In den Fängen des Seemonsters - Klaus Möckel - E-Book

In den Fängen des Seemonsters E-Book

Klaus Möckel

4,6

Beschreibung

Im Muschelmeer, am Rande des Zauberlandes, das hinter den Weltumspannenden Bergen liegt, befindet sich das Reich der Seekönigin Belldora. Dort leben seit Urzeiten Nixen, Fische und das übrige Meeresgetier friedlich zusammen. Doch plötzlich macht sich in dem sauberen Gewässer ein stinkendes, gefräßiges Schmutzmonster breit. Mit seinen Helfern, glibberig-glitschigen Wassermännern, vertreibt es die Meeresbewohner aus ihren angestammten Gebieten und erstickt mit dicken Algenteppichen alles Leben. Der Weise Scheuch, der Tapfere Löwe, der Eiserne Holzfäller und ihre Freunde brechen aus der Smaragdenstadt auf, um ein Schiff zu chartern und Belldora zu helfen. Sofort geraten sie in teils humorige, teils gefährliche Abenteuer, bei denen sie in höchste Bedrängnis kommen. Sie müssen nicht nur gegen die fiesen Wassermänner kämpfen, sondern auch gegen Krokodile, Haie und das schreckliche Monster selbst. Der oben genannte Titel, 1996 bei LeiV (Leipzig) mit Illustrationen von Hans-Eberhard Ernst unter dem Pseudonym „Nikolai Bachnow“ erschienen, ist das erste von mehreren Büchern, die an die bekannte Reihe des Russen Alexander Wolkow anschließen. "Endlich befindet man sich wieder in Gefilden, die nicht mehr futuristisch oder abstrakt anmuten", hieß es damals in Karolin Kullmanns Rezension, und: "... durch seine breite Fülle ist 'In den Fängen des Seemonsters' weitaus gelungener als die Vorgänger." INHALT: Erster Teil: Eine gefährliche Flussfahrt Ein Delfin bittet um Hilfe Die Hochzeit des Weisen Scheuch Die Begegnung mit den Bibern Ein vergesslicher Zauberer Die grauen Wassermänner Der Hinterhalt Der Junge ist verschwunden Die Entführung Zweiter Teil: Die Seekönigin Auf der Suche nach dem Jungen Im Reich der Seekönigin Der Kampf mit den Mörderalgen Die Muräne Ein Torwächter wird überlistet Die Enkelin des Zauberers Goodwin Auge in Auge mit dem Monster Dritter Teil: Der Sieg über das Monster Ein Wiedersehen Das Monster wird eingekreist Der Gefängnisberg Endlich wieder frei Plitsch gibt klein bei Der Zweikampf Die rettende Idee Der Sieg Ein großer Löwe

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Nicht schlecht

In den Fängen des Seemonsters von Aljonna und Klaus Möckel (Im gedruckten Buch unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow) Band 10 der Zauberland Reihe, die mit A. Wolkows "Zauberer der Smaragdenstadt" beginnt. Genre: Kinderbuch, Phantastische Geschichte. Vorab - ja, ich bin voreingenommen. Wolkows Geschichte kannte ich lange vor Wizard of Oz und finde die Geschichte mit Ellie im Zauberland immer noch charmanter als das Original. Auch die Folgegeschichten haben mich begeistert. Die 6 "Originalgeschichten" vom Ursprungsautor habe ich seit Kindertagen in meinem Bücherregal. Band 7-9 habe ich dann mal übersprungen und als ich dieses Buch (Band 10 insgesamt, der erste Teil des Autorenpaares mit dem Pseudonym Nikolau Bachnow) digital entdeckte, war ich gespannt, wie gut die Magie der Geschichte umgesetzt ist. Das Buch hinterlässt mich ein wenig zwiegespalten. Es finden sich liebgewonnene Figuren der Kinderzeit (Scheuch, eiserner Holzfäller, tapferer Löwe), Verweise auf abwesende Gestalten, Kin...
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Impressum

Aljonna und Klaus Möckel

In den Fängen des Seemonsters

Band 1 der Nikolai-Bachnow-Bücher

ISBN 978-3-86394-079-9 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien unter dem Pseudonym „Nikolai Bachnow“ 1996 bei LeiV Buchhandels- und Verlagsanstalt GmbH.

