Das kleine Handbuch des Liebesglücks - Steffi von Wolff - E-Book

Das kleine Handbuch des Liebesglücks E-Book

Steffi von Wolff

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Beschreibung

Von der Liebe und anderen Mutproben … Eines haben Männer und Mütter gemeinsam: Wir lieben sie – und könnten sie trotzdem manchmal auf dem Mond schießen! Das denken sich auch die Schwestern Linda und Marie, die ihrer überfürsorglichen Mutter zuliebe einer Doppelhochzeit zugestimmt haben. Ein böser Fehler, denn schon der Kleiderkauf wird für die beiden zur Nervenprobe: Während die stets elegante Marie wie immer perfekt aussieht, gleicht Linda eher einem übergroßen Baiser-Gebäck. Und auch ihre Zukünftigen, der blaublütig-vornehme Helfried und der gutmütige, aber langweilige Ulli, könnten nicht unterschiedlicher sein. Eigentlich wollen Linda und Marie es einfach nur heil durch die Trauung schaffen – doch damit geht der Albtraum erst richtig los: Denn wer Familie hat, der braucht keine Feinde mehr … Diese und 10 weitere humorvolle, romantische und herrlich chaotische Kurzgeschichten finden Sie in Steffi von Wolffs »Das kleine Handbuch des Liebesglücks« – für alle Fans von Gaby Hauptmann und Kristina Günak.

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Seitenzahl: 273

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Über dieses Buch:

Eines haben Männer und Mütter gemeinsam: Wir lieben sie – und könnten sie trotzdem manchmal auf dem Mond schießen! Das denken sich auch die Schwestern Linda und Marie, die ihrer überfürsorglichen Mutter zuliebe einer Doppelhochzeit zugestimmt haben. Ein böser Fehler, denn schon der Kleiderkauf wird für die beiden zur Nervenprobe: Während die stets elegante Marie wie immer perfekt aussieht, gleicht Linda eher einem übergroßen Baiser-Gebäck. Und auch ihre Zukünftigen, der blaublütig-vornehme Helfried und der gutmütige, aber langweilige Ulli, könnten nicht unterschiedlicher sein. Eigentlich wollen Linda und Marie es einfach nur heil durch die Trauung schaffen – doch damit geht der Albtraum erst richtig los: Denn wer Familie hat, der braucht keine Feinde mehr …

Über die Autorin:

Steffi von Wolff, geboren 1966 in Hessen, war Reporterin, Redakteurin und Moderatorin bei verschiedenen Radiosendern. Heute arbeitet sie freiberuflich für Zeitungen und Magazine wie »Bild am Sonntag« und »Brigitte«, ist als Roman- und Sachbuch-Autorin erfolgreich und wird von vielen Fans als »Comedyqueen« gefeiert. Steffi von Wolff lebt mit ihrem Mann in Hamburg.

Die Autorin im Internet: steffivonwolff.de und facebook.com/steffivonwolff.autorin

Steffi von Wolff veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Bestseller »Glitzerbarbie«, »Gruppen-Ex«, »ReeperWahn« und »Rostfrei«, »Fräulein Cosima erlebt ein Wunder«, »Das kleine Segelboot des Glücks«, »Der kleine Buchclub der Träume«, »Das kleine Hotel an der Nordsee«, »Das kleine Haus am Ende der Welt«, »Kein Mann ist auch (k)eine Lösung«, »Für Rache ist es nie zu spät«, »Die Spätsommerfrauen«, »Taxifahrt mit einem Vampir« und »Das kleine Appartement des Glücks« sowie die Kurzgeschichten-Sammelbände »Das kleine Liebeschaos für Glückssucher«, »Das kleine Glück im Weihnachtstrubel« und »Das kleine Handbuch des Liebesglücks.«

Eine andere Seite ihres Könnens zeigt Steffi von Wolff unter ihrem Pseudonym Rebecca Stephan im ebenso einfühlsamen wie bewegenden Roman »Zwei halbe Leben«.

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eBook-Neuausgabe Oktober 2024

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Geschichte »Der schrägste Tag meines Lebens« 2024 dotbooks GmbH, München; Verwendung der weiteren Texte mit freundlicher Genehmigung der Autorin: Einen Rechtenachweis finden Sie am Ende dieses eBooks.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/g215, Ruth Black, LilKar, Lukas Gojda, superbank stock, Dream 79, Maglora

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98952-347-0

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Steffi von Wolff

Das kleine Handbuch des Liebesglücks

Herzgeschichten

dotbooks.

Der schrägste Tag meines Lebens

Marie

Mama schluchzt und der Dame im Brautladen ist das schon unangenehm.

»Ist das schön! Ist das schön!« Sie sagt es mittlerweile zum hundertsten Mal und so, als wären meine Schwester Linda und ich kleine Mädchen und nicht beide Mitte Dreißig, und ich kann nicht anders, ich muss die Augen verdrehen, obwohl Mama das nicht mag. Zum wiederholten Mal wird mir klar, dass es ein Fehler war, unsere Mutter in die Hochzeitsvorbereitungen einzubinden. Warum habe ich das nur zugelassen? Mama wollte »nur ein bisschen helfen«, aber natürlich hat sie wie immer alles an sich gerissen und mich und meine Schwester auch noch erpresst.

