Reeperwahn - Steffi von Wolff - E-Book
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Reeperwahn E-Book

Steffi von Wolff

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Beschreibung

Was ist schon ein kleiner Mord unter Freunden? Das Comedy-Feuerwerk »ReeperWahn« von Bestsellerautorin Steffi von Wolff jetzt als eBook bei dotbooks. Geben Sie’s zu, Sie wollten Ihre Vorgesetzten doch sicher auch schon Mal auf den Mond schießen, oder? Gerlinde, Peggy und die anderen Mitarbeiterinnen eines Hamburger Kiez-Magazins sind jedenfalls schwer genervt von ihrem Chef, dessen merkwürdige Ideen sie regelmäßig in den Wahnsinn treiben. Und irgendwann ist für sie klar: Der Kerl muss weg, und zwar sofort! Da trifft es sich gut, dass die Damenriege gerade den charmanten Oscar kennengelernt hat – und der ist trotz seiner Hausstauballergie angeblich ein Profikiller … Aber kann das gut gehen? Keine Chance für schlechte Laune: »Nicht ladylike, aber saukomisch!« BILD AM SONNTAG Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die turbulente Komödie »ReeperWahn« von Bestseller-Autorin Steffi von Wolff. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 385

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Über dieses Buch:

Geben Sie’s zu, Sie wollten Ihre Vorgesetzten doch sicher auch schon Mal auf den Mond schießen, oder? Gerlinde, Peggy und die anderen Mitarbeiterinnen eines Hamburger Kiez-Magazins sind jedenfalls schwer genervt von ihrem Chef, dessen merkwürdige Ideen sie regelmäßig in den Wahnsinn treiben. Und irgendwann ist für sie klar: Der Kerl muss weg, und zwar sofort! Da trifft es sich gut, dass die Damenriege gerade den charmanten Oscar kennengelernt hat – und der ist trotz seiner Hausstauballergie angeblich ein Profikiller … Aber kann das gut gehen?

Keine Chance für schlechte Laune: »Nicht ladylike, aber saukomisch!« BILD AM SONNTAG

Über die Autorin:

Steffi von Wolff, geboren 1966 in Hessen, war Reporterin, Redakteurin und Moderatorin bei verschiedenen Radiosendern. Heute arbeitet sie freiberuflich für Zeitungen und Magazine wie »Bild am Sonntag« und »Brigitte«, ist als Roman- und Sachbuch-Autorin erfolgreich und wird von vielen Fans als »Comedyqueen« gefeiert. Steffi von Wolff lebt mit ihrem Mann in Hamburg.

Die Autorin im Internet: www.steffivonwolff.de und www.facebook.com/steffivonwolff.autorin

Steffi von Wolff veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Bestseller »Glitzerbarbie«, »Gruppen-Ex« und »Rostfrei«, »Fräulein Cosima erlebt ein Wunder«, »Das kleine Segelboot des Glücks«, »Der kleine Buchclub der Träume«, »Das kleine Hotel an der Nordsee«, »Das kleine Haus am Ende der Welt« und »Das kleine Appartement des Glücks« sowie die Kurzgeschichten-Sammelbände »Das kleine Liebeschaos für Glückssucher« und »Das kleine Glück im Weihnachtstrubel«. Eine andere Seite ihres Könnens zeigt Steffi von Wolff unter ihrem Pseudonym Rebecca Stephan im ebenso einfühlsamen wie bewegenden Roman »Zwei halbe Leben«.

***

eBook-Neuausgabe September 2021

Copyright © der Originalausgabe 2005 by Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, Memmingen, unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock/Mellefrenchy und Shutterstock/ANNA_KOVA

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96655-877-8

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Besuchen Sie uns im Internet:

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blog.dotbooks.de/

Steffi von Wolff

Reeperwahn

Roman

dotbooks.

Starring

Gerlinde Fuchs, eine gutmütige Redakteurin beim Kiez-Report

Peggy Stillhagen, eine ehrgeizige Redakteurin beim Kiez-Report

Heidi Schwefel, eine hungrige Grafikerin beim Kiez-Report

Brigitte van Helsing, eine vergessliche Grafikerin beim Kiez-Report

Liesel Fricke, eine handfeste Sekretärin beim Kiez-Report

Heinrich Fuchs, ein kurzsichtiger Alligator

Herbert Loose, der cholerische Chefredakteur des Kiez-Reports

Hetty Loose, seine bügelbesessene Ehefrau

Ortwin Reiher, der überforderte Prokurist des Kiez-Reports

Giselher Stubenlast, der etwas andere Bestattungsunternehmer

Oscar, ein asthmatischer Auftragskiller

Hauke, ein ambitionierter Leichentransporteur

Anastasia, ein weibliches Reptil

Hubert Möller, ein glückloser Gerichtsvollzieher

Giorgio Simader, ein kulturell interessierter Kriminalinspektor Gudrun Simader, seine kulturell interessierte Gattin

Torben Trautmann, ein schuppenflechtegeplagter Kriminalinspektor

Wulf Kümmel, ein zugezogener Polizist

Victor Scharf, ein zugezogener Polizist

Izmail Kebab, ein zugezogener Polizist

Kai, der Azubi

Washington Fricke, Friedrich Toblaski, Volker D., Claudia G-Punkt, Jan O., Bernadette ç., Fridolin B., Martin L. und Bruder Viktorius

Special Appearances

Rainer von Ochs, Erster Regierender Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg

Marianne Lustig, Bestsellerautorin

Die Hektor-Hüpfer-Foundation

zwei Wellensittiche, ein Zackenbarsch und ein kleines Huftier

Bei der Produktion dieses Werkes sind keine lebenden Tiere zu Schaden gekommen.

Alcatraz. Allein das Wort lässt einem Schauer über den Rücken laufen. Alcatraz bedeutete Horror, Gefangenenmisshandlung, offene Wunden und vor allen Dingen: kein Entkommen. Wer in Fußketten nach Alcatraz verlegt wurde, hatte etwas Schlimmes getan. Meucheleien unter den Gefangenen waren an der Tagesordnung. Skorbut auch. Glaube ich zumindest. Jedenfalls muss es furchtbar gewesen sein in Alcatraz. Bestimmt gab es auch Ungeziefer. Ratten mit messerscharfen Zähnen und blutunterlaufenen Augen, und die Gefangenen konnten sich nicht gegen sie wehren, weil sie nämlich festgekettet waren und sich jahrelang fragten, warum sie nicht einfach sterben dürfen. Und hofften, dass eine Ratte sie endlich annagt.