Illustrationen: Hans-Eberhard Ernst

© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Vorwort

Als Alexander Wolkow Mitte des vorigen Jahrhunderts seine Bücher über das Zauberland jenseits der Weltumspannenden Berge veröffentlichte, in denen er sich am berühmten "Zauberer von Oz" des Amerikaners Lyman Frank Baum orientierte, konnte er nicht ahnen, welchen Erfolg er damit haben würde. Nicht nur in der damaligen Sowjetunion fanden die Geschichten vom Mädchen Elli, dem Weisen Scheuch, dem Tapferen Löwen und dem Eisernen Holzfäller zahlreiche Leser, sie wurden auch in viele Sprachen übersetzt. In der DDR wuchsen Generationen von Kindern mit den sympathischen Helden auf, und die Wolkow-Bücher überlebten schließlich sogar die Wende. 1992 wurde der "Zauberer der Smaragdenstadt" im LeiV Verlag Leipzig neu herausgebracht und stand, genau wie einige weitere Bücher der Märchenreihe, in den Bestsellerlisten für Kinderliteratur lange an vorderster Stelle.

Es ist nicht erstaunlich, dass sich in Russland und anderswo bald Autoren fanden, die an diesen Erfolg anknüpfen wollten. Nach einigen Experimenten mit russischen Schriftstellern, die, den neuen Zeiten Rechnung tragend, die Wolkowschen Gestalten zum Teil auf ferne Atolle und ins Weltall schickten, kam der Verlag auf die Idee, wieder die ursprüngliche Wirkungsstätte in den Mittelpunkt zu rücken. Klaus und Aljonna Möckel, die sich als Schriftsteller bzw. Übersetzerin in der DDR einen Namen gemacht hatten, übernahmen unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow (Nikolai als russische Version von Klaus; Bachnow nach dem Mädchennamen Bach der Übersetzerin), die Aufgabe, weitere Geschichten für die sympathischen Helden zu erfinden.

Natürlich sollten die Leser – Kinder und Erwachsene, die diese Bücher früher verschlungen und inzwischen selbst Kinder hatten - den Bezug zum bisherigen Geschehen herstellen bzw. den Übergang nachvollziehen können. Neue Gestalten waren schon in den letzten Wolkow-Bänden aufgetaucht, Söhne und Nichten der ursprünglichen Heldin Elli bestanden gefahrvolle Abenteuer, und in drei Bänden des Nachfolge-Autors Kusnezow wirkten weitere Helden mit. Doch das ursprüngliche Zauberland rückte dadurch in den Hintergrund, war kaum noch fassbar, das Geschehen oft verwirrend und zu abstrakt dargestellt.

Um diese Situation, die von vielen Lesern als unglücklich empfunden wurde, zu beenden und gleichzeitig die wichtigsten Verbindungen fortzuführen, konzentrierten sich Aljonna und Klaus Möckel erneut auf die Grundzüge der Zauberland-Serie. Sie hielten, zumindest in den ersten Bänden, an einigen der neueren Figuren wie dem Kapitän Charlie oder Chris Tall, Ellis Sohn, fest, stellten aber die vertrauten Gestalten wieder mehr ins Zentrum. Mit der Zeit formte sich ein neues Ensemble, in dem neben dem Scheuch, dem Löwen und dem Holzfäller besonders Goodwins Enkelin Jessica und die Puppe Prinzessin Betty, die der Scheuch zur Frau genommen hatte, herausragten, zu dem aber auch witzige Gestalten wie der Hobbyzauberer Pet Riva, die starke Spinne Minni oder der schlaue Mäuserich Larry Katzenschreck gehörten.

1996 kam es zur Veröffentlichung des ersten Bachnow/Möckel-Bandes "In den Fängen des Seemonsters", in dem sich die Bewohner des Zauberlandes mit einer Verschmutzung im Muschelmeer, dem Reich der Fee Belldora, auseinandersetzen müssen. "Manches hat sich im Zauberland verändert", schrieb seinerzeit die Kritikerin Karolin Kullmann im Internet, "aber dennoch hat man von der ersten Seite an das Gefühl, wieder im wundervollen Märchenreich zu sein ... Mit dem Autor Nikolai Bachnow, der von nun an das Schreiben neuer Geschichten übernimmt, hat die Reihe viel dazu gewonnen." Und die Rezensentin, die auch zu den späteren Büchern Kritiken verfasste, sprach am Ende die Hoffnung aus, "dass auch die Nachfolger mithalten können".

