Glitzerbarbie - Steffi von Wolff - E-Book
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Glitzerbarbie E-Book

Steffi von Wolff

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Beschreibung

Gerade noch Adam & Eva, jetzt Blitzlichtgewitter: Das Comedy-Feuerwerk »Glitzerbarbie« von Bestsellerautorin Steffi von Wolff als eBook bei dotbooks. Hand aufs Herz: Wären Sie manchmal auch gerne reich und berühmt … oder ahnen Sie schon, dass das Scheinwerferlicht auch Schattenseiten hat? Dabei fängt für Caro und ihren Freund Marius erst einmal alles richtig schön an: Die beiden machen eine Kreuzfahrt in der Karibik – bis sie als Schiffsbrüchige auf einer einsamen Insel stranden! Nun heißt es Kokosnüsse knacken statt »Captain’s Dinner« … Als sie gerettet werden, reißen sich die Medien um die sympathischen Abenteurer. Ehe Caro weiß, wie ihr geschieht, landet sie als neue Talkshow-Moderatorin im TV – und damit geht das (Liebes-)Chaos so richtig los … Keine Chance für schlechte Laune: »Ein Brüller folgt dem nächsten.« BILD AM SONNTAG Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die turbulente Komödie »Glitzerbarbie« von Bestseller-Autorin Steffi von Wolff. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 383

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Über dieses Buch:

Hand aufs Herz: Wären Sie manchmal auch gerne reich und berühmt … oder ahnen Sie schon, dass das Scheinwerferlicht auch Schattenseiten hat? Dabei fängt für Caro und ihren Freund Marius erst einmal alles richtig schön an: Die beiden machen eine Kreuzfahrt in der Karibik – bis sie als Schiffsbrüchige auf einer einsamen Insel stranden! Nun heißt es Kokosnüsse knacken statt »Captain’s Dinner« … Als sie gerettet werden, reißen sich die Medien um die sympathischen Abenteurer. Ehe Caro weiß, wie ihr geschieht, landet sie als neue Talkshow-Moderatorin im TV – und damit geht das (Liebes-)Chaos so richtig los …

Keine Chance für schlechte Laune: »Ein Brüller folgt dem nächsten.« BILD AM SONNTAG

Über die Autorin:

Steffi von Wolff, geboren 1966 in Hessen, war Reporterin, Redakteurin und Moderatorin bei verschiedenen Radiosendern. Heute arbeitet sie freiberuflich für Zeitungen und Magazine wie »Bild am Sonntag« und »Brigitte«, ist als Roman- und Sachbuch-Autorin erfolgreich und wird von vielen Fans als »Comedyqueen« gefeiert. Steffi von Wolff lebt mit ihrem Mann in Hamburg.

Die Autorin im Internet: www.steffivonwolff.de und www.facebook.com/steffivonwolff.autorin

Steffi von Wolff veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Bestseller »Gruppen-Ex«, »ReeperWahn« und »Rostfrei«, »Fräulein Cosima erlebt ein Wunder«, »Das kleine Segelboot des Glücks«, »Der kleine Buchclub der Träume«, »Das kleine Hotel an der Nordsee«, »Das kleine Haus am Ende der Welt« und »Das kleine Appartement des Glücks« sowie die Kurzgeschichten-Sammelbände »Das kleine Liebeschaos für Glückssucher« und »Das kleine Glück im Weihnachtstrubel«. Eine andere Seite ihres Könnens zeigt Steffi von Wolff unter ihrem Pseudonym Rebecca Stephan im ebenso einfühlsamen wie bewegenden Roman »Zwei halbe Leben«.

***

eBook-Neuausgabe Oktober 2021

Copyright © der Originalausgabe Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2004

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, Memmingen, unter Verwendung von Shutterstock/Doremi

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-896-9

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Steffi von Wolff

Glitzerbarbie

Roman

dotbooks.

Für Fridtjof, meine Lebensliebe.

Nicht gesucht, aber gefunden.

Kapitel 1

Ich kann eines nicht ertragen: beim Arzt warten zu müssen. Furchtbar, dieser Geruch im Wartezimmer, eine Mischung aus Schweiß und irgendwas Medizinischem. Und dazu ein Lesezirkel aus den siebziger Jahren, mit Silvia Sommerlath auf der Bunten, die gerade Königin von Schweden wird. Wie viele Bakterien kleben wohl auf jeder einzelnen Seite? Und warum geben einem diese arroganten Fräulein Monikas und Silkes eigentlich einen Termin für halb drei, wenn man sowieso erst gegen Mitternacht drankommt, um dann von einem entnervten Allgemeinmediziner gefragt zu werden »wie es uns denn geht«? Ich habe regelmäßig Rachegedanken, wenn ich länger als eine Viertelstunde in einem Wartezimmer zubringen muss, und stelle mir vor, wie ich heimlich Blutabnahmen vertausche oder im Labor brandstifte.

Wenn ich wenigstens wegen einer Krankheit in dieser Praxis sitzen würde, aber nein, ich sitze mit und wegen Richard hier. Richard ist einer meiner besten Freunde und hatte schon vor längerer Zeit das Bedürfnis, eine Frau zu werden. Damals hat er es mir nicht einfach gesagt, sondern sich in meinem Schlafzimmer mit 2,8 Promille heimlich verkleidet, um mich dann entsetzlich zu erschrecken. Aber auf Richard lasse ich nichts kommen. Er ist der liebste Albino, den ich kenne. Außerdem ist er ein wandelnder Baumarkt und kann super Böden versiegeln und Schränke zusammenbauen. Richard könnte ohne Weiteres den Schiefen Turm von Pisa mit ein paar Keilen wieder gerade stellen. Und würde dann fragen, ob er ihn noch wetterbeständig streichen soll.

Wir sitzen jetzt seit zwei Stunden hier im Wartezimmer dieses plastischen Chirurgen. Mir gegenüber eine Frau, die aussieht wie eine Industriellengattin, die einen Vertrag mit einem Pornoproduzenten hat. Ihre überdimensionalen Brüste sprengen fast ihre Bluse, richtig gerade sitzen kann sie auch nicht, weil das Gewicht sie zu einer nach vorn gebückten Haltung zwingt. Sie trägt an jeder Hand acht Ringe und glotzt uns ununterbrochen durch ihre randlose Brille an. Ob sie mal ein Mann war? Ich traue mich nicht zu fragen.

Richard ist fürchterlich nervös. Er hat sich extra angezogen wie ein Mann, weil er dem Mediziner so zeigen will, dass er eigentlich in Frauenklamotten gehört. Das ist zwar nicht ganz nachzuvollziehen, weil er in Jeanshemd und Levi’s 501 einfach wie ein ganz normaler Mann aussieht, aber gut, aber gut.

