Die Schlange mit den Bernsteinaugen - Klaus Möckel - E-Book

Die Schlange mit den Bernsteinaugen E-Book

Klaus Möckel

3,8

Beschreibung

Im Süden des Zauberlandes befindet sich ein Schloss, das einst der Hexe Bastinda gehörte. Doch Bastinda ist tot und das Schloss verfallen. Nach einem langen, heißen Sommer, in dem alle Bäche versiegten, entzündet sich das Gras im Hof, und von dem früher prächtigen Palast bleibt nur noch Glut und Asche. Aus der Asche aber kriecht die schöne und hinterlistige Schlange Lelia hervor, eine Kreatur Bastindas, und auch der Schatten der Hexe bekommt durch die Glut neues Leben eingehaucht. Im Zauberland geht inzwischen alles seinen friedlichen Gang, niemand ahnt etwas von diesen Geschehnissen. Bastindas Schatten jedoch sinnt auf Rache. Sein Ziel ist es, mit Hilfe der Schlange dem Weisen Scheuch sein Nadelgehirn, dem Löwen seinen Mut und dem Holzfäller sein mitfühlendes Herz zu rauben. Ahnungslos tappen der Herrscher der Smaragdenstadt und seine Freunde in die Falle. Aber da gibt es ja noch Prinzessin Betty - die Frau des Scheuch -, das mutige Mädchen Jessica, den Elefanten Dickhaut und nicht zuletzt Larry Katzenschreck, den blitzgescheiten Mäuserich, der sich auch mit Schlangen auskennt ... Mit seinen vielfältigen Abenteuern, seinen Überraschungen und dem immer wieder aufblitzenden Humor fügt sich dieser zweite Band der neuen Reihe nahtlos in die fantastische Geschichte des berühmten Märchenreiches ein. Dieses Buch, 1997 bei LeiV (Leipzig) mit Illustrationen von Hans-Eberhard Ernst unter dem Pseudonym „Nikolai Bachnow“ erschienen, ist das zweite von mehreren Büchern, die an die bekannte Reihe des Russen Alexander Wolkow anschließen. "Endlich befindet man sich wieder in Gefilden, die nicht mehr futuristisch oder abstrakt anmuten", hieß es damals in Karolin Kullmanns Rezension. INHALT: Erster Teil: Bastindas Schatten Die Geburt der Schlange Bei den Zwinkerern Die Katze behält recht Bastindas Hinterlist Das Tal der Fragen Im Reich des Tapferen Löwen Ein hinterhältiger Angriff Zweiter Teil: Auf der Suche nach den Freunden Der Scheuch wird gefunden Zwei Boten treffen ein Der Kupferwald Ein ängstlicher Löwe Die Säbelzahntiger Larry Katzenschreck Der Hut des Holzfällers Dritter Teil: Die Silberschuhe Ein Bad in siedendem Öl Lelia bekommt Ärger Die Kampfansage Minni, die braune Spinne Gemeinsam erreicht man mehr Jessica hat eine Idee Der Schmied wird bestraft Besuch bei der Hexe Die Attacke

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Kathrinschroeder

Gut verbrachte Zeit

Kinderbuch Band 11 der Zauberland/Smaragdenstadt-Serie Hier war die Geschichte deutlich gelungener als im Band vorher. Es blieben kleine Schnitzer - der Löwe ist wieder jung, Scheuch muss atmen usw. aber die Erzählung ist wieder viel vertrauter im Stil. #Smaragdenstadt #Zauberland #NikolaiBachnow #DieSchlangemitdenBernsteinaugen #KathrinliebtLesen #Bookstagram
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Impressum

Aljonna und Klaus Möckel

Die Schlange mit den Bernsteinaugen

Band 2 der Nikolai-Bachnow-Bücher

ISBN 978-3-86394-094-2 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien unter dem Pseudonym „Nikolai Bachnow“ 1997 bei LeiV Buchhandels- und Verlagsanstalt GmbH.

Illustrationen: Hans-Eberhard Ernst

© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Vorwort

Als Alexander Wolkow Mitte des vorigen Jahrhunderts seine Bücher über das Zauberland jenseits der Weltumspannenden Berge veröffentlichte, in denen er sich am berühmten "Zauberer von Oz" des Amerikaners Lyman Frank Baum orientierte, konnte er nicht ahnen, welchen Erfolg er damit haben würde. Nicht nur in der damaligen Sowjetunion fanden die Geschichten vom Mädchen Elli, dem Weisen Scheuch, dem Tapferen Löwen und dem Eisernen Holzfäller zahlreiche Leser, sie wurden auch in viele Sprachen übersetzt. In der DDR wuchsen Generationen von Kindern mit den sympathischen Helden auf, und die Wolkow-Bücher überlebten schließlich sogar die Wende. 1992 wurde der "Zauberer der Smaragdenstadt" im LeiV Verlag Leipzig neu herausgebracht und stand, genau wie einige weitere Bücher der Märchenreihe, in den Bestsellerlisten für Kinderliteratur lange an vorderster Stelle.

Es ist nicht erstaunlich, dass sich in Russland und anderswo bald Autoren fanden, die an diesen Erfolg anknüpfen wollten. Nach einigen Experimenten mit russischen Schriftstellern, die, den neuen Zeiten Rechnung tragend, die Wolkowschen Gestalten zum Teil auf ferne Atolle und ins Weltall schickten, kam der Verlag auf die Idee, wieder die ursprüngliche Wirkungsstätte in den Mittelpunkt zu rücken. Klaus und Aljonna Möckel, die sich als Schriftsteller bzw. Übersetzerin in der DDR einen Namen gemacht hatten, übernahmen unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow (Nikolai als russische Version von Klaus; Bachnow nach dem Mädchennamen Bach der Übersetzerin), die Aufgabe, weitere Geschichten für die sympathischen Helden zu erfinden.

Natürlich sollten die Leser – Kinder und Erwachsene, die diese Bücher früher verschlungen und inzwischen selbst Kinder hatten - den Bezug zum bisherigen Geschehen herstellen bzw. den Übergang nachvollziehen können. Neue Gestalten waren schon in den letzten Wolkow-Bänden aufgetaucht, Söhne und Nichten der ursprünglichen Heldin Elli bestanden gefahrvolle Abenteuer, und in drei Bänden des Nachfolge-Autors Kusnezow wirkten weitere Helden mit. Doch das ursprüngliche Zauberland rückte dadurch in den Hintergrund, war kaum noch fassbar, das Geschehen oft verwirrend und zu abstrakt dargestellt.

Um diese Situation, die von vielen Lesern als unglücklich empfunden wurde, zu beenden und gleichzeitig die wichtigsten Verbindungen fortzuführen, konzentrierten sich Aljonna und Klaus Möckel erneut auf die Grundzüge der Zauberland-Serie. Sie hielten, zumindest in den ersten Bänden, an einigen der neueren Figuren wie dem Kapitän Charlie oder Chris Tall, Ellis Sohn, fest, stellten aber die vertrauten Gestalten wieder mehr ins Zentrum. Mit der Zeit formte sich ein neues Ensemble, in dem neben dem Scheuch, dem Löwen und dem Holzfäller besonders Goodwins Enkelin Jessica und die Puppe Prinzessin Betty, die der Scheuch zur Frau genommen hatte, herausragten, zu dem aber auch witzige Gestalten wie der Hobbyzauberer Pet Riva, die starke Spinne Minni oder der schlaue Mäuserich Larry Katzenschreck gehörten.

1996 kam es zur Veröffentlichung des ersten Bachnow/Möckel-Bandes "In den Fängen des Seemonsters", in dem sich die Bewohner des Zauberlandes mit einer Verschmutzung im Muschelmeer, dem Reich der Fee Belldora, auseinandersetzen müssen. "Manches hat sich im Zauberland verändert", schrieb seinerzeit die Kritikerin Karolin Kullmann im Internet, "aber dennoch hat man von der ersten Seite an das Gefühl, wieder im wundervollen Märchenreich zu sein ... Mit dem Autor Nikolai Bachnow, der von nun an das Schreiben neuer Geschichten übernimmt, hat die Reihe viel dazu gewonnen." Und die Rezensentin, die auch zu den späteren Büchern Kritiken verfasste, sprach am Ende die Hoffnung aus, "dass auch die Nachfolger mithalten können".

Von dem Autorenpaar entstanden in den Jahren 1996 bis 2003 acht Bände, die nun auch digital vorliegen. Aljonna und Klaus Möckel hatten sich vorgenommen, gut verständlich, spannend, mit Fantasie und Humor zu erzählen, so wie es für Kinder (und Erwachsene) sein sollte. Der Leser mag nun selbst urteilen, ob sich die Hoffnung der Kritikerin erfüllt hat.

Erster Teil: Bastindas Schatten

Die Geburt der Schlange

Im Süden des Zauberlandes, dort wo alle Wege enden und schroffe Berge die Steppe begrenzen, erhob sich ein verfallenes Schloss. Das Dach war zum größten Teil abgedeckt, der Wind heulte in den geborstenen Schornsteinen und Regen floss durch die Fensterhöhlen. In einst prunkvollen Sälen wucherte Unkraut und die Mäuse tanzten auf morschen, wurmzerfressenen Möbeln.

Nach einem langen heißen Sommer, in dem die Pflanzen vertrockneten und alle Bäche versiegten, entzündete sich das Gras im Hof. Die Flammen griffen erst auf die Ställe und dann auf das ganze Gebäude über. Sie fraßen sich zu den Kellerräumen hinab und hinauf ins Dachgebälk. Am Ende war von dem einst so stolzen Bauwerk fast nichts mehr geblieben.

Danach breitete sich ringsum große Stille und Ödnis aus. Plötzlich jedoch regte sich etwas, bewegte sich in einem Winkel genau an jener Stelle, wo früher die Küche gewesen war. Es knisterte und knackte in der Erde, der Boden wölbte sich, riss mit lautem Knall auf und ein runder Kopf kam zum Vorschein. Er hatte die Größe dreier Fäuste und war von herrlich schimmerndem Blau. Zwei kleine bernsteingelbe Augen musterten die trostlose Umgebung und eine schmale spitze Zunge schoss aus einem breiten Maul, als wollte sie den Geschmack der Asche prüfen.

"Wer bin ich, und was soll ich hier?", fragte der Kopf, offenbar in der Hoffnung, von jemandem Antwort zu bekommen. Er schob sich weiter aus der Erde und ein langer silbriger Leib wurde sichtbar. Es handelte sich eindeutig um eine Schlange.

"Du bist Lelia, meine Kreatur", ertönte es von der rußigen Küchenwand her. "Erschaffen, um nach Jahren der Ohnmacht meinen Tod zu rächen. Du bist schön und hinterlistig."

"Schön bin ich wirklich", die Schlange betrachtete sich in einer Spiegelscherbe, die am Boden lag und die sie blitzschnell mit der Zunge blank geleckt hatte. "Und wer bist du?"

"Bastinda, die Hexe und Zauberin, die einst das Violette Land beherrscht hat. Ein kleines, lächerlich einfältiges Mädchen namens Elli hat mich seinerzeit mit Wasser übergossen, sodass ich sterben musste. Das Feuer aber hat mich wieder erweckt, das heißt, leider nur meinen Schatten. Immerhin war dieser Schatten mit seiner Zauberkraft stark genug, dich entstehen zu lassen, damit du meine Befehle ausführst."

"Aber ich kann dich weder sehen noch riechen", wandte die Schlange ein.

"Das brauchst du auch nicht, es genügt, wenn du mich hörst. Obwohl du meine Umrisse eigentlich erkennen müsstest, wenn du dich ein bisschen anstrengst. Schau nur hierher, auf diese Mauer."

Die Schlange wandte ihre Augen der Mauer zu, sie sah eine flirrende, leicht gekrümmte Gestalt.

"Du flirrst und glitzerst", stellte sie fest, "trotzdem bist du hässlich."

"Ich bin hässlich und böse", gab der Schatten zu, "das ist meine Natur. Aber das soll dich nicht kümmern."

"Es kümmert mich nicht."

"Umso besser. Dann will ich dir jetzt meine Geschichte erzählen. Wie gesagt, einst war ich Herrscherin in diesem Land, und die Zwinkerer, dumme kleine Menschen, die ständig mit den Augen blinzelten, waren meine Untertanen. Sie dienten mir, haben Kröten, Spinnen und Blutegel für mich gefangen, aus denen ich meine Zaubertränke braute. Auch Schlangen und ..."

"Schlangen?", unterbrach Lelia sie.

"Ja, Schlangen", erwiderte der Schatten ungerührt, "euer Gift kam mir sehr gelegen. Aber das brauchst du nicht krummzunehmen, diese herrlichen Zeiten sind sowieso vorbei."

"Wo sind die Zwinkerer jetzt?", wollte Lelia wissen.

"Keine Ahnung. Ich war ja gewissermaßen abwesend. Mein Gefühl sagt mir allerdings, dass sie in der Nähe sind. Mein Gefühl sagt mir so manches."

"Was geht das mich an? Sollen die Zwinkerer bleiben, wo sie sind." Die Schlange zeigte sich plötzlich bockig.

Der Schatten Bastindas glitt auf Lelia zu.

"Du ärgerst dich, weil ich die Köpfe deiner Artgenossen in meinen großen Kochkessel geworfen und ausgepresst habe wie Zitronen, stimmt's? Aber das hilft dir nicht. Du musst mir trotzdem gehorchen!"

Urplötzlich begann Lelia zu zischen. Ihr Kopf schnellte nach vorn, und sie versuchte die flirrende Gestalt zu beißen. Doch ihr Maul schnappte ins Leere.

Ein kicherndes Lachen ertönte:

"Du dummes Geschöpf, gegen mich kannst du nichts ausrichten. Also sei nicht so empfindlich. Wende deinen Zorn lieber gegen unsere wahren Feinde, die uns daran hindern, stark und mächtig zu werden. Sie sind es, die wir vernichten müssen."

"Wer sind unsere wahren Feinde?", fragte die Schlange etwas besänftigt. "Diese Elli?"

Bastindas Schatten krümmte sich, ihre Stimme war ein wütendes Krächzen.

"Sie war ein widerwärtiges Kind und viele Jahre sind seither vergangen. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie sich noch im Zauberland aufhält. Aber es gab seinerzeit einen eisernen Kerl, der meine treuen Wölfe erschlagen hat, eine Strohpuppe, die meinen raubgierigen Krähen die Köpfe abriss, und einen Löwen, der mich fressen wollte. Das sind unsere Feinde. Die musst du aufspüren und zur Strecke bringen. Verstehst du?"

"Ja, ja, ich verstehe. Wenn ich auch nicht weiß, was deine Wölfe und deine Krähen mit mir zu tun haben."

"Sie dienten mir damals, wie du mir jetzt dienen wirst. Und sie hatten ihren Vorteil davon. Wir waren sehr mächtig. Im ganzen Zauberland fürchtete man uns."

Die Schlange Lelia, gerade erst geboren, wusste mit den Worten Vorteil und Macht noch nicht viel anzufangen.

"Und wo soll ich diesen Eisenmann, die Strohpuppe und den Löwen finden?", fragte sie.

"Das weiß ich im Augenblick noch nicht", erwiderte der Schatten. "Am besten, du kriechst hinaus in die Ebene und suchst die Dörfer der Zwinkerer auf, die es gewiss noch gibt. Dort erfährst du es bestimmt. Ich werde mich gleichfalls umtun, als Schatten gleite ich schnell von Ort zu Ort."

Die Schlange schwieg einen Moment.

"Wollen wir uns hier wieder treffen?", erkundigte sie sich schließlich. "Soll ich auf dich warten, wenn ich etwas in Erfahrung gebracht habe?"

"Das brauchst du nicht, Schätzchen", krächzte der Schatten. "Keine Angst, ich werde dich zu finden wissen, wann und wo es mir gefällt."

Bei den Zwinkerern

Die Schlange verließ die Schlossruine und kroch auf die Ebene hinaus, die vom Feuer stark verwüstet war. Über weite Strecken nur verbranntes Gras und verkohlte Sträucher. Doch Lelia, die sich noch nicht in der Welt auskannte, hielt das für normal.

Umso überraschter war sie, als sie nach einer Weile auf grünes Gras traf, auf bunte Blumen und Büsche, die saftige Blätter hatten. Ein breiter Graben war vor all dem Grün gezogen, den die Flammen nicht hatten überspringen können.

Lelia schlängelte sich durch den Graben ins Gras und die Frische tat ihrem ausgedörrten Körper gut. Sie labte sich an ein paar Raupen. Wenn der Schatten und ich erst wieder über die Zwinkerer herrschen, werde ich öfter im Gras liegen, dachte sie.

Sie kroch weiter und bekam auf einmal eine kräftige Dusche ab. Erschrocken fuhr sie zurück, richtete ihren Oberkörper auf, um über das Gras hinausschauen zu können, und begann ärgerlich zu zischen.

Ein paar Meter entfernt standen einige Männer und Frauen mit Wasserschläuchen in den Händen. Sie trugen violette Arbeitskleidung und besprengten das Gartenland.

"Was treibt ihr da, ihr Teufel", schimpfte die Schlange, "wollt ihr mich umbringen?"

Die Zwinkerer, gleichfalls erschrocken, begannen nervös zu blinzeln und wichen einen Schritt zurück. Einer stellte das Wasser ab, das von einer Pumpe aus einem tiefen Brunnen heraufgeholt wurde.

"Wir wollten dir nicht schaden", sagte schließlich ein Mann mit Knollennase, der deshalb von allen Knubbel genannt wurde. "Wir gießen nur unsere Gärten, damit sie nicht verdorren."

"Habt ihr mich denn nicht bemerkt?"

"Nein", erwiderte Knubbel. "Du warst ja vom Gras verdeckt. Außerdem haben wir hier lange keine Schlangen gesehen. Schon gar nicht eine so schöne und große wie dich. Wo kommst du denn so plötzlich her?"

"Aus Bastindas Schloss", sagte Lelia etwas freundlicher, denn sie fühlte sich geschmeichelt. "Es ist niedergebrannt, als ich geboren wurde. Ich suche ein neues Zuhause."

Diese List hatte sie sich ausgedacht, um nicht die wahren Absichten der Hexe preisgeben zu müssen. Obwohl noch nicht lange auf der Welt, war sie schon ziemlich raffiniert.

Als die Zwinkerer hörten, dass Bastindas Schloss abgebrannt war, freuten sie sich sehr.

"Da hat das Feuer endlich einmal etwas Gutes vollbracht", erklärte Knubbel. "Der alte Bau erinnerte uns immer noch an die schlimmen Zeiten früher, da wir von morgens bis abends für diese Hexe schuften mussten. Selbst der Eiserne Holzfäller, unser verehrter Herrscher, wollte dort nicht einziehen. Er hat sich lieber ein eigenes Haus gebaut."

Die Schlange horchte auf.

"Der Eiserne Holzfäller? Verkehrt er mit einer Strohpuppe und einem Löwen?"

"Die drei sind Freunde. Wenn das Regieren es ihnen erlaubt, besuchen sie sich gegenseitig."

"Von diesem Holzfäller habe ich viel Gutes gehört, ich würde ihn gern kennenlernen", sagte Lelia hinterhältig. "Könnt ihr mich nicht zu ihm führen?"

"Nichts leichter als das", erwiderte Knubbel. "Allerdings wohnt er ein Stück weg und du wirst ihn auch kaum zu Hause antreffen. Er ist meist unterwegs, regelt Staatsangelegenheiten oder schaut nach, ob in den Wäldern ringsum alles seine Ordnung hat."

"Das macht nichts, ich werde auf ihn warten", erklärte die Schlange. "Ich habe Zeit."

Sie zogen los, während die anderen wieder an die Arbeit gingen. Lelia hatte inzwischen begriffen, dass es sich bei diesen Männern und Frauen um jene Zwinkerer handelte, von denen der Schatten Bastindas gesprochen hatte. Sie war froh, sie so schnell aufgespürt zu haben. Die Alte wird mit mir zufrieden sein, dachte sie.

Sie mussten eine Weile laufen und der ahnungslose Knubbel erzählte weiter von den Tugenden das Holzfällers.

"Das macht, weil er seinerzeit vom Großen Goodwin ein liebevolles Herz eingesetzt bekommen hat", schloss er. "Darin liegt seine große Stärke und Freundlichkeit."

Lelia wusste nicht, wer dieser Goodwin war, sie merkte sich aber die Sache mit dem Herzen. Zumal Knubbel noch hinzufügte, dass der Eisenmann wohl vor allem deshalb unbesiegbar sei.

"Und die Strohpuppe?", fragte sie. "Hat die auch so ein starkes Herz?"

"Du meinst den Weisen Scheuch, der in der Smaragdenstadt lebt? Ihm hat der große Zauberer Goodwin ein neues Gehirn gegeben. Seine Kraft liegt in seinem scharfen Verstand."

Das muss ich mir gleichfalls merken, dachte die Schlange.

"Aber was ist mit dem Löwen? Was zeichnet ihn aus?", wollte sie weiter wissen.

"Sein Mut natürlich. Bevor Elli die Hexe Bastinda besiegt hat, war er feige. Zumindest hat er das von sich behauptet. Aber Goodwin gab ihm einen Trank und seither hat er vor nichts mehr Angst."

Die Schlange prägte sich auch das ein.

Endlich erreichten sie ihr Ziel. Das Haus des Eisernen Holzfällers lag am Waldrand, genau gegenüber der Hauptstadt des Violetten Landes. Es war nicht übermäßig groß, jedoch sehr kunstvoll aus Baumstämmen gezimmert, besaß breite Fenster und einen langen Balkon. Das Dach war mit Moos gepolstert, Blumenranken liefen an den Wänden herab. An einem Mast vor dem Haus aber flatterte eine violette Fahne, in deren Mitte eine Tanne abgebildet war. Es war die Flagge des Landes.

Die Tür stand offen, doch als sie eintreten wollten, stellte sich ihnen eine dicke Frau in den Weg.

"Was wünscht ihr?", sagte sie. "Mein Herr, der Eiserne Holzfäller, ist nicht zu Hause."

"Sei nicht so abweisend, Hermosa", erwiderte Knubbel, "du weißt doch, wer ich bin. Ich bringe jemanden mit, der unseren Herrscher gern kennenlernen möchte."

Lelia, die sich bereits etwas aufgerichtet hatte, um die Frau anzuzischen, bezähmte sich und säuselte:

"Ja, das ist mein größter Wunsch. Ich habe schon so viel von dem eisernen Mann und seinem guten Herzen gehört."

Die Frau musterte die Schlange eingehend.

"Das mag schon sein", erwiderte sie, "ich hab ja auch nichts gegen euch persönlich. Aber ich bin die einzige, die hier ein wachsames Auge auf alles hat. Knubbel ist genauso arglos wie mein Herr. Die beiden würden jeden einlassen, der ein paar freundliche Worte spricht."

"Und wir haben recht", erklärte der Zwinkerer. "Damit sind wir in den letzten Jahren immer gut gefahren. Noch nie hat uns ein Gast enttäuscht."

"Noch nie? Denk doch nur an den Räuber Rotbart, der unser silbernes Besteck hat mitgehen lassen, oder an den kleinen sechsköpfigen Drachen. Er hat sämtliche Blumengirlanden abgefressen."

"Unser Herrscher braucht doch nichts zu essen. Ich glaube, er war ganz froh, dass das Besteck verschwand. Und die Blumen sind wieder nachgewachsen", erwiderte Knubbel.

"Trotzdem gehört sich das nicht. Wenn ich zum Beispiel euch etwas anbieten wollte, müsstet ihr mit den Aluminiumlöffeln vorlieb nehmen."

"Du brauchst uns nichts anzubieten", sagte Knubbel nun etwas gereizt. "Ich kann sowieso nicht bleiben, muss wieder an die Arbeit." Und an die Schlange gewandt: "Tut mir leid, aber so ist sie nun mal. Vielleicht kannst du hier draußen auf den Holzfäller warten. Sag ihm, dass ich dich hergebracht habe." Wohl um nicht weiter mit Hermosa streiten zu müssen, schritt er eilig davon.

Die Dicke sah ihm unzufrieden nach.

"'So ist sie nun mal' - was bildet sich dieser Knubbel ein? Überall muss man sich anmelden, wenn man dem Herrscher einen Besuch abstatten will, sogar in der Smaragdenstadt. Ich war kürzlich dort, ich weiß es genau."

"Dann möchte ich mich hiermit höflichst bei deinem Herrn anmelden", sagte Lelia artig.

"So? Das ist schon etwas anderes. Der Eiserne Holzfäller muss bald zurück sein. Du kannst im Vorzimmer auf ihn warten."

Die Frau gab unvermutet die Tür frei und die Schlange ließ sich nicht zweimal bitten. Schnell schlüpfte sie in die Diele, wo ein Tisch, ein paar Stühle und an der Wand eine Bank standen. Sie machte es sich auf der Bank bequem.

Die Frau verschwand und kam gleich darauf mit einem Schälchen süßer Milch wieder, in der Weißbrotflocken schwammen.

"Iss und trink", sagte sie, "du wirst hungrig sein. Niemand soll behaupten, wir wüssten nicht, wie man höfliche Gäste behandelt."

Lelia ließ es sich schmecken. Tatsächlich hatte sie Hunger und Durst gehabt, und die Milch sättigte wunderbar. Die Frau war wieder gegangen, und fast wäre die Schlange eingeschlafen, doch eine krächzende Stimme hielt sie davon ab.

"Na", sagte der flirrende Schatten der Hexe Bastinda, der durchs Fenster ins Zimmer geschlüpft war, "hast du in Erfahrung gebracht, worin die Macht unserer Feinde liegt?"

"Der Eiserne Holzfäller hat ein starkes, liebevolles Herz bekommen", erwiderte die Schlange, "die Strohpuppe Scheuch ein kluges Gehirn, der Löwe Mut durch einen besonderen Trank."

"Und was wirst du jetzt tun?"

"Ich ... ich weiß nicht. Diese Dinge machen die drei unbesiegbar, wie mir die Zwinkerer gesagt haben."

"Unbesiegbar ist niemand", Bastindas Stimme klang gereizt. "Aber es ist schon richtig, solange die drei Mitgefühl, Verstand und Mut haben, können wir es nur schwer mit ihnen aufnehmen. Deshalb müssen wir klug vorgehen und ihnen diese Schätze abnehmen. Mit dem Eisenkerl fängst du an."

"Ich ... wieso ich?", fragte Lelia.

"Weil ich es dir befehle. Bei mir würde er auch Verdacht schöpfen. Aber keine Angst, ich bin bei dir."

"Trotzdem weiß ich nicht ...", begann die Schlange, wurde jedoch jäh unterbrochen. Der Schatten war urplötzlich verschwunden. Stattdessen saß eine schneeweiße Katze auf dem Fensterbrett.

Lelia fing sofort zu zischen an. Obwohl sie noch nie eine Katze gesehen hatte, war ihr das Tier unsympathisch. Dann besann sie sich aber und fragte:

"Bist du Bastindas Schatten, hast du dich verwandelt?"

Die Katze, die echt war und ins Haus gehörte, erwiderte:

"Bastindas Schatten, was redest du da? Soviel man mir erzählt hat, war das eine alte hässliche und böse Zauberin, die längst das Zeitliche gesegnet hat. Ich bin Mia, die Katze des Holzfällers. Und wer bist du?"

"Lelia, die silberne Schlange mit dem blauen Kopf und den Bernsteinaugen."

"Einen schönen blauen Kopf mit gelben Augen hast du wirklich", bestätigte die Katze. "Trotzdem, ich mag Schlangen nicht." Und sie fügte hinzu: "Du bist mir übrigens besonders verdächtig."

"Ich mag dich genauso wenig, verschwinde!" Lelia, gut zwei Meter lang, richtete sich in ihrer ganzen Größe auf.

Die Katze ließ sich nicht einschüchtern.

"Gib nicht so an, schließlich bin ich hier zu Hause und du nur ein Gast. Aber egal, ich wollte ohnehin im Garten nach dem Rechten sehen. jedenfalls werde ich dich im Auge behalten, bloß damit du Bescheid weißt." Sie sprang mit einem eleganten Satz durchs offene Fenster nach draußen.

Was für ein Biest, dachte Lelia, ich muss auf der Hut vor ihr sein. Etwas griesgrämig rollte sie sich auf der Bank zusammen. Es würde nicht leicht werden, dem Eisernen Holzfäller sein Herz zu rauben.

Die Katze behält recht

Die Katze lief über einen kleinen Hof in den Garten, wo sie sich zunächst unter einem Busch niederließ. Dort war es schön schattig und sie konnte in Ruhe überlegen. Nein, mit dieser Schlange stimmte etwas nicht. Dass sie bei ihrem, Mias, Anblick gleich zu zischen und zu züngeln angefangen hatte, mochte noch angehen, das war offenbar ihre Natur. Aber was sollte das Gerede von Bastindas Schatten und irgendwelcher Verwandlung? War dieser Kaltblüter vielleicht nicht ganz richtig im Kopf? Schon als sich Mia dem Fenster genähert hatte, war es ihr so vorgekommen, als hätte Lelia mit jemandem gesprochen. Nicht mit Hermosa, deren Stimme kannte sie, und auch nicht mit einem Nachbarn. Aber dann war die Schlange allein im Raum gewesen. Führte sie etwa Selbstgespräche?

Eine Maus schaute aus ihrem Loch, reckte das spitze Schnäuzchen witternd in die Luft und blickte danach frech zu ihr herüber, doch Mia war so in Gedanken, dass sie keine Notiz davon nahm. Was wollte Lelia von dem Eisernen Holzfäller? Ihm ihre Verehrung bezeigen? Das kann ich nicht glauben, dachte die Katze, da steckt etwas anderes dahinter.

Sie erhob sich wieder und rannte zu einem Baum am äußersten Ende des Gartens. Unser Herrscher ist sehr vertrauensselig, ich muss auf ihn aufpassen und ihn warnen, sagte sie sich. Sie kletterte auf den Baum, um den Holzfäller schon von Weitem entdecken zu können, wenn er auftauchte, und kam sich ungeheuer wichtig vor.

Vom Wipfel dieser Buche aus hatte man tatsächlich einen weiten Blick. Rechts dehnte sich die Ebene, aus der Knubbel und Lelia gekommen waren, mit den Bergen im Hintergrund, links lag die Stadt der Zwinkerer mit ihren hübschen, blumengeschmückten Holzhäusern, mit Parks und einem Teich im Zentrum, alles von einer alten Mauer umschlossen. Hinter Mia erhoben sich zwischen Wiesen und kleinen Wäldern einzelne Gehöfte und vor ihr schließlich begann der Wald. Von dort musste der Holzfäller kommen. Die Zwinkerer brauchten eine neue Mühle und der Eisenmann war ins Sägewerk gegangen, um gemeinsam mit dem Müller das entsprechende Bauholz auszusuchen.

Für diese Dinge interessierte Mia sich wenig. Ausgestreckt auf einem Ast liegend, ließ sie sich vom Wind wiegen, schaute nur ab und zu einmal zum Haus hinüber, ob vielleicht ihre Herrin wegging und die Schlange unbeaufsichtigt ließ. Das geschah nicht, doch nach einer Weile erschien der Eiserne Holzfäller am Waldrand. Er hatte wie üblich die Axt im Gürtel stecken. Wegen der Hitze trug er den Blechtrichter, seine Kopfbedeckung, in der Hand.

Mia kletterte schnell vom Baum und lief zum Gartentor. Vom Torpfeiler aus begrüßte sie miauend den Herrscher des Violetten Landes.

"Du scheinst mir aufgeregt, Kätzchen", sagte der Holzfäller, "ist etwas passiert?"

"Noch nicht", erwiderte Mia, "aber wir müssen achtgeben. Ich habe so eine Ahnung."

"Und wieso?"

"Eine große Schlange wartet im Haus auf dich. Sie sieht sehr schön aus, benimmt sich aber sonderbar."

Der Holzfäller war erstaunt. Zwar gab es in den Wäldern ringsum einige Schlangen, doch sie waren klein und weniger prächtig. Zu Besuch war noch keine gekommen.

"Was verstehst du unter sonderbar?"

"Sie hat etwas Gefährliches an sich und führt Selbstgespräche."

Der Holzfäller musste lachen.

"Manchmal, wenn ich allein im Wald bin, führe ich auch Selbstgespräche", sagte er. "Das bringt die Einsamkeit mit sich."

"Bei ihr ist es etwas anderes."

"Nur keine Angst, Kätzchen", erwiderte der Holzfäller, "wahrscheinlich ist deine Schlange ganz harmlos. Ich werde mich mit ihr unterhalten und fragen, was sie will."

Er ging zum Haus, während die Katze am Tor zurückblieb. Wir werden ja sehen, dachte sie.

Inzwischen hatte Lelia krampfhaft überlegt, wie sie an das Herz des Holzfällers herankommen könnte. Vor Anstrengung war ihr blauer Kopf fast lila geworden und hatte einen Höcker bekommen.

Ich werde ihm erst einmal Honig ums Maul schmieren, dann wird uns schon etwas einfallen, sagte sie sich und hoffte, der Schatten würde wieder auftauchen. Doch der schwirrte anscheinend sonst wo herum, ließ sich weder hören noch blicken.

Der Holzfäller stapfte schweren Schritts herein und sogleich steckte auch seine dicke Haushälterin den Kopf durch die andere Tür.

"Wir haben eine Besucherin, sie möchte dich sprechen und hat sich angemeldet", erklärte die Frau.

Der Holzfäller begrüßte die Schlange und bat sie in sein Arbeitszimmer, in dem er auch die Staatsangelegenheiten verhandelte. Dort fragte er sie nach ihrem Begehr.