Von dem Autorenpaar entstanden in den Jahren 1996 bis 2003 acht Bände, die nun auch digital vorliegen. Aljonna und Klaus Möckel hatten sich vorgenommen, gut verständlich, spannend, mit Fantasie und Humor zu erzählen, so wie es für Kinder (und Erwachsene) sein sollte. Der Leser mag nun selbst urteilen, ob sich die Hoffnung der Kritikerin erfüllt hat.

Erster Teil: Eine gefährliche Flussfahrt

Ein Delfin bittet um Hilfe

Der Storch Klapp flog über die weiten Ebenen des Zauberlandes. Er war schon lange unterwegs und etwas müde, deshalb freute er sich, als er in der Ferne einen breiten, silbern glänzenden Fluss auftauchen sah. In Ufernähe hatte er auf dem Dach einer alten Scheune sein Nest gebaut.

Klapp war nur einer von vielen Störchen im Zauberland, aber er hatte einen berühmten Vorfahren. Sein Urgroßvater Adebar hatte nämlich vor langer Zeit den Weisen Scheuch aus einer gefährlichen Situation gerettet. Damals waren das Mädchen Elli aus Kansas, der Eiserne Holzfäller, der Feige Löwe und die Strohpuppe Scheuch auf dem Weg in die Smaragdenstadt zum Schrecklichen Zauberer Goodwin gewesen. Sie hatten gerade diesen Wasserlauf mit einem Floß zu überqueren versucht. Dabei war der Scheuch mitten im Fluss an der Stange hängen geblieben, die er zum Staken benutzte. Sie hatte sich im Grund verhakt. Die Freunde dagegen wurden durch die Strömung abgetrieben, erreichten mit Mühe das Ufer und trafen später auf Adebar. Er befreite die Strohpuppe aus ihrer misslichen Lage und brachte sie an Land.

Nachdem der Scheuch Herrscher in der Smaragdenstadt und wegen seiner Weisheit berühmt geworden war, machte diese Geschichte in Storchenkreisen natürlich die Runde und wurde entsprechend ausgeschmückt. In Wirklichkeit war die Rettungstat recht einfach gewesen, hatte längst nicht so viel Mut erfordert, wie Adebar hinterher behauptete. Der Löwe hatte sogar ein bisschen die Zähne blecken müssen, damit der Storch endlich zur Flussmitte flog. Aber wie auch immer, Klapp hatte seinen Urahn als leuchtendes Beispiel vor Augen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als auf ähnliche Weise berühmt zu werden.

Deshalb fiel jetzt sofort alle Müdigkeit von ihm ab, als er im Wasser plötzlich einen großen Fisch zappeln sah. Es war in der Nähe einer Sandbank an einer seichten Stelle, und der Fisch - oder war es ein Tier, das da hin und her schnellte - hatte sich in einem Netz verfangen. Erst als Klapp zu ihm hinunter flog, bemerkte er, dass es sich um einen Delfin handelte.

"Wie kommst du denn hierher?“, fragte der Storch. "Ich habe deinesgleichen zwar schon auf meinen Reisen nach Süden im Meer gesehen, noch nie aber in diesem Fluss."

"Das ist eine lange Geschichte", erwiderte der Delfin. "Ich will sie dir erzählen, sobald du mir aus diesem Netz geholfen hast. Aber beeile dich, denn ich bekomme kaum noch Luft. Ein Glück, dass es hier flach ist und ich die Nase ab und zu aus dem Wasser heben kann."

Der Storch hatte einige Mühe, ein Loch ins Netz zu reißen, doch mit seinem scharfen Schnabel schaffte er es schließlich. Als die Lücke groß genug war, zwängte sich der Delfin hindurch, seufzte erleichtert auf und glitt ins Wasser zurück.

"Also was ist?", drängte Klapp. "Du wolltest mir deine Geschichte erzählen."

"Sofort. Vielleicht kannst du mir sogar helfen. Die Zeit drängt, denn ich sitze schon eine Weile hier fest."

"Wenn ich mich nicht irre, habe ich dir gerade geholfen. Was willst du noch?"

"Kennst du den Weg zur Smaragdenstadt?"

"Natürlich", erwiderte Klapp. "Man fliegt über das große Mohnfeld und danach immer den Gelben Backsteinweg entlang. Ein, zwei Stunden, dann sieht man die Stadt schon."

"Ich kann nicht fliegen", wandte der Delfin ein.

