Das hybride Subjekt - Andreas Reckwitz - E-Book

Das hybride Subjekt E-Book

Andreas Reckwitz

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Beschreibung

In welche Richtung formt die moderne Gesellschaft den Menschen? In welcher Weise wird das moderne Individuum »subjektiviert«? In seinem grundlegendem Buch, das thematisch in einer Reihe mit Die Erfindung der Kreativität und Die Gesellschaft der Singularitäten steht, unternimmt Andreas Reckwitz eine Tour de Force durch die Kultur- und Sozialgeschichte des Westens vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart und beleuchtet die widersprüchlichen Anforderungen zwischen Selbstdisziplinierung, Selbstdarstellung und Selbstverwirklichung, denen das moderne Subjekt gegenübersteht. Am Ende wird deutlich: Das Subjekt der postmodernen Gegenwart ist ohne die Geschichte der Bürgerlichkeit und ohne die kulturellen Bewegungen von der Romantik bis zur Counter Culture der 1960er Jahre nicht zu verstehen. Innere Balance findet es freilich genauso wenig wie seine historischen Vorläufer.

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Seitenzahl: 1081

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3Andreas Reckwitz

Das hybride Subjekt

Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne

Überarbeitete Neuauflage

Suhrkamp

Übersicht

Cover

Titel

Inhalt

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

705Ausführliches Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Inhalt

Vorwort zur Neuauflage

Die Frage nach dem Subjekt in der Moderne

1. Subjektanalyse und Kulturtheorie: Zur Rekonstruktion von Subjektkulturen

1.1 Subjektformen und sozial-kulturelle Praktiken

Codes und Praktiken

Das Subjekt als Dispositionsbündel

Diskurse, Identität/Differenz, ›Individuum‹

1.2 Die gesellschaftlichen Räume der Subjektkulturen

Soziale Felder

Drei primäre Subjektivierungsorte: Arbeit, Intimität, Technologien des Selbst

Subjekt-Homologien, Lebensformen und Überdeterminationen

Kulturelle Hegemonien

1.3 Die Transformation von Subjektkulturen

Kulturkonflikte der Öffnung und Schließung von Kontingenz

Die Hybridität und Intertextualität von Subjektkulturen

Kulturelle Räume der Subjekterfindung

2. Bürgerliche Moderne und Romantik: Das moralisch-souveräne Allgemeinsubjekt und das expressive Individualsubjekt

2.1 Die Subjektordnung der Bürgerlichkeit: Moralität und Selbstregierung (18. Jahrhundert)

2.1.1 Bürgerliche Praktiken der Arbeit: Die Souveränität, Disziplin und Riskanz des Berufssubjekts

Selbständigkeit und Ungewissheit ökonomischer Subjektivität

Professionelle Disziplinen

Die Arbeit an der Moral und die Distinktion gegen das Maßlose

Die Wiederkehr des Maßlosen

2.1.2 Bürgerliche Intimsphäre: Die Psychologisierung des Freundschafts- und Familiensubjekts

Intimität als Freundschaft

Die Bildung und Empfindsamkeit der Ehe

Intime Polysemien

2.1.3 Bürgerliche Technologien des Selbst: Die Produktion einer Innenwelt im Medium der Schrift

Subjektivierung im Lesen

Subjektivierung im Schreiben

Die Instabilität der Leser-Innenwelt zwischen Moral und Ästhetik

2.1.4 Die Souveränität/Moralität des bürgerlichen Subjekts und sein symbolisches Außen: Das Anti-Artifizielle, Anti-Exzessive und Anti-Parasitäre

Die Differenz zur Amoral und die Spuren des Aristokratischen und Religiösen im Modernen

›Dispersed practices‹ bürgerlicher Selbstregierung

Antagonismen des Bürgerlichen

2.2 Das romantische Subjekt: Ästhetische Individualität und das Erleben der Welt im Innern (1800-1820)

Der Antagonismus zum universalen Horizont der Bürgerlichkeit

Tiefen-Ästhetik und die Expressivität des Künstlersubjekts

Romantische Praktiken

I

: Liebe

Romantische Praktiken

II

: Natur, Musik, Kunst

Das romantische Ich zwischen Expressivität und Diskontinuität

2.3 Die Hegemonie des bürgerlichen Subjekts: Die Distinktion gegen das Primitive und der Dualismus zwischen Öffentlichem/Männlichkeit und Privatem/Weiblichkeit (19. Jahrhundert)

Anti-Primitivismus und Respektabilitätssuche

Zweckrationalisierung der Arbeit und romantische Naturalisierung des Privaten

Bürgerliches Doppel-Leben

3. Ästhetischer Modernismus und organisierte Moderne: Avantgarde-Subjekt und nach-bürgerliches Angestelltensubjekt

3.1 Das transgressive Subjekt der Avantgardebewegungen (1890-1930)

Transgressionscodierungen

Avantgarde-Figuren zwischen Ästhetizismus und Surrealismus

Modernistische Praktiken

I

: Metropolenerfahrung und das Kino

Modernistische Praktiken

II

: Montage und neue Geschlechter

Die Gespaltenheit der Transgression

3.2 Die organisierte Moderne und das Angestelltensubjekt:

Social ethics

und die Ästhetik des Visuellen (1920-1970)

3.2.1 ›Organization man‹ und die nach-bürgerlichen Praktiken der Arbeit im technisch effizienten Kollektiv

Der Code des Sozio-Technischen

Der Manager-Ingenieur als Koordinator

›Social adjustment‹ und ›personality salesmanship‹

Der kämpfende und der sich spiegelnde Angestellte

3.2.2 Nach-bürgerliche Subjektkultur persönlicher Beziehungen: Attraktive ›peers‹

Peer society

›Companionate marriage‹ und die Sexualisierung des Subjekts

Die konterkarierende Ähnlichkeit der Geschlechter

3.2.3 Die Rezeption visueller Oberflächen: Nach-bürgerliche Praktiken des Konsums und der audiovisuellen Medien

Die Zerstreuung des Subjekts im Medium des Audiovisuellen

Hollywood-Film und Fernsehen

Konsumtorische Praktiken

3.2.4 Die extrovertierte Sozialorientierung des Angestelltensubjekts und seine Ästhetik der perfekten Form: Die Post-Bürgerlichkeit der Subjektordnung der organisierten Moderne

Social ethics, Normalismus und Entemotionalisierung

Der Anormale und die sekundäre Ästhetisierung

Bürgerlichkeit und Avantgarde als konstitutives Außen der organisierten Moderne

Ambivalenzen des Angestelltensubjekts

4. Die kulturrevolutionäre

counter culture

und die Formation der Postmoderne: Gegenkulturelles Subjekt und konsumtorisches Kreativsubjekt

4.1 Die

counter culture

als Kulturrevolution: Das Subjekt des entgrenzten Spiels des Begehrens (1960-1980)

Codierungen des Lustprinzips

Postmodernistische Kunst als Trainingsfeld des kulturrevolutionären Subjekts

Gegenkulturelle Praktiken

I

: Pop/Rock-Musik, psychedelische Drogen

Gegenkulturelle Praktiken

II

: Sexuelle Revolution und kreatives Zeitalter

Gegenkultur zwischen Authentizität und Kontingenz

4.2 Das Subjekt der Postmoderne als ästhetisch-ökonomische Doublette (seit 1980)

4.2.1 Post-bürokratische Praktiken der Arbeit und das unternehmerische Kreativsubjekt

Die kulturelle Überdetermination des dynamischen Arbeitens

Das Kreativsubjekt und seine Projektfähigkeit

Der Sinn für das Unternehmerische

Paradoxien post-bürokratischen Arbeitens

4.2.2 Postmoderne persönliche Beziehungen: Intimität als Medium expressiver Subjektivität

Das Intimitätssubjekt des ›self-growth‹

Praktiken der expressiven Beziehung

Die intime Ökonomie der Wahl

›Degendering‹ und die Mangelhaftigkeit expressiver Intimität

4.2.3 Postmoderne Technologien des Selbst: Individualästhetischer Konsum, körperorientierte Praktiken, digitale Praktiken

Konsumtion des Erlebens und des differenten Selbst

Praktiken ästhetisierter Körperlichkeit

Das Computer-Subjekt zwischen Navigation und Immersion

Grenzen des Experimentalismus

4.2.4 Das konsumtorische Kreativsubjekt als ästhetisch-ökonomisches Doppel der postmodernen Subjektordnung

Das Kreativsubjekt als Ideal-Ich und Subjektanforderungskatalog

Die Ökonomisierung des Subjekts als elektiv-konsumtorisches

Friktionen postmoderner Subjektivität

Spuren der Bürgerlichkeit/Angestelltenkultur/ästhetischen Bewegungen, Antagonismen zur Bürgerlichkeit/Angestelltenkultur/ästhetischen Kultur

Auf dem Weg zu einer dekonstruktiven Kulturtheorie der Moderne

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Sachregister

Fußnoten

Informationen zum Buch

Impressum

Hinweise zum eBook

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7Vorwort zur Neuauflage

Vierzehn Jahre nach seiner Erstveröffentlichung erscheint Das hybride Subjekt nun als Taschenbuch. Diese Gelegenheit, für die ich dem Suhrkamp Verlag danke, habe ich genutzt, um auf formaler und darstellerischer Ebene einiges zu verändern. Zum einen habe ich in allen Kapiteln Kürzungen vorgenommen, insbesondere dort, wo in der Erstausgabe einzelne Erläuterungen sehr detailliert ausgefallen sind. Zum anderen hat es eine ganze Reihe von stilistischen Glättungen und Vereinfachungen sowie Anpassungen von Zeichensetzung, Rechtschreibung und anderen Formalien gegeben.[1]  In seiner generellen Argumentation wie auch in den inhaltlichen Details seiner Analyse ist das Buch jedoch unverändert.[2] 