Muss dauernd aufstoßen, was mir furchtbar peinlich ist. Wir haben gestern Abend Lasagne gemacht, es war kein Salz mehr im Haus, und ich habe mir bei einer Nachbarin was ausgeliehen. Leider hatte Frau Schmitz ihre Brille verlegt und hat mir Spülmaschinensalz in die Hand gedrückt, was zur Folge hatte, dass uns allen ein wenig schlecht wurde von der Lasagne. Gero, mein schwuler Freund, meinte, wenn man bei mir nicht aufpasst, landet man schneller unter der Erde, als einem lieb ist. Ich heiße Carolin Schatz, bin 35 Jahre alt und weigere mich zu sagen, dass ich Mitte dreißig bin. Das hört sich so an, als wäre ich bald Ende dreißig, was ja auch stimmt, ich aber nicht wahrhaben will. Ich besitze keine Waage und kann deswegen mit gutem Gewissen immer sagen, dass ich nicht weiß, wie viel ich wiege. Ich esse nie Obst, wenig Gemüse, wenn, dann mit Sahnesoße, und von allem die doppelte Portion. Doppelte Portionen sind etwas Herrliches. Man weiß schon vorher, dass man ganz bestimmt satt wird.

Außerdem sind Menschen, die gern essen, lustige Menschen, mit denen man gern was unternimmt. Bestimmt habe ich deswegen einen so tollen Freundeskreis. Und einen Freund, der genau so gern isst wie ich, habe ich auch. Ich bin jetzt drei Monate mit Marius zusammen und wir sind immer noch total verliebt ineinander. Wir wohnen zusammen und gehen uns immer noch nicht auf den Keks. Obwohl ich nie den Müll runterbringe und nie die Badewanne putze und »Home Shopping Europe« verfallen bin, hat er mich noch lieb. Vielleicht deswegen, weil ich ihm immer seinen Lieblingsrasierschaum kaufe. Auf dem Rand der geöffneten Flasche steht nämlich »Guten Morgen!«. Marius behauptet, es sei doch nett, morgens von einer Rasierschaumdose begrüßt zu werden. Menschen, die überhaupt keine Freunde haben, sollten sich ganz viel Rasierschaum kaufen und bei allen Dosen die Deckel offenlassen. Dann begrüßt einen morgens quasi die Clique im Bad.

Endlich, endlich kommt Fräulein Monika und sagt, der Herr Doktor ließe bitten. Richard springt ruckartig auf. Er hat vor Aufregung rote Flecken am Hals.

Wir werden gebeten, im Besprechungszimmer »noch einen kleinen Moment Platz zu nehmen«. Der Herr Doktor käme dann gleich. Das Besprechungszimmer ist so groß wie ein Fußballplatz und sieht von der Einrichtung her aus wie das Arbeitszimmer von Blake Carrington im »Denver Clan«. In der Mitte steht ein überdimensionaler Schreibtisch mit einem Bild von der Frau des Doktors (hundertprozentig geliftet) und seinen fünf Kindern, die entweder Fünflinge sind oder von ihrem Vater so operiert wurden, dass sie aussehen wie Fünflinge.

An der Wand Fotos von den Fähigkeiten des Herrn Doktors, auf den wir eben nochmal einen kleinen Moment warten müssen. Foto 1: eine Frau mit einer Nase, die so lang wie die von Pinocchio ist. Daneben dieselbe Frau ohne Pinocchio-Nase, sondern mit einer ganz normalen. Da hat er wohl ein wenig schnippeln müssen, der Herr Doktor. Foto 2: eine Neunzigjährige. Daneben ist die Neunzigjährige plötzlich fünfundzwanzig. Da hat er wohl ein wenig gestrafft, der Herr Doktor. Offensichtlich ist der Herr Doktor eine Koryphäe auf seinem Gebiet, eine ganze Wand ist mit Urkunden und Auszeichnungen behängt. Da kann man ja nur hoffen, dass bei Richard alles gut geht.

Die Tür geht auf, und da ist er ja, der Herr Doktor. Jovial kommt er mit ausgestreckten Armen auf uns zu und begrüßt uns überschwänglich, was ich nicht weiter verwunderlich finde, da die Krankenkasse eine Kopie der Gebührenaufstellung des Herrn Doktors an Richard gefaxt hat. Die Operation kostet so viel wie ein Reihenendhaus in guter Wohnlage mit Gärtchen. Reihenendhausbesitzer sind mir ein Gräuel. Reihenendhausbesitzer grillen am Wochenende, und die Männer tragen lange Schürzen, auf denen steht: »Heute ist Papi der Meisterkoch«, während ihre Ehefrauen Kartoffelsalate mit selbst gemachter Mayonnaise zubereiten. Auf den Frühstückstischen von Reihenendhausbesitzern stehen Gefäße, auf denen der Schriftzug »Nur für Tischabfälle« zu lesen ist. Sie füllen für acht Tassen Kaffee neun Löffel in den Filter, weil ein Löffel »für die Kanne« ist. Reihenendhausbesitzer haben auch keine normalen Klingelschilder, sondern Salzteigplatten, auf denen steht: »Hier leben, lieben und streiten sich« und dann die ganzen Namen.

Der Herr Doktor jedenfalls kann sich wahrscheinlich hundert Reihenendhäuser leisten. Er holt die Unterlagen hervor und will uns dann gleich mal die Operation erklären. Wir beugen uns gespannt nach vorn, als er eine große Mappe herauskramt. Er sieht mich an und sagt: »Sie müssen unbedingt die Nachuntersuchungen einhalten und regelmäßig Ihren Hormonhaushalt kontrollieren lassen, dann kann eigentlich gar nichts schief gehen.«

»Ähem«, sagt Richard. »Es dreht sich hier ja wohl um mich.«

Der Doktor ist verwirrt und mustert uns nacheinander. Dann holt er eine Brille aus seinem blütenweißen Kittel und setzt sie auf. Er wird ganz rot, der Herr Doktor, und entschuldigt sich vielmals. Das hätte noch gefehlt, dass ich dann plötzlich vier Brüste gehabt hätte.

Eine Stunde später haben wir den OP-Termin, und Richard ist überglücklich. Ich allerdings bin mit den Nerven fertig, nachdem ich gehört habe, was da alles untenrum so passiert. Was alles weggeschnitten und wieder angesetzt wird und überhaupt. Aber bitte. Aber bitte. Mir soll es recht sein. Außerdem findet Richards Freundin (bereits operiert) Männer furchtbar, und deswegen muss alles ganz schnell über die Bühne gehen.

Richards rote Albinoaugen leuchten, als wir die Arztpraxis verlassen. Er ist so was von glücklich. »Gehst du mit mir BHs kaufen, Caro?«, fragt er mich. Ich nicke. Richard kann nichts allein außer renovieren. Ich habe jetzt schon Angst davor, dass ich ihm zeigen muss, wie man es sich selbst macht, wenn er erst mal zur Frau umoperiert ist. Womöglich muss ich dabei auch noch neben ihm sitzen und applaudieren, sollte es klappen.

Wir fahren gemeinsam in die Praxis von Marius, um ihn dort abzuholen. Marius ist Eheberater und Psychotherapeut und hat seine Praxis in Frankfurt, das ist nicht weit von Watzelborn entfernt. Da wohnen wir nämlich alle.

Marius hat einen sehr guten Ruf als Eheberater, und ich liebe es, die ganzen Geschichten zu hören. Noch besser allerdings ist es, heimlich in den Protokollen und Unterlagen zu stöbern, wenn er gerade jemanden im Besprechungszimmer hat. Geht jetzt natürlich nicht.

