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Dr. med.Thomas Schmidt arbeitete im September / Oktober 2019 zum ersten Mal als Kinderarzt im Team von German Doctors in Kalkutta mit. Er verwirklichte damit den seit vielen Jahren bestehenden Wunsch, in dieser Form als Arzt tätig sein zu können. Während seines Aufenthaltes in der west-bengalischen Hauptstadt verfasste er einen Blog, in dem er seine Begegnungen mit den Menschen in der Ambulanz, seine kulturellen Erlebnisse und seinen Austausch mit den Kollegen beschreibt. Erste Erfahrungen als Autor machte er durch Publikationen von Jakobswegen in Spanien und Portugal. Ermutigt durch seine Blogleser entstand dieses Buch. Diese Premium-Ausgabe enthält 36 farbige Seiten und ist auf fotobrillant 200g Papier gedruckt.
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Seitenzahl: 131
Bengalen
Für meinen lieben Freund Bernd, der eine Woche nach meiner Rückkehr verstorben ist.
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ANKE
Neunzehnhundertachtundsiebzig – fast exakt 41 Jahre ist es her: Ich hatte gerade meine Anatomieprüfung an der Uni mit Ach und Krach bestanden, als wir uns zur Porta Nuova bringen ließen. Porta Nuova heißt der Hauptbahnhof der piemontesischen Provinzhauptstadt Turin, in der wir studierten. Wir, das waren mein Freund und Kommilitone Rainer und ich. Akribisch hatten wir uns auf die große Reise vorbereitet, die notwendigen Impfungen durchgeführt, den Inhalt unserer Rucksäcke detailliert abgesprochen und hielten ein One-Way-Ticket von Rom nach Karachi in der Hand. 1000 DM hatten wir gespart. Damit wollten wir soweit wie möglich kommen…und noch den Rückflug buchen. Es wurden fast drei Monate. Mein Gott waren wir mit Anfang Zwanzig cool. Internet gab es noch lange nicht. Telefonate aus dem Ausland mussten angemeldet werden. Im Notfall hätten wir ganz schön alt ausgesehen - so wie meine Mutter damals, als wir ihr eine persönliche Nachricht aus Indien übermitteln ließen:
In Neu Delhi standen Rainer und ich 1978 auf dem Bahnhof. Wir warteten auf unseren Zug nach Agra, als wir mit einem Paar aus Deutschland ins Gespräch kamen, das sich auf dem Rückweg nach Hause befand. Ihr Zuhause war Herne, meine Heimatstadt. Allein die Tatsache wäre schon ein ungewöhnlicher Zufall gewesen. Dass sie fast unmittelbar in der Nachbarschaft wohnten, setzte dem Ganzen die Krone auf. „Sollen wir Deinen Eltern einen Gruß übermitteln?“, fragten sie. „Sehr gerne“, antwortete ich erfreut und spontan ohne lange zu überlegen. Bei meinem Besuch in Herne drei Monate später war ich nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee war. Mama hatte damals arglos und völlig unvorbereitet die Tür geöffnet, als sie mit folgenden Worten begrüßt wurde: „Guten Morgen Frau Schmidt, wir kommen aus Indien, um Ihnen die letzte Nachricht von Ihrem Sohn zu überbringen“. Mamas Gesichtsfarbe changierte ins Gelbliche, sie verdrehte die Augen und drohte, die Bodenhaftung zu verlieren. Gerade noch rechtzeitig erkannten die Leute die Fragen in Mamas Gesicht und fügten rasch hinzu: „Es geht ihm gut.“ Nach ein, zwei gemeinsamen Schnäpsen war alles wieder im Lot und die Neugierde groß.