»Denkt an Papas Herz.« Mama hatte schon immer einen Hang zur Theatralik. Natürlich wissen wir alle, dass sie es stets nur gut meint – davon ist gar nichts mit Papas Herzen -, aber es ist mitunter sehr anstrengend, sehr. Ihr zu widersprechen ist ähnlich sinnbefreit, wie ein ausgehungertes Nilkrokodil davon zu überzeugen, diese vor ihm herschwimmenden Leute nicht zu fressen.

Jedenfalls müssen wir an Papas 70. Geburtstag heiraten. Es gibt eine Doppelhochzeit im August. Papa sagt seit zehn Jahren, dass der nächste Geburtstag sein letzter sein wird, und diesmal weiß er »ganz sicher, da verwette ich meinen Wanderstock aus Garmisch-Partenkirchen, dass es bald vorbei ist mit mir.« Also hat Mama beschlossen, die Hochzeit an seinem großen Tag stattfinden zu lassen, und was will man denn bitte da sagen? Eben. Nichts. Das gehöre sich so, sagt Mama.

Linda sieht nicht gerade glücklich aus und ich weiß auch warum. Sie ist von uns beiden diejenige, die immer mit ihrem Gewicht hadert. Jedes Abnehmprogramm hat meine Schwester schon hinter sich gebracht, keines hat was genützt. Es ist ein Drama und sie tut mir so leid!

»Ich esse nun mal so gerne und trinke gern Wein«, sagt sie immer. »Ach, hätte ich doch einen Stoffwechsel wie du!« Fatalerweise kann ich nämlich zu mir nehmen, was ich will, nichts setzt an. Vielleicht liegt das an meiner Schilddrüsenüberfunktion. Oder ich habe Papas Gene und Linda die von Mama. Die ist nämlich auch ein Möpslein.

Nun steht Linda da in dem von Mama ausgesuchten Brautkleid und starrt in den Spiegel. Sie sieht aus wie ein Baiser, das ein bisschen zu groß geraten ist. Wer trägt denn bitte heutzutage noch Puffärmel? Dass es überhaupt noch solche Kleider gibt, wer stellt die denn noch her? Die 1980er Jahre sind doch nun wirklich vorbei. Natürlich hat meine Schwester mal wieder nicht den Mund aufgemacht, als Mama ihr das Kleid präsentiert hat, und es brav angezogen. Es sieht furchtbar aus. Außerdem ist es schneeweiß, also so ganz weiß, das mag ich nicht. In ganz schneeweiß sieht man aus wie ein Toter, wenn man keine gebräunte Haut hat. Mir wollte Mama auch ein entsetzliches Kleid aufschwätzen, aber ich habe einfach nur den Kopf geschüttelt und nichts gesagt. Einfach gar nichts, das bringt Mama zur Verzweiflung.

Linda wünscht sich immer, so zu sein wie ich. Aber meine Schwester ist so lieb, konfliktscheu und darum bemüht, es allen recht zu machen, dass man an ihr verzweifeln könnte.

Ich jedenfalls habe mich nun Mama gegenüber durchsetzen können und trage ein sehr hübsches und schlichtes Kleid im Empire-Stil. Ich bin 1,74 groß und sehr schlank, worüber ich wirklich froh bin. Ich stopfe gern alles in mich rein, was ungesund, süß und fettig ist, ich sterbe für Pommes mit Mayo und ich liebe guten Rotwein und Schokolade im Winter, Käsekuchen, Weißwein und Sekt im Sommer und natürlich Pizza und Chips. So ist das mit mir und trotzdem passe ich in Kleidergröße 36.

Linda weint fast, als sie mich in dem Kleid sieht.

»Ich könnte dein Kleid als Handschuh tragen«, sagt sie verzweifelt. »Ach, ach, warum habe ich nicht auch was an der Schilddrüse.«

»Ärger dich nicht«, sage ich zu ihr. »Übrigens ist dieses Kleid völlig indiskutabel. Das nimmst du auf keinen Fall.«

Mama mischt sich ein. »Aber warum denn nicht? Linda sieht sooo süß aus, so kullerig mopsig, einfach reizend.«

»Ich will nicht kullerig mopsig aussehen«, sagt Linda unglücklich, aber Mama hört gar nicht hin.

»Mama«, sage ich. »Linda muss das Kleid doch tragen, im Übrigens ist es anmaßend, sie kullerig zu nennen.«

»Wenn sie es doch aber ist«, sagt Mama bestimmt und ich verdrehe resigniert die Augen.

»Dein Kleid ist wundervoll, Marie«, sagt Linda nun und sieht mich lieb an. »Du siehst aus wie eine Prinzessin. Wirklich! So wunderschön. Ach, wenn ich doch auch so eine Figur wie du hätte.« Sie seufzt.

»Du siehst auch wunderschön aus, wenn wir das passende Kleid für dich gefunden haben«, sage ich und drücke sie kurz. Linda lächelt mich an. Ach je, ich weiß, wie es ist, wenn man sich gegen unsere Mutter durchsetzen muss.