Wir warten in Marius’ kleiner Küche, die zu seiner Praxis gehört. Mein Kollege Bob ruft auf dem Handy an und fragt, ob wir heute alle einen Drombuschvögelabend machen wollen. Damit meint er, dass wir bis spät in die Nacht die aufgezeichneten Folgen von »Diese Drombuschs« und »Die Dornenvögel« schauen. Eine gute Idee. Bob und ich lieben diese Serien. Allein der bloße Gedanke an Meggie Cleary aus den »Dornenvögeln«, wie sie auf der Insel der Hochzeitsreisenden allein am Strand herumtapert, und dann kommt der Mann mit dem weißen Anzug und entpuppt sich als Pater Ralph de Bricassart. Und beide haben hemmungslosen und dennoch zärtlichen Sex im Sand und überall sonst. Dann diese Musik! Ich muss IMMER weinen.

Da kommt Marius in die Küche. Ich bekomme auch nach drei Monaten immer noch Herzklopfen, wenn ich ihn sehe.

Er gibt mir einen Kuss und fragt, wie denn unser Termin gewesen sei. Das ist das Gute an Marius: Ihm kann man alles, wirklich alles sagen, und er beurteilt Leute auch nie nach ihrem Äußeren oder ihrem Beruf oder nach was sonst auch immer. Schon dafür liebe ich ihn. Marius findet es zum Beispiel auch überhaupt nicht schlimm, dass ich mit meinem Freund Pitbull Panther zusammen einen Swingerclub betreibe. Natürlich nicht hauptberuflich, sondern nebenbei. Hauptberuflich bin ich beim Radio.

Wir haben unseren Swingerclub am 19. Mai eröffnet, und ich muss wirklich sagen, dass er ein voller Erfolg ist. Am 20. Mai war der erste reguläre Tag, und die Leute kamen in Strömen. Nur ich nicht, ich stand heulend im Badezimmer und habe mir mein Resthaar angeschaut. Resthaar deswegen, weil ich mir statt Gel Enthaarungscreme auf den Kopf geschmiert hatte. Ich dachte, ich sterbe. Richard kam sofort und wollte helfen und die Creme entfernen, was zur Folge hatte, dass er meinen Pony in der Hand hielt. Letztendlich sind wir zu sechst in Marius’ kleinem Badezimmer herumgesprungen. Pitbull hat mich kurzerhand in voller Montur unter die Brause gezerrt, nur leider war das Wasser ein wenig zu heiß. Ich hatte eine riesige Brandblase am rechten Unterarm, was bei einer Wassertemperatur von ungefähr fünftausend Grad auch kein Wunder ist. Mausi, die bei uns nebenbei jobbt, hat mir sofort eine entzündungshemmende Lotion auf die verbrannten Stellen aufgetragen. Leider hat sie vorher nicht auf die Flasche geschaut. Ich hatte dann zusätzlich zu den Brandblasen noch dunkelbraune Flecken überall, weil sie meinen Selbstbräuner genommen hatte.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Mir passieren immer die unmöglichsten Dinge. Marius meint immer, mich könnte man keine drei Minuten aus den Augen lassen, weil ich in dieser Zeit drei Sinti-Kinder adoptieren, mich so verlaufen, dass ich in einem Löwenkäfig landen oder ihn verzweifelt aus einem Harem in Dubai anrufen würde, obwohl ich nur die Watzelborner Molkerei besuchen wollte, um mir mal anzuschauen, wie Milch haltbar gemacht wird.

Wenn irgendwo auf der Welt ein Unglück geschieht, ruft mich Marius grundsätzlich an, um zu wissen, wo ich mich gerade aufhalte. Einmal, er hat mich nicht erreicht, hat er sogar RTL II ein Interview gegeben. Eine Frau in München ist in einem Biergarten so unglücklich gestrauchelt, dass durch das Herunterziehen der blauweiß karierten Tischdecken viele Biergartenbesucher erschreckt aufgesprungen und mit ihren Bänken umgefallen sind. Dann schlug noch ein Blitz in einen Baum ein, acht Leute tranken vor Schreck einen Wein, der mit Diäthylenglykol verseucht war, die Rettungssanitäter sind mit einer Bahre auf Leberknödeln ausgerutscht, die Kabel mit den elektrischen Lämpchen sind heruntergefallen, es gab Stromschläge, und dann liefen noch zwei Exhibitionisten mit offenen Mänteln durch die Gartenwirtschaft und schrien: »Huuuh!«

Marius war außer sich vor Verzweiflung und hat überall versucht, mich zu erreichen. Dann hat er bei allen Fernsehsendern angerufen, um zu erfahren, wo ich denn bin. Die sensationsgeilen Reporter von RTL II hatten nichts Besseres zu tun, als ihn zu einer Stellungnahme zu überreden. Ich stand damals gerade bei Karstadt in der Elektroabteilung, um nach einem DVD-Player Ausschau zu halten, und sah mich plötzlich in Großaufnahme (fürchterliches Foto, wo hat er das denn her?) auf ungefähr fünfhundert Fernsehgeräten, davor mein verzweifelter Freund, der lauthals bekundete, dass »ihr immer solche Sachen passieren«. Zum Glück hat mich damals bei Karstadt keiner erkannt. Gäbe es einen Oscar für Dappigkeit, ich hätte ihn schon zehnmal gewonnen. Wenn nicht jedes Mal. Ich warte nur auf den Tag, an dem ich von unserem Rundfunk-Intendanten offiziell vom Betriebsfest ausgeladen werde, um Brand oder Verlust von Menschenleben zu vermeiden. Ich weiß ehrlich nicht, woran das liegt.

Marius findet einen Drombuschvögelabend auch gut. Ich rufe also Bob an und sage, dass er mit Zladko, unserem anderen Radiokollegen, vorbeikommen soll. Und weil ich gern viele Menschen um mich habe, rufe ich auch noch meinen Freund Gero an. Somit wären das dann drei Schwule, ein Transvestit und zwei Heteros. Fehlen nur noch Lesben. Ich könnte natürlich Iris anrufen, sie arbeitet als Prostituierte, aber auch in unserem Club, und ich weiß, dass sie heute Abend Dienst hat. Also rufe ich stattdessen Mausi an. Mausi ist eine Katastrophe, aber eine liebe. »Hellouuuuuu«, stöhnt sie ins Handy, um dann zu sagen, dass sie es »geilcool« findet, den Abend mit uns zu verbringen. Sie bringt dann ihren Freund mit, wenn das recht ist.

Es ist recht. Little Joe mag ich wirklich, auch wenn er ein bisschen gestört ist mit seinem Spielzeugcolt und seinen Cowboystiefeln und seinem komischen Rodeo-Bullen im Garten, von dem man einen Tritt in den Hintern oder einen in den Bauch bekommt, dass man einen doppelten Milzriss und eine Niere weniger hat oder sich die Blase durch den Druck plötzlich im Mund befindet. Aber Little Joe ist ein herzensguter Mensch. Außerdem ist er beim Finanzamt beschäftigt, was gar nicht zu ihm passt, und macht unseren ganzen Steuerkram. Kostenlos. Dafür muss ich ihn in unseren Radiowunschsendungen immer grüßen und er darf sich ein Countrylied wünschen.

Also fahren wir alle zu uns nach Hause. Das hört sich herrlich an.