Meine Forschungen zu Kultur und Gesellschaft der Moderne waren mit Das hybride Subjekt nicht zum Abschluss gekommen. 2012 ist das Buch Die Erfindung der Kreativität erschienen, 2017 Die Gesellschaft der Singularitäten.[3]  Grundsätzlich gilt: Jedes die8ser Bücher hat sich aus dem jeweils vorangegangen entwickelt, obwohl jedes als eigenständige Untersuchung zu verstehen ist. In ihrer Fragestellung und ihrer Argumentation hängen die drei Bände miteinander zusammen, zugleich sind sie jedoch nicht bewusst aufeinander abgestimmt. Bei der Arbeit an ihnen ging es mir nicht darum, eine Kontinuität der Argumentationen und Begriffe zu sichern oder einen einmal entwickelten theoretischen Rahmen auf verschiedene Gegenstände anzuwenden. Stattdessen hat zwischen den Büchern die Fragestellung ihren Fokus verschoben, die Argumentation hat sich verändert, und auch manche leitenden Begriffe habe ich im Laufe der Zeit modifiziert. Ich will daher dieses Vorwort dazu nutzen, um das Verhältnis zwischen Das hybride Subjekt auf der einen Seite, Die Erfindung der Kreativität und Die Gesellschaft der Singularitäten auf der anderen Seite zu umreißen.

Alle drei Bücher lassen sich als Beiträge zu einer Kultur- und Gesellschaftstheorie der Moderne verstehen, ein Projekt, das mich in den letzten zwanzig Jahren hauptsächlich beschäftigt hat. Alle drei wenden dabei eine sozialtheoretische Grundbegrifflichkeit an, die den Kern des Sozialen in sozialen Praktiken sieht – und damit auch in Wissensordnungen und Diskursen, in Subjektivierungsweisen und Artefaktsystemen, welche im Kontext dieser Praktiken entstehen oder angewandt werden.[4]  Jedes der Bücher geht von einer anderen Leitfrage aus. Die Kernfrage von Das hybride Subjekt lautet: In welcher Weise und aus welchen Gründen hat sich das moderne Subjekt im Laufe der Geschichte der Moderne transformiert? Genauer: Welche in sich widersprüchlichen Subjektordnungen haben die bürgerliche Moderne, die organisierte Moderne und die Postmoderne hervorgebracht, und welche Rolle spielen bei diesem kulturellen Wandel seit der Romantik die ästhetischen Bewegungen? Die Leitfrage von Die Erfindung der Kreativität lautet: In welcher Weise konnte sich im Laufe der Moderne ein sogenanntes Kreativitätsdispositiv entwickeln, das heißt eine Form des Sozialen, die Subjektivität und Sozialität am Maßstab der Produktion des Neuen, vor allem des kulturell und ästhetisch Neuen ausrichtet? 9Und weiter: Welche Struktur hat dieses Kreativitätsdispositiv, und inwiefern forciert es in der Spätmoderne eine Ästhetisierung des Sozialen? Die zentrale Frage von Die Gesellschaft der Singularitäten lautet: Was sind die Grundstrukturen der spätmodernen Gesellschaft? Genauer: In welcher Weise unterscheidet sie sich von der industriellen Moderne, und was sind die Ursachen und Folgen dieses gesellschaftlichen Wandels? Und weiter: Inwiefern ist die Spätmoderne von einer Dialektik zwischen Singularisierung und Entsingularisierung sowie zwischen Valorisierung (Kulturalisierung) und Entwertung gekennzeichnet?

In der Art und Weise, wie diese Fragen angegangen werden, gehen die drei Bücher verschiedene Wege. Das hybride Subjekt nimmt grundsätzlich die Form einer historisch-systematischen Kulturtheorie an. Material aus geschichtswissenschaftlichen, kulturwissenschaftlichen und soziologischen Einzelanalysen habe ich hier in synthetisierender Absicht ausgewertet, und das Ziel ist es, die kulturellen Strukturen herauszuarbeiten, welche die Subjektivierungsweise in den einzelnen historischen Phasen und Bewegungen prägen. Über den Weg der Untersuchung der Subjektformen sollen die miteinander konkurrierenden Wissensordnungen, gewissermaßen die elementaren »Codes« der Kultur der Moderne, vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart herausdestilliert werden. Diese reichen von der Selbstdisziplinierung und der Souveränität der Bürgerlichkeit und der Selbstentfaltung in der Romantik bis hin zum Unternehmertum und der Kreativität in der Postmoderne. Damit werden auch ein systematischer Vergleich der einzelnen Phasen – die bürgerliche Moderne des späten 18. und des 19. Jahrhunderts, die organisierte Moderne großer Teile des 20. Jahrhunderts, schließlich die Postmoderne, die sich seit den 1980er Jahren anbahnt –, ein Vergleich mit den und zwischen den wirkungsmächtigen kulturellen Gegenbewegungen (die Romantik um 1800, die Avantgarden um 1900, die Counter Culture um 1970) sowie eine Untersuchung der Einflüsse und der Brüche zwischen diesen einzelnen Versionen der Kultur der Moderne möglich.

Die Erfindung der Kreativität knüpft in mancher Hinsicht unmittelbar an Das hybride Subjekt an. Wie sich dort am Ende herausstellte, bildet Kreativität einen Leitwert der spätmodernen Kultur, der von den ästhetisch-künstlerischen Bewegungen seit der Romantik motiviert ist. In der spätmodernen Kreativitätskultur ist die 10ehemalige Gegenkultur aber selbst in den Mainstream eingesickert, und die Frage lautet, auf welchem Weg dieser gesellschaftliche Prozess der Diffusion und »Umwertung« geschehen konnte und welche Auswirkungen er hat. Grundsätzlich verknüpft Die Erfindung der Kreativität die Perspektive einer historischen Genealogie mit Ansätzen zu einer Theorie der spätmodernen Gesellschaft. Die Genealogie fragt weniger nach dem Warum als nach dem Wie, das heißt, sie fragt danach, über welchen Pfad in der Geschichte das Unwahrscheinliche wahrscheinlich und real werden, in welchen verstreuten Kontexten das Marginale allmählich Dominanz erlangen konnte. Die Erfindung der Kreativität folgt somit in einzelnen sehr konkreten Kontexten den Spuren der Herauskristallisierung des Kreativitätsdispositivs, insbesondere im Verlauf des 20. Jahrhunderts: So geht das Buch im Detail auf die Ausbildung des Kunstfeldes und dessen Weiterentwicklung mit den Avantgarden und dem Postmodernismus, auf die Wandlungen im Managementdiskurs und die Entstehung der creative industries, die Transformation der Psychologie, die Entstehung eines medialen Starsystems und schließlich den Wandel der Stadtplanung in Richtung eines Modells der creative cities ein. Am Ende werden so Umrisse und Widersprüche des Kreativitätsdispositivs als spätmoderne Signatur deutlich. Dieses Dispositiv hat die Form eines radikalisierten Regimes des kulturell Neuen und wird damit zum Motor des gesellschaftlichen Ästhetisierungsprozesses, der die Spätmoderne insgesamt prägt.

Die Gesellschaft der Singularitäten nimmt diesen Faden einer Theorie der spätmodernen Gesellschaft auf und rückt – losgelöst von der historischen Genealogie – die gesellschaftstheoretische Frage nach der speziellen Form der Spätmoderne ins Zentrum der Betrachtung. Diese Spätmoderne löst seit den 1970er Jahren allmählich die organisierte oder industrielle Moderne ab, die das 20. Jahrhundert zunächst beherrschte, und wird spätestens seit den 1990er Jahren dominant. Die Gesellschaft der Singularitäten nimmt Elemente aus beiden vorangegangenen Büchern auf, das Buch setzt aber breiter und grundsätzlicher an. Breiter ist es insofern angelegt, als die neuen Strukturen in der kapitalistischen Ökonomie (Postindustrialismus und kognitiv-kultureller Kapitalismus) – sowie im Bereich der Technologien (die Digitalisierung) – die neue Sozialstruktur und ihre Lebensformen (eine Drei-Klassen-Gesellschaft mit dem Schlüsselmilieu der neuen, akademischen Mittelklasse) sowie die neuen 11Strukturen im politischen Feld (der Konflikt zwischen Liberalismus und Kulturessenzialismus) genauer unter die Lupe genommen werden. Grundsätzlicher setzt das Buch insofern an, als nun allgemeine Mechanismen herausgearbeitet werden, welche dem Sozialen in der Spätmoderne seine spezifische Form geben und es dynamisch vorantreiben: jene der Singularisierung und der Kulturalisierung, deren Kehrseite Entsingularisierung und Entwertung bilden.