Linda ist übrigens 34 und damit zwei Jahre jünger als ich. Linda hat zusammen mit ihrer besten Freundin Wanda ein Café in unserem kleinen hessischen, pittoresken Heimatstädtchen Brommelberg, und versorgt viele Einwohner mit Frühstück und selbst gebackenen Spezialitäten. Alles selbst zu machen ist für Linda das Größte. Sie steht stundenlang in der caféeigenen Küche und stellt Croissants, Laugenbrezeln, Holundergelee, Erdbeer-Rhabarber-Marmelade und alle möglichen Torten und Kuchen her, im Herbst und Winter kommen natürlich noch Stollen, Pralinenspezialitäten und Weihnachtstorten mit Marzipan und Nougat hinzu. Selbstredend muss man immer probieren, deswegen hat sie mit den Jahren zugenommen, immer wieder abgenommen und wieder zugenommen. Man konnte die Uhr danach stellen. Drei Monate Kugel, drei Monate Aal.

Das Café ist wunderschön und mit antiken Möbeln eingerichtet, was ihm eine wundervolle Atmosphäre gibt. Wenn ich sie im Laden besuche, muss ich immer entsetzlich an mich halten, damit ich nicht den ganzen Verkaufstresen leeresse und Linda noch unglücklicher wird. Der Duft von heißer Schokolade und Zimtsternen in der Weihnachtszeit macht mich im Café regelmäßig fast irre.

Linda und ich könnten unterschiedlicher nicht sein und das nicht nur vom Gewicht her. Im Gegensatz zu mir hat meine Schwester einen festen Lebensplan: Sie wird Ulli heiraten und mit ihm schon bald in ein Reihenhäuschen am Stadtrand ziehen. Im Wendehammer, damit die drei Kinder, die geplant sind, nicht angefahren werden können, wie Ulli gern betont.

Ulli will Kinder adoptieren, er findet das großartig, weil man so den kleinen Seelen, die ohne oder mit schlechten Eltern aufwachsen müssten, Freude und ein schönes Leben schenken kann.

Mir ist der grundgute Ulli ein wenig suspekt, aber Linda muss ja wissen, was sie will. Sie will dann nur noch tageweise in ihrem Café arbeiten, weil sie ja dann zu Hause gebraucht wird, aber da kann sie ja auch backen und Torten mit bunten M&M‘s verzieren. Ulli arbeitet bei der ortsansässigen Sparkasse, bekommt natürlich günstige Kredite, und schon bald wird das Häuschen dann abbezahlt sein.

»Ich verstehe nicht, dass du so ein Leben führen willst«, habe ich schon oft zu meiner Schwester gesagt. »Das ist so spießig! Willst du wirklich nur noch Unkraut jäten und für die Nachbarinnen Tupperpartys geben? Oder Thermomix-Partys? Du hast dir doch was aufgebaut, das hat dich doch so ausgefüllt!«

»Ich mach das mit dem Café doch weiter, Marie«, sagt Linda dann immer. »Ich werde schon keine Spießerin.«

Dafür wird Ulli schon sorgen, dass du eine wirst, denke ich dann immer, aber ich sage es nicht laut, sonst bin ich die Böse.

Linda

Ich kann diesen selbstgefälligen und herablassend-mitleidigen Blick dieser Brautkleidverkäuferin gleich nicht mehr ertragen. Nur weil sie selbst dünn ist, gibt ihr das noch lange nicht das Recht, so zu tun, als sei ich ein Walross. Gut, vielleicht bin ich eins, aber die Höflichkeit gebietet es wohl, eine Kundin das nicht merken zu lassen. Ich weiß selbst, dass ich zu viel Speck in meinem Körper habe. Das muss man mir nicht noch mit solchen Blicken verklickern. Mutti würde mich am liebsten als einen Prinzessin-Diana-Abklatsch in die Kirche schicken, aber zum Glück ist Marie dabei. Meine große Schwester ist zwar auch dünn, aber sie ist die Einzige, die mich versteht. Ach Himmel, wir zwei, wir sind so unterschiedlich.

Marie hat das Abi mit Bravour bestanden, alles Mögliche studiert, ich krieg es nicht mehr zusammen, jedenfalls waren Wirtschaftsmathematik und irgendeine Wissenschaft dabei. Das hat ihr aber nicht zugesagt, deswegen hat sie noch Zusatzausbildungen in Rhetorik und was weiß ich gemacht, und mittlerweile ist sie selbständig als Coach für Führungskräfte und Rhetoriktrainerin, und kann sich vor Aufträgen kaum retten. Sämtliche Menschen aus Führungsetagen rennen ihr die Bude ein und sie hat schon zehntausend Heiratsanträge bekommen. Meine Schwester sieht nämlich sehr gut aus. Groß, blond, braune Augen, edel blass. Marie hat auch ganz feingliedrige Finger und trägt sehr teure Ringe. An ihr sieht einfach alles gut aus. An Marie würden auch die Ringe gut aussehen, die es früher in Kaugummiautomaten gab. Marie fährt ein schwarzes Porsche-Cabriolet. Und hat eine Eigentumswohnung, von deren Dachterrasse sie ganz weit gucken kann. Schon oft haben wir auf dieser Dachterrasse gesessen, einen leckeren Wein getrunken, und uns über Gott und die Welt unterhalten. Mit Marie kann ich wunderbar ich sein, sie ist die liebste Schwester, die man sich vorstellen kann, Unterschied hin oder her.