Zu uns nach Hause. Dieser Satz ist wie Butter auf einer heißen Kartoffel. Zu uns nach Hause bedeutet Gemeinsamkeit, Zusammengehörigkeit, Beständigkeit. Jetzt werde ich wieder sentimental. Schnell an was Schlimmes denken. An mein Gewicht.

Richard meint, er müsse noch ein paar tropfende Wasserhähne in unserer Wohnung reparieren, und macht sich mit einer Rohrzange ans Werk. Und ich gehe ins Wohnzimmer und suche schon mal die Videos raus. Wir haben immer noch nicht alles an Bildern und so aufgehängt, und ich muss erst mal den halben Schrank ausräumen und finde dabei einen alten herzförmigen Spiegel mit Goldrahmen, den ich auf den Boden lege. Im nächsten Moment erstarre ich zur Salzsäule. Ich knie auf dem Boden und schaue kopfüber in den Spiegel. Das bin nicht ich, die mich da anschaut, das ist ein verformter und zerlaufener, mit viel zu viel Öl gebackener Eierkuchen. Meine Wangen hängen meterweit runter und ich habe kein Doppel-, sondern ein Fünffachkinn. O mein Gott. Sehe ich auch so aus, wenn ich beim Sex mit Marius oben liege und ihn anlächle? Kein Wunder, dass der in solchen Momenten immer die Augen schließt. Ab sofort werde ich immer unten liegen und auch beim normalen Gehen darauf achten, den Kopf immer ganz oben zu haben. Ich gehe zurück in die Küche.

»Sag mal, Caro, was ist denn los?«, fragt Marius. »Hast du dir einen Zug geholt, oder was ist mit deinem Hals?«

Ich drehe mich mit dem ganzen Körper zu ihm um. »Nichts, nichts«, sage ich. Ich hab heute nur in einer Zeitung gelesen, dass es gut für die Wirbelsäule ist, den Kopf immer ganz hochzuhalten.«

»Du siehst aus, als hätte dir jemand einen Stock in den Rücken gesteckt«, sagt Richard, der wieder in die Küche kommt. Ich senke den Kopf ein Stück weit runter, merke aber sofort, wie sich die Kinnmassen auf meinem Hals verteilen. Morgen kaufe ich mir Rollkragenpullover. Der Sommer ist schließlich bald vorbei.

Bob, Zladko, Gero, Mausi und Little Joe kommen, und wir werfen den Videorecorder an. Bob ist besonders seriensüchtig. Mit seinem Serienwissen könnte er locker bei Thomas Gottschalk Wettkönig werden. Wenn Gottschalk fragen würde: »In einer Folge kommt Marion Drombusch in die Praxis ihres betrügerischen Lebensgefährten Peter Wolinski, um einen Schuldschein von ihm unterschreiben zu lassen. Welche Art Papier hat der Schuldschein, den sie ihm vor die Nase legt?«, würde Bob nicht einfach antworten: »Es war ein weißer DIN-A5-Block mit Karos ohne Rand«, nein, die Antwort sähe so aus: »Es war ein weißer DIN-A5-Block mit Karos ohne Rand, Papierstärke drei, und er hat mit einem schwarzen Eddingstift sein Schuldanerkenntnis draufgekritzelt, der Stift war oben schon von irgendeiner nervösen Natur angeknabbert. Hinter Peter Wolinski befand sich der Laborkühlschrank, daneben standen drei Urinproben, eine von Lore Schimmler, die eine Blasenentzündung hatte, eine von Urs Wiedemann, der starke Schmerzen im rechten Unterbauch hatte, und eine von Ali Stoppel, einem Türken, der den deutschen Namen seiner Frau nach der Hochzeit angenommen hat, weil niemand seinen richtigen Nachnamen aussprechen konnte. Im Hintergrund war eine Arzthelferin dabei, Spritzen für Blutabnahmen mit Namensschildchen zu versehen. Ihr Kittel hatte rechts unten einen kleinen Fleck, vermutlich Kaffee, es könnten aber auch Nutellabrotfinger gewesen sein, mit denen ein kleiner Junge sich an sie geklammert hat, der ganz fürchterlich mit seinem Fahrrad gestürzt war und Angst davor hatte, dass die Wunde genäht werden muss. Peter Wolinski trug eine randlose Brille und unter seinem Kittel ein blauweiß gestreiftes Hemd. Ich vermute, die Marke heißt Marc’O’Polo, könnte aber auch C&A gewesen sein. So genau schaut man ja nicht hin, nicht wahr?« Gottschalk würde den Rekord im Überziehen seiner Sendung brechen, falls das Publikum nicht vorher schreiend den Saal verlässt. Was Bob allerdings egal wäre, er würde auch noch weitererzählen, wenn er letztendlich ganz allein im Studio sitzen würde.

Bob weint, weil Vater Drombusch – Siggi heißt der oder hieß er – gerade gestorben ist. Neben ihm liegt eine Leiter, er wollte wohl irgendwie eine Glühbirne auswechseln, als ihn ein Herzinfarkt heimgesucht hat. »O mein Gott«, schnieft Bob. »Wenn er nicht auf die Leiter gestiegen wäre, hätte sein Herz keine Belastung gehabt, und Siggi hätte einfach so weiterleben können. Die arme Witta Pohl. Jetzt muss sie sehen, wie sie zurechtkommt.

Die Kinder, die Kinder, und ich weiß auch gar nicht, ob sie finanziell abgesichert ist. Wie kann man bloß solche Serien drehen?« Bob würde verrückt werden, gäbe es solche Serien nicht. Er hat ein ganzes Video-Archiv, von der »Schwarzwaldklinik« bis hin zum »Traumschiff«. Und er kann alles auswendig mitsprechen.

Bob weint. Wenn Bob weint, gibt es kein Halten mehr. Wenn Bob weint, ist das schlimmer als auf einer Beerdigung.

Weil ich momentan nichts anderes zu tun habe, setze ich mich zu ihm und weine aus Solidarität mit. Weinen befreit ja bekanntlich. Warum kann Weinen eigentlich nicht von Übergewicht befreien? Dann wäre ich in meiner prämenstruellen Phase grundsätzlich unter meinem Idealgewicht.

»O Mann, das kann ja echt nicht wahr sein«, sagt Zladko. »Ihr habt diese Folge schon zehnmal zusammen geschaut, und jedes Mal ist es dasselbe!«

Stimmt ja auch. Aber mit Bob zu weinen ist eben so wunderbar.

Gegen elf Uhr gehen dann alle nach Hause, und ich räume mit Marius zusammen die Gläser in die Küche. Mir fällt ein, dass wir ja morgen einen freien Tag haben, ach wunderbar, ausschlafen zu können. Trotzdem bin ich schrecklich müde, und wir gehen bald schlafen. Ich kann überall sofort einschlafen, weil ich Schlafen so herrlich finde. Ich bin sogar an einer Supermarktkasse mal im Stehen eingeschlafen. Das war sehr unangenehm, weil ich natürlich umgefallen bin. Wäre ich ein Pferd, hätte ich keine Probleme damit, im Stehen zu schlafen. Vielleicht sollte ich nächstes Mal einfach meinen rechten Fuß einknicken, das machen Pferde doch auch mit dem einen Hinterhuf. Dann kann mir nichts mehr passieren.