Arbeitstechnisch liefert Das hybride Subjekt somit den Hintergrund für die beiden Folgebücher. Das hybride Subjekt ist das Ergebnis meiner ersten Beschäftigung mit den Materialien einer Kultur- und Gesellschaftstheorie der Moderne, und die Literatur, die ich zu diesem Zweck aus den Bereichen Soziologie, Geschichtswissenschaft und Kulturwissenschaften ausgewertet habe, sowie die Ergebnisse dieser Analyse habe ich auch in den beiden anderen Büchern immer wieder herangezogen. Gerade für die dezidiert gegenwartsorientierte Darstellung in Die Gesellschaft der Singularitäten, aber auch für die teilweise historisch ausgerichtete, aber enger fokussierte Studie Die Erfindung der Kreativität liefert der vorliegende Band also die historisch-systematische »Vorgeschichte«.

Das hybride Subjekt reicht damit von allen drei Büchern zeitlich am weitesten zurück. Grundsätzlich denke ich: Es ist nötig, in die bürgerliche Moderne des 18. und 19. Jahrhunderts zurückzublicken, wenn man die spätere Transformation der modernen Gesellschaft begreifen will. In der Analyse der bürgerlichen Moderne werden in diesem Buch die Spuren auch noch der vormodernen, frühneuzeitlichen Praktiken und Diskurse sichtbar, nämlich jene der aristokratischen und der religiös-klerikalen Kultur. Das triadische Schema dreier Versionen der Moderne – bürgerliche Moderne, organisiert-industrielle Moderne, Postmoderne/Spätmoderne –, das dem Buch sein Grundgerüst liefert, ist auch für die folgenden Bücher leitend geblieben. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass der für einen Soziologen vergleichsweise große Schritt zurück in die Kultur- und Sozialgeschichte unverzichtbar ist, um auch die Strukturen der spätmodernen Gegenwartsgesellschaft zu durchdringen. Mein Interesse am Historischen ist also kein antiquarisches, sondern richtet sich auf jene Strukturmerkmale des Vergangenen, welche auch in der Gegenwart, sei es im positiven (im Sinne einer Weiterführung oder Wiederaneignung), sei es im negativen Sinne (in Form einer Abgrenzung und Absetzbewegung) von Bedeutung 12bleiben. Im letzten Kapitel des Buches zeigt sich dann auch, dass das postmoderne Subjekt in entscheidender Weise Elemente der Bürgerlichkeit und der Romantik in sich enthält und dass zugleich in der Postmoderne Abgrenzungen gegen die Bürgerlichkeit und gegen die Kultur der industriellen Moderne stattfinden, ohne die die postmoderne Identität nicht denkbar wäre.

Das hybride Subjekt ist in seinem sachlichen Fokus jedoch enger zugeschnitten als die beiden späteren Bücher: Es konzentriert sich eben auf das Subjekt und auf jene Wissensordnungen, in denen definiert und praktiziert wird, was es heißt, ein Subjekt zu sein. Die Studie kann nur dadurch historisch derart breit angelegt sein, dass sie sich inhaltlich konzentriert. Die Kultur der Moderne, das heißt ihre Praktiken und Diskurse und die in ihnen enthaltenen Wissensordnungen, interessiert hier unter dem sehr speziellen Aspekt, wie sie »subjektivierend« wirkt. Aufgrund des praxeologischen Theorierahmens bedeutet dabei Subjektanalyse nicht, sich in die Tiefe der Psyche der Individuen zu versenken oder allein jenen Spezialdiskursen nachzuspüren, die die conditio humana als solche thematisieren. Mittels der hier betriebenen Subjektanalyse lassen sich vielmehr die kulturellen Ordnungen der einzelnen Phasen der Gesellschaftsentwicklung insgesamt aufschließen. Denn alle sozialen Praktiken, die in der Gesellschaft vollzogen werden, wirken streng genommen subjektivierend, das heißt, sie setzen »passende« Subjekte voraus und ziehen sie heran: das Recht beispielsweise ebenso wie die Ökonomie, die Erziehung ebenso wie die Kunst. Das Buch konzentriert sich dabei auf das ökonomische Feld der Arbeitspraktiken, auf die persönlichen Beziehungen (Ehe, Familie etc.), auf den Umgang mit Medientechnologien, auf die Kulturen des Konsums sowie schließlich auf die künstlerisch-ästhetischen Praktiken. Das Ziel der Untersuchung ist es, für jede der drei Epochen und jede der drei Gegenbewegungen die Subjektordnung herauszuarbeiten, das heißt ihre jeweilige kulturelle Matrix, in der Subjekte definiert und produziert werden.

Diese Konzentration auf die Subjektkulturen verlasse ich in Die Erfindung der Kreativität und Die Gesellschaft der Singularitäten. Weil der historische Rahmen in diesen Büchern enger gesteckt ist, kann sich ihr Gegenstand ausdehnen. Natürlich: In diesen beiden späteren Untersuchungen geht es auch um Subjektivierung – beispielsweise um die Art und Weise, in der in der Psychologie oder in 13den Massenmedien ein »Kreativsubjekt« geformt wird, beziehungsweise um die Singularisierung von Subjekten in der Spätmoderne, das heißt um ihre Modulation als einzigartige und besondere, sowie um die Valorisierung und Entwertung bestimmter Subjektformen (etwa die Aufwertung des Subjekts der neuen Mittelklasse und die Entwertung jenes der neuen Unterklasse). Aber im Zentrum steht dort der Wandel der Formen des Sozialen, an denen der Wandel der Subjektivierungsweisen als lediglich ein Element unter mehreren teilnimmt.

So steht im Mittelpunkt von Die Erfindung der Kreativität die Frage nach der Struktur des Kreativitätsdispositivs, das heißt eines institutionellen und diskursiven Komplexes, welcher das Soziale insgesamt am Neuen, genauer: am ästhetisch Neuen ausrichtet. Im Rahmen der Regeln und Praktiken dieses Komplexes werden neue Dinge, Orte, Ereignisse und auch Subjekte prämiert und systematisch hervorgebracht. Dieses »Regime des Neuen« des Kreativitätsdispositivs ist nicht mehr bloß am technischen Fortschritt orientiert, sondern im Kern am kulturell und ästhetisch Neuartigen in seiner potentiell unendlichen Kette von Reizen und Bedeutungen – dies gilt für die postindustrielle Ökonomie so wie für die Medien und die Lebensstile. Das Kreativitätsdispositiv entwickelt so eine Form des Sozialen, die nicht mehr im klassischen Sinne auf Tausch oder Kooperation beruht, sondern in deren Zentrum die Zirkulation und Organisation von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit steht. Die Triade von Produzenten, kulturellen Objekten und Publikum strukturiert das Kreativitätsdispositiv, und die Rolle eines Publikums, das kulturelle Objekte diverser Art – von Körpern über Texte, Bilder und Töne bis hin zu Orten und ihren Atmosphären – mehr oder minder fasziniert wahrnimmt, wirkt für diese Form des Sozialen prägend.

Der Ausgangspunkt von Die Gesellschaft der Singularitäten wiederum ist die Gegenüberstellung zweier unterschiedlicher sozialer Logiken: einer sozialen Logik des Allgemeinen und einer sozialen Logik des Besonderen, die beide in ihrer Radikalität für die Moderne charakteristisch sind. Beide sozialen Logiken setzen sich aus Praktiken der Beobachtung, der Bewertung, der Aneignung und der Produktion zusammen und richten sich auf Dinge, zeitliche Einheiten, räumliche Einheiten, Subjekte und Kollektive gleichermaßen. Während die organisiert-industrielle Moderne das Soziale 14einem rigiden doing generality unterwirft – von den standardisierten Industriegütern über die austauschbaren Industriestädte bis hin zu Subjekten als Trägern formaler Rollen –, wirkt in der Spätmoderne jene soziale Logik der Singularitäten, die zuvor nur in Nischen der Gesellschaft galt, auf breiter Front strukturbildend. Beträchtliche Segmente des Sozialen werden so den Produktions- und Bewertungskriterien des doing singularity ausgesetzt, das von den nach Authentizität strebenden Gütern des kulturellen Kapitalismus über die digitalen Profile der sozialen Medien und die nach Unverwechselbarkeit strebenden Städte im urbanen Wettbewerb bis zum kuratierten Lebensstil der neuen Mittelklasse reicht. Während die soziale Logik des Allgemeinen eng mit Prozessen der formalen Rationalisierung verzahnt ist, ist die Singularisierungslogik mit Prozessen der Kulturalisierung verwoben, das heißt mit der Verwandlung des Zweckrationalen ins Wertrationale.[5]  Die soziale Logik der Singularisierung enthält jedoch zugleich die unerbittliche Tendenz, das Singuläre vom Nichtsingulären zu scheiden und Letzterem Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu entziehen, es also zu entwerten. Singularisierungsprozesse und Polarisierungsmuster hängen damit untrennbar zusammen.