Aber Alcatraz war mit Sicherheit ein Zuckerschlecken gegen einen Job beim Kiez-Report. Ach, wenn es doch Alcatraz noch gäbe! Ich würde mich sofort um eine Gefangenschaft dort bemühen.

Kapitel 1

Herbert schwitzt. Er schwitzt so, dass er kaum noch seine Kamera halten kann. Ständig rutscht sie ab, weil Herberts Hände schweißnass sind. Die Schweißtropfen laufen in Bächen sein Gesicht herunter. Unter seinem Polyesterhemd befinden sich in Achselhöhe platztellergroße nasse Flecken. Seine speckige Hose, die das letzte Mal in den zwanziger Jahren gewaschen wurde, müffelt. Der ganze Mann müffelt.

Wir stehen zu viert im Studio, einem kleinen, fensterlosen Raum hinter der eigentlichen Redaktion. Weil das Studio kein Fenster hat, kann man hier auch nicht lüften, und für eine Klimaanlage oder einen Ventilator ist Herbert zu geizig.

»Stell dich doch mal geil hin jetzt!«, fährt er das Model aus Litauen an, das gar nicht versteht, was er sagt. Herbert hüpft vor ihr auf und ab. Eine unangenehme Duftwolke breitet sich im Studio aus.

Herbert ist ein schrecklicher Mensch. Er sieht auch schrecklich aus. Seine Haare sind rot und fallen manchmal in Büscheln aus. Dann behauptet er immer, er habe kreisrunden Haarausfall. Herbert ist kein Kostverächter und wiegt deswegen über hundertzwanzig Kilo bei einer Größe von unter einem Meter siebzig.

Er stellt sich vor dem Model in Pose und macht Handbewegungen, die ihr klar machen sollen, dass sie sich genauso wie er hinstellen soll. Er verschränkt die Arme hinter dem Kopf und steht breitbeinig vor ihr: »So! Kapito! So stellen!«

Das Model scheint endlich zu verstehen, was er meint, und stellt sich schüchtern in Positur. Hilfesuchend schaut die Frau uns an. Peggy blickt zu mir. Ist das wieder furchtbar alles.

»Die glotzt so doof, die glotzt viel zu doof.«, motzt Herbert. »Sag der mal, dass sie nicht so doof glotzen soll!«

Wir schauen zu Ivanka, dem litauischen Model, und lachen und deuten dann auf sie. Sie fängt an zu weinen.

»Sicher denkt sie jetzt, wir lachen sie aus«, sagt Peggy und schüttelt den Kopf. »Nein, du lachen, du!«

»So eine Scheiße. Warum tu ich mir das überhaupt noch an«, krakeelt Herbert. »Jetzt ist auch noch der Film voll!« Durch seine riesengroße Hornbrille, die ihn wie einen Uhu aussehen lässt, starrt er auf seinen Fotoapparat und öffnet das Filmfach. Umständlich nestelt er an dem Film herum. »Die blöde Nuss soll lachen und geil schauen!«, ruft er uns zu. »Jetzt macht mal hin! Ihr könnt froh sein, heutzutage einen Job zu haben, ein Anruf genügt und hier stehen die Redakteure Schlange!« So feinfühlig und nett ist er, unser Herbert. »Warum beschäftige ich überhaupt Frauen«, fügt er genervt hinzu. »Es ist doch schon schlimm genug, dass ich die dauernd fotografieren muss. Alles Scheiße, alles Scheiße! Ab nächsten Monat gibt’s ’ne Gehaltskürzung, damit ihr’s wisst. Wem das nicht passt, kann gehen!« Dann läuft er einfach aus dem Studio und lässt uns mit dem Model zurück.

»Ich brauche ein anderes Wort für Muschi«, sagt Peggy und schaut mich verzweifelt an. »Ich kann doch nicht immer Muschi schreiben. Die Leser denken ja, es geht um eine Katze.«

Ich suche meinen Schnellhefter, in dem ich mal verschiedene Ausdrücke für die diversen Körperteile von Frauen und Männern gesammelt habe. Hier: Pussy, Lustgrotte, Lustkanal, Bärchen, wenn Schamhaare vorhanden sind, und Liebesmuschel.

»Nimm Liebesmuschel«, sage ich zu Peggy und trinke einen Schluck Kaffee.

»Liiiiiebesmuschel! Ich glaub, ich brenne«, ruft sie und schüttelt den Kopf. »Wie hört sich das denn an? Das hat König Ludwig der Vierzehnte vielleicht zu seinen Mätressen gesagt, aber das kann ich doch nicht für diese Wichsvorlage nehmen.«

Es ist Montag, zehn Uhr dreißig. Es ist Frühling. Draußen zwitschern Vögel. Es ist auch schon relativ warm. Es könnte ein schöner Tag werden. Wir sind noch allein. Herbert kommt immer später. Herbert ist der Chefredakteur vom Kiez-Report. Er hat keinen Plan davon, was wir fünf Kolleginnen hier den ganzen Tag machen, ist ein notorischer Nörgler, ein ekelhafter Besserwisser und noch dazu ein Hypochonder.

»Ich werde bald sterben, Frau … Frau … äh, Frau … Fuchs«, pflegt er mit dümmlicher Stimme zu klagen, »hier, sehen Sie sich dieses Geschwür an! Es wird sich öffnen, bald schon sogar!« So was macht er gern, wenn man beim Mittagessen sitzt und ganz genau weiß, dass man keinen Appetit mehr auf die Pizza oder die Nudeln hat, wenn er einem seinen Unterarm hinhält, an dem sich eine Eiterbeule befindet, die kurz vorm Platzen ist. »Es wird sich entzünden und meine Tetanusimpfung wird gar nichts nützen. Wissen Sie, wie furchtbar es ist, an einer Entzündung zu sterben?« »Nein, das weiß ich nicht, woher denn auch«, antworte ich dann genervt, aber Herbert hört nicht auf: »Es sind grausame Schmerzen«, phantasiert er, »es dauert Tage, wenn nicht Wochen. Dann endlich der Tod – eine Erlösung!« Er bringt es fertig, die Eiterbeule vor unseren Augen auszudrücken, um dann doch nicht zu sterben. Denn Herbert ist ein zäher Brocken. Er wird uns alle überleben und dann die nächsten Menschen in den Wahnsinn treiben.

