Das Känguru und der Beutelschneider - Klaus Möckel - E-Book

Das Känguru und der Beutelschneider E-Book

Klaus Möckel

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Beschreibung

Ein spannendes Abenteuer im Zoo! Bri Husch-um-den-Busch, das neugierige Kängurumädchen, hat nur einen Wunsch: einen neuen, glänzenden Beutel, der ihre alte Narbe verdeckt. Als sie auf den gewieften Perry Zuckerbein trifft, scheint dieser Wunsch zum Greifen nah. Doch kann man einem Beutelschneider trauen? Begleite Bri auf ihrer aufregenden Reise voller Überraschungen, wo sie lernt, dass wahre Schönheit von innen kommt und Ehrlichkeit immer belohnt wird. Ein bezauberndes Märchen für Kinder ab 7 Jahren, die Spaß an lustigen und lehrreichen Geschichten haben.

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Impressum

Klaus Möckel

Das Känguru und der Beutelschneider

ISBN 978-3-68912-080-1 (E-Book)

Das Titelbild wurde mit KI erstellt.

© 2024 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

Das Känguru und der Beutelschneider

Vor langer, langer Zeit, oder war's erst gestern, in einem fernen, fernen Land, oder lag's gleich nebenan, in einer großen, großen Stadt, oder war sie klein, lebte in einem Zoo, wie ihr ihn alle kennt, ein Kängurumädchen mit Namen Bri Husch-um-den-Busch.

Was für ein komischer Name, Husch-um-den-Busch, mögt ihr denken, ein Känguru hüpft umher, frisst Blätter vom Strauch, springt vielleicht über den Busch, wenn's nötig ist, aber es huscht doch nicht um ihn herum wie eine Maus. Nun, das mag richtig sein, doch stimmen denn unsere Namen immer mit dem überein, was wir tun? Da heißt einer zum Beispiel Wassermann. Hat er sein Haus etwa im Schilf oder auf dem Grund eines Teiches? Herr Schuhmacher klebt keine Sohlen an, sondern repariert Autos, Frau Fleischer verkauft Gemüse im Eckladen, und die Lehrerin, Frau Lustig, macht stets ein bitterernstes Gesicht. Bei den Kängurus jedenfalls ist Husch-um-den-Busch ein ganz gewöhnlicher Name. So wie bei uns Fritz Neumann, Günter Schmidt oder Klaus Möckel.

Bri lebte in einem weiten Gehege, das von hohen Gittern umgeben war, inmitten ihrer Familie. Die Familie war groß, sie bestand aus Vater, Mutter, drei Brüdern, vier Schwestern, aus Onkeln, Tanten, Neffen, Nichten, Großonkeln, Großtanten und so weiter, unmöglich, sie alle aufzuzählen. Im Grund war im Gehege jeder mit jedem verwandt, wenn auch oft nur um drei Ecken. Deshalb wurde, wenn irgendwo eine Hochzeit oder ein Geburtstag stattfand, jedermann zum Feiern eingeladen, ob er nun verschwägert, verschwistert, Sohn eines verwitweten Opas oder einer zum zweiten Mal verheirateten Oma war. Falls man nämlich Tante Weißbauch oder den Cousin Rothals vergaß, gab das böses Blut. Böses Blut jedoch wollten die Kängurus nicht, und weshalb auch. Man lebte zusammen und fand es am besten, sich zu vertragen.

Bri vertrug sich gleichfalls mit allen, obwohl sie, ehrlich gesagt, Tante Weißbauch, von der sie nicht wusste, ob es wirklich die Tante oder vielleicht nur die Tante von der Tante war, weniger gut leiden konnte als zum Beispiel Großonkel Klopfhuf. Tante Weißbauch verlangte nämlich immer, dass man stundenlang ruhig auf den Hinterläufen hockte wie sie, ab und zu an einem Halm knabberte und sich belehrende Reden über den Respekt vor den Erwachsenen anhörte. Oder dass man den Erwachsenen die schmackhaftesten Gräser anbieten und die schattigsten Plätze überlassen müsse. Onkel Klopfhuf dagegen wusste mit den Füßen hübsch den Takt zu munterer Musik zu schlagen, und erzählte spannende Geschichten. Etwa von einem Känguru, das über jeden Zaun springen konnte und einen glänzend goldenen Beutel besaß. Oder von einem anderen Känguru mit schönem silbernen Fell. Derlei Geschichten hatte er von seinem Großvater gehört oder sich selber ausgedacht.

Bri liebte das Gehege, in dem sie herumsprang, die saftigen Gräser und Blätter, sie liebte auch Vater und Mutter, von denen sie aufgezogen worden war. Von der Mutter hatte sie das schmale ausdrucksvolle Gesicht mit den lustigen Augen, vom Vater den kräftigen Schwanz und die geschmeidigen Hinterläufe. Am meisten allerdings liebte unser Känguru die Großmutter. Sie war zwar kleiner als die Mutter, konnte nicht mehr so gut hören und sehen, war nicht so glänzend rotbraun wie der Vater, sondern mehr blaugrau, aber sie hatte zwei Vorzüge: Erstens wusste sie höchst abenteuerliche Geschichten aus einem Land zu berichten, das Australien hieß und riesengroß war - sie nannte es ihre Heimat, denn sie hatte dort als Kind gelebt - , und zweitens konnte sie boxen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei den Kängurus fast jeder boxen kann, je nach Kondition und Temperament mehr oder weniger gut, ist eine boxende Oma doch etwas Besonderes. Und sie gebrauchte ihre Füße mit großem Geschick. Genau genommen beherrschte sie sogar das Karate, diese schwierige Verteidigungskunst. Bri hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie einen Wolf, der eines Tages aus seinem Geläuf ausgebrochen und zu ihnen herübergekommen war, k.o. geschlagen hatte.