Die Gesellschaft der Singularitäten und Das hybride Subjekt überschneiden sich damit unmittelbar in ihrer Analyse der letzten, der gegenwärtigen Version der Moderne, die ich in diesem Buch mit dem Etikett »Postmoderne« versehe, während ich in Die Gesellschaft der Singularitäten von »Spätmoderne« rede.[6]  Abschließend scheint 15ein Wort zum Stellenwert einer solchen Analyse der Post- oder Spätmoderne angebracht. Auch diese bisher letzte, gegenwärtige Phase der modernen Gesellschaft – welche die Soziologie der letzten Jahrzehnte intensiv beschäftigt hat – muss in ihrer eigenen Geschichtlichkeit verstanden werden. In der Übergangsphase der 1970er und 1980er Jahre hat sich die Post- beziehungsweise Spätmoderne langsam aus dem Rahmen der industriellen oder organisierten Moderne herausgeschält. Es hat also keinen harten Schnitt gegeben, sondern eine allmähliche Entwicklung von etwa zwanzig Jahren, emblematisch gerahmt von den Ereignissen von 1968 und 1989, der Studentenbewegung und des Zusammenbruchs des Kommunismus. Seit den 1990er Jahren und mit der Radikalisierung der Globalisierung, der tiefgreifenden Postindustrialisierung des Kapitalismus des globalen Nordens, der grundlegenden Digitalisierung der Kultur sowie der Etablierung einer neuen, hochqualifizierten urbanen Mittelklasse als Leitmilieu hat diese Post- oder Spätmoderne ihre ausgereifte Form erhalten und ist dominant geworden. Ein untrügliches Zeichen für diese Dominanz ist, dass sich inzwischen eine Phalanx von politisch-kulturellen Gegenbewegungen – vom religiösen Fundamentalismus bis zum Nationalismus und Rechtspopulismus – herausgebildet hat, die sich gegen die Kultur der Postmoderne in Stellung bringen.[7] 

Natürlich sollte man nicht aus dem Auge verlieren, dass auch die Strukturmerkmale dieser Spät- oder Postmoderne nicht das Ende der Geschichte markieren werden. Es wird in der Zukunft weitere, tiefgreifende gesellschaftliche Transformationen und damit vermutlich nach den drei bisherigen Formen der Moderne weitere – vierte, fünfte etc. – Phasen und Versionen der Moderne geben. Irgendwann in der Zukunft wird möglicherweise mindestens eine weitere fundamentale strukturelle Transformation (oder langfristig deren mehrere) stattfinden. In seiner Grundsätzlichkeit könnte die16se jener zwischen den nomadischen Gesellschaften und den neu entstehenden agrarisch-hochkulturellen Gesellschaften um 3000 v. Chr. beziehungsweise der sogenannten Achsenzeit und jener zwischen diesen traditionalen Gesellschaften und der entstehenden modernen Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 1600 bis 1800 ähneln.[8]  Die Gesellschaft würde dann die Phase einer Nachmoderne im strikten Sinne des Wortes erreichen. Wenn wir vermuten können, dass der Homo sapiens auf diesem Planeten noch mehrere tausend, ja mehrere hunderttausend Jahre vor sich hat,[9]  bleibt – im Verheißungsvollen wie im Katastrophischen – genügend Spielraum für völlig unabsehbare Entwicklungen, die die Phantasie von uns Heutigen sprengen.

Natürlich kann man sich fragen: Markiert die internationale populistische Revolte der 2010er Jahre bereits den Anfang vom Ende für die Spätmoderne und den Beginn einer neuen Phase in der Geschichte der Moderne? Grundsätzlicher noch: Lassen die Diskussion über die Folgen des Klimawandels sowie jene über die Folgen der Digitalisierung zu Beginn der zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts bereits den Blick auf mögliche Konturen einer Nachmoderne zu?

Aus meiner Sicht ist die politische Bewegung des Populismus in ihrer Tragweite gegenwärtig nicht abschließend einzuordnen. Zweifellos handelt es sich um den politischen Aufstand jener Teile der Gesellschaft, die sich in der postindustriell-liberalisierten Spätmoderne entwertet oder in ihren Aufstiegshoffnungen oder Statuserwartungen enttäuscht sehen.[10]  Die Frage ist aber: Handelt es sich um ein Rückzugsgefecht jener, die unter die Räder des spätmodernen Modernisierungsprozesses geraten sind, oder um die Ouvertüre zu einer neuen Phase der Moderne, die autoritärer, kollektivistischer und nationaler organisiert ist, als es für die Postmoderne gilt? Ein erneuter gesellschaftlicher Wandel über die 17Postmoderne hinaus würde in jedem Fall und jenseits politischer Konfliktlagen voraussetzen, dass sich auch die ökonomischen, die technologischen und die kulturellen Strukturen der Gesellschaft grundsätzlich transformieren.

Hinsichtlich des Klimawandels fällt eine Prognose noch schwerer: Wird man künftig versuchen, den Herausforderungen der klimatischen Veränderungen mit genuin modernen Mitteln zu begegnen, das heißt mit neuen rationalen Zweckprogrammen etwa der Effizienzsteigerung der Energienutzung und der Umplanung der Infrastruktur? Wächst die Moderne im 21. Jahrhundert also selbst noch einmal an ihrer ökologischen Herausforderung, die neue Räume für Selbstoptimierung und Selbstentfaltung eröffnet? Oder deutet sich tatsächlich eine Nachmoderne an, die sich entweder von der Steigerungs- und Transformationslogik der Moderne zugunsten einer eher statischen und darin »nachhaltigen« Lebensform löst oder die in gewaltsame, globale und lokale Konflikte zwischen jenen, die vom Klimawandel massiv negativ betroffen sind, und jenen, die vergleichsweise glimpflich davonkommen, mündet?[11] 

Hinsichtlich der Digitalisierung kann man die gleiche Frage stellen: Handelt es sich hier um eine erneute technologische Revolution innerhalb der Moderne, welche die Zweck-Mittel-Rationalität auf eine neue Stufe hebt und zugleich Singularisierungseffekte hat? Oder kristallisiert sich tatsächlich eine am Ende nachmoderne Gesellschaftsformation heraus, in der von Menschen geschaffene Technologien sich durch die Eigendynamik einer künstlichen Intelligenz auszeichnen, die dem menschlichen Subjekt erstmals in der Geschichte seinen exklusiven Status als handelndem Akteur entzieht?[12]  Es bleibt allerdings zu beachten: Ein wirklicher Bruch von der Moderne in Richtung einer Nachmoderne, der ähnlich gravierend wäre wie die neolithische Revolution, die Achsenzeit oder der Anbruch der neuzeitlichen Moderne, würde eine Form annehmen, die sich wohl dem gegenwärtigen Vorstellungsvermö18gen entzieht. Sie wäre dezidiert keine bloße Verlängerung jenes »Fortschritts«, an den wir uns in der Moderne gewöhnt haben.

Solche Spekulationen mögen reizvoll sein, sind aber sozialwissenschaftlich nur schwer einholbar. Aus meiner Sicht tun wir gut daran, davon auszugehen, dass trotz aller rapiden Beschleunigung des sozialen Wandels, welche die Moderne bereits seit dem 18. Jahrhundert kennzeichnet, die Umgestaltung ihrer Grundstrukturen sich nicht in Jahren, sondern (mindestens) in Jahrzehnten bemisst. Der Aufstieg und die Erosion der bürgerlichen Moderne zogen sich von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Jahrhundertwende, also über 150 Jahre; und der Aufstieg und die Erosion der industriellen Moderne dauerten von 1900 bis in die 1980er Jahre, das heißt immerhin fast ein Jahrhundert. Die postindustrielle, digitalisierte und singularisierte Post- beziehungsweise Spätmoderne wirkt heute in ihrer etablierten Form gerade erst seit dreißig Jahren prägend. Wenn sie wiederum von einer neuen Version der Moderne abgelöst wird (oder gar von einer Nachmoderne), wird dies in der unmittelbaren Gegenwart des Wandels selbst kaum stichhaltig dingfest zu machen sein. Eine solche Einschätzung wird erst in der historischen Rückschau nachvollziehbar werden. Und erst dann wird man möglicherweise auch eine treffendere Bezeichnung für die gegenwärtige Phase der Moderne finden, als es die Behelfsetiketten »Spätmoderne« oder »Postmoderne« vermögen.

Statt immer wieder neue, kurzatmige Zeitdiagnosen zu produzieren, radikale Strukturbrüche zu behaupten oder Endzeitszenarien zu entfalten, bleibt es einstweilen die Aufgabe der Soziologie, die longue durée dieser langfristigen sozialen, wirtschaftlichen, politischen, technologischen, kulturellen und ökologischen Transformationsprozesse herauszuarbeiten.[13]  Zwischen den Extremen eines Präsentismus, der atemlos dem Neuen des gegenwärtigen Moments folgt, und einem Immobilismus, welcher die Moderne oder gar die gesamte Menschheitsgeschichte auf einige wenige, vorgeblich unveränderliche Grundstrukturen oder universale Mechanismen reduzieren will, gilt es, die Balance zu halten: Wir leben bis auf weiteres im strukturellen und kulturellen Horizont der Moderne, 19aber diese transformiert sich selbst. Und dass sie dies tut, ist ihr Charakteristikum – auch in der Post- oder Spätmoderne und letztendlich über diese hinaus.