»Ich schreibe gar nichts mit Muschi«, entschließt sich Peggy. »Ich schreibe einfach, dass sie den Lustbolzen zwischen ihren bebenden Schenkeln spüren möchte. Wie findest du das?« Ich nicke und schaue mir das Dia an.

»Wäre nicht wabbelnde Schenkel besser?«, frage ich und schaue mir die dauergeile Hausfrau Frieda an, die zwar verheiratet ist, es aber gern mal mit dem Schlosser treibt, der momentan in dem Mehrfamilienhaus zu tun hat, in dem Frieda wohnt. Frieda wiegt ungefähr zweihundert Kilo, und ich frage mich, ob der Schlosser bei ihr überhaupt den richtigen Eingang finden kann bei der Masse an Fleisch. Aber Handwerker lassen sich ja so schnell nicht unterkriegen.

»Wie war dein Wochenende?«, frage ich.

»Ich habe wieder eine Absage bekommen«, sagt Peggy bitter und sortiert ein paar Dias mit fetten Frauen in eine Klarsichthülle. »Wo hast du dich denn beworben?«, frage ich teilnahmsvoll. »Beim Mauser-Verlag«, sagt Peggy böse. »Angeblich bin ich in der engeren Auswahl gewesen, aber dann hat man sich letztendlich doch für eine Mitbewerberin entschieden. Ich sei überqualifiziert, haben sie geschrieben.«

»Ach«, sage ich und wundere mich ein wenig, »wieso denn überqualifiziert?«

»Das schreiben die doch einfach nur so«, regt sich Peggy auf und knallt die Klarsichthülle in ein Ablagefach. »Damit nehmen sie einem den Wind aus den Segeln. Idioten! Ich werde bis an mein Lebensende in diesem Bumsschuppen hier sitzen und deformierten Weibern blöde Namen geben, damit sich irgendwelche LKW-Fahrer darauf einen runterholen! Ich werde hier auf diesem Stuhl sterben!«

Wir sind zu fünft in der Redaktion und wir sind alles Frauen. Wir sind alle Mitte dreißig, außer Liesel, die ist Mitte vierzig. Außer dem Kiez-Report bringen wir noch ungefähr fünfundzwanzig andere Hefte raus. Nein, es sind keine abwechslungsreichen Hefte, nichts wie Wild & Hund oder Meine Familie & ich, es sind alles Hefte, in denen es um das Grundbedürfnis der Menschheit geht: Sex. Beziehungsweise das Grundbedürfnis der Männer. Denn Frauen lesen unsere Zeitschriften so gut wie gar nicht. Sie kommen nur drin vor.

Mal sind die Frauen schlank, mal mollig, mal superfett, mal sind sie bisexuell, tragen gern Nylonstrümpfe oder Lack und Leder. Manche mögen auch Sex an außergewöhnlichen Orten. Aber eins wollen sie alle: Vögeln, bis die Schwarte kracht. Peggys und meine Aufgabe ist es, die entsprechenden Dias für die diversen Hefte auszusuchen und einzukaufen, den Tussen Namen zu geben und die entsprechenden Texte zu verfassen. Unsere Zielgruppe sind Männer im Alter von zwanzig bis hundert, die a) entweder keine Frau abkriegen und sich ihre Befriedigung auf diesem Wege holen, b) eine Frau haben, die nicht mit ihnen ins Bett will oder, und das halte ich für am wahrscheinlichsten, c) sich einer Frau gegenüber einfach nicht artikulieren können, weil sie zu dumm in der Birne sind, und daher nicht bekommen, was sie wollen.

Dann gibt es Brigittchen und Heidi. Die layouten, was Peggy und ich uns ausgedacht haben. Die beiden sitzen vor ihren Rechnern, scannen die Nacktfotos, setzen Texte drunter und wuseln so lange herum, bis alles gut fürs Auge ist. Dann geben sie es in die Druckerei. Alles muss schön sein. Der Leser soll sich ja wohlfühlen, wenn er seinen großen Krieger in die Hand nimmt.

Und dann ist da noch Liesel. Liesel ist die Sekretärin von Herbert und muss sich am Telefon blöde Fragen anhören. (»Wie kann ich denn die Brunhilde aus dem einen Heft, aus der Molli-Para-de, kennenlernen? Die hat so scharfe Möpse, die muss ich kennenlernen!« »Wenn die Damen nicht ausdrücklich schreiben, dass sie Kontakt suchen, gibt es leider keine Möglichkeit!« »Aber ich muss diese Brunhilde da, da, diese Brunhilde da, Seite zwölf, da, die, da, die muss ich kennenlernen!« »Wie ich schon sagte, wenn nicht ausdrücklich im Text vermerkt ist, dass die Dame Kontakt sucht, kann ich Ihnen da gar nicht helfen!« »Aber, aber, aber, ich muss, muss, muss doch diese Brunhilde …« So kann das eine Stunde gehen!)

Außerdem ist Liesel noch für die Anzeigen zuständig. In unseren Heften inserieren keine Autohersteller oder Müslifabrikanten, in unseren Heften inserieren unter anderem Frauen, die ihre getragenen Slips verkaufen wollen oder die Männern, die Sorgen haben oder sich einfach so unterhalten wollen, für einen Euro sechsundachtzig die Minute am Telefon ihre Zuhördienste anbieten. Liesel muss die grauslich formulierten Anzeigentexte umschreiben. Manchmal inserieren auch ausländische Mitbürgerinnen, dann liest sich das ungefähr so: »Hab du Lust Riecherchen magen an Hose drunner getrag, is drei Wogen nix Wechsel gemagt, schnupperlecker will du Lust hab? Mussdu Geld schick. Los los!«

Aber es geben auch Männer Anzeigen auf, Männer, die einen One-Night-Stand suchen, Männer, die jemanden suchen, der es mit ihnen nachts auf dem Friedhof treibt, Männer, die Erregung dabei verspüren, wenn eine Frau sie fotografiert, während sie, die Männer, einen engen Ganzkörperlatexanzug tragen und dabei ein Huhn ausnehmen. Es gibt nichts, was es nicht gibt in den Inseraten. Zum Glück ist Liesel eine gestandene Frau. Sie ist sehr groß und kräftig, und wenn ich ihr Mann wäre, hätte ich Angst vor ihr. Liesel weiß, wie man mit unseren Lesern umgehen muss. Sie hat grundsätzlich immer das letzte Wort und lässt sich gar nichts sagen.

Ich heiße übrigens Gerlinde. Keine Ahnung, was sich meine Eltern dabei gedacht haben. Mit meinem Zweitnamen Sieglinde wird es auch nicht besser. Wer will schon wie eine Kartoffelsorte heißen? Ich bin nach einer gescheiterten Ehe geschieden, nicht besonders groß und auch nicht besonders hübsch, und manchmal erwische ich mich dabei, wie ich sehnsuchtsvoll über dem Leuchttisch stehe und mir Frauen mit Traumkörpern ansehe. Makellos. An mir ist nichts makellos. Wenn mich jemand mal fragen sollte, was ich an mir mag, dann werde ich leider nichts antworten können. Meine Arme sind viel zu lang im Verhältnis zu meinem restlichen Körper, und meine Figur könnte man traubenförmig nennen. Alles, was ich an überflüssigem Fett zu mir nehme, verteilt sich nicht etwa im ganzen Körper, sondern bleibt in der Mitte am Hintern hängen. Und zwar für immer. Meine Haare sind Zotteln, die sich nicht kämmen lassen und wirr abstehen. Wie man die Farbe nennt, weiß ich nicht. Schlammfarben würde am ehesten passen. Um es kurz zu machen: Ich sehe beschissen aus. Am schlimmsten finde ich, dass sich, wenn ich wütend bin oder mich aufrege, zwischen meinen Augen eine Art Beule bildet, also so über der Nase. Diese Beule verfärbt sich dann, und es sieht so aus, als hätte ich drei Augen. Wenn ich mich sehr aufrege, kann es passieren, dass ich noch eine kleine Zusatzbeule in Form einer Augenbraue bekomme, dann sieht es noch mehr so aus, als hätte ich drei Augen. Das passiert mir ziemlich oft. Alle haben sich schon daran gewöhnt, nur ich nicht. Weil ich mich nicht daran gewöhnen will.

Wir sind alle nicht glücklich hier. Nicht, dass wir uns nicht verstehen. Nein, das tun wir! Und wir halten zusammen. Es bleibt uns auch nichts anderes übrig. Es ist wegen Herbert. Wenn Herbert nicht wäre, es wäre herrlich hier! Aber Herbert ist ein Störfaktor. Ein menschliches Arschloch. Ein Widerling. Unsere Mittagspause dürfen wir nicht draußen verbringen: »Dann hocken Sie dann da in den Kneipen und kommen nicht zurück, nein, nein, es wird hier geblieben!« Aufs Klo gehen müssen wir heimlich: »Schon mal was davon gehört, dass Wasser teuer ist? Dauernd diese Spülungen, nicht mit mir! Das kann man einhalten, bis man zu Hause ist.«

Telefonate sind nicht gestattet: »Wenn diese Bierhersteller bei uns eine Anzeige schalten wollen, sollen DIE gefälligst anrufen, immer diese Rückrufe, das kostet ja über einen Euro bei der Länge.« Was zur Folge hat, dass der Bierhersteller eben keine Anzeige bei uns schaltet. Licht? Um Himmels willen: »Wie, ihr macht im Winter die Lampen an? Wisst ihr, was Strom kostet?« Wer morgens um eine Minute nach neun Uhr kommt, kriegt eine Abmahnung, und es gibt eine Stechuhr, die von Herbert ununterbrochen kontrolliert wird. Wir müssen sogar stempeln, wenn wir nach unten gehen und die Tür öffnen müssen, weil die mal wieder klemmt, der Postbote uns aber gern die Post zustellen möchte. Jedes Arbeitsgericht würde uns recht geben, aber wir sind nun mal alle angewiesen auf diesen Job. Leider.

Herbert macht sich einen Spaß daraus, uns permanent niederzumachen. Es ist schon so, dass wir Sonntagabends Magenschmerzen bekommen, bloß weil der Montag vor der Tür steht. Manchmal, wenn Herbert in seinem Büro am Fenster steht, haben Peggy und ich uns schon überlegt, einfach schnell hinzurennen und ihn runterzustoßen. Aber bei unserem Glück fährt auf der Straße gerade ein Laster vorbei, der Schaumstoffmatratzen geladen hat. Was zur Folge hätte, dass Herbert kurze Zeit später wieder in die Redaktion gebuckelt käme. Noch nicht mal seine Brille würde schief sitzen.

Wenn Herbert schlecht drauf ist, was eigentlich immer der Fall ist, streicht er uns nach Lust und Laune den Urlaub (»Ich glaub, es geht los, Gran Canaria!«) oder das Wochenende (»Los, Frau … Frau … Frau, äh, egal, da hat in Wellingsbüttel ein neuer Puff aufgemacht, da müssen Sie hin und drüber schreiben!«). Nicht nur einmal haben Peggy und ich unsere Samstage in neu eröffneten Bordellen verbracht und Nutten interviewt, was eigentlich so gar nichts bringt. (Was soll man die denn groß fragen? Ob ihnen der Job Spaß macht? Ob sie auf Lohnsteuerkarte arbeiten? Ob das da in der Ecke Plastikpflanzen oder echte sind? Ob ein Freier sie schon mal »hier rausholen« wollte? Was ihre Eltern davon halten?) Davon mal ganz abgesehen machen die meisten Puffs kurz nach der Eröffnung wieder zu, aus Gründen, die nur Negerkalle oder der Einwanderungsbehörde bekannt sind. Nicht etwa, dass wir die Extrastunden bezahlt bekämen – um Himmels willen, mit so was darf man Herbert gar nicht erst kommen. Ich warte nur noch auf den Tag, an dem Herbert einer von uns einfach so eine knallt, weil sie mehr als dreißig Mal pro Stunde geatmet hat. Weil Sauerstoff ja auch so teuer ist.

Ich verbringe den Vormittag damit, Sexnews zu schreiben. Da ich zu faul bin, um im Internet nach echten zu surfen, denke ich mir einfach welche aus.

Wer jeden Tag einen Teelöffel Honig isst, bekommt mit der Zeit ein größeres Ding.

Bald gibt’s den ersten fahrenden Autobahnpuff.

Wie sie ein Eis isst, so bläst sie.

Es ist zum Kotzen. Außerdem wuselt Herbert schon wieder im Flur herum. Er hat die schreckliche Angewohnheit, sich vor die Türen zu schleichen, um sie dann ruckartig aufzureißen. Herbert denkt nämlich grundsätzlich, dass wir nie arbeiten, sondern uns die Nägel lackieren oder ein Brot backen.

Da! Rrrrums! Er läuft zu Peggy und knallt ihr ein Heft vor die Nase:

»Frau, Frau … Frau …«, er konnte sich noch nie unsere Namen merken, »was ist denn das für eine Scheiße! Wie konnte das denn passieren?«

Peggy wird rot und schaut schuldbewusst drein. Wir werden alle rot und schauen schuldbewusst drein, wenn Herbert uns anschreit, obwohl wir nie wirklich schuld sind.

»Was ist denn, Herr Loose?«, fragt Peggy. Über ihren Augenbrauen bilden sich Schweißperlen.

Herbert blättert im Magazin Lust ohne Frust und findet endlich die Seite, die er sucht. Es ist eine doppelseitige Anzeige eines Snack-Herstellers, die uns fünfzehntausend Euro eingebracht hat. Peggy und ich haben das angeleiert, hurra, endlich mal eine normale Anzeige, und in Absprache mit Herbert ist die Anzeige nun im Heft.

Aber davon will der jetzt gar nichts mehr wissen: »Wenn ich noch einmal so eine gequirlte Scheiße sehe, fliegen Sie raus, aber in hohem Bogen, und zwar alle beide!«, schreit er uns an. »Die Kerle wollen Titten sehen und Schamhaare und Fette und Dünne und Lesben, aber keine Knackwürste!«

»Wir haben das doch mit Ihnen abgesprochen«, wage ich einzuwerfen und bereue es schon, während ich es sage.

Herbert fährt zu mir herum: »Wer hat Sie denn gefragt?«, blökt er mich an, »finden Sie erst mal einen Mann, dann können Sie mitreden!« Er liebt es, mich immer wieder deutlich darauf hinzuweisen, dass ich Single bin. »Jetzt sitzen Sie nicht wieder da rum wie ein Affe mit Ihren langen Ärmchen«, geht es weiter. »Arbeiten Sie gefälligst, oder können Sie das mittlerweile auch nicht mehr?« Devot fange ich an zu tippen und starre auf den Monitor. »Mit Ihnen würde jede Partnervermittlungsagentur pleite gehen«, Herbert wird immer freundlicher, »sparen Sie mal auf eine Perücke! Und kommen Sie mir nicht nochmal damit, dass Sie einen neuen Drehstuhl brauchen! Bei dem Hintern verschleißen Sie mir drei Stück pro Jahr. Die können Sie sich ab sofort selbst beschaffen!« Ich nicke und versuche, die Tränen zu unterdrücken, die mir in die Augen schießen. Aber es nützt nichts, sie rollen über meine Wangen. »Hör auf zu heulen!«, Herbert wird aggressiv. »Da wird wieder Klopapier verbraucht, das ich bezahlen muss. Bloß weil eine von euch wieder ihre Tage hat und ständig am Flennen ist!« Er dreht sich um und stampft weg. Die Tür knallt hinter ihm zu.

Sofort steht Peggy auf und kommt zu mir. Tröstend legt sie die Hand auf meinen Arm: »Mach dir nichts draus, Lindi«, sagt sie lieb, »wir wissen doch, wie er ist.«

Ja, wir wissen, wie er ist. Leider, leider wissen wir’s.

Kapitel 2

»Ich weiß nicht, was ich mit Washington machen soll«, beschwert sich Liesel, während wir unsere Mittagspause abhalten. »Das Kind raubt mir den letzten Nerv. Jetzt will er sich tätowieren lassen. Eine Nachttischlampe will er auf dem Rücken haben. Das sei jetzt modern, alle hätten Nachttischlampen auf dem Rücken, hat er gesagt. Die Nachttischlampen-Tattoos hat irgend so ein Hip-Hopper entworfen, das hat mir die Mutter von Joshua erzählt, weil, der Joshua will jetzt auch eine Tätowierung, auch eine Nachttischlampe, aber eine, die brennt!«

»Wie kann man denn bei einer Tätowierung erkennen, ob die Lampe an oder aus ist?«, fragt Heidi interessiert, während sie wie jeden Mittag einen Joghurt mit Vollkornmüsli mischt und ihn sich mit einem überlangen Plastiklöffel einverleibt.

»Die strahlt dann«, klärt Liesel Heidi und uns andere auf, »der Lichtschein wird extra mittätowiert.«

»Verbiete es ihm doch«, sagt Brigittchen. »Washington ist gerade mal zehn.«

»Zehneinhalb«, sagt Liesel so, als würde diese Tatsache die Tätowierung rechtfertigen. »Wenn ich das Dietmar erzähle, dreht der durch.«

Dietmar ist Liesels Mann. Ich kenne keinen Mann, der so demonstrativ vom Verheiratetsein gelangweilt ist. Dreimal im Jahr fährt er mit seinem Kleingärtnerverein nach Menorca. Nie mit Washington und Liesel, nein, immer allein. Liesel und Washington können ja Tagesausflüge mit Bus und Bahn unternehmen, denn wenn Dietmar weg ist, bleibt der neue Zafira in der Garage, obwohl Liesel einen Führerschein hat. Da bin ich doch lieber Single.

Ich lüge schon wieder.

»Ich würde es Washington auch verbieten«, werfe ich ein, weil ich auch mal was sagen möchte.

Liesel schnaubt auf: »Weißt du, was dann los ist? Dann macht er es erst recht!« »Dann erlaub es ihm halt«, was ist denn das für ein sinnloses Gespräch?

Liesel schüttelt vehement den Kopf: »Auf keinen Fall erlaube ich es!«

Ich stochere weiter in meinem Salat herum. Er schmeckt fad und das Dressing nach gar nichts.

»Was war denn vorhin mit Herbert los?«, fragt Brigittchen.

Ich zucke mit den Schultern: »Das Übliche, kennst ihn doch!« Brigittchen verdreht die Augen: »Er macht mich seelisch fertig«, klagt sie, »warum kann er nicht normal mit uns sprechen? Einfach in einem ganz normalen Ton. Vorhin kam er zu mir reingestiefelt und hat mich gefragt, wie mein Wochenende war. Schön, hab ich gesagt. Und wisst ihr, was er daraufhin gesagt hat? ›Wieso hatten Sie ein schönes Wochenende? Dann waren Sie wohl allein, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand mit Ihnen ein Wochenende schön findet.‹ Könnt ihr das glauben?« Brigittchen blickt resigniert auf ihre Colaflasche. »Ich kann bald nicht mehr. Fährt er nicht mal wieder irgendwann weg? Die Ruhe, wenn Herbert weg ist – göttlich!«

Peggy überlegt: »Ich glaube, ab Donnerstag ist er für zwei Tage in Schweden, Fotos einkaufen, dann haben wir Ruhe.« »Herrlich. Hauptsache, er fotografiert nicht selbst«, sage ich. »Letztens kam er wieder mit Kohlrabifotos an.«

Herbert hat einen Tick – lässt man ihn alleine loslaufen, um Frauen für die Hefte zu fotografieren, kommt er mit den unmöglichsten Aufnahmen zurück. Entweder die Frauen stehen dämlich grinsend auf einer Weide und sind so aufgenommen, dass man nur den Stacheldrahtzaun oder einen Traktor sieht und wenn man Glück hat, noch eine Titte, oder sie halten Gemüse in der Hand. Was soll das? Letztens hat Herbert uns eine Fotoserie hingelegt, die bestand ausschließlich aus Aufnahmen von einer Frau, die einen überdimensionalen Kohlrabi getragen hat. Einen Kohlrabi. Mit Strunk. Sie trug schwarze Nylonstrümpfe, die ihr viel zu groß waren, und hatte fettige Haare. Aber die Krönung war der Hintergrund: Weil Herbert beim Fotografieren fast nie seine blöde Hornbrille trägt, hat er nicht bemerkt, wo er die Frau fotografiert. Also steht das Frauchen mit seinem Kohlrabi vor einer Apotheke; im Schaufenster hängt unter anderem ein Werbeplakat für Abführmittel, und an der Scheibe steht in weißer Schrift mit Klebebuchstaben: »Sag JA zur künstlichen Hüfte!« Das muss für den Leser sexuell wahnsinnig erregend sein. Und so ist es immer, wenn Herbert unterwegs ist. Er hört auch nie zu, wenn man ihm sagt, welche Motive er mal fotografieren soll. Wenn wir Fotos zum Thema »Sex im LKW« brauchen, kommt er mit Nahaufnahmen von Felgen zurück. Benötigen wir Fotomaterial zu »Sex im Freien«, fotografiert er Löwenzahn. Manchmal ist dann auch die Fingerkuppe einer Frau auf den Fotos zu sehen. Es ist zum Wahnsinnigwerden.

»Oh, dann werden wir es uns Donnerstag und Freitag gemütlich machen«, sagt Heidi. »Ah, das wird schön!«

»Hör auf damit«, fahre ich Heidi an. »Nicht immer so ruckartige Bewegungen machen!«

Heidi blickt schuldbewusst auf den Boden: »Entschuldige, Heinrich«, sagt sie und schaut dann zu mir. »Ich dachte, er hält seinen Mittagsschlaf.«

»Heinrich schläft immer nachmittags«, kläre ich Heidi zum wiederholten Mal auf, »Peggy, kann ich den Rest von deinem Putenschnitzel haben?« Peggy nickt. »Er macht mir in der letzten Zeit sowieso Sorgen«, sage ich in die Runde. »Er verträgt die harten Kontaktlinsen überhaupt nicht mehr. Obwohl ich jetzt schon eine neue Flüssigkeit besorgt habe. Seine Augen sind einfach zu trocken. Außerdem brauchen wir einen neuen Vogel.«

Liesel starrt mich an: »Hat er den Kanarienvogel etwa auch schon wieder gefressen?«, fragt sie fassungslos.

Ich nicke und blicke Heinrich sorgenvoll an. Heinrich ist ein ein Meter fünfzig langer Alligator und noch im Wachstum. Er hängt an mir wie eine Klette, seitdem ich ihn in meiner Badewanne gefunden habe. Das war kurz nach dem Einzug in meine neue Wohnung. Der Vormieter wollte Heinrich wohl nicht mitnehmen und hat ihn mir mitsamt seinem ganzen Müll zurückgelassen. Ich werde nie den anklagenden Blick vergessen, mit dem Heinrich mich ansah, als ich ins Bad gekommen bin. Er war hungrig, aber obwohl er so hungrig war, hatte er keine Kraft mehr, mich zu beißen. Ich habe ihm damals eine Schinkenpizza im Backofen zubereitet und ihn stückchenweise damit gefüttert, während ich seinen Kopf hielt und er auf dem Rücken in der Badewanne lag. Seitdem liebt Heinrich mich. Ich habe ihm auch mit meiner Zahnbürste die Zähne geputzt, das fand er aber nicht so toll. Der Minzgeschmack hat ihm wohl missfallen. Aber Heinrichs eigentliche Probleme sind seine Kurzsichtigkeit und die Tatsache, dass er Epileptiker ist. Manchmal flippt er einfach so aus, ohne nennenswerten Grund. Dann bildet sich Schaum in und vor seinem Maul, er röchelt und hyperventiliert und bekommt blutunterlaufene Augen. Man muss Heinrich dann eine Plastiktüte übers Maul ziehen und bis zehn zählen. Manchmal auch bis elf. Dann ist es wieder gut. Aufgrund seiner epileptisehen Anfälle verschluckt Heinrich auch hin und wieder die Vögel, die ich anschaffe, damit sie seine Zahnzwischenräume reinigen. Die Anfälle kommen so plötzlich, dass die Vögel, die manchmal gerade die Backenzähne von Fleischresten befreien, nicht mehr schnell genug aus Heinrichs Maul herausfliegen können. Es ist immer ein ziemliches Gemetzel, und ich muss danach grundsätzlich Staub saugen, weil die Federn herumfliegen. Es ist nicht leicht mit Heinrich.

Er kann tagsüber auch nicht allein bleiben; also nehme ich ihn mit in die Redaktion. Hier haben wir ein Schwimmbecken aufgestellt. Herbert haben wir erzählt, Heinrich sei ein missgebildeter Hund; aber er hat wie immer nicht zugehört. Er nimmt Heinrich überhaupt nicht wahr. Er stolpert nur manchmal über ihn. Ich bete, dass Heinrich Herbert irgendwann frisst. Aber Heinrich scheint Geschmack zu haben! Meine Kolleginnen lieben Heinrich, denn er tut ihnen nichts. Aber das ist auch nichts wirklich Besonderes, denn Heinrich tut niemandem etwas. Er ist ein unkomplizierter Alligator, mit dem ich auch nur ein bis zwei Mal am Tag Gassi gehen muss.

»Ich werde heute Abend gleich neue Vögel besorgen«, beschließe ich, »oder meint ihr, ich soll es mal mit Zahnstochern versuchen?«

»Nein«, Peggy schüttelt den Kopf, »stell dir vor, du steckst ihm gerade die Hand ins Maul und dann flippt er wieder aus. Mach das bloß nicht!«

»Frau … Frau … Frau … egal«, Herbert steckt seinen Kopf durch die Tür, »schon mal auf die Uhr geschaut, ja? Schon mal was davon gehört, dass die Pause nicht zweiunddreißig, sondern dreißig Minuten lang ist? Wenn es nach mir ginge, hättet ihr überhaupt keine Pause, damit ihr’s wisst. Pause! Wer braucht denn Pause? Da werdet ihr nur müde von und dann wird nicht mehr gearbeitet! Aufgestanden, aber sofort!«

Ängstlich springen wir von unseren Stühlen hoch und tragen unser Geschirr in die Küche. Herbert quakt, dass wir sein Geld kosteten und sein finanzieller Ruin seien, und bald sei das sowieso alles vorbei, aber wie vorbei das bald sei.

Ich schalte auf Durchzug und widme mich den Texten eines Heftes, in dem nur nackte Frauen im Wasser sind. Im Meer, am Meer, in der Badewanne, vor der Badewanne oder Dusche, in einem Pool und vor einem Pool. Mir fällt nichts ein, ich habe Kopfschmerzen und will hier weg. Weg. Einfach nur weg. Und den vier anderen geht es ganz genau so. Wir werden psychisch zugrunde gehen, und Herbert wird sich ins Fäustchen lachen, wenn wir mit einem Nervenzusammenbruch gekrümmt vor ihm liegen. Sicher wird er uns dann noch die Geldbörsen stehlen und unsere Lebensversicherungen auf sich umschreiben lassen, bevor er uns auf dem Filzteppichboden krepieren lässt.

Gegen achtzehn Uhr fahren wir zu mir nach Hause. Brigittchen kommt mit, weil ich vorher noch zwei neue Vögel kaufen will und keine Lust habe, allein dafür verantwortlich zu sein, welche Wellensittiche bald für Heinrich ihr Leben lassen müssen. Wir entscheiden uns für zwei Sittiche, die uns unsympathisch sind. Jedenfalls reden wir uns ein, dass sie uns unsympathisch sind, das macht die Sache einfacher.

»Der blaue Vogel da glotzt schon so, als ob er mir gern in den Finger hacken würde«, sagt Brigittchen und schaut in einen Käfig, in dem sich ein blauer und ein grüner Wellensittich befinden. Sie streiten sich und zwitschern in einer Lautstärke herum, dass ich das Fenster schließen muss.

»Lieb, dass du mitgekommen bist«, sage ich. »Wollen wir bei mir einen Wein trinken?«

»Au ja«, meint Brigittchen und freut sich. »Wein ist immer gut!«

Wir setzen uns in meine kleine Küche. Meine Wohnung befindet sich im Stadtteil St. Georg und ist nicht gerade groß. Und auch nicht gerade schön. Sie geht auf die Lange Reihe hinaus, die Hauptstraße des Viertels, und es ist ständig laut. Über die alten Dielenböden haben geschmacksgestörte Menschen einen braunen Teppichboden gelegt, der fleckig ist und bestimmt voller entsetzlicher Milben. Manchmal träume ich nachts davon, dass eine der Milben so groß wird und auch so aussieht wie ein Stegosaurus, um mich dann zu fressen. Obwohl der Stegosaurus ja eigentlich ein Pflanzenfresser war, oder? Manchmal stolpert die Ex-Milbe, die jetzt ein Stegosaurus ist, im Traum, und fällt auf mich, um mich mit ihrem Gewicht zu erdrücken, was ich zum Glück nicht mitbekomme, weil ich schlafe.

Aber das Schlimmste an meiner Wohnung ist die Tatsache, dass der Architekt, der das Haus Ende des letzten Jahrhunderts geplant hat, offensichtlich nicht ganz bei Trost war. In der obersten Etage, also in den Wohnungen direkt über mir, gibt es keine Eingangstüren. Er hat sie schlichtweg vergessen. Das hat mir niemand gesagt, als ich eingezogen bin, und mir ist auch erst nach dem Einzug aufgefallen, warum die Wohnung so verdammt günstig ist. In meiner Schlafzimmerdecke befindet sich eine Falltür. Eines Morgens stand dann plötzlich ein Mann in einem schwarzen Anzug vor mir, mitten in meinem Schlafzimmer und sagte freundlich »Guten Morgen«, um dann die Strickleiter, mit der er sich aus seiner Wohnung herabgelassen hat, ordentlich an einem Haken an der Wand zu befestigen und durch meine Wohnungstür wegzugehen. Abends kam er wieder, hat die Wohnungstür aufgeschlossen und gesagt: »Guten Abend«, um dann die Strickleiter vom Haken zu lösen und nach oben in seine Wohnung zu klettern. Ich war so überfordert mit der Situation, dass ich gar nichts erwidern konnte, was wohl mit an der Tatsache lag, dass ich gar nicht glauben konnte, was hier vor sich ging. Am nächsten Tag hat er sich nicht etwa vorgestellt, sondern durch die geöffnete Falltür gefragt, ob ich ihm mit Kaffee und Milch aushelfen könne, was ich natürlich gemacht habe, weil ich so ein Trottel bin. Eine Woche ging das so, bis ich mich endlich getraut habe, ihn zu fragen, warum er durch eine Falltür in meiner Decke beziehungsweise in seinem Boden seine und dann meine Wohnung verlässt. So erfuhr ich das mit der nicht vorhandenen Tür.

»Als ich eingezogen bin, hat man mir gesagt, dass die Tür nachträglich eingebaut würde«, erklärte mir mein Nachbar, der sich netterweise dann doch irgendwann mit Giselher Stubenlast vorstellte. »Aber jetzt wohne ich hier schon seit vier Jahren und nichts ist passiert. Mit allen Mietern hatte ich schon Probleme, aber was soll ich tun? Jeden Tag aus dem Fenster springen?« Mittlerweile kommen Giselher und ich gezwungenermaßen gut miteinander aus. Nur einmal war es problematisch: Giselher hatte Samstagabend auf dem Kiez einen draufgemacht und wollte mit seiner abgeschleppten Flamme in seine Wohnung. Weil ich nicht auf dem Kiez einen draufgemacht und keinen Typen abgeschleppt hatte, lag ich logischerweise gegen vier Uhr morgens im Tiefschlaf, nachdem ich mir eine DVD mit vier Folgen von Ich heirate eine Familie angetan hatte und gegen dreiundzwanzig Uhr mit der Gewissheit ins Bett gegangen war, dass ich niemals eine Familie haben würde. Ich hatte ja noch nicht mal einen Mann. Geweckt wurde ich von dem ohrenbetäubenden Geräusch, das die Strickleiter verursachte, die sich unter der Last von Giselher und einer blonden Frau aus ihrer Halterung löste und dafür sorgte, dass beide schreiend auf dem Boden aufschlugen.

Ich habe ihnen dann mein Bett angeboten. Warum auch nicht? Obwohl das bestimmt ungewohnt war für mein Bett, dass sich mal jemand darin bewegt hat, der sich nicht nur im Schlaf umdreht. Ich habe mich in die Küche gesetzt und versucht, das Kreuzworträtsel in der ZEIT zu lösen. Aber das habe ich natürlich nicht geschafft.

Ich öffne eine Flasche Weißwein und schenke Brigittchen und mir ein. Die schlägt plötzlich die Hände vors Gesicht.

»Was ist denn los?«, frage ich. »Ist es immer noch wegen Herbert?«

»Ach Quatsch«, Brigittchen schnieft, »Volker will sich von mir trennen.«

»Warum das denn?«, frage ich und nehme einen Schluck warmen Weißwein. Ich habe vergessen, ihn kaltzustellen. Morgen früh werde ich wieder einen Kater haben.

Brigittchen wischt sich eine Träne aus dem Auge: »Er hat gesagt, ich sei ihm zu vergesslich. Bloß weil ich zweimal vergessen habe, dass wir uns abends im Stadtpark treffen wollten. Ich kann doch nichts dafür, ich kann doch nichts dafür. Aber Volker meint, mit so einer Frau könne er nicht zusammenleben. Weil ich auch manchmal vergesse einzukaufen und dann vergesse ich doch manchmal, wo mein Auto steht. Aber das Schlimmste kommt noch!«, Brigittchen schluchzt auf, »gestern haben wir zusammen geschlafen, und da ist mir plötzlich Holgers Name nicht mehr eingefallen. Ich habe ihn Norbert genannt.«

»Er heißt nicht Holger«, sage ich, »er heißt auch nicht Norbert. Er heißt Volker. Wie konnte das denn passieren?«

»Ich weiß es nicht«, Brigittchen ist außer sich. »Keine Ahnung. Du weißt doch, wie es ist.«

Ja, ich weiß, wie es ist. Brigittchen ist eine Katastrophe. Eigentlich wundert es mich, dass sie noch lebt. Sie hat mir sogar schon mal ihren Ausweis gezeigt und gesagt: »Schau mal, Lindi, den hab ich eben in meiner Tasche gefunden. Die Frau auf dem Foto sieht aus wie ich.« Sie bringt sich in die ausweglosesten Situationen mit ihrer Vergesslichkeit. Geht man mit ihr einkaufen, kann man sicher sein, dass sie nicht mehr weiß, was sie einkaufen wollte, und an der Kasse plötzlich panisch wird, weil sie Sachen in ihrem Einkaufswagen sieht, die sie angeblich nie haben wollte. Dass sie dann grundsätzlich das Geld nicht findet oder vergessen hat, dass sie eine EC-Karte hat, kommt noch dazu. So wunderhübsch Brigittchen aussieht mit ihrer Traumfigur und ihren blonden Locken und haselnussbraunen Augen, ihre Vergesslichkeit und Schusseligkeit sind nicht zu überbieten.

»Will sich Volker von dir trennen, weil du beim Sex den falschen Namen gesagt hast oder weil du seinen Namen vergessen hast?«, frage ich neugierig, während ich noch mehr Wein trinke und automatisch noch mehr Kopfschmerzen bekomme.

»Was? Volker will sich von mir trennen?«, Brigittchen schaut mich fassungslos an. »Warum denn?«

Brigittchen könnte wunderbar in einer Alzheimer-Komödie mitspielen: Die Alzheimers – eine Familie, die Sie vergessen können! Im Vorspann der Sendung könnte dann Cindy & Berts: »Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung, dibedibedibdibdib …« laufen. Wobei Brigittchen sofort vergessen würde, dass sie sich verpflichtