie Büffelleder. Keuchend lehnte er sich an die Eisenverstrebungen der Lok.

»Wie lange noch bis Lindons Station?« Er musste schreien, um die stampfende, ratternde Melodie der Räder und Kolben zu übertönen.

Bill Wornam wandte nur kurz den Kopf. Seine Rechte umklammerte den Dampfhebel. Dick traten die Sehnenstränge an seinem Handgelenk hervor.

»Eine Viertelstunde!«, rief Bill Wornam, und der Heizer nickte zufrieden.

»Wir brauchen dringend Wasser!«

»Bis zu Lindon wird es reichen!«, antwortete der Lokführer heiser. Er hustete und spuckte fluchend aus. Schemenhaft flogen die schlank in den Nachthimmel ragenden Telegrafenmasten vorbei.

»Ob Lindon eine Tasse Kaffee hat? Es ist verdammt heiß!«

Der Lokführer drehte mit der Linken an einer Kurbel und beobachtete unverwandt eine Messuhr, auf der ein roter Zeiger hin und her pendelte. »Sicher!«, rief er, ohne den Blick zu wenden. »Bei Sam Lindon kriegst du alles! Der ist in Ordnung!«

»Noch eine Viertelstunde!«, knurrte der Heizer ungeduldig und starrte sehnsüchtig hinaus in die Dunkelheit.

*

»Es ist soweit. Gleich kommt der Zug«, sagte Sam Lindon und erhob sich. Seine Blicke waren auf die Zeiger der Wanduhr gerichtet.

»Halt!«

Der Befehl aus dem dünnlippigen Mund Gards hallte scharf wie ein Peitschenknall durch den Raum und ließ den Stationer zusammenfahren.

»Bring die Pferde hinter das Gebüsch!«

Vance Gard gab dem Farbigen ein Zeichen. Der riesige Mann nickte nur leicht und stülpte sich den Hut auf den Kopf. Dann verschwand er nach draußen.

»Geh mit, Will«, sagte Vance Gard.

Der grauäugige Texaner spuckte auf die Dielen und wandte sich ab.

Vance Gard wollte noch etwas sagen, doch da tönte schon aus der Ferne der schrille Ruf der Dampfpfeife durch die Nacht. Gard fluchte und trat an das Fenster. Er sah den winzigen hellen Schein in der Ferne. Seine Hand tastete nach dem Colt.

»Raus!«, rief er. »Jetzt ist es soweit!«

Sein Gesicht zuckte vor Erregung. Stühle wurden gerückt, Stiefel dröhnten hohl auf dem Fußboden. Die Männer traten hinaus und hasteten auf die Gleise zu.

»Mach keinen Unsinn, Alter«, murmelte Vance Gard drohend, und schaute Sam Lindon kalt an.

»Nein, nein, bestimmt nicht. Ich – ich mache keinen Unsinn, Mister«, stammelte der Stationsmann. Seine Hände zitterten so stark, dass er den Becher, nach dem er gegriffen hatte, um einen Schluck Wasser zu trinken, nicht halten konnte. Er setzte ihn wieder ab.