Natürlich sprachen wir auch immer über Männer. Auch über die aktuellen. Ich weiß, dass sie Ulli grenzwertig findet, aber sie sagt auch: »Es ist dein Leben, Linda.« Und sie versucht nicht, mich davon abzubringen, Ulli zu heiraten.

Den Mann, den sie auserwählt hat, finde ich wiederum grenzwertig.

Helfried Graf zu Reinethal-Lüderskron. Alter Adel mit Familienwappen. Helfried verwaltet von morgens bis abends seinen Besitz, von dem er gar nicht weiß, wieviel es ist. Er mag mich nicht. Das weiß ich. Ich passe nicht in sein Menschenbild. Menschen, die Helfried gönnerhaft wahrnimmt, sehen so aus wie meine Schwester. Ätherisch, adlig, edel. Gut möglich, dass ich gerade ein wenig übertreibe, aber ich empfinde es so. Manchmal habe ich nämlich das Gefühl, dass ich für Helfried eine Aussätzige bin. Weil ich so normal bin. Aber ich kann mich natürlich auch irren. Tatsache ist, er mag mich nicht. Ich spüre so was. Ich mag Helfried ja auch nicht. Unter anderem auch deswegen, weil er redet wie jemand vor zweihundert Jahren. Dämlich geschwurbelt. Er benutzt Worte und Ausdrücke wie »fürderhin«, »Base« oder »betagt«, anstatt »zukünftig«, »Kusine« oder »alt« zu sagen. Und er nennt meine Schwester seinen aparten Augenstern. Die beiden residieren jetzt schon auf einer Art Rittergut am Rhein (selbstredend Familienbesitz von Helfried) und Marie beherrscht die Burgherrinnen-Rolle aber so was von perfekt. Sie geht nicht durch den Rittersaal, sie durchschwebt ihn. Helfried sagt gern ungefragt, dass diese Beziehung perfekt sei, aber so perfekt. Denn Helfried sieht sich als den perfekten Mann für Marie und sie ist selbstredend die perfekte Frau für ihn, und die Zukunft ist genau so perfekt wie die Gegenwart. Es ist zwar zum Heulen, aber die beiden scheinen wirklich perfekt. Nun ja, was will man machen.

Warum hat Mama nur darauf bestanden, dass wir am selben Tag heiraten? Helfried und mein zukünftiger Mann Ulli können nichts miteinander anfangen. Ulli ist ein sehr bodenständiger Mann. Er passt zu mir wie Topf auf Deckel. Ich weiß, dass ich mit Ulli nie eine unangenehme Überraschung erleben werde. Er ist treu, ehrlich, und ein absoluter Familienmensch. Ich glaube, viele finden ihn spießig, nun, das mag sein, aber man kann sich auf ihn verlassen, und das ist mir wirklich am wichtigsten. Wir sind uns in allem einig.

Kennengerlent haben wir uns auf einem Pralinenworkshop. Ulli wollte selbst gemachte Pralinen zu Weihnachten verschenken, weil das mal was anderes war. Das hat mir sehr imponiert und wir hatten gleich eine Gemeinsamkeit. Wir wollen Kinder – und sind uns einig, dass wir welche adoptieren werden und hoffen, das klappt – und ein Häuschen kaufen und glücklich sein. Unser Leben wird gut und unaufgeregt vor sich hinplätschern. Ich habe kein Abenteuer-Gen. So habe ich es mir immer gewünscht. Ulli findet es auch gut so. Er sagt: »Abends nach Hause kommen, juchzende, sich freuende Kinder und der Geruch von frisch gebackenem Brot oder Bratwurst, ein knisterndes Feuer im Kamin, und dann ein Bier und eine Frau, die mich liebt, das ist für mich Glück.« Perfekt! Also für uns. Ulli hat keine großen Ansprüche. Er ist am liebsten zu Hause und er sammelt Briefmarken, die er mit Pinzetten hochhebt und gewissenhaft zuordnet. Ulli benötigt nicht viel zum Glücklichsein. Okay, mit dem Sex ist das so eine Sache. Irgendwie braucht er das nicht so sehr. Aber ich habe mich damit arrangiert. Wir sind ein gutes Team und werden es immer bleiben. Außerdem lässt der Sex nach einiger Zeit bei Paaren ja sowieso nach, also ist das wohl ganz normal. Andere Dinge werden wichtiger oder sind es schon.

Aber ich schweife ab. Jetzt also die Doppelhochzeit. Auch noch im August. Der Sommer ist in diesem Jahr sowieso schon so heiß und der August soll noch heißer werden. Wie komme ich bloß aus der Nummer mit dem Kleid raus? Ich fühle mich ein adipöser Germknödel.

»Also ich weiß nicht, Mama«, sage ich nun behutsam, während Mama sich zum vierten Mal die Nase putzt.