Der Argumentation in Das hybride Subjekt zufolge stellt sich die Transformation der Subjektordnungen in jedem Fall als ein unabschließbarer Prozess dar, der vergangene Widersprüche und Defizite nur um den Preis kittet, neue Widersprüche und neue Defizite hervorzubringen. Wie eine Karotte baumelt die Fortschrittsverheißung eines perfekten Lebens vor der Nase des (vorläufig noch) modernen Subjekts, das nach ihr greift. Das Begehrensobjekt versetzt das Subjekt in eine rastlose Aktivität, was auf der gesellschaftlichen Ebene die Dynamik der kulturellen Entwicklung und der sozialen Konflikte vorantreibt. Aber zugleich entfernt sich mit jedem gesellschaftlichen Fortschreiten das ersehnte Objekt erneut aus der Griffweite. Trotz aller technologischen Entwicklungen, die Perfektibilität in Aussicht stellen, und trotz immer neuer kultureller Programme und Bewegungen, die Aufbruch und Erneuerung versprechen, ist kaum etwas anderes vorstellbar, als dass sich dieser Prozess der Produktion immer neuer kultureller Widersprüche und neuer Risse in der psychischen Struktur des Subjekts auch in den noch kommenden Phasen, welche die Moderne erleben wird, in noch nicht bekannter Weise fortsetzen wird. Soziologische Aufklärung bedeutet, genau zu sehen, wie dies geschieht – um vor diesem Hintergrund klüger, distanzierter, widerspenstiger, gerissener mit den immer neuen Subjektivierungsprogrammen umgehen zu können, denen wir uns aussetzen und denen wir ausgesetzt werden.

Berlin, im Januar 2020

21Die Frage nach dem Subjekt in der Moderne

Subiectum, das Subjekt hat eine doppelte Bedeutung: Es ist das in die Höhe Erhobene und das Unterworfene. Es ist Zentrum autonomen Handelns und Denkens – vom Subjekt der Geschichte bis zum grammatischen Subjekt eines Satzes. Und es ist das, was übergeordneten Strukturen unterliegt – bis hin zum Rechtssubjekt und zu jenem oder jener, für den oder die im Englischen gilt: ›(s)he is subjected to something‹. In seiner Doppeldeutigkeit präsentiert sich das Subjekt als ein unterworfener Unterwerfer, ein unterwerfendes Unterworfenes.[1]  Dieser Polysemie entspricht in der Kultur der Moderne eine Doppelstruktur des Subjekts. Seit dem Humanismus, der Renaissance, der Reformation, der Aufklärung und dem Liberalismus wird die moderne Kultur von der Idee angetrieben, dass die Ablösung der traditionalen durch eine moderne Gesellschaft die Bedingungen für eine soziale Freisetzung, eine Befreiung des Subjekts aus kollektiven Bindungen gelegt und den Raum für reflexive, rationale, eigeninteressierte, expressive Individuen geschaffen habe. Die Sozial- und Kulturwissenschaften haben demgegenüber seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wiederholt demonstriert, dass dieses moderne Subjekt selbst ein Produkt spezifischer sozial-kultureller Bedingungen darstellt, dass gerade die moderne Gesellschaft in ihrer Eigendynamik ihre Individuen transzendiert und einer spezifischen Kontrolle aussetzt: Der Einzelne avanciert zum vorgeblich autonomen, zweckrationalen oder moralischen Subjekt erst dadurch, dass er sich bestimmten Regeln – Regeln der Rationalität, des Kapitalismus, der Moralität etc. – unterwirft, diese verinnerlicht und inkorporiert und sich in ein soziales Gefüge integriert.

22Es kommt darauf an, wie man diese Doppelstruktur des modernen Subjekts liest. Eine klassische, liberale Lesart sieht hier zwei miteinander streitende historische Tendenzen am Werk, die sich plakativ als Konflikt zwischen ›Individuum‹ und ›Gesellschaft‹ abbilden lassen. Demnach scheint die Moderne einerseits aus einer Linie von Freisetzungsprozessen der Subjektivität auf ökonomischer, politischer, familiärer, rechtlicher Ebene zu bestehen. Andererseits scheint sie durch gegenläufige Tendenzen einer Eindämmung dieser Freiheit durch sozial-kulturelle Ligaturen wiederum ökonomischer, politischer, familiärer oder rechtlicher Art geprägt. Die Deutungen der Moderne bewegen sich so entlang eines Kontinuums zwischen einer Diagnose von individueller Freiheit und einer Diagnose von sozialer Kontrolle oder – anders akzentuiert – zwischen Diagnosen autonomer Vereinzelung oder sozialer Integration.[2]  Wenn man aus dieser liberalen, im westlichen Common Sense tief sedimentierten Sichtweise vom Subjekt oder von der Subjektivität spricht, ist das Individuum, ist der scheinbar unteilbare Einzelne als Reflexions-, Handlungs- oder Rückzugsinstanz gemeint, der sich den – bedrohlichen oder wohlwollenden – Kräften des Gesellschaftlichen gegenübersieht.

Man kann die Doppelstruktur des subiectum zwischen Unterwerfung und Unterworfenheit jedoch auch auf eine andere Weise dechiffrieren: nicht als zwei distinkte, in der Regel gegenläufige Kräfte, sondern als zwei Seiten der gleichen Medaille. Dieser Interpretation folgend, ist es kennzeichnend für die Moderne – verstanden als jener heterogene Komplex von sozialen Praktiken und Diskursen, die sich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts in Westeuropa und Nordamerika heranbilden –, dass sie spezifische kulturelle Formen produziert, denen entsprechend sich der Einzelne als Subjekt, das heißt als rationale, reflexive, sozial orientierte, moralische, expressive, grenzüberschreitende, begehrende etc. Instanz zu modellieren hat und modellieren will. Diese kulturellen Formen sind nicht vermeintlich vorkulturellen Individuen äußerlich. Das Subjekt ist hier nicht das Individuum, sondern die sozial-kulturelle Form der Subjekthaftigkeit, in die sich der Einzelne einschreibt. Damit dieser zu einer handlungsfähigen, vernünftigen, eigeninteres23sierten oder sich selbst entfaltenden Instanz, mithin zum Subjekt im Sinne der liberalen Emanzipationsgeschichte wird, muss er spezifische kulturelle Kriterien einer als handlungsfähig, vernünftig, eigeninteressiert, sich selbst entfaltend anerkannten Subjekthaftigkeit verinnerlichen. Diese Perspektive auf Subjekt und Moderne ist eine kulturtheoretische, und aus ihr lässt sich das Subjekt als ein Katalog kultureller Formen entziffern, die definieren, was unter einem vollwertigen Subjekt zu verstehen ist. Diese Formen prägen sich in die körperlich-mentale Struktur jedes Einzelnen in Form von spezifischen Dispositionen, Kompetenzen, Affektstrukturen und Deutungsmustern ein. Die Kultur der Moderne stellt sich aus dieser Sichtweise nicht als Ort der Auseinandersetzung zwischen Individuum und Gesellschaft, sondern als eine Sequenz sozial-kultureller Subjektformen, von Subjektivierungsweisen,[3]  von Subjektkulturen und Subjektordnungen dar. Diese machen ihren Ort als Fabrikationsweise des modernen Menschen allerdings regelmäßig unsichtbar und geben vor, das ›wirkliche‹, eigentliche Subjekt freizulegen.

Es ist diese kulturtheoretische Lesart des Subjekts als eine kulturelle Form der Moderne – eine Form, die nicht auf der Ebene intellektueller Ideen verbleibt, sondern die körperlich-mentalen Dispositionen des Subjekts, seinen ›Habitus‹ im Sinne Pierre Bourdieus, in sehr realer Weise strukturiert –, die dieses Buch voranzubringen versucht. Die Frage nach dem Subjekt ist in diesem Rahmen nicht eine nach den ›Individuen‹, nach dem ›subjektiven Faktor‹, nach der Eigensinnigkeit der ›Menschen‹ im Verhältnis zur Gesellschaft,[4]  sondern jene nach den kulturellen Kriterienkatalogen der Subjekthaftigkeit, in denen jeder Einzelne trainiert wird. Aber welche Subjektkulturen bringt die Moderne hervor? Welche Kompetenzen, Sinnhorizonte und Affektstrukturen erwerben moderne Subjekte, um zu eben diesen zu werden? Existiert hier die alles umgreifende Form eines westlichen modernen Typus – die Subjektform der Selbstdisziplin, der Kommunikation, der Selbstkreation? Zeichnet 24sich eine Steigerung der Subjektkulturen oder ein Verfallsprozess oder eine Reihe von Subjektkonflikten ab?