Am nächsten Morgen holt Marius Brötchen, und wir frühstücken herrlich lange in unseren Schlafis. Beziehungsweise Marius in seinem Flanell-Pyji. Ich liebe Abkürzungen. Direkt nach dem Frühstück lege ich mich wieder aufs Sofa. Genau so muss ein freier Tag sein! Während einer Folge von Enid Blytons »Fünf Freunde und der Zauberer Wu« dämmere ich weg. Dieses Gefühl, seinem Schlafbedürfnis nachgeben zu können, ist mit nichts zu vergleichen. Außerdem freue ich mich jetzt schon wieder aufs Aufwachen, denn Marius hat mir versprochen, einen Kuchen zu backen. Marmorkuchen mit ganz viel Schokoglasur. Den Kuchen werde ich später warm essen, auch wenn ich danach um den Mund aussehe wie ein Säugling, der seinen ersten Zusatzbrei gegessen hat.

Als ich aufwache, steht Marius ganz aufgeregt vor mir. »Mach nochmal die Augen zu!«, sagt er.

Huch, was kommt denn jetzt? Ein Heiratsantrag? Hat er mir Unterwäsche gekauft oder einen Handmixer? Ich mache brav die Augen zu und warte. Marius raschelt herum.

»Augen auf!«, kommandiert er nach einer halben Minute.

Ich öffne die Augen und sehe eine große Papptafel, das Logo eines Reisebüros und von Marius geschrieben die Worte:

»Gutschein für meinen Schatz, mit mir zusammen auf Kreuzfahrt in die Karibik zu gehen!«

Ich muss mich setzen. Marius schaut wie ein gespannter Schuljunge. »Freust du dich?«, lauert er.

Ich kann gar nichts sagen und falle ihm um den Hals. Wenn das keine wahre Liebe ist, dann weiß ich auch nicht.

Ich bin schrecklich aufgeregt. Sofort will ich erzählt haben, wo es überall hingeht, von wo wir starten und überhaupt. Marius holt einen Atlas aus dem Regal, und wir kuscheln uns mit unseren Tassen in eine Decke vors Sofa. Marius hat lieb Tee gemacht. Der Kuchen ist ihm verbrannt, aber das ist jetzt natürlich völlig egal.

»Also«, beginnt Marius. »Wir fliegen von hier aus nach Hamburg und dann geht’s aufs Clubschiff ANITA. Dann fahren wir los, immer Richtung Karibik, klar, und unsere erste Station ist Kuba, da haben wir dann drei Tage Aufenthalt. Von Kuba aus auf die Cayman Islands.«

»Die kenne ich!«, rufe ich stolz. »Auf den Cayman Islands spielt zum Teil ›Die Firma‹ mit Tom Cruise, das war die Szene, wo er so betrunken oder so gemacht wurde, und dann hat er seine Frau betrogen, und dann …«

Marius verdreht die Augen. Er teilt meine überschwängliche Liebe zu Spielfilmen nicht sooo sehr. »Ja ja«, sagt er und streichelt meinen Arm. »Dann Jamaika, Haiti, Dominikanische Republik, Antigua, St. Lucia, Barbados, Grenada und dann Tobago. Und natürlich sind wir überall ein paar Tage. Aber jetzt kommt der Hammer!« Ui, noch was? Marius bläht sich auf wie ein Hahn. »Von Tobago aus fliegen wir dann noch für eine Woche nach Hawaii!« Nach Hawaii! Ich fass es nicht. Ich habe Marius mal erzählt, dass ich so gern mal nach Maui möchte, weil mein Ururopa daher kam und ich dort immer noch irgendwo Verwandte habe. »Du musst dann natürlich vorher Kontakte herstellen, damit wir wissen, wo die genau leben«, sagt Marius.

O Gott, ich muss erst mal den Namen rauskriegen. Und dann irgendwie an Adressen kommen. Aber ich bin schließlich eine gute Journalistin, die so was kann. Hawaii, Karibik, wir kommen!

Kapitel 2

Am nächsten Tag fahre ich beschwingt in die Redaktion und versuche als Erstes, die Telefonnummer vom Einwohnermeldeamt auf Maui herauszubekommen. Ich wähle eine Nummer und gelange in eine Warteschleife. Eine Frau singt ein Lied. Dann singt ein Mann. Man kann nicht verstehen, was gesungen wird, weil das dazugehörige Orchester so laut und falsch spielt, dass ich wahnsinnig werden könnte. Nach ungefähr zwei Jahren sagt eine piepsige Stimme: »Hello, may I help you?«

Mist, was heißt Einwohnermeldeamt auf Englisch? Ich stottere: »Äh, yes, my name is Carolin Schatz in Germany. Is that … is that … are you … I would like to talk with the … with the … the company, who knows, where my family is … äh …«

Oh Gott, wie peinlich. Die Stimme sagt: »Sorry?«

Wo ist Zladko? Er hat schließlich Anglistik studiert. Da vorne sitzt er im Foyer und trinkt Kaffee. Mist, mein Büro ist ganz am anderen Ende. Ich bummere gegen die Glasscheibe und winke, aber niemand nimmt Notiz von mir. Das kann ja wohl nicht wahr sein. Ich könnte aus den Augen bluten oder als lebende Fackel durch die Redaktion laufen, keinen würde es stören.

Ich greife erneut zum Hörer. »Miss, Miss«, sage ich. »Excuse me, I would like to talk with a person who works on the In-Live-Tell-Company!« Das muss sie doch jetzt verstehen. Ich habe quasi wörtlich übersetzt.

»One moment!«

Juhu. Sie hat es verstanden. Eine neue Warteschleife. Diesmal auf Deutsch. Eine Gruppe junger Männer singt: »Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier …« Es geht doch nichts über Touristenwerbung. Entsetzlich – der Gebührenzähler auf meinem Telefon zeigt bereits 18 Euro und vierzig Cent an. Endlich, endlich eine Stimme. »May I help you?« Ich stammle wieder tausendmal yes und no und live und family und bekomme zum Schluss kein Wort mehr raus. Die neue Stimme lässt mich eine halbe Stunde reden, dann sagt sie freundlich: »Sie könn aug deutsch spreg mit mir.« Hätte die Stimme das gleich gesagt, wäre der Sender jetzt nicht um vierhundert Euro ärmer und die Stimme hätte auch nicht so viel Spaß gehabt. Ich bin ziemlich böse, aber die Stimme (ich kann nicht orten, ob es ein Mann oder eine Frau ist) ist sehr freundlich, und ja, ich sei richtig, das sei das Einwohnermeldeamt Maui (ich bin gut im Direktübersetzen, o ja, ich bin gut), und er/sie schaue gleig mal nag, ob es eine Familie mit dem Namen Kauarilada gäbe. Die Info habe ich von einer entfernten Kusine, die ich zum Glück erreicht habe. Meine Mutter wollte ich mir nicht antun, das wäre wieder was geworden – »Warum willst du das denn wissen, was hast du denn vor, das macht man doch nicht, da einfach anrufen« usw. Es raschelt in der Leitung, er/sie wühlt in Papieren oder tippt was in einen Computer, und dann: »Habe ig gefunden. Wohnen nigt direkt in Maui-Stadt, sondern in kleine Ort an Ozean. Ig gebe Nummer.«