Bri war fünfzehn Monate alt, was bei den Menschen ungefähr zehn Jahre bedeutet, und genoss durchaus ihre Kindheit. Sie hatte auch allen Grund, vergnügt zu sein, denn sie war nicht schlecht in der Schule, konnte die meisten guten Gräser schon von den minderwertigen unterscheiden und hatte im Sport eine Eins. Vor allem im Weitspringen war sie groß, ihr Rekord stand bei fünf Metern zwanzig. Aber auch die kleineren Büsche übersprang sie mühelos, sobald sie nur Anlauf nahm, und sich mit den Hinterläufen sowie dem Schwanz entsprechend abdrückte.

Dennoch hatte Bri einen geheimen Kummer, etwas, das ihr die Laune verdarb. Es war im Grund lächerlich, man mag nicht glauben, dass sie sich darüber ärgern konnte, und doch war es so: Unser Kängurumädchen fand ihren Beutel nicht ansehnlich genug.

Jedes Kind weiß ja, dass die Kängurus Beutel haben. Vorn am Bauch angebracht, was sehr praktisch ist, weil man beim Tragen die Hände frei hat. Stellt euch vor, ihr könntet, wenn ihr einkaufen geht, die Brötchen in den Bauchbeutel stecken und hättet die Hände frei zum Eis- oder Kuchenessen. Wäre das etwa nichts?

Bri besaß so einen Beutel und fand es ganz normal, dass sie nicht extra einen Ranzen oder eine Tasche brauchte, um die Schulbücher einzupacken. Sie sprang damit herum, sorglos wie ihre Schwestern, Cousinen und Freundinnen, wunderte sich höchstens ein bisschen, wenn ihr die Mutter erzählte, dass sie früher selbst in so einem Beutel getragen worden war. Als ganz Kleines! Das war wirklich zu ulkig.

Und doch war das Mädchen unzufrieden mit ihrem Beutel, fand ihn nicht nur grau und verwaschen, sondern geradezu schäbig.

Das lag an einer langen Narbe, die manchmal, wenn es plötzlich kalt wurde oder ein Gewitter nahte, noch jetzt weh tat. Sie hatte sich die Wunde vor ein paar Wochen am Zaun zugezogen. Das war eine dumme Sache gewesen. Bri war an diesem Drahtzaun entlanggehüpft und hatte die Menschen auf der anderen Seite beobachtet, sonderbare Wesen mit wunderlichem Gebaren. Sie standen da, guckten einen an, als gäbe es ringsum nichts anderes zu sehen, keine duftenden Gräser und Kräuter, keine Pfützen, aus denen man trinken konnte, keine Büsche und Bäume. Sie starrten einen an, riefen: "Da hüpft eins, dort hat eins einen großen Satz gemacht", und manche rüttelten sogar am Zaun oder warfen Brotstückchen herüber.

Was verboten war! Eigentlich durfte Bri diese Sachen nicht nehmen. Die Mutter schimpfte, und schon im ersten Jahr der Känguruschule lernte man, dass es gefährlich war, etwas zu essen, was andere wegwarfen.

Dennoch ließ sich Bri manchmal verführen. Von Keksen zum Beispiel, von Schokoladenwaffeln und ähnlich schmackhaften Dingen. Denn das wieder war das Gute an den Menschen – sie schleppten allerlei appetitliche Dinge mit sich herum.

Gerade an diesem Tag aber, als Bri am Zaun entlanghüpfte, um nach etwas Fressbarem Ausschau zu halten, war es passiert. Ein Draht, vom Zaun weg nach innen gebogen, sperrig und spitz, verhakte sich in ihrem Fell, riss ihr die Haut auf. Es tat weh, was aber noch angegangen wäre, hätte Bri nicht einen riesigen Schreck gekriegt. Sie begriff nicht, was geschehen war, glaubte, dass jemand sie festhielt, und versuchte sich durch einen Sprung zu befreien. Und erst da durchzuckte sie der Schmerz so brennend, dass sie fast ohnmächtig geworden wäre. Der Draht war tief ins Fleisch gedrungen, hatte ihr den Beutel am Bauch aufgeschlitzt. Das Blut lief heraus, tropfte auf den Boden. Die Leute draußen allerdings, jenseits des Zauns, hatten nichts gemerkt

Bri jammerte und fiepte leise, sie wollte sich die Wunde lecken, doch setzt euch mal hin und probiert das: euch am Bauch lecken, wenn ihr verletzt seid. Sie schaffte es dennoch, aber es half nicht viel. Es tat trotzdem weh. Da schleppte sie sich, die rechte Vorderpfote auf die Wunde gepresst, in den Schatten, dorthin, wo die Mutter, ein paar Geschwister und auch die Großmutter saßen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie am Zaun gewesen war und auf einen Keks gehofft hatte, aber die Schmerzen waren zu groß. Und die Mutter fragte auch gar nicht erst, wie oder wo sich das Ganze zugetragen hatte.