Es hat in der Geschichte der Sozial- und Kulturwissenschaften seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine Reihe von Anläufen gegeben, um die Textur der Subjektkulturen der Moderne und die Struktur ihrer ›Persönlichkeit‹, ihres ›Sozialcharakters‹, ihres ›Menschentypus‹ sichtbar zu machen. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist es – neben Friedrich Nietzsche und Georg Simmel – vor allem Max Weber, der in seiner groß angelegten, kulturvergleichend ausgerichteten Religionssoziologie das Projekt verfolgt, die historischen Wurzeln und latenten Muster des modernen Persönlichkeitstypus aufzudecken, den er als asketisch-selbstdiszipliniert und aktivistisch-weltbearbeitend interpretiert.[5]  In der Mitte des 20. Jahrhunderts liefern einige Autoren der Frankfurter Schule, vor allem – in einer eigentümlichen Kombination von Psychoanalyse und Marxismus – Erich Fromm, Herbert Marcuse und Theodor W. Adorno, daneben in anderer Weise Walter Benjamin Skizzen des modernen Sozialcharakters. Es handelt sich um Skizzen eines Verfallsprozesses bürgerlicher Persönlichkeit und neuer autoritärer und narzisstischer Subjektstrukturen, aber auch neuartiger subjektiver Wahrnehmungsformen in einer massenmedialen, urbanen Kultur. Norbert Elias rekonstruiert zeitgleich die Entstehungsgeschichte des modernen, ›zivilisierten‹ Subjekts, seine Psychogenese als Prozess des Umschlagens von Fremd- in Selbstkontrolle, und in der US-amerikanischen Soziologie bildet sich unter dem Einfluss der ›Culture and personality‹-Schule ein Programm zur Analyse des modernen social character aus. Dessen wichtigster Vertreter David Riesman zeichnet den historischen Wechsel vom innenorientierten zum außenorientierten Charakter nach.[6]  Die Frage nach der kultu25rellen Form des Subjekts ist im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts ins Zentrum des sozial- und vor allem des kulturwissenschaftlichen Blicks gerückt. Neben Charles Taylors ideenhistorischer Analyse der ›Sources of the Self‹ zwischen Rationalismus und Expressionsorientierung und Pierre Bourdieus Rekonstruktion der Formen des Habitus in kulturellen Klassen und Lebensstilen sind hier die Arbeiten von Michel Foucault von herausgehobener Bedeutung. Foucaults immer neue diskursarchäologische und machtgenealogische Anläufe zu detaillierten Analysen einzelner Dispositive von der Sexualität bis zur Ökonomie liefern Bausteine einer Subjektgeschichte der Moderne.[7] 

In seiner Fragerichtung ist dieses Buch in den Zusammenhang dieser disparaten Forschungstraditionen einer historisch ausgerichteten wie gegenwartsorientierten Analyse moderner Subjektformen einzuordnen. Es bemüht sich jedoch, noch einmal neu anzusetzen und die Transformationsgeschichte moderner Subjektivität auf andere Weise zu erzählen. Dabei geht es auf Distanz zu zwei verbreiteten und in unterschiedlichen Versionen hartnäckig wiederkehrenden grand récits der Subjektgeschichte, die zugleich Theorien einer homogenen Moderne sind: das Narrativ der Individualisierung und das Narrativ der Disziplinierung. Aus der ersten Perspektive lautet die Antwort auf die Frage nach der modernen Kultur des Subjekts, dass es sich um eine Kultur des ›Individualismus‹ handele und der Prozess der Subjekttransformation einer der ›Individualisierung‹ sei. Das Individualisierungsnarrativ erfährt in den 1980er Jahren in den Arbeiten von Ulrich Beck eine pointierte Form, aber geht letztlich bis zu Émile Durkheims Diagnose eines ›culte de l’individu‹ zurück und geht in anderer Weise in Niklas Luhmanns Platzierung des autopoietischen modernen Individuums in der Umwelt der differenzierten sozialen Systeme ein.[8]  Es steht letztlich in der Tradition 26der genannten liberalen Sichtweise, welche das subiectum als eine Instanz der autonomen Selbstregierung annimmt, die – mit allen Chancen der Autonomie und Risiken der Vereinzelung – aus dem Kollektivismus traditionaler Bindungen freigesetzt werde. Das Disziplinierungsnarrativ, das in manchen Arbeiten von Adorno und Foucault anklingt – und in ihrem Rücken von Nietzsche –[9]  und sich in anderer Weise auch bei Elias findet, kommt zu einem diametral entgegengesetzten Ergebnis. Die Moderne betreibt aus dieser Sicht in ihren Institutionen und Diskursen eine konsequente, machtvolle Formierung ihrer Individuen zu Subjekten der Selbst- und Affektkontrolle, selbst dort, wo freie Entscheidungen am Werk zu sein scheinen. Diese Disziplinierung ist eine Rationalisierung des Subjekts, ein Auferlegen von Standards rationalen Verhaltens, das negativ als Repression und positiv als Zivilisierung bewertet werden kann.

Das kulturwissenschaftliche Forschungsprogramm zur Rekonstruktion moderner Subjektkulturen, um das es in diesem Buch geht, heftet sich weder an das Individualisierungs- noch an das Disziplinierungsnarrativ. Beide Narrative erweisen sich als zwei konträre Versionen einer Vorstellung moderner Subjekthaftigkeit, die letztlich den begrifflichen Dualismus von Freiheit und Zwang, von choices and constraints, von Individuum und Gesellschaft reproduziert. Beide Narrative betrachten auf ihre Weise die zwei Seiten des modernen subiectum als unterschiedliche, in der Regel gegenläufige Kräfte, von denen jeweils entweder dem ersten oder dem zweiten Element das Primat zugeschrieben wird. Die Frage, die in unserem Zusammenhang interessiert, ist jedoch nicht, ob sich in der Moderne die Waage zwischen individueller Freiheit und sozialer Disziplinierung bzw. Integration mehr zur einen oder mehr zur anderen Seite neigt, sondern eine andere: die nach der exakten inhaltlichen Form der unterschiedlichen kulturellen Modellierungen, denen das Subjekt in der Geschichte der Moderne unterliegt und sich unterlegt. Individualismus und soziale Formung sind keine widerstrei27tenden Kräfte, sondern die beiden Seiten des modernen subiectum, das sich eben kulturelle Regeln einverleibt, um ›individualistisch‹ zu werden. Aber welche Subjektformen produziert die moderne Kultur? Sowohl das Individualisierungs- als auch das Disziplinierungsnarrativ neigen dazu, ›die Moderne‹ als einheitliche Formation auf einen fixen Kern, auf eine ewige Wiederkehr des Gleichen festzulegen: auf Freisetzungsprozesse von Individuen bzw. auf die gesellschaftliche Produktion diszipliniert-rationaler Subjekte. In dieser Hinsicht folgen sie dem Grundmuster einer Homogenisierung der Moderne in den großen gesellschaftstheoretischen Erzählungen der Rationalisierung, Differenzierung und Kapitalisierung.

Dieses Buch versucht demgegenüber einen anderen Befund zu demonstrieren und im Detail zu erläutern. Die Moderne produziert keine eindeutige, homogene Subjektstruktur, sie liefert vielmehr ein Feld der Auseinandersetzung um kulturelle Differenzen bezüglich dessen, was das Subjekt ist und wie es sich formen kann. Kennzeichnend für die Moderne ist gerade, dass sie dem Subjekt keine definitive Form gibt, sondern diese sich als ein Kontingenzproblem, eine offene Frage auftut, auf die unterschiedliche, immer wieder neue und andere kulturelle Antworten geliefert werden. Die Kultur der Moderne ist durch Agonalitäten strukturiert, das heißt, sie besteht aus einer Sequenz von Kulturkonflikten darum, wie sich das moderne Subjekt modellieren soll und kann, Modellierungen, die immer wieder meinen, eine universale, natürliche Struktur des Menschen ans Licht zu bringen. In der Geschichte der Moderne lösen unterschiedliche Subjektordnungen einander ab, es handelt sich um einen Prozess der Diskontinuität, der weder an ein Ende kommt noch der linearen Logik des Fortschritts oder des Verfalls folgt. Gleichzeitig sind diese Subjektkulturen nicht eindeutig gebaut, sie sind vielmehr durch eine spezifische Hybridität gekennzeichnet. Subjektkulturen erweisen sich so als kombinatorisches Arrangement verschiedener Sinnmuster, und Spuren historisch vergangener Subjektformen finden sich in den später entstehenden, subkulturelle Elemente in den dominanten Subjektkulturen, so dass sich eigentümliche Mischungsverhältnisse ergeben. Die Subjektordnungen der Moderne seit dem 18. Jahrhundert ergeben damit eine heterogene, kulturwissenschaftlich mit Mühe entzifferbare Textur, ein Palimpsest von kulturellen Versatzstücken der Subjektivität. Innerhalb dieser Textur schält sich neben der Figur eines 28rationalen Subjekts, wie sie die Theorie der Moderne seit langem kennt, eine andere, alternative Figur heraus, welche – teilweise mit dieser verwoben – sich in der Kultur der Moderne verbreitet: die eines ästhetischen Subjekts. Es sind damit vor allem fünf Elemente einer kulturellen Logik der Subjekttransformation in der Moderne, welche dieses Buch versucht aufzuzeigen:

1. In der Geschichte der westlichen Gesellschaften ergeben sich bisher drei jeweils in ihrer Zeit dominante Modernitätskulturen und zugleich Subjektkulturen. Sie produzieren drei differente, miteinander konfligierende Ordnungen des Subjekts: Die bürgerliche Moderne des 18. und 19. Jahrhunderts versucht die Form des moralisch-souveränen, respektablen Subjekts verbindlich zu machen. Die organisierte Moderne der 1920er bis 1970er Jahre produziert als Normalform das extrovertierte Angestelltensubjekt. Die Postmoderne von den 1980er Jahren bis zur Gegenwart entwickelt das Modell einer kreativ-konsumtorischen Subjektivität. Die Transformation der Subjektordnungen verläuft schlagwortartig vom ›Charakter‹ über die ›Persönlichkeit‹ zum ›Selbst‹. Diese drei Subjektordnungen lassen sich weder auf einen übergreifenden Strukturkern reduzieren, noch folgen sie einer linearen Entwicklungslogik. Vielmehr ergibt sich eine Diskontinuität, und es ergeben sich entsprechende Epochenschwellen, an denen kulturelle Ordnungen ›kippen‹. Solche Schwellen stellen sich für die Zeit um 1900/1920 und um 1970/1990 heraus. Die drei Subjektordnungen stehen dabei nicht unverbunden nebeneinander, vielmehr befinden sie sich in einer Logik der Differenzmarkierung, in der die spätere der früheren Modernitätskultur jeweils ihre Legitimität abspricht. An die Stelle einer einheitlichen modernen Kultur treten damit konfligierende ›multiple modernities‹, und zwar innerhalb der europäisch-nordamerikanischen Kultur selbst.[10]  Die Identität dieser Subjektordnungen funktioniert so über eine Logik des Ausschlusses und der Differenzmarkierungen.