Mit zitternden Händen schreibe ich mit. Ich habe meine Vorfahren gefunden! Bedanke mich vielmals bei dem Menschen und wähle die Nummer. Es tutet endlos lange, dann ist irgendein Kind am Telefon. Es spricht natürlich nur englisch. So geht das nicht. Ich rufe »Wait a moment« und hole Zladko. Eine Viertelstunde später weiß ich, dass die Familie auf Maui, zu der ich ja auch irgendwie gehöre, aus ungefähr fünfzig Personen besteht. Sie leben in Baumhäusern und ernähren sich zwar auch von Beeren und Käfern, essen aber auch gern mal eine Pizza oder einen Hotdog. Selbstverständlich gibt es in den Baumhäusern auch E-Mail-Anschluss. Irgendjemand erinnert sich sogar daran, dass Nuave, so hieß mein Ururopa, damals in Deutschland war. Auf irgendeinem Bananendampfer. Die Hawaiianer bitten Zladko, das Telefon laut zu stellen, was er auch tut, dann rufen sie lauthals: »Welcome to Hawaii, our new daughter!!! Yippie! Yeah!« Und das so laut, dass alle aus dem Großraumbüro angedackelt kommen und uns verständnislos anschauen. Zladko macht aus, dass ich später nochmal anrufe, um mit irgendeinem Verantwortlichen wegen des Besuches zu reden. Ich bin jedenfalls erst mal zufrieden.

Später ruft Marius an und sagt, dass es heute Abend bei ihm später wird. Sofort werde ich eifersüchtig, aber ich tue so, als mache mir das gar nichts aus, und frage auch nicht, warum es später wird. Es ist schlimm mit meiner Eifersucht. Obwohl ich überhaupt keinen Grund habe, denke ich immer, dass er mich betrügen könnte. Total dämlich.

Ich mache auch nicht nochmal den Fehler, jemandem hinterherzuspionieren. Habe das einmal getan. Mein Ex hat behauptet, abends mit einem Freund ein Bier trinken gehen zu wollen. Ich war mir sicher, dass er sich mit Nadja trifft. Nadja war damals so eine Tusse, die alle Männer angemacht hat. Sie sah noch nicht mal besonders toll aus, hatte aber das gewisse Etwas. Ich hatte auch das gewisse Etwas, in diesem Fall von Dämlichkeit, denn ich bin zusammen mit meiner Freundin Alex in ihrem neuen Auto, das mein Ex, Steffen, nicht kannte, von Kneipe zu Kneipe gefahren und hatte eine Simpsons-Maske auf, damit er mich nicht erkennt, wenn ich durch die Scheiben der Kneipe schaue. Irgendwann verrutschte mir die Maske, als ich gerade auf den »Bärenhof« zulief. So merkte ich nicht, dass ein Mofafahrer daherkam, und wurde prompt umgefahren. Alex hat laut um Hilfe gerufen, alle kamen aus dem »Bärenhof« gerannt, und ich lag zusammen mit dem Mofafahrer auf der Straße. Dummerweise war Steffen auch im »Bärenhof«. Mit einem Freund.

Ich glaube, ich habe damals behauptet, für ein Laienspielstück zu proben, weil komische Darsteller gesucht wurden. Geglaubt hat er mir das bis heute nicht.

Habe gar keine Lust, den Abend allein zu verbringen, und rufe Gero an. Der sagt, er hätte eigentlich mit seinem Freund Tom zu einem meditativen Kochkurs an der Volkshochschule gehen wollen, aber der würde ausfallen. Ein meditativer Kochkurs? Ja, sagt Gero, eigentlich wollten sie den Kurs »Ich male mir ein Mandala mit Fingerfarben« machen, aber der wäre ausgebucht gewesen. Ah ja. Ich frage lieber nicht nach und schlage vor, beim »Schorsch«, unserer Watzelborner Stammkneipe, einen trinken zu gehen.

Kurze Zeit später ruft Pitbull in der Redaktion an. Er will ein paar Sachen wegen des Clubs besprechen und fragt, ob ich mich auf ein Bier mit ihm treffe. Ich sage ihm, er soll doch mit zum »Schorsch« kommen, und erzähle von Geros abgesagtem Kochkurs. »Hehehe«, macht Pitbull, »hört sich echt schwul an. Obwohl …«, er überlegt, »so’n Kochkurs wär vielleicht mal ganz gut für mich.«

Hä? Ich sage: »Wieso, du kochst doch sowieso nie?«

Pitbull antwortet: »Eben deswegen. Weil ich es nicht kann. Außerdem …« Er stockt.

»Was ist?«, frage ich.

»Na ja, ich hab ’ne Frau kennengelernt«, gesteht er.

»Du hast WAS?« MEIN Pitbull hat eine Frau kennengelernt.

O nein! So nicht. »Wo?«, frage ich lauernd.

»Beim ›Schorsch‹. Ich war gestern Abend da und hab ein Rippchen mit Kraut gegessen. Da fragt plötzlich jemand: ›Ist hier noch frei?‹ Ich sag ›ja, klar, aber immer doch‹, und schon kamen wir ins Gespräch. Sie ist klasse, Caro.«

»Wie heißt sie denn?«, will ich wissen.

»Margot«, sagt Pitbull.

Margot. Wie kann jemand Margot heißen? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Margot wohnt mit ihrer Mutter zusammen, war noch nie in einer festen Partnerschaft und muss sich rechtfertigen, wenn sie abends eine Viertelstunde später als gewöhnlich von ihrem Job als Küsterin in der Epiphaniengemeinde nach Hause kommt. Mutti ist besorgt, aber auch böse, weil der Abendbrottisch schon gedeckt ist (Vollkornbrot, Gewürzgürkchen, Diätmargarine, hart gekochte Eier, aufgeschnittene Tomaten, Tofupaste und Ziegenkäse aus dem Reformhaus und dazu Pfefferminztee) und sie überlegt hat, alles schon wieder wegzupacken. Diese Margot hatte noch nie Sex und war nur zufällig beim »Schorsch«, weil sie eben mal auf die Toilette gehen wollte, um ihre Stützstrümpfe aus der Apotheke zu richten. Oder Margot ist eigentlich keine Margot, sie hat sich diesen Namen nur zugelegt, weil er harmlos klingt. Margot II ist eine Heiratsschwindlerin, hat schon acht Millionen Euro auf dem Konto und nimmt die Kerle aus bis zum Gehtnichtmehr, um sich dann in Sibylle oder Waltraud umzubenennen. Und das meinem Pitbull? Ich muss das verhindern.

»Wann siehst du ›Margot‹ denn wieder?«, frage ich scheinheilig. Leider kennt Pitbull mich zu gut, denn er sagt: »Du musst den Namen gar nicht so komisch aussprechen, sie ist wirklich nett. Echt.«

Papperlapapp. Ich muss diese Möchtegern-Margot kennenlernen. »Du kannst sie ja heute Abend mitbringen«, schlage ich vor.

»Mal sehen«, weicht Pitbull aus. »Ich muss sie doch auch erst mal besser kennenlernen.«

Jedenfalls wollen wir uns um halb acht beim »Schorsch« treffen. Fein. Dann kann ich vorher im Sender mit Nini noch »Verbotene Liebe« schauen.