Marie dreht sich vor dem Spiegel hin und her in ihrem langen, cremefarbenen Empirekleid, das unter der Brust eine Art Schärpe hat und ansonsten glatt nach unten fließt wie ein Fluss im Sonnenschein. Es glänzt dezent. Es fehlt nur noch, dass aus Lautsprechern »Die Moldau« ertönt.

Ich glänze auch, aber weil ich schwitze. Mein Kleid ist nicht aus Seide, sondern aus Polyester. Und es ist zu eng an den Ärmeln. Ich will es nicht.

»Das Kleid ist irgendwie nicht so das, was ich mir vorgestellt habe«, sage ich nun höflich und die Verkäuferin schaut indigniert. Ein ebenfalls anwesendes, arrogant wirkendes Mutter-Tochter-Gespann begutachtet mich.

»Aber warum denn nicht?«, fragt Mama. »Du bist nun mal nicht die Dünnste, Klöpschen, die Puffärmel kaschieren doch die Speckärmchen, da guckt doch jeder auf die Ärmelchen, und mit den Röschen auf dem Rock ist das doch auch flott. Da guckt niemand auf deinen Bauch oder auf deinen Popsi.« Das Mutter-Tochter-Gespann dreht sich weg und ich weiß, dass beide grinsen. Kann Mama nicht aufhören, mich Klöpschen zu nennen? Wenigstens in der Öffentlichkeit kann sie das doch mal bitte lassen.

»Ich würde gern was anderes anprobieren«, sage ich und hoffe, dass meine Stimme fest klingt.

»In Ihrer Größe haben wir nicht soviel Auswahl«, stellt die Verkäuferin fest.

Die Verkäuferin ist ganz und gar nicht diskret: »Das ist eine 44. Aber eigentlich ist Ihre Schwester eine 46. Eher 48, wenn sie Luft kriegen will. Es sitzt halt alles schon arg stramm. Da habe ich aber nur noch zwei andere Modelle vorrätig.« Bedauernd hebt sie die Hände.

Marie tritt nach vorn und lässt sich die zwei Modelle zeigen. Sie sind noch scheußlicher als das Baiser-Kleid. Organza mit hässlichen eingewebten Blättern und ganz viel Tüll. Unvorteilhaft geschnitten. Ich weiß, dass ich darin noch unförmiger aussehen werde als in dem Kleid, das ich gerade trage.

»Zieh das doch mal an«, sagt Marie halb resigniert. »Probieren wir es halt mal.«

»Das ist auch wunderschön«, jubelt Mama, nachdem ich mich in das Kleid gezwängt habe und nun aussehe wie ein depressiver Wal. »Ach, Papa wird vor Freude verrückt werden!« Unsere Mutter sieht froh und glücklich aus.

Ich bringe es nicht übers Herz, zu sagen, dass ich keins der Kleider auch nur annähernd akzeptabel finde. Ich möchte am liebsten raus aus diesem Geschäft. Hier gefällt mir gar nichts.

»Ich will gehen«, sage ich, während mir der Schweiß den Rücken runterläuft.

»Ja, lasst uns gehen. Wir können ja noch woanders schauen«, pflichtet Marie mir bei.

»Ohne das andere Modell zu probieren?«, fragt Mama erstaunt. »Na, du brauchst doch ein Kleid. Woanders wird die Auswahl auch nicht viel größer sein in deiner Größe.«

Sie ist wirklich ein Herzchen.

»Schau mal, Linda, das hier sieht doch okay aus«, sagt Marie und hat ein drittes Kleid in der Hand.

Ich heule gleich. Ich will kein Kleid, das nur okay aussieht.

»Nun, das könnte man noch ein wenig auslassen, da ist die Stoffzugabe großzügig gewesen«, sagt die Verkäuferin ein ganz kleines bisschen süffisant.

Wütend stapfe ich wieder in die Umkleidekabine und Marie hilft mir beim Umziehen.

»Das überstehen wir auch noch«, sagt sie leise zu mir. »Denk an Papa, nur für ihn machen wir das!«

»Ja, ja, schon gut. Aber ich fühle mich in diesem ganzen engen Kram einfach nicht wohl.«

»Ich weiß«, sagt Marie. »Arme hoch. Ich helf dir.«

Tatsächlich sieht das von ihr ausgesuchte Kleid mehr als okay aus. Natürlich bekommen wir den Reißverschluss nicht zu, aber die Verkäuferin hat ja was von Stoffzugabe gefaselt.

Das Kleid ist cremefarben, schlicht gehalten und kaschiert warum auch immer meinen Bauch. Sogar mein Hintern sieht halbwegs normal aus.

»Das hat wenigstens keine Schleifen und Rüschen«, sagt Marie zufrieden. »Es steht dir wirklich gut! Und das meine ich ernst. Weißt du was, du versuchst einfach, bis August noch ein paar Kilo runterzukriegen.«

Ja, das würde ich in der Tat gern, aber ich bin so disziplinlos und mein Stoffwechsel eine lahme Ente.

»Ich weiß, wie schwer dir das fällt und ich weiß auch, dass ich gut Reden habe mit meiner Schilddrüse, aber versuchen kannst du es trotzdem. Hör einfach auf, die Kuchenteige zu probieren. Lass das doch bitte Wanda machen.« Marie denkt praktisch.