2. Die Subjektformen der drei Modernitätskulturen sind nicht als reine Ideen bezüglich eines idealen Subjekts zu verstehen – eine solche ideenhistorische Perspektive nimmt etwa Charles Taylor in seinem bahnbrechenden Band »Sources of the Self« ein. Die Form 29des Subjekts wird vielmehr in Alltagspraktiken hervorgebracht, trainiert und stabilisiert. Sie kann und muss daher anhand dieser Praktiken soziologisch rekonstruiert werden; dies schließt die Analyse von gesellschaftlich relevanten Diskursen und ihren Subjektrepräsentationen ein. Seit dem 18. Jahrhundert stellen sich vor allem drei Komplexe von Aktivitäten als konstitutiv für die Verfertigung von Subjekten dar: die ökonomischen Praktiken der Arbeit, in denen der Einzelne zum Arbeitssubjekt wird; die Praktiken persönlicher und intimer Beziehungen, der Familie, Partnerschaft, Freundschaft, Sexualität und Geschlechtlichkeit, in denen der Einzelne sich in die Form eines Intimitätssubjekts bringt; schließlich das historisch heterogene und dynamische Feld der Technologien des Selbst, das heißt jener Aktivitäten, in denen das Subjekt unmittelbar ein Verhältnis zu sich selber herstellt; sie umfassen vor allem Praktiken im Umgang mit Medientechnologien (Schriftlichkeit, audiovisuelle und digitale Medien) sowie im 20. und 21. Jahrhundert Praktiken des Konsums. Entgegen allen Annahmen einer soziologischen Theorie strikter funktionaler Differenzierung, die zwischen diesen sozialen Feldern einander widersprechende Identitäten annehmen müsste, stellt sich in den jeweiligen Subjektordnungen zeitgleich eine Homologie der Subjektformen heraus, welche die Grenzen zwischen den ›der Sache nach‹ differenzierten Feldern der Arbeit, der persönlichen Beziehungen und den Selbsttechnologien kreuzt. Die Kultur des Subjekts hält sich damit nicht an die Logik rationaler Grenzziehungen, sondern beruht auf Grenzüberschreitungen. Die kulturellen Transformationsschwellen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, zu Beginn des 20. Jahrhunderts und in den 1970er/80er Jahren stellen sich dann als Schwellen eines synchronen Umbaus der Subjektformen sowohl im Bereich der Arbeit als auch der persönlichen Beziehungen als auch der Selbstpraktiken der Medien und des Konsums dar.

3. Die sich vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart ereignenden Kulturkonflikte um die Form eines modernen Subjekts bleiben nur oberflächlich nachvollziehbar, wenn man sich auf die historisch jeweils hegemonialen Subjektkulturen der bürgerlichen Moderne, der organisierten Moderne und der Postmoderne beschränkt. Erst eine Verschiebung des Blicks in Richtung der minoritären kulturellen Gegenbewegungen der Moderne, welche jeweils versuchen, einen ›neuen Menschen‹ zu imaginieren, macht die Differenzspiele 30verstehbar und die Transformation der Subjektordnungen erklärbar. Unter ihnen kommt nun den ästhetischen Bewegungen ein besonderer Status zu. Vor allem drei, zeitlich weit auseinander liegende ästhetische Bewegungen sind hier relevant: die Romantik zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit ihrem Subjekt der expressiven Individualität, die Avantgarde-Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit ihrem transgressiven, grenzüberschreitenden Subjekt, schließlich die kulturrevolutionäre counter culture der 1960/70er Jahre und ihr Subjekt des experimentellen Begehrens. Lange Zeit schien es, als ob man sich in einer bequemen Arbeitsteilung zwischen der sozialwissenschaftlichen Perspektive auf eine ›gesellschaftliche Moderne‹ und der kunstwissenschaftlichen Perspektive einer ›ästhetischen Moderne‹ eingerichtet habe, die einander nicht weiter zu stören bräuchten. Entgegen einem sozialwissenschaftlichen Vorurteil – das kritisiert zu haben nicht eines der geringsten Verdienste der Postmoderne-Debatte der 1980er Jahre ist – sind die ästhetischen Bewegungen der Moderne nun nicht auf bloße Phänomene der Kunst als einer autonomen Sphäre zu reduzieren oder gar als anti-moderne Regressionen abzutun. Sie können vielmehr als Subjekttransformationsbewegungen der gesellschaftlichen Moderne gelesen werden.

Dies gilt in einem doppelten Sinne: Zum einen brechen sie den scheinbar universalen Horizont der (post-)bürgerlichen Subjektkulturen auf und modellieren alternative Subjektivitäten, die gleichfalls mit dem Anspruch radikaler Modernität auftreten. Zum anderen stellen sie wichtige Sinnelemente zur Verfügung, welche die Transformation der dominanten Subjektkulturen im 19. bis 21. Jahrhundert erst ermöglichen. Sowohl im Umschlag von der bürgerlichen zur Angestelltenkultur als auch in jenem zur Postmoderne sickert die ästhetische Moderne mit ihren anti-bürgerlichen Subjektidealen so in die gesellschaftliche Moderne ein. Die folgende Argumentation geht davon aus, dass eine elementare Schwäche großer Teile der gesellschaftswissenschaftlichen Theorien der Moderne – von Max Weber und Émile Durkheim bis zu Niklas Luhmann, Jürgen Habermas und Michel Foucault – darin bestanden hat, in ihrer Fixierung auf Rationalisierungsprozesse diese Relevanz der ästhetischen Moderne für die moderne Praxis und Identität zu unterschätzen.

Die ästhetischen Bewegungen sind dabei nicht die einzigen Transformationsfaktoren des Wandels von Subjektordnungen. 31Auch wenn im Rahmen dieses Buches nur ein unvollständiges Transformationsmodell geboten werden kann, schält sich heraus, dass an den historischen Transformationsschwellen vielmehr eine wechselseitige Verstärkung von insgesamt mindestens drei Agenturen des kulturellen Wandels stattfindet: Neben den kulturellen Bewegungen spielen hier die materiale Kultur der Artefakte (darunter vor allem mediale Technologien, welche die Wahrnehmungsstruktur des Subjekts umformen) sowie die Interdiskurse der Humanwissenschaften (von der bürgerlichen Moralphilosophie bis zur postmodernen Persönlichkeitspsychologie) eine wichtige Rolle. Diese drei Agenturen des kulturellen Wandels sind Nischen und Experimentalräume für die Entstehung neuer Subjektformen, und sie entwickeln sich zu großen Teilen unabhängig voneinander. In jenen Fällen eines grundsätzlichen Umschlags von einer kulturellen Formation zu einer neuen, wie er um 1900/1920 und um 1970/1990 stattfindet, wirken sie jedoch zusammen.

4. Die drei dominanten Subjektordnungen der Moderne – die bürgerliche Kultur, die Angestelltenkultur und die postmoderne Kultur – stellen sich bei näherer Betrachtung jeweils weder als homogen noch als stabil heraus, sondern sind von spezifischen Friktionen durchzogen. Diese stellen sich als Ergebnis einer Überlagerung und Kombination unterschiedlicher Sinnelemente in der gleichen Subjektkultur heraus. Gegen den eigenen Anspruch aller Modernitätskulturen einer Eindeutigkeit und Perfektion ›des‹ Subjekts und gegen ein entsprechendes humanwissenschaftliches Vorurteil, das meint, eine widerspruchsfreie, in sich geschlossene Subjektstruktur – ›die‹ Mentalität der Bürgerlichkeit, ›der‹ other-directed character etc. – aufspüren zu können, wird deutlich, dass alle Subjektkulturen einer kulturellen Logik der Hybridität folgen. ›Hybridität‹ bezeichnet dabei die Kopplung und Kombination unterschiedlicher Codes verschiedener kultureller Herkunft in einer Ordnung des Subjekts. Die Hybridität kultureller Muster macht eine Subjektform zumindest potentiell in sich widersprüchlich und verankert in ihr präzise bestimmbare Bruchlinien.

Dass das Subjekt hybride strukturiert ist, haben manche Interpreten als Kennzeichen einer spezifisch ›postmodernen‹ Identität ausgemacht. Tatsächlich erweisen sich jedoch alle modernen Subjektformen von Anfang an als hybride arrangiert. Für jede der drei großen Subjektordnungen der Moderne ist dann eine historisch 32spezifische, kulturelle Überlagerungskonstellation kennzeichnend, in der bestimmte Subjektcodes aneinander gekoppelt sind. In der bürgerlichen Subjektkultur tut sich so eine potentielle Spannung zwischen einer Moralisierung des Subjekts und einem Training in souveräner Selbstregierung auf. In der Angestellten-Persönlichkeit sieht sich eine Ausrichtung am sozialen Normalismus der peer society gekoppelt an eine latent hedonistische Ästhetik der perfekten Form. Die postmoderne Subjektkultur erweist sich als Aufpfropfung eines ›expressiven‹ Subjektcodes der Selbstkreation auf eine Orientierung des Subjekts am Ideal des Unternehmerischen. Diese immanenten Friktionen machen die Subjektformen instabil und lassen sie potentiell als mangelhaft erlebbar werden: Die Muster gelungener Subjekthaftigkeit enthalten damit von vornherein spezifische Muster des Scheiterns der Identität.

5. Die unterschiedlichen Subjektkulturen der Moderne befinden sich zueinander nicht im Verhältnis vollständiger Diskontinuität, sondern erweisen sich gerade dadurch, dass sie hybride Kombinationen darstellen, als historisch ›intertextuelle‹ Sinnkonstellationen, in denen spätere Formationen Elemente von früheren enthalten und aufnehmen.[11]  Gegen die aus dem grand récit der Moderne als Fortschrittsprozess vertraute Annahme absoluter Brüche zwischen ›alten‹, überholten und radikal ›neuen‹ Gesellschafts- und Kulturformen lassen sich die einzelnen Modernitätskulturen als Mischungsverhältnisse zwischen jeweils neuen und alten Sinnelementen dechiffrieren, welche die neuen in Form von kulturellen Spuren heimsuchen oder dort gezielt wieder angeeignet werden. In der bürgerlichen Subjektkultur sind so ausgewählte Bestandteile aristokratischer Subjektivität präsent. Die Angestelltenkultur der 1920er bis 60er Jahre greift auf das Ordnungsdenken des bürgerlichen Subjekts zurück. In der postmodernen Gegenwartskultur lagern sich Sinntransfers aus dem Arsenal des expressiven Subjekts der Romantik sowie aus der Marktorientierung des bürgerlichen Subjekts ab. Entscheidend ist, dass sich damit langfristige, aber gebrochene kulturelle Effekte scheinbar überholter Subjekt- und Identitätsmuster ergeben. Die Transformation von Subjektkultu33ren in der Moderne lässt sich so als ein Gewebe der Intertextualität entziffern.

Wenn man die Perspektive auf die Kultur der Moderne und auf ihr Subjekt, welche dieses Buch zu entwickeln versucht, auf ein Schlagwort bringen will, dann ist es das einer Diagnose der Hybridität (eine Diagnose, die dabei die Zweitbedeutung des Hybriden, die Konnotation der ›Hybris‹ einer übersteigerten Fixiertheit der Moderne auf das Subjekt, nicht leugnet). Alle Elemente der subjektorientierten Kulturanalyse laufen auf die Offenlegung hybrider Konstellationen unter modernen Bedingungen hinaus, das heißt von Konstellationen, in denen statt der Herrschaft einer einheitlichen Struktur unterschiedliche Sinnelemente verschiedener Herkunft in potentiell konflikthafter und uneinheitlicher Weise aneinander gekoppelt, miteinander kombiniert oder aufeinander verwiesen sind: die Differenzen zwischen bürgerlicher, organisierter und postmoderner Subjektkultur innerhalb der Moderne; die Grenzüberschreitungen der Subjektivierungsweisen jenseits der Sinngrenzen zwischen Arbeit, Intimität/Geschlecht, Medien und Konsum; der Einfluss der ästhetischen Moderne in der gesellschaftlichen Moderne; der Synkretismus der Codes in den Subjektkulturen; schließlich der intertextuelle Verweisungszusammenhang zwischen Sinnelementen verschiedener Zeiten.

Das Konzept des Hybriden ist in den letzten beiden Jahrzehnten von den post-colonial studies, aber auch von den science studies profiliert worden und vor allem auf die Mischungsverhältnisse zwischen westlichen und nicht-westlichen Praktiken und Codes bezogen worden.[12]  Im Kontext dieses Buches erhält die Perspektive des Hybriden hingegen eine verallgemeinerte Bedeutung: Die Kultur der Moderne und in ihrem Zentrum die Form des Subjekts ist insgesamt, selbst wenn man sich auf den Westen beschränkt, im genannten mehrfachen Sinne hybride strukturiert. Jenseits aller analytischen Purifizierungen des rationalen, des disziplinierten, des individualisierten, patriarchalischen etc. Subjekts erweist sich ›die‹ moderne Subjektordnung als ein Ort der unreinen Kreuzungen, Kombinationen, aufeinander bezogenen Differenzen und Verweisungen. Diese produzieren dabei keine pluralistische Beliebigkeit unendlicher Möglichkeiten, sondern präzise bestimmbare He34gemonien, Gegenbewegungen, Distinktionskonflikte, Überlagerungsmuster und Friktionen. Bruno Latour hat für das Verhältnis zwischen Kultur und Natur, von Mensch und Technologie für die Moderne seit dem 16. Jahrhundert festgestellt, dass diese einerseits in ihrem Selbstverständnis eine strikte Grenzziehung zwischen diesen beiden Sphären postuliert, in Wahrheit jedoch gerade die hybriden Kombinationen von Menschen und Artefakten explosionsartig vermehrt hat.[13]  Diese These lässt sich auf die Subjektverhältnisse übertragen: Die Kultur der Moderne hat – entgegen allen Versuchen der Vereinheitlichung – tatsächlich systematisch die Potenzierung hybrider Kombinationen von Subjektkulturen vorangetrieben. Der Struktur dieser hybriden Subjektkulturen im Zentrum der westlichen Moderne, ihres ›hybriden Subjekts‹ soll das Interesse dieses Buches gelten.

Die Analyse der Praktiken und Sinnmuster der Subjektkulturen und ihrer Transformation vom 18. Jahrhundert bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts, wie sie im Folgenden unternommen werden soll, versteht sich damit als kultursoziologische und historisch-soziologische Rekonstruktion und zugleich als Bemühung, auf diesem Wege einen Beitrag zu einer anderen Perspektive auf die Moderne insgesamt zu leisten, zu einer Kulturtheorie der Moderne. Dieser Beitrag zu dem, was Jean-François Lyotard als die Anstrengung umschrieben hat, gegen die grand récits der Modernisierung ›die Moderne zu redigieren‹, das heißt, diese durchzuarbeiten und neu zu beschreiben,[14]  versucht, auf kritische Distanz zu verbreiteten Perspektiven zu gehen, welche die Sozial- und Gesellschaftswissenschaften seit Karl Marx, Herbert Spencer und Auguste Comte hervorgebracht haben. Das Feld der sozialwissenschaftlichen Theorien der Moderne ist auf den ersten Blick äußerst disparat: Kapitalismustheorien konkurrieren hier mit Theorien funktionaler Differenzierung, Theorien formaler Rationalisierung mit technizistischen Theorien der Industriegesellschaft (bzw. mittlerweile der post-industriellen Gesellschaft). Wahlweise wird das Moderne der Moderne primär in einer eigendynamischen Logik der Kapitalakkumulation, einer Ausdifferenzierung spezialisierter gesellschaftli35cher Teilsysteme, der Etablierung von Institutionen mit gesatzten, nach dem Ideal der Zweck-Mittel-Rationalität modellierten Regeln oder in einer technologischen Entwicklung ausgemacht.

Trotz unterschiedlicher Aussagen im Detail stimmen die genannten, klassischen Analyseprogramme jedoch darin überein, dass sie die grundlegenden Muster der Moderne primär auf dreierlei Weise vorausgesetzt haben: als formale Strukturen und höchstens in zweiter Linie als Sprachspiele der Kultur; als institutionelle Komplexe und nur in zweiter Linie auf der Ebene von Formen der Subjektivität; als linearer Prozess der Modernisierung und fast gar nicht als ein agonal-hybrides Geflecht von Kulturkonflikten und kulturellen Mischungsverhältnissen. Die Kapitalismus-, Rationalisierungs-, Differenzierungs- und Technisierungstheorien haben also erstens der ›Struktur‹ ein Primat über die ›Kultur‹ zugeschrieben: Während traditionale, vormoderne Gesellschaften aus ihrer Perspektive durchaus kulturell – über Religion, Mythen, Kollektivbewusstsein – konstituiert sind, scheinen die modernen Gesellschaften auf dem festen, vorgeblich kulturell neutralen Fundament vor-sinnhafter Strukturen errichtet, von sozialen Differenzierungsmustern bis hin zur Technologie. ›Kultur‹ tritt unter modernen Bedingungen dann lediglich als eine Schicht variabler Semantiken auf, die dem fixen Fundament der Strukturen hinzugefügt erscheint.[15]  Das, was im Kern der modernen Gesellschaft und ihrer Analyse platziert ist, sind aus der Sicht der klassischen Gesellschaftstheorien konsequenterweise zweitens Strukturmerkmale institutioneller Komplexe, vor allem politischer, rechtlicher und ökonomischer Art. Der Problemhaushalt der Moderne ist aus dieser Sicht vor allem von institutionellen Steuerungsproblemen bevölkert. Subjektformen tauchen im Rahmen einer solchen institutionalistischen Perspektive bestenfalls als Produkt institutioneller Zwänge oder Freisetzungsprozesse auf. Schließlich folgen die Gesellschaftstheorien der Moderne drittens durchgängig der temporalen Logik gesellschaftlicher ›Modernisierung‹. Diese stellt sich als Kombination der Annahmen von struktureller Konstanz und linearer Entwicklung dar und führt zu einer Marginalisierung von Kulturkonflikten, Überlagerungsmustern und Kontingenzmomenten. Vorausgesetzt wird hier eine basale 36