Verbringe die nächsten Stunden damit, eine Gewinnspielaktion zu planen, die über einen Monat laufen soll, und gerate bei der Sponsorsuche während eines Telefonats an einen Mann, der behauptet, ich sei der einzige Mensch, dem er seine Sorgen erzählen könne. Der Mann heißt Oskar und ist furchtbar böse auf seine Frau, die sich einen jüngeren Liebhaber zugelegt habe, und er, Oskar, müsse jetzt sehen, wie er allein zurechtkomme. Sie sei nämlich Knall auf Fall ausgezogen und habe auch noch die Kinder bei ihm gelassen. Und er mit seinem anstrengenden Job in der Pressestelle, wie soll er das alles schaffen!

Ich weiß auch nicht, wie ich das mache, dass alle Leute mir immer alles erzählen. Ich höre einfach zu, vielleicht ist das der Grund. Innerhalb von fünf Minuten erfahre ich, dass Oskar vor Aufregung Fußpilz hat, am Bauchnabel eine Schuppenflechte und außerdem Tinnitus. Das Sausen mache ihn ganz verrückt, erzählt er erzürnt. Es gehe auch nachts nicht weg, das Sausen. Als ob die Sirenen eines Probealarms seine ständigen Begleiterinnen seien. Und dann das Einkaufen fürs Wochenende. Das sei eine Katastrophe sondersgleichen. Immer dieses Gedränge und unfreundliche Kassiererinnen und die nörgelnden Kinder. Und der anstrengende Job in der Pressestelle. Und überhaupt.

Gleich werde ich verrückt, gleich. Ich versuche, ihn zu fragen, ob die Firma »Grünstich« uns fünf Autoradios mit CD-Wechsler zum Verlosen zur Verfügung stellen würde, aber er reagiert schnaubend mit den Worten: »Pah, wenn das Ihre Probleme sind, dann gute Nacht!«

Ich möchte diese Autoradios aber unbedingt haben und biete ihm selbstlos an, doch mal mit seiner Frau zu telefonieren.

»Die ist doch immer mit dem Kerl in der Kiste!«, brüllt Oskar wütend. »Aber bitte, bitte! Ich geb Ihnen die Nummer!«

Auch das noch. Wie konnte ich das nur anbieten. Ich verspreche Oskar, gleich zurückzurufen, und wähle die Nummer seiner Frau.

Eine Viertelstunde später habe ich eine Ehe gerettet. Ilse ist ja so froh, dass ich am Apparat bin. Sie würde den Oskar wohl noch lieben und sie wollte ihm nur zeigen, dass er nicht alles mit ihr machen kann und das Rumkommandieren und überhaupt und blablabla. Und der Norbi (der Liebhaber) könne nichts außer poppen und das noch nicht mal gut und würde ständig abends mit seinen Kumpels weggehen und sie dann nachts, wenn er betrunken heimkommt, wecken und sie zwingen, ihm ein Kräuteromelette zuzubereiten (ob man das auch lernt im Meditations-Kochkurs?) oder mit ihm einen aufgezeichneten Spielfilm zu schauen. Sie möge Rutger Hauer aber gar nicht. UnddanndieKinder!!! Die vermisse sie schrecklich und Oskar auch, und sie sei bislang nur zu stolz gewesen, das sei bestimmt falscher Stolz, und alles sei ganz, ganz entsetzlich und wer ich denn überhaupt sei. Ich könnte jetzt natürlich fies sein und sagen: »Na, die neue Freundin von Oskar! Wenn die Scheidung durch ist, werden wir heiraten!« Aber dann würde ich die Autoradios ja nicht bekommen. Also sage ich die Wahrheit und Ilsebilse fragt, ob ich nochmal eben bei Oskar anrufen kann und ihn fragen, ob sie heute Abend zurückkommen soll. Sie würde dann derweil packen. Ich bejahe und rufe Oskar an. Oskar fängt vor Erleichterung an zu weinen und weiß überhaupt nicht, wie er das jemals wieder gutmachen kann.

Das Ende vom Lied ist, dass wir nicht nur fünf Autoradios mit CD-Wechsler bekommen, nein, Oskar schenkt mir auch noch ein Grünstich-Autoradio mit CD-Wechsler und integriertem Navigationssystem. Für mich persönlich. Eigentlich darf ich das nicht annehmen, aber da ich mich wegen mangelnder Orientalisierung so oft verfahre, nehme ich dankend an. Und als ob es damit noch nicht genug wäre, sagt Oskar, dass Grünstich uns bei der nächsten ganz großen Aktion zwanzigtausend Euro an Sponsorgeld zur Verfügung stellen wird. Wenn ich noch zwei Minuten dranbleibe, krieg ich vielleicht noch ein Auto. Oder eine Urlaubsreise nach Westindien mit Vollpension. Oskar sagt nochmals, wie dankbar er mir sei und dass er mir jetzt unsere getroffenen Vereinbarungen per Fax bestätigt.

Wir legen beide glücklich auf. Warum sind nicht alle Kooperationspartner in einer Ehekrise, aus der ich sie befreie? Dann könnten wir uns vor Verlosungsmaterial und Sponsorgeldern nicht mehr retten.

Um halb acht stehe ich vor der Tür vom »Schorsch«. Da kommen Gero und Tom. Warum müssen die beiden sich eigentlich immer anziehen wie Zwillinge? (»Na, damit jeder sieht, dass wir zusammen sind, Caro. Sonst werden wir noch von Frauen angemacht.«) Allmächtiger. Und da hinten kommt Pitbull. Heute gar nicht in seinen Harley-Davidson-Klamotten, sondern brav in Jeans und Hemd.

Das Erste, was wir beim Reinkommen sehen, ist eine heulende, verquollene Mausi, die einen riesigen Bembel mit Apfelwein vor sich stehen hat. Als sie uns sieht, jault sie los: »Oh, Caaaaarooooo, äääääääächt, endlich seid ihr da, ich muss euch was gaaaaanz Schlimmes erzählen!« Was ist denn jetzt schon wieder los? Hat sie in ihrer Wurstabteilung einer Kundin Geflügelsalami statt Mettwurst verkauft, ohne sie auf die Verwechslung hinzuweisen? Mausi greint so laut, dass alle schon schauen und selbst Schorsch hinter dem Tresen den Kopf schüttelt.

»Na, dann erzähl mal, Mausi«, sage ich und nehme mir einen Schluck Äppler.

»Little Joe ist so gemein«, sagt Mausi. »Er hat heute zu mir gesagt, dass er möchte, dass ich einen Kurs im Countrysingen belege und mir die Haare färben lasse und den Busen so geilcool vergrößern lassen soll und die Lippen aufspritzen lassen soll, dass ich dann so aussehe, wie diese eine Frau, die immer auf Koppeln sitzt und singt. Und einen Hut soll ich mir auch aufsetzen.«

Huch. »Welche Frau sitzt denn auf Koppeln und singt?«, frage ich blöde. »Pamela Anderson?«

»Also, Caro, das ist doch die aus ›Baywatch‹!«, rügt mich Gero. Stimmt. Aber hat die nicht auch Lippen so groß wie eine Wasserbanane? Wenn man Pamela Anderson unter ein brennendes Hochhaus stellt, könnten die Leute unbesorgt springen, sie würde alle mit ihren Lippen und überdimensionalen Brüsten auffangen. Wenn sie auf dem Rücken liegt, denken Kinder bestimmt, eine Hüpfburg sei aufgebaut worden. »Also wer nun?«, frage ich.