Dollar, Reiseschecks, Tickets und Pass waren im Brustbeutel unter unserem T-Shirt gut verstaut, die sperrigen Rucksäcke legten wir im Kofferraum ab, bevor wir uns damals im August 1978 in einer bevorzugten Osteria zum vorerst letzten Mal im heißen sommerlichen Turin den Bauch mit Spaghetti Carbonara vollschlugen. Demnächst würde es eher Chai, Chapati, Chicken mit Rice oder Rice mit Chicken geben. Pappsatt und kalorienmäßig gut versorgt für den Nachtzug nach Rom ließen wir uns vor dem Bahnhof Porta Nuova absetzen. Wir öffneten den Kofferraum und starrten in ein großes trauriges NICHTS. Unsere Rucksäcke hatten den Besitzer gewechselt. Mit der Gelassenheit von damals bestiegen wir lediglich mit T-Shirt und Hose bekleidet den Nachtzug nach Rom und begaben uns am nächsten Tag zum Flughafen. Was wir damals in Karachi suchten, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch, dass wir nach dem Kulturschock schnell wieder wegwollten. Das, was wir seinerzeit von Indien gesehen haben, ist heute teilweise gar nicht mehr möglich. In Lahore sind wir über die Grenze, um den Golden Tempel in Amritsar zu besichtigen, und in Kaschmir haben wir einige Tage auf einem Hausboot in Srinigar verbracht.
Jetzt nach 41 Jahren also noch einmal Indien! Sehr rasch kann ich noch den süßlichen Geruch von Sandelholz in meinem Hirn abrufen. Es zeigt sich mal wieder, dass das Olfaktorium das älteste und am weitesten entwickelte Sensorium ist. Dieses Mal werde ich jedoch nicht als Tourist nach Indien reisen, sondern als German Doctor in medizinischer Mission. Obwohl – so ganz präzise ist das nicht. Man hat uns auf den Einführungsseminaren eingeimpft, dass wir uns auf den Einreiseformularen als Tourist eintragen sollen, weil wir genau genommen illegal in Kalkutta arbeiten. Offiziell gibt es von Staats wegen keine medizinischen Versorgungsprobleme in Indien. Tatsache ist jedoch, dass etliche humanitäre Hilfsorganisationen in Indien und speziell in Kalkutta arbeiten und aus nahe liegenden Gründen auch geduldet werden.
Die Einsatzorte der German Doctors sind: Nairobi, Siera Leone, Philippinen, Kalkutta und Bangladesch. Ich hatte mich für die Philippinen oder eben Kalkutta beworben. Die „Stadt der Freude“, wie Lapierre Kalkutta in seinem Roman von 1960 nennt, ist es dann geworden. Zwei Vorbereitungsseminare sind Pflichtprogramm und Voraussetzung dafür, dass man als Arzt an einem Projekt der German Doctors mitarbeiten darf. Ende Januar besuchte ich das Seminar in Würzburg, an dem wir mit den tropenmedizinischen Essentials vertraut gemacht wurden und im März die zweite Veranstaltung in Bonn, wo es um die Details in den einzelnen Projekten ging.
Als ich am Abend mit meinem Tablett den Speiseraum der Jugendherberge in Bonn betrat, deutete mir eine schlanke Frau mit gutmütigen sanften Gesichtszügen, etwa in meinem Alter, an, dass an ihrem kleinen Tisch noch Platz sei. Ich hatte das Glück oder besser gesagt die Ehre, das Abendessen mit Elisabeth Sous - Braun einnehmen zu dürfen. Frau Sous - Braun ist eine der beiden Vorstandsvorsitzenden der German Doctors. Ich hing an ihren Lippen, während sie mir mit vertrauensvoller Stimme von den Projekten berichtete. Ihre beruhigende Ausstrahlung verfehlte ihre Wirkung auf mein von den spannenden Vorträgen aufgewühltes Inneres nicht, obgleich sie beim Thema Tropenkrankheiten auch nicht verschwieg, dass das Dengue-Fieber den Langzeitarzt in Kalkutta kürzlich heftig getroffen habe. Wir stellten fest, dass wir ein gemeinsames Hobby haben: Pilgerwege. Elisabeth hat mir jedoch eines voraus: Während ich mich auf den diversen Caminos in Spanien und Portugal herumtreibe, ist sie bereits den Franziskusweg nach Rom gelaufen, einen Weg, mit dem ich mich bisher nur theoretisch beschäftigt habe, der aber ganz oben auf der Prioritätenliste steht.