"Dann musst du flussaufwärts schwimmen, rechts in den großen Kanal einbiegen und später den Bach nehmen. Das dauert aber viel länger", sagte der Storch.

Der Delfin überlegte:

"Also hör zu", begann er schließlich. "Ich heiße Floy und komme aus dem Norden, wo ziemlich am Rande des Zauberlandes das weiße Muschelmeer liegt. Das Unterwasserreich, in dem ich lebe, ist sehr schön und wird von der Seekönigin Belldora regiert. Sie ist eine Nixe von zierlichem Wuchs, aber großer Anmut und Kraft. Belldora herrscht, solange ich denken kann, zur Zufriedenheit aller Meeressäuger, Fische und des sonstigen Getiers. In ihrem Schloss, erbaut aus blauem Glas und feinstem Muschelwerk, ist jedermann willkommen, der sich uns in Frieden und mit Freundlichkeit nähert.

Man muss sagen, dass es in unserem Reich immer gerecht zuging. Natürlich werden die kleinen Fische von den großen gefressen, auch unsereins greift sich so manchen wohlschmeckenden Kaltblüter, um den Hunger zu stillen. Doch das geschieht stets in der nötigen Ordnung und in Maßen. Es blieb Raum zum Leben für jeden, und alles war im Gleichgewicht. Wir hatten stets sauberes Wasser. Bis eines Tages das Seemonster kam und uns in größte Not brachte."

"Das Seemonster? Was soll das sein?", fragte Klapp erstaunt.

"Wenn man das so genau erklären könnte", seufzte Floy. "Es tritt nicht immer in gleicher Gestalt auf, sondern kann die Formen wechseln. Mitunter ähnelt es einer riesigen wabbligen Qualle, mitunter einer öligen Meduse, die unser sauberes Wasser aufsaugt und als Schmutzflut wieder ausscheidet. Es hat hundert faulige Arme und webt damit dichte Algenteppiche, die alles Leben ersticken.

Am Anfang war das Monster allein, klein und unscheinbar. Es trieb sich hier und dort im Meer herum, war unansehnlich, ja hässlich, wurde aber trotzdem freundlich von unserer Königin empfangen, als es unvermutet ans Schlosstor klopfte. Es behauptete, von weither zu kommen, verlassen und arm zu sein, und durfte sich deshalb bei den Korallen unterhalb der Riffe ansiedeln. Doch das war ein Fehler, denn dort, wo es tausend Winkel und Gänge gibt, wuchs es im Verborgenen mit ungeheurer Geschwindigkeit. Mit einem Mal war der Korallenwald von einer Schlammschicht überzogen, schwarzes Gras wucherte überall und nahm den Bewohnern die Luft."

"Das ist ja wirklich hinterhältig", sagte der Storch empört.

"Das ist aber noch nicht alles", fuhr Floy erregt fort. "Es stellte sich heraus, dass dieses Ungeheuer Kinder gebar, die ähnliche Eigenschaften besaßen und sich überall im Meer verbreiteten. Sie trübten unser Wasser, nahmen uns die Sonne weg, vergifteten den Meeresgrund. Aus allen Ecken des Reiches gingen Beschwerden bei der Seekönigin ein. Fische wurden krank, Schildkröten erstickten, Robbenbabys starben. Belldora rief das Monster zu sich, befahl ihm mit diesem gefährlichen Treiben aufzuhören, doch es hielt sich an keine Anordnungen. Im Gegenteil, höhnisch erklärte es, dies sei seine Art zu leben und seinen Besitz zu vergrößern. Belldora habe ihm gar nichts zu sagen."

Floy, noch von den Strapazen der Reise und der Gefangenschaft im Netz erschöpft, schwieg einen Augenblick.

"Zu spät haben wir gemerkt, welch ungeheure Gefahr von diesen Unwesen ausging", sagte er dann. "Als wir uns endlich dazu entschlossen, den Kampf gegen die Algen, den Unrat und Schmutz zu beginnen, nahm der schon überhand. Außerdem: Wie kommt man gegen Öl und stinkende Gifte an, die den Meeresboden, die Korallenbänke und Muschelkolonien zerfressen? In höchster Not schickt mich die Königin deshalb in die Smaragdenstadt, um Rat und Hilfe zu holen. Unsere einzige Hoffnung ist der Weise Scheuch, von dessen Klugheit das ganze Zauberland spricht. Er allein könnte Abhilfe schaffen."