»Little Joe meint Dolly Parton«, sagt Pitbull.

Mausi nickt verzweifelt. Also ich kann Little Joe wirklich nicht verstehen. Mausis Oberweite ist so schon enorm, ich wette, irgendwas mit 90 C oder so, damit muss man doch zufrieden sein. Ich verspreche Mausi, mal mit Little Joe zu sprechen. Sie hat schreckliche Angst, dass er sie wegen ihrer 90 C und nicht vorhandenen Singstimme verlassen könnte.

Die Tür geht auf, und eine Frau kommt herein. Pitbull springt auf und strahlt. »Hallo Margot«, ruft er euphorisch.

Schnell umgedreht und geschaut. Hilf Himmel. Margot fällt unter die Kategorie Frau, von der man sagt, »sie sah früher mal ganz gut aus, aber jetzt ist sie vom Leben gezeichnet«. Margot kommt mit Walkürenschritten an unseren Tisch gelaufen und klopft zur Begrüßung darauf. Als ob wir ein Stammtisch wären. Dann sagt sie auch noch: »Na, Freunde, dann erst mal einen Kurzen. Nein, zwei, auf einem Bein kann man ja nicht stehen, hahaha.« Dann schlägt sie mir auf die Schulter und sagt: »Alte, rutsch mal ’n Stück!« Das kann ja heiter werden. Margot ist zweimal geschieden und betreibt zusammen mit ihrem Bruder eine Firma für Fußabtreter in Frankfurt. Sie designt teilweise die Fußabtreter noch selbst und ist sehr stolz darauf. Am besten gefallen ihr die Fußabtreter mit kleinen Elefanten drauf, die durch eine Sprechblase rufen: »Hereinspaziert!« Ob ich die kennen würde? Auf mein Verneinen hin wird sie sauer und fragt, ob ich denn keinen Fußabtreter vor meiner Wohnungstür liegen hätte? Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht so genau, ob wir einen haben. Margot ignoriert mich von diesem Augenblick an, was ich aber nicht weiter schlimm finde. Ich kann mich stattdessen ja mit Gero und Tom darüber unterhalten, ob Tantra und Mikrowellengerichte vereinbar sind.

Marius ist schon zu Hause, als ich komme, und wir trinken noch ein Glas Wein zusammen. Ich bin froh, dass wir so normal sind.

Am nächsten Tag gehe ich zu Jo, meinem Chef, und reiche Urlaub ein. In zwei Wochen fliegen wir. Juhu, das wird ein Spaß. Hoffentlich passe ich in meinen Bikini. Das Essen auf der ANITA soll ja phantastisch sein. Ich kann Leute nicht verstehen, die ihren Urlaub in Ferienwohnungen verbringen. Da kann man doch auch gleich zu Hause bleiben. Super Erholung für die Mutter einer sechsköpfigen Familie, die jeden Tag damit verbringen muss, Frühstück zu machen, zu spülen und im Timmendorfer Supermarkt das Mittagessen einzukaufen, während ihr Mann am Strand liegt und die Bildzeitung liest und irgendwelche Kinder ständig nölen und sich um Wasserbälle streiten und sich gegenseitig ihre Sandburgen eintreten.

Da haben wir es doch wirklich besser.

Obwohl – nach Timmendorf kann man bequem mit dem Auto fahren. Nach Hawaii müssen wir dann fliegen. Ich habe Angst vorm Fliegen. Und wer weiß, was alles auf dem Schiff passiert. Ach was. Auf dem »Traumschiff« passiert auch nie was, außer dass sich immer irgendjemand verliebt oder Liebeskummer hat oder sauer ist, weil er nicht am Kapitänstisch sitzen darf. Oder eine Frau Anfang fünfzig ist der festen Überzeugung, sie sei unheilbar krank wegen einer Wucherung am Oberbauch, und dann stellt sich heraus, dass sie lediglich ihren Brustbeutel nicht ausgezogen hat. An »Titanic« will ich gar nicht erst denken, sonst verbringe ich meinen Urlaub lieber in einer Pension im Sauerland. Alles wird gut gehen, alles. Wir werden eine Menge Spaß haben, und alle werden denken, wir seien die Bordanimateure. Haha. Also, dass ich mich immer so verrückt machen muss. Warum sollte nicht alles reibungslos funktionieren?

Weil nie etwas reibungslos funktioniert in meinem Leben.

Aber jetzt warte ich erst mal ungeduldig auf einen Kooperationspartner, der uns einen Verrechnungsscheck für eine Programmaktion persönlich vorbeibringen will. Ich sage zu unserer Sekretärin, dass sie mir unbedingt Bescheid geben soll, wenn ein Dirk Schnöppel beim Hauptpförtner ist. Er kommt und kommt aber nicht. Herr Schnöppel muss uns vergessen haben. Ich werde ungeduldig. Als ich Cara zum hundertsten Mal frage, ob jemand unten ist, verneint sie wieder, meint aber, seit einer Stunde würde ein Timo Beil auf mich warten. Da ich aber keinen Termin mit einem Timo Beil habe, ignoriere ich das, bis Jo, unser Chef, ziemlich sauer in mein Büro kommt und meint, dass ihn eben Herr Schnöppel angerufen und sich darüber beschwert habe, dass ich ihn in der Halle unten sitzen lassen würde. Die Kooperation könnten wir jetzt wohl auch vergessen. Es stellt sich heraus, dass Dirk Schnöppel Timo Beil ist, da wir die Kooperation mit T-Mobile getroffen haben und Herr Schnöppel dummerweise seinen Namen nicht gesagt hatte, sondern nur die Firma. Ich kann ihn zum Glück beruhigen und ihm den Scheck doch noch abknöpfen, was Jo dann auch beruhigt.

Bringe die nächsten Wochen mehr schlecht als recht über die Runden und bin froh, als ich meinen letzten Arbeitstag habe. Nini macht meine Vertretung, und ich vertraue ihr meinen Rolodex mit allen wichtigen Telefonnummern an.

»Mensch, Caro«, sagt sie, als ich mich verabschiede. »Ich hab ein ungutes Gefühl bei diesem Urlaub. Also nicht, dass ich ihn dir nicht gönne, aber bei dir muss man eben immer mit dem Schlimmsten rechnen.«

Ich bin entsetzt. »Was meinst du denn?«, frage ich ängstlich.

Nini blickt Zladko und Bob an, und beide schauen auf den Boden. »Na ja«, meint Nini irgendwann, »es könnte ja sein, dass du entführt wirst, oder du triffst einen Kannibalen, weil du dich verlaufen hast, oder einen ausgehungerten Grizzly oder sonst was!«

Also wirklich. »Grizzlys leben in Nordamerika«, sage ich böse. »Einen Grizzly treffe ich ganz bestimmt nicht.«

»Aber Kannibalen gibt es auch in der Karibik«, kontert Bob.