Der Jakobsweg hat mein Denken und meine Entscheidungsprozesse wieder einmal maßgeblich beeinflusst. Als ich im letzten Jahr von Hondarribia nach Bilbao lief, übernachtete ich in einer Herberge in Deba, die sich in einem Bahnhof befindet. Vor der Herberge fiel mir ein Plakat von „Ärzte ohne Grenzen" ins Auge. „Viajar es bueno para la salud“. „Reisen ist gut für die Gesundheit“ las ich den in großen Lettern markierten Schriftzug. Darunter etwas kleiner Bilder von Jemen, Südsudan und Syrien und noch kleiner in der unteren Ecke das Logo von „Ärzte ohne Grenzen“. Es machte mich nachdenklich, vielleicht sogar demütig und erinnerte mich an mein Gelübde, für eine gewisse Zeit als Arzt in die Dritte Welt zu gehen. Der letzte Grund, es noch nicht zu tun, fiel seit einigen Wochen weg, nachdem mein jüngster Sohn Carlo das Abitur gemacht hatte und zum Studieren über die nahe liegende Grenze nach Nijmegen gegangen war.
Seitdem ich das Seminar in Bonn abgeschlossen habe, beginnen meine Vorbereitungen: Notwendige Papiere wie z.B. die Approbationsurkunde aus den hintersten Ecken des Arbeitszimmers herausholen. Letztere hat schon einige Umzüge mitgemacht und will erst einmal gefunden werden. Bei der Suche fällt mir ein Brief von Christel Neudeck in die Hände. Der Brief stammt aus dem Jahre 1987. Frau Neudeck organisierte die Einsätze der Hilfsorganisation Cap Anamur, die ihr Mann Rupert Neudeck unter dem ursprünglichen Namen „Ein Schiff für Vietnam“ ins Leben gerufen hatte. Obwohl ich eine Zusage für ein Projekt hatte, klappte es 1988 aus Zeitgründen nicht. Unglaublich, wie die Welten sich geändert haben! Damals hat man sich noch mit per Hand geschriebenen Briefen verständigt….
Einige Impfungen sind zu erledigen: Tetanusauffrischung, Hepatitis A und B, Meningitis, Japanische Enzephalitis, Tollwut und Typhus. Anti-Malaria-Mittel werde ich als Stand by Medikation mitnehmen. Gegen Dengue-Fieber gibt es leider noch keine Impfung. Ich vertrage alle Impfungen gut, einzig bei der Meningitis-Impfung entwickele ich grippeähnliche Symptome für zwei Tage. Anderseits hat so eine Reaktion auch etwas Beruhigendes, denn man kann davon ausgehen, dass die Impfung angeschlagen hat und einen sicheren Schutz verleiht.
Neben den Impfungen wird auf den prophylaktischen Schutz der Haut mit Moskitonetz und DEET - Sprays hingewiesen. Gegen die nächtlich aktive Anophelesmücke sollte das Moskitonetz schützen. Die Sprays sind in erster Linie gegen die Dengue-Fieber-Erreger (Viren) gerichtet. Da die Bisse der Aedes-aegypti-Moskitos als Überträger auch durch die Kleidung erfolgen, lege ich mir noch zwei angeblich zuverlässig mit DEET imprägnierte stichfeste Hosen und Hemden von Craghoppers zu.
Was Literatur angeht, suche ich etwas Aktuelles. Im Seminar war auf das Buch von Lapiere, 'Stadt der Freude' hingewiesen worden. Alte Schinken aus der Kolonialzeit oder noch früher interessieren mich gerade nicht. Ich will wissen, wie es jetzt dort aussieht.