Klapp, auf einem Bein stehend, nickte:

"Das stimmt, deine Königin hat richtig gehandelt. Der Scheuch und seine Freunde haben seinerzeit die böse Zauberin Bastinda besiegt. Sie haben dem gefährlichen Urfin, der Hexe Arachna und vielen anderen das Handwerk gelegt. Gewiss wird unser Herrscher auch euch zu Hilfe kommen."

"Aber Eile ist geboten", sagte Floy. "Wie du es schilderst, muss ich noch eine ganze Weile schwimmen, um zur Smaragdenstadt zu gelangen. Ich weiß gar nicht, ob ich es schaffe, denn ich vertrage euer Flusswasser schlecht. Bei uns im Meer ist es angenehm salzig."

In Klapp blitzte ein Gedanke auf. Wenn er zur Rettung dieses Muschelmeeres beitragen könnte, würde er vielleicht so berühmt wie sein Urahn. Außerdem wär's wirklich eine gute Tat.

"Und wenn nun ich dem Scheuch eure Not erkläre?", schlug er vor. "In zwei Stunden bin ich in der Smaragdenstadt."

"Das würdest du für uns tun?"

"Im Zauberland hilft einer dem anderen", sagte der Storch würdevoll.

"Aber wie erfahren wir, was der Weise Scheuch beschließt?", fragte der Delfin.

"Kehre getrost zu deiner Königin zurück", erwiderte Klapp. "Unser Herrscher wird Mittel und Wege finden, euch zu verständigen."

Die Hochzeit des Weisen Scheuch

Der Storch nickte dem Delfin noch einmal zu und erhob sich wieder in die Lüfte. Die Wichtigkeit seiner Botschaft sprengte ihm fast die Brust, und so schwang er emsig seine Flügel. Schon bald sah er in der Ferne die Türme der Smaragdenstadt aufragen. Sie waren aus Glas und Marmor errichtet und an der Spitze mit grünen Edelsteinen besetzt. Was Klapp allerdings nicht wusste - im Palast fand gerade ein großes Fest statt. Ein einmaliges Fest: Der Weise Scheuch feierte Hochzeit! Das Ereignis war überall im Land verkündet worden, aber der Storch, der im Süden gewesen war, hatte noch nichts davon gehört.

Doch es muss auch gesagt werden, dass der Scheuch die Sache lange geheim gehalten hatte. Nur sein enger Vertrauter, der Feldmarschall Din Gior, wusste davon. Ihm war nicht entgangen, dass der Herrscher auffallend oft Ausflüge ins benachbarte Puppendorf unternommen hatte. Von dort kehrte er eines Tages mit einem Puppenmädchen zurück, das genau seine Größe, störrisches braunes Haar und eine kecke Stupsnase hatte.

"Die oder keine werde ich zur Frau nehmen, denn ich habe lange genug allein im Land regiert", erklärte er dem erstaunten Din Gior.

"Falls ich einverstanden bin, eine Strohpuppe zu heiraten", erwiderte das Puppenmädchen lachend.

"Eine Strohpuppe, die immerhin ein prächtiges Gehirn aus Sägemehl mit Nadeln hat und deshalb klüger ist als manch anderer", erwiderte der Scheuch.

"Ich nehme dich vor allem wegen deines lustigen Gesichts zum Mann", sagte die Puppe und gab ihm einen Kuss.

Din Gior strich sich nachdenklich seinen langen Bart, er fand das Puppenmädchen etwas respektlos.

"Wie heißen Sie denn, mein Fräulein?", fragte er.

"Betty Strubbelhaar."

Dieser Name passte durchaus zur Erscheinung der Puppe. Doch der Feldmarschall, auf Würde bedacht, redete sie immer nur mit Prinzessin Betty an. Er setzte auch durch, dass sie bei Hof so genannt wurde. Anfangs hatte er seine Schwierigkeiten mit ihr, denn sie hielt noch weniger von herrschaftlicher Etikette als der Weise Scheuch selbst, bald aber schloss er sie wegen ihrer Fröhlichkeit ins Herz. Er war ja schon alt, und etwas frischer Wind im Palast konnte nicht schaden.

Der Scheuch und Betty jedoch liebten einander sehr, und so wurde endlich Hochzeit gefeiert. Genau am Tag, als Klapp in der Smaragdenstadt eintraf. Gäste von überallher waren aus diesem Anlass gekommen: die Käuer mit ihren goldenen Glöckchen an den blauen Hüten, die Zwinkerer in violetten Gewändern, die Marranen im gewohnten flammenden Rot. Die Gärtner hatten Blumen und Früchte in großer Menge zum Schloss gebracht, von den Häusern und Türmen wehten bunte Flaggen.

Der Storch, der das muntere Treiben auf dem Schlossplatz und die Blumen sah, war zwar verwundert, dachte aber nur daran, seine Nachricht zu überbringen. Deshalb meldete er sich auch nicht erst beim Torhüter Faramant an, sondern flog direkt durchs weit geöffnete Fenster des Festsaals zum Thron mit Prinzessin Betty und dem Scheuch.

Gerade waren die Gäste dabei, ihre Hochzeitsgeschenke zu überreichen, denn am Vormittag hatte die Trauung stattgefunden. Die Erzgräber hatten ein wunderbares Smaragdenkollier gefertigt, der Eiserne Holzfäller eine silberne Axt geschmiedet. Die Krähe Kaggi-Karr schleppte ein neues Funkgerät herbei, und der Tapfere Löwe brachte ein herrliches Gesteck aus Tannen- und Mistelzweigen aus dem Wald mit, geschmückt mit Pfauenfedern.

Auch von jenseits der Wüste und der Weltumspannenden Berge waren Gratulanten gekommen: der Junge Chris Tall, Sohn von Elli, der Fee des Tötenden Häuschens, und sein Onkel Charlie Black. Der wackere Seemann, der ja seit seinem Abenteuer auf dem Planeten Irena wieder beide Beine hatte, richtete herzliche Grüße vom Kraken Prim aus; sie hatten sich erst vor Kurzem an der Küste getroffen.

Klapp nahm das alles kaum zur Kenntnis. Er landete vor dem Thron und begann:

"Weiser Scheuch, ich muss dir eine Nachricht überbringen."

Din Gior, der neben dem Herrscherpaar Platz genommen hatte, fragte tadelnd:

"Was denn, hast du kein Geschenk mitgebracht?"

"Wieso ein Geschenk? Hat hier jemand Geburtstag?"

Über diese Antwort mussten die Gäste ringsum lachen. Einige Käuer am Eingang des Saales schüttelten erstaunt die Köpfe, sodass die Glöckchen an ihren spitzen Hüten zu klingeln begannen.

"Nun sag schon, was du uns mitzuteilen hast, Storch", forderte Betty ihn auf.

Erst jetzt bemerkte Klapp die vielen Leute in ihren Festgewändern, die wertvollen Geschenke und das Puppenmädchen, das einen weißen Brautschleier trug. Sie hatte eine kleine goldene, mit Smaragden verzierte Krone im Haar.

"Wer seid Ihr, schöne Puppe?", fragte er überrascht, zog ein Bein an und legte den Kopf schief.

"Das ist seit heute Morgen meine liebe Frau", entgegnete an ihrer Stelle der Scheuch.

"Oh ... ich wusste nicht ..." Klapp fing zu stottern an. "Herzlichen Glückwunsch, Eure Exzellenzen ..."

"Danke", erwiderte der Scheuch, "aber warum auf einmal so förmlich? Es genügt, wenn du uns mit dem Namen anredest. Das ist Betty, und mich kennst du ja."

Din Gior hielt es für angebracht, zu ergänzen:

"Prinzessin Betty, bitte!"

"Also, was willst du?", fragte der Scheuch.

Da begann der Storch zu erzählen. Er berichtete, was er von dem Delfin über die Seekönigin, ihr Volk und das schreckliche Monster erfahren hatte. Zum Schluss sagte er:

"Ich sehe, dass ich mit meiner Nachricht zu einem ungünstigen Zeitpunkt komme. Aber das Muschelmeer braucht deinen Rat, Weiser Scheuch, und unsere Hilfe."

Die Begegnung mit den Bibern

Als der Storch seine Rede beendet hatte, begannen die Gäste aufgeregt miteinander zu tuscheln. Die Käuer steckten die Köpfe zusammen, wobei sie in Gefahr gerieten, sich gegenseitig die Hüte vom Haupt zu stoßen. Die Zwinkerer blinzelten nervös mit den Augen, die Marranen schwangen empört ihre Fäuste - sie konnten ja kräftig zuschlagen.

Der Scheuch aber sorgte mit einer Handbewegung für Ruhe. Er bat die Anwesenden, in der Feier fortzufahren und nicht böse zu sein, wenn er sich mit seinen Vertrauten kurz zur Beratung zurückzog. Er lobte Klapp für seinen Einsatz und rief dann die engsten seiner Freunde in den hinteren Raum. Prinzessin Betty dagegen blieb im großen Empfangssaal und nahm die weiteren Glückwünsche entgegen. Es war ihre erste Amtshandlung als Herrscherin.

"Bei allen Haien der Ozeane", rief Charlie Black, kaum dass sie die Tür zum Beratungszimmer hinter sich geschlossen hatten. "Zwar kenne ich dieses Muschelmeer nicht, doch geschieht dort offensichtlich eine gewaltige Schweinerei, gegen die wir einschreiten müssen."

"Aber wie?", sagte der Scheuch. "Wenn ich Klapp recht verstanden habe, lebt das Seemonster im Wasser. Um gegen dieses Ungeheuer kämpfen zu können, brauchen wir Schiffe, am besten Tauchboote."

Der Eiserne Holzfäller, dessen Gelenke schon beim geringsten Regen einzurosten drohten, legte die Hand aufs Herz:

"Ich fühle mit der Seekönigin", sagte er, "und es würde mir nichts ausmachen, zu ihrem Schloss in der Tiefe hinabzusteigen. Doch was nützt das, wenn mir Arme und Beine steif werden. So viel Öl, um dort unten meine Gelenke beweglich zu halten, gibt es gar nicht."

Der Tapfere Löwe schüttelte trotzig die Mähne.

"Das Wasser ist zwar nicht mein Element, und das Tauchen würde mir schwerfallen, aber schwimmen kann ich immerhin. Am besten, wir prüfen an Ort und Stelle, was wir tun können."

Chris Tall hatte bisher geschwiegen. Er hatte Respekt vor den berühmten Gestalten aus dem Zauberland und traute sich nicht, ihnen ins Wort zu fallen. Nun aber zupfte er Onkel Charlie am Ärmel:

"Und was ist mit deinem Schiff, dem Katamaran? Man kann ihn ja auch als Tauchboot benutzen." Chris erinnerte sich noch genau an die verwegene Fahrt mit dem Piloten Kau-Ruck zum Korallenriff. Damals hatten sie den Seemann aus schwieriger Lage befreit.

Charlie zog die Stirn kraus.

"Den Katamaran können wir im Moment leider nicht einsetzen. Er liegt im Hafen und wird gerade überholt. Das dauert noch mindestens zwei Wochen. Es ist wirklich ärgerlich."

Chris war enttäuscht, schöpfte aber sofort neue Hoffnung, als der Scheuch sagte:

"Der Löwe hat recht. Ich schlage vor, nicht lange zu zögern und gleich morgen früh zum Muschelmeer aufzubrechen. Wir nehmen den Weg, auf dem der Delfin gekommen ist. Das heißt, wir gehen zuerst zum Fluss und suchen uns ein gutes Schiff. Seinerzeit, als wir auf dem Weg zum Großen Goodwin waren, haben wir zwar notgedrungen ein Floß benutzt, aber damit würden wir diesmal nicht weit kommen."

"Und was mache ich?", fragte der Storch, der merkte, dass ihn keiner mehr beachtete.

Charlie Black gab als erster eine Antwort:

"Für dich gibt es zwei sehr wichtige Aufgaben, Klapp. Zunächst fliegst du, so schnell du kannst, zum Muschelmeer und meldest der Seekönigin unsere Ankunft. Du sprichst ihr Mut zu, sagst, wir würden ihr zu Hilfe eilen. Dann aber begibst du dich zum großen Ozean, zur Bucht, in der Prim sein Quartier hat. Ich beschreibe dir den Ort nachher noch genauer. Der Krake ist Unterwasserspezialist. Traust du dir zu, ihn auf dem Rücken zu uns zu bringen? Er könnte uns dort unten gute Dienste leisten."

"Mein Urahn Adebar hat einst den Scheuch errettet, da werde ich doch wohl einen Kraken transportieren können", erwiderte der Storch. "Selbst wenn er schwer sein sollte."

"Wie ich ihn kenne, wird er sich aufblasen und dadurch leicht machen", sagte Charlie.

"Dann ist alles klar", erklärte der Scheuch, "kehren wir zum Fest zurück. Die Nacht aber wollen wir zum Ausruhen nutzen, damit wir morgen alle frisch bei Kräften sind."

Am nächsten Morgen, die Sonne hatte sich kaum hinter den Weltumspannenden Bergen erhoben, brach die kleine Gesellschaft auf. Der Scheuch verabschiedete sich zärtlich von Prinzessin Betty, die zwar gern mitgekommen wäre, aber für ihn das Regieren übernehmen musste. Sie packte den Reisenden vorsorglich Butterbrote mit Schinken ein, dem Tapferen Löwen zusätzlich sogar eine Schweinshaxe. Der Eiserne Holzfäller, der ja nichts zu essen brauchte, wurde mit einer Flasche besten Maschinenöls ausgestattet, und der Weise Scheuch, gleichfalls nicht auf Nahrung angewiesen, bekam ein Foto von ihr mit. Er steckte es in die Innentasche seiner Jacke und fühlte sich damit jeder Gefahr gewachsen.

Klapp war als Vorbote schon zum Muschelmeer unterwegs, und die anderen schritten kräftig aus, um erst einmal zum Fluss zu gelangen. Chris, mit einer Baseballmütze ausgestattet, und der Scheuch durften abwechselnd auf dem Rücken des Löwen reiten, denn sie hatten die kürzesten Beine. Charlie Black, der ab und zu das Fernrohr ans Auge setzte, bildete die Vorhut, der Eiserne Holzfäller aber sicherte die Rückfront.

Als sie den Fluss fast erreicht hatten, trafen sie an einem Bach auf ein Biberpaar. Das Männchen war eifrig damit beschäftigt, Baumstämme zu fällen und große Äste für einen Damm zusammenzutragen, das Weibchen aber hockte traurig am Ufer und schien zu schwach zum Arbeiten.

Der Biber hieß Brix und kannte den Löwen von früher.

"Meine Frau ist seit zwei Tagen krank", erklärte er, als sie sich begrüßt hatten. "Sie hat irgendetwas gefressen, das ihr schwer im Magen liegt und sich offenbar nicht verdauen lässt. Die besten Heilkräuter haben wir gesammelt, doch sie wirken nicht. Ich bin in großer Sorge."

Der Scheuch strengte seinen Kopf an, dass ihm die Nadelköpfe unter den Haaren hervortraten.

"Was hat sie gefressen?", fragte er. "Kann sie sich denn gar nicht mehr daran erinnern?"

"Ein glitschiges, durchsichtiges Ding war's", erwiderte die Biberfrau leise. "Es ist mir wie von selbst durch die Zähne gerutscht. Zusammen mit ein paar wohlschmeckenden Pflanzen. Ich hab es runtergeschluckt, ohne mir etwas dabei zu denken."

"Und wo war das?", wollte der Scheuch wissen.

"Drüben am Fluss. Wo das Schilf so dicht ist und so schön hoch wächst."

Der Scheuch schwieg nachdenklich, doch dem alten Seebären Charlie kam ein Verdacht:

"Bei allen blitzenden Korsarensäbeln", rief er, "so was kenne ich doch von den Klippen und Stränden der letzten Jahre! Wird der Dreck jetzt etwa auch schon ins Zauberland gespült?" Und er bat die Biberfrau das Maul aufzumachen, so weit es nur ging.

Die Biberfrau tat, wie ihr geheißen. Charlie hielt ihr mit der einen Hand den Unterkiefer fest, damit sie nicht aus Versehen zubiss, mit der anderen griff er ihr in den Hals. Das heißt, er benutzte nur zwei Finger, denn ein Biber ist ja kein Krokodil.

Sofort begann das Tier zu keuchen, zu husten und spucken. Es übergab sich fast. Aber bevor es noch erbrechen konnte, zog ihm der Seemann schnell die Finger aus dem Schlund. Triumphierend schwenkte er eine zerrissene Plastiktüte hin und her.

"Dachte ich mir's doch: Es handelt sich wieder mal um ein Stück Müll. Wie viele Schildkröten und Robben sind schon an so was zugrunde gegangen."

Weder der Scheuch, noch der Löwe, noch der Eiserne Holzfäller hatten bisher eine Plastiktüte gesehen, von den Bibern ganz zu schweigen. Misstrauisch betrachteten alle die durchsichtige Hülle und ließen sich von Charlie erklären, wozu sie den Menschen diente. Auch Chris gab eifrig Auskunft.