Resigniert schaue ich meine Schwester durch den Spiegel an. »Wanda würde niemals Teige probieren, sie will schlank bleiben, sagt sie. Aber einer muss ja probieren.«

»Ach Linda«, sagt Marie und gibt mir einen Kuss.

Naja. Wenigstens haben wir jetzt halbwegs ein Kleid.

Eine Stunde später sitzen wir in einem Apfelweinlokal und studieren die Speisekarten. Ich liebe ja mein hessisches Heimatessen. Rippchen mit Kraut. Handäs mit Musik, Grüne Soße, die wir liebevoll Grie Soooß nennen, um nur einige zu nennen. Ich denke an die Größe 46 und das Kleid und überhaupt und beschließe, gar nichts zu bestellen, auch wenn mein Magen knurrt wie ein Wolfsrudel. Mama bestellt sich Kassler mit Sauerkraut und selbst gemachtem Kartoffelbrei. Marie ordert Cola mit Eis, gebratene Leber mit in Butter geschmorten Zwiebeln und Apfelringen und natürlich zum Kartoffelbrei eine Extraportion Butter. Ich bestelle einen kleinen gemischten Beilagensalat.

Ich könnte heulen.

Heulen, heulen, heulen.

***

Einige Wochen später

Marie und Linda

»Ich kann es immer noch nicht fassen.«

»Ich auch nicht.«

Wir starren schweigend ins Nichts.

Und erinnern uns an die vergangenen Wochen und an den Tag, der unser Leben verändern sollte.

***

Einige Wochen vorher

Linda

Der tuntige Konditor war hin und weg. »Also Sie müssen diese Torte probieren. Pistazien, rosa Marzipan und eine Vanille-Zitrone-Buttercreme-Füllung. Da jubelt zwar die Hüfte, aber an einem solchen Tag soll man ja nicht auf die Kalorien achten, sag ich immer, ach, läcka! Nun kosten Sie doch. Kosten Sie!«

»Ich habe schon so viele Torten probiert, ich platze gleich«, sagte ich und hätte nie gedacht, dass ich so was mal sagen würde.

»Aber wir müssen uns ja jetzt mal entscheiden«, war Maries Meinung.

»Dann probier du doch.« Ich war wirklich an einem Punkt angelangt, an dem ich nudelsatt war und nichts Süßes mehr sehen konnte.

»Hab ich doch«, sagte Marie.

Mama nahm eine Gabel voll. »Mmhmm, mmhmm, also lecker ist das. Die nehmen wir, das ist die perfekte Torte!«

»Wun-der-voll! Eine gute Entscheidung.« René war zufrieden und wedelte mit einem mitgebrachten Fächer aus Straußenfedern herum. »Ist das heiß heute.«

Das war es in der Tat. Der Juli war schon heiß gewesen, der August hatte noch heißer weitergemacht und heute war es auch noch schwül. In zwei Wochen war der große Tag: Die Doppelhochzeit von Linda und mir an Papas 70.

In den letzten Wochen war viel zu tun gewesen, die Listen von Mama wurden länger und länger. Allein das Drama mit den Einladungen. Weil man ja zusammen heiratete, musste auch zusammen gefeiert werden, das heißt, die Gesellschaft musste in einem großen Raum stattfinden. Meine Schwester und ich hatten leider völlig unterschiedliche Freundeskreise, die absolut nicht zusammenpassten, aber wieso sollte bei uns auch mal irgendwas komplikationslos verlaufen. Marie und Helfried umgaben sich nur mit Ärzten und Rechtsanwälten, anderen Reichen und Adligen, ich und Ulli mit unseren eher bodenständigen, einfachen und lieben, netten Freunden, die alle normale Berufe hatten und denen Überkanditeltes so fremd war wie eine Rolex mit Brillanten oder ein Überwintern auf den Bahamas. Es wurde stundenlang darüber diskutiert, wer wo sitzen sollte. Mama war kurz vor einem Nervenzusammenbruch gewesen.

»Auf gar keinen Fall kann man Helfrieds Eltern neben Ullis Eltern setzen«, hatte Marie praktisch und bestimmt beschlossen. »Wie soll das denn gehen? Über was sollen die denn reden? Darüber, wie man Heizkosten spart oder über den letzten Urlaub im Allgäu? Versteh mich bitte nicht falsch, Linda, aber Ullis Eltern reden von nichts anderem als davon, wie man wo sparen kann und von Aldi Süd und Sonderangeboten.« Sie hatte ja recht. Ullis Eltern waren sehr sparsam und sprachen gern darüber. Und im Allgäu machten sie Urlaub, seit sie verheiratet waren. Ulli hatte dort die wundervollsten Sommer verlebt.

»Meine Eltern haben immer alles für mich getan«, sagte Ulli immer. »Ich bin wohlbehütet aufgewachsen. Mir hat es an nichts gefehlt. Freitags gab es bei uns Fisch und sonntags einen Schweinebraten mit Kartoffeln, die man in die Soße tunken konnte. So wie es sich gehört.« Und natürlich wurde kein Sprudelwasser gekauft, sondern man trank »Kraneberger«, das ist ein unglaublich lustiges Wort für »ich trinke Waser aus dem Wasserhahn«.

Mama schlug sich auf Maries Seite. »Da hat deine Schwester recht, Linda. Das kann man Helfrieds Eltern nicht zumuten. Die kriegen ja einen Kulturschock.«

Ich war wütend. »Keine Sorge. Ullis Eltern wollen gar nicht neben diesen arroganten Adelsaffen sitzen«, hatte ich beiden giftig erklärt. »Die können von mir aus an den Tisch neben den Klos.«

»Nun übertreib doch nicht gleich so«, sagte Mama genervt. Ich hatte auf nichts, nichts, nichts mehr Lust.

»Nun sei kein Frosch, Linda. Wir wollen doch nur, dass sich alle wohlfühlen«, versuchte Marie mich aufzuheitern.

»Ist ja schon gut«, sagte ich genervt.

»Himmel!« Marie, die gerade die Liste studiert hatte, schaute auf und mich an: »Du hast Christina und Armin eingeladen. Bist du irre?«

»Wieso, das waren meine liebsten Klassenkameraden.«

»Es waren Außenseiter. Die ganze Schule fand sie schrecklich. Und deswegen haben sie sich auch geheiratet: weil niemand sie wollte. Das ist eine Zweckgemeinschaft. Die kommen … da hin.« Marie zeigte auf den Tischplan.

»Du machst es wirklich kompliziert.«

»Kinder, hört auf, zu streiten«, ermahnte uns Mutti. »Es geht um den schönsten Tag eures Lebens.« Wir sagten kurze Zeit nichts mehr und konzentrierten uns wieder auf die Listen.

»Ich bin wirklich dumm«, sagte Marie dann leise. »Ich hätte Armin und Christina auf unsere gemeinsame Auf-gar-keinen-Fall-einladen-sonst-gibt-es-Tote-Liste setzen sollen.«

»Wenigstens haben wir diese Liste. Ich bin sehr froh, dass wir auf diese Idee gekommen sind.«

»Ich bin darauf gekommen«, sagte Marie huldvoll.

»Ist ja schon gut. Hauptsache, wir haben die Liste.«

Marie zwinkerte mir zu. »Ja klar. Ich bin doch auch froh. Ohne die Liste wären wir aufgeschmissen.«

Das stimmte. Es gab einige Leute, die wirklich überhaupt und gar nicht zusammenpassten, und wir wollten verhindern, dass die von der jeweils anderen eingeladen oder nebeneinander gesetzt wurden. Dazu gehörten auch Exfreunde und ehemalige Lehrer und Kollegen. Wir hatten uns geschworen, niemanden von dieser Todesliste einzuladen, um die andere zu ärgern oder so. Das könnte in einem Scharmützel enden. Eines Abends hatten wir uns sogar mal zu viert zusammengesetzt und auch unsere zukünftigen Ehemänner hatten aufgeschrieben, wen sie unter gar keinen Umständen und auch nicht zufällig auf der Hochzeit haben wollten. Unter anderem hatte Ulli gesagt, er würde durchdrehen, wenn Marie auf die glorreiche Idee kommen würde, seinen Großonkel Gustav einzuladen. Und Helfried hatte gemeint, er würde auf der Stelle tot umfallen, wenn seine Cousine, die blöde Sabine aus dem Sauerland, käme. Die hatte sich von ihrer reichen Herkunft abgenabelt und lebte bodenständig mit ihren künstlichen Fingernägeln und aufgespritzte Lippen. Und das Schlimmste: »Sie ist Friseuse.« Ich sag es ja, Helfried ist schrecklich.

Jedenfalls gab es einige, die man auf gar keinen Fall dabeihaben wollte.

»Wenn mein Chef Mario kommt, drehe ich durch«, hatte Ulli gesagt. »Nicht dass wir den versehentlich einladen.«

»Wieso sollten wir denn jemanden versehentlich einladen, Ulli?« hatte ich gefragt. »So was passiert doch nicht.«

»Auch nicht, um mir einen Streich zu spielen«, sagte Ulli und sah mich warnend an. Ich schüttelte den Kopf.

»Dann hätten wir das geklärt«, sagte Ulli zufrieden und ich lächelte ihn an.

»Übrigens«, sagte ich zu Marie. »Was Armin und Christina betrifft: Ich sage auch nichts gegen Lavinia, diese Zicke.«

»Lavinia ist meine beste Freundin. Also wirklich. Es wäre entsetzlich, sie nicht einzuladen.« Marie war empört.

»Sie ist trotzdem eine affektierte Zicke.« Das stimmte. Lavinia. Schon der Name. Außerdem hatte sie lackschwarze Haare und grüne Augen und jeder Mann verliebte sich sofort in sie oder schenkte ihr zumindest teuren Schmuck. Angeblich wollte man ein persischer Prinz Lavinia heiraten, aber sie hat wie immer maliziös gelächelt, »Ich denke darüber nach« gesagt und erst mal einen Ring geschenkt bekommen. Oder eine Uhr im Wert einer Eigentumswohnung.

»Sehr witzig. Können wir nicht einfach deine Leute im Saal links und meine rechts oder umgekehrt setzen?«, fragte ich.

»Kommt nicht in Frage«, lamentierte Mama. »Dann bilden sich mir nichts, dir nichts zwei Gruppen. Nein, die Gäste sollen sich doch kennenlernen.« Sie fing an, Blätter und Zettel zu sortieren. »Was machen eigentlich Ulli und Helfried? Geht es ihnen gut?«

Ich nickte. »Ach, Ulli geht es doch meistens gut. Heute Abend spielt er mit ein paar Kollegen Fußball.«

»Wie schön«, sagte Mutti automatisch.

»Helfried hat wieder seine Migräne. Sie wird ihn noch umbringen. Gerade ist er bei der Akupunktur. Ein Spezialist aus China, ein hochbezahlter Mann. Aber wenn es so weitergeht, muss Helfried in eine Schmerzklinik.«

»Wie schön«, sagte Mutti wieder automatisch und stopfte die herumliegenden Papiere in Klarsichthüllen. »Das ist ja alles Kraut und Rüben«, meinte sie. »Ich werde das zu Hause noch mal alles sortieren.«

Der Hochzeitstag, 10 Uhr

Marie

»Verdammt noch mal«, sagte Linda leise, als sie vor dem Spiegel stand. »Das darf doch nicht wahr sein.« Mama stand hinter ihr und zerrte am Reißverschluss. Ich half ihr dabei.

»Halt die Luft an, Lindachen«, sagte ich auffordernd. »Jetzt zieh, Mama, zieh!«

»Es geht nicht«, sagte Mama verzweifelt. »Wie ist denn das möglich? Wann warst du denn zum letzten Mal bei der Anprobe?«

»Vor zwei Wochen.«

Oh Himmel, tat sie mir leid! Der Schweiß lief Linda in Strömen übers Gesicht. »Und ich hab doch gar nicht mehr viel gegessen. Ich

hab doch extra nur noch Brühe getrunken. Ich hab doch schon richtig Kopfschmerzen vor lauter Hunger bekommen. Wie konnte das nur passieren?«

»Vielleicht hast du die Brühe nicht verdaut und lagerst die wie Wasser im Körper ein. Ganz sicher tust du das. Das ist die Aufregung. Aber man kann es drehen und wenden, wie man will, ich bekomme den Reißverschluss nicht zu.« Ratlos schaute Mama auf den auseinanderklaffenden Stoff. »Moment mal«, sagte sie dann. »Dieser Stoff ist doch ganz anders als bei deinem Kleid.«

»Was?« Nun begutachtete auch Linda das Kleid mal genauer. Ich schaute auch nach.

»O nein!« Ich schlug die Hand vor den Mund. »Wir haben das falsche Kleid abgeholt.«

»Das darf doch nicht wahr sein. Du machst Scherze, oder?«, fragte Linda panisch.

»Nein.« Mama und ich waren verzeifelt.

Linda fing an zu heulen. »Du hast es abgeholt, Mama, du!«

»Himmel, ich habe es einfach nur abgeholt. Wie konnte ich denn ahnen, dass die Frau mir das falsche mitgibt?«

»Wie soll ich denn jetzt heiraten?«, fragte Linda noch panischer. »So schnell krieg ich doch kein anderes Kleid.« Meine Schwester fing an zu heulen. »Ruf da an, ruf da an, die sollen uns schnell das richtige Kleid herschicken, mit einem Taxi oder so.«

»Das geht nicht«, sagte Mama. »Beim Abholen hat die Frau mir erzählt, dass sie Urlaub macht. Der Laden hat jetzt noch zwei Wochen zu! Die Frau ist in Australien. Sie wird dort …«

»Mama!«, unterbrach ich sie. »Das ist doch jetzt ganz egal, wo die Frau Urlaub macht.«

Linda ließ sich in einen Sessel fallen.

Sie schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte.

»Mama, was machen wir denn jetzt?«,fragte ich. Gerade ich. Mir fiel sonst immer was ein.

»Ich bin ratlos«, sagte Mama. Und dann sahen wir uns alle drei ratlos an.

11 Uhr 30

Linda

Ich begutachtete Marie und versuchte, nicht neidisch zu sein. »Wenigstens du siehst schick aus.«

Wir waren gerade angekommen. Die Hochzeitsgäste befanden sich schon in der Kirche, genau so unsere beiden zukünftigen Ehemänner. Marie sah wirklich hinreißend aus, sie hatte versucht, mir zu verschweigen, dass ihr Kleid dreimal enger gemacht werden musste. Aber auf Mama war wie immer Verlass. Lang und breit erzählte sie es jedem, der es wissen wollte oder auch nicht und endete immer mit dem Satz: »Wenn das so weitergeht, wird man sie bald umpusten können.«

Ich stehe das durch, ich stehe das durch, betete ich mantramäßig vor mich hin.

Dann kam Papa und hakte uns beide unter. Zu den Klängen der Orgel schritten wir den Gang entlang durchs Kirchenschiff, und alle standen auf. Natürlich auch um zu sehen, wie die Kleider aussahen.

Marie schwebte elfengleich über den ausgelegten Teppich. Ihr leicht glänzendes Empirekleid war einfach perfekt. Das dezente Make-up und die Perlenohrringen natürlich auch, von den Perlenschnüren in den Haaren mal ganz zu schweigen.