Bei meinen Internet Recherchen treffe ich auf einen Roman mit dem Namen „Im Schatten des Monsuns." Das Buch von 2016 schildert das Leben einer jungen deutschen Ärztin, die immer wieder, fasziniert von der Stadt, in medizinischen Hilfsprojekten in Kalkutta arbeitet und in dem Luxushotel Oberoi auf die Liebe ihres Lebens trifft. Es finden sich aufschlussreiche Beschreibungen der Stadt sowie interessante Erörterungen über die Geschichte, Kultur und Religion des Landes in dem Buch von Carla Paulin.
Das zweite Buch, das mir Kalkutta gedanklich und visuell näher bringt, heißt Shiva Moon und ist von meinem alten Traveller-und Adventure-Buddy Helge Timmerberg. Helge ist bereits mit 17 Jahren zum ersten Mal durch Indien gereist. Fasziniert von der Exotik des Landes kommt er immer wieder auf den Subkontinent und will im Alter von Fünfzig den Weg des heiligen Flusses Ganges von der Quelle im Himalaya an verfolgen. Bei der Beschreibung des Faszinosums kommt er naturgemäß kurz vor der Mündung des Ganges in den Bengalischen Golf nach Kalkutta. Die Eindrücke und Erlebnisse, dargelegt in der für ihn typischen Sprache, sind herzzerreißend, spannend und erschreckend zugleich. Am Schluss des Buches gibt er geradezu eine Liebeserklärung für Kalkutta ab und überlegt ernsthaft, sich dort niederzulassen. Seine Zahnschmerzen halten ihn davon ab.
Anfang Mai schrieb mir Carlo per WhatsApp: „Hi Papa, welch ein Zufall. Ich habe heute bei einer Studie den Film Lion gesehen, der das Leben eines Waisenjungen in Kalkutta zum Thema hat. Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Den Film müssen wir uns unbedingt zusammen anschauen“. Der Aufmerksamkeit und empathischen Anteilnahme meiner Lebensgefährtin Kerstin an meinem Vorhaben verdanke ich, dass ich am 18. Mai eine CD des Filmes auf dem Geburtstagstisch präsentiert bekomme. Meine Kinder legen noch ein blaues Littmann-Stethoskop dazu. Darin sind die Namen Luca, Lara und Carlo eingraviert - damit ich sie nicht vergesse in Kalkutta!
Der Film von 2017 (der Hauptdarsteller war für den Oskar nominiert) handelt von einem Jungen, der in Südindien verloren geht und in einen Zug steigt, der ihn nach Kalkutta bringt. Dort irrt er durch das Chaos der Stadt, bis er irgendwann in einem Waisenheim landet. Er wird von australischen Eltern adoptiert, von denen er liebevoll im tasmanischen Hobart erzogen wird. Als Jugendlicher beginnt er zu recherchieren, wo seine Wurzeln liegen, indem er Bruchstücke seiner Erinnerungen zu einem Ganzen puzzelt. Das Ende der Geschichte hat mich einige Tränen der Rührung gekostet.
Warum gehe ich als German Doctor in ein Land wie Indien?
Ist es der Wunsch zu helfen? Ist es Abenteuerlust? Ist es die Suche nach einer sinnstiftenden neuen Herausforderung?
Ich bin weder mit Mutter Theresa verwandt noch bin ich ein medizinischer Überflieger. Eines spielt mit Sicherheit eine Rolle: Noch immer bin ich neugierig auf Menschen. Damit ließe sich begründen, warum ich auch nach 25 Jahren Praxisarbeit so gut wie keine Verschleißerscheinungen verspüre. Mehr noch als früher empfinde ich ein hohes Maß an Zufriedenheit und Genugtuung, wenn ich auf Grund von Erfahrung jungen Menschen Sicherheit und Halt geben kann, insbesondere in Zeiten, in denen unzählige Ratgeber und Apps ihnen eher eine Pseudosicherheit vermitteln. Dadurch, dass sie meine individuelle Hilfe in Anspruch nehmen, lösen sie bei mir ein positives Gefühl aus. Fast täglich erfahre ich das unfassbare Glück, dass ich diesen wunderbaren Beruf ausüben darf. Von den lästigen administrativen Verpflichtungen habe ich mich durch die besten und motiviertesten Mitarbeiter, die man sich vorstellen kann, befreit. Ich betrachte es als Privileg, wenn ich das Leben der Menschen ab ihrer Geburt begleiten darf. Und wenn sie irgendwann mit ihren eigenen Babies kommen, dann ahne ich, dass ich nicht alles falsch gemacht habe. Banalitäten, wie ein Lächeln, das mir ein einjähriges Kind schenkt, setzen immer noch Endomorphine frei. Und wenn ihm dann gar noch ein „Papa“ beim Spiegeln herausrutscht (und kein „Opa"), dann ist mein Tag gerettet. Dankbarkeit ist die Währung, in der wir bezahlt werden.
Bis ins Letzte wird man es nicht ergründen können, warum man einen solchen Schritt, der mit Gefahren und Ängsten verbunden ist, vornimmt. Vielleicht lasse ich mich intuitiv von der Aufforderung John Streleckys (Das Café am Rande der Welt) leiten: „Folge dem Rat deines Herzens und du wirst bei dir selbst ankommen.“
Tankred Stöbe, der eine Führungsposition bei Ärzte ohne Grenzen einnimmt („Mut und Menschlichkeit, als Arzt weltweit in Grenzsituationen“) antwortet auf die immer wieder gestellte Frage, wie er mit dem erfahrenen Leid umgehe und wie er die erlebten Ungerechtigkeiten aushalte: „Mir stellen sich diese Fragen eher selten. Denn die betroffenen Menschen in den Krisenregionen sind es, die leiden. Als internationaler Helfer bin ich in mehrfacher Hinsicht privilegiert: Meist bekomme ich ausreichend zu essen und Schlaf, mein Aufenthalt in den Gebieten ist zeitlich begrenzt und wenn ich erkranke oder die Sicherheitslage eskaliert, werde ich evakuiert. Nichts davon trifft auf die lokale Bevölkerung zu… Die schönsten Begegnungen verdanke ich Menschen in existentiellen Momenten zwischen Krankheit, Überleben und Tod. Und ihnen etwas Hilfe und Solidarität angeboten zu haben, zählt zu meinen kostbaren, befriedigendsten und sinnvollsten Erfahrungen.“
Das Besondere bei German Doctors ist , dass der Austausch der Kollegen in einem Sechswochenturnus erfolgt. Bei anderen Hilfsorganisationen ist die Arbeit in medizinisch unterversorgten Gebieten nur über mindestens drei Monate oder länger möglich. Sechs Wochen sind eine überschaubare Zeit, in der auch Ärzte, die in der Praxis tätig sind, mit etwas zeitlichem Vorlauf ihren Einsatz planen und organisieren können.
Phasen der Vorfreude wechseln sich in den Wochen vor dem Abflug mit Perioden von Ängsten ab. Das Buch des in Kalkutta permanent anwesenden Arztes Tobias Vogt „Medizin in Kalkutta“ lese ich mit ambivalenten Gefühlen. Es macht mich nervös, ob der empfundenen fachlichen Inkompetenz jenseits der pädiatrischen Herausforderungen, aber es beruhigt auch, da ich mich nach dem Studium des Buches besser vorbereitet fühle. Wenn ich Fragen habe, rufe ich Anja Bujak im Büro der German Doctors an. Wie Frau Sous-Braun strahlt auch sie freundliche, zuversichtliche Gelassenheit aus. So wie kürzlich bei meiner Frage nach einer INH-Prophylaxe. Meine Sorge, dass ich mir eine TBC einfangen könnte, vermag sie nicht ganz zu beseitigen, aber sie kann sie relativieren: „Wenn ein Patient hustend in die Ambulanz kommt, ziehen sich alle Anwesenden sogleich eine der bereit liegenden Mundschutzmasken an“. Danke Frau Bujak. Das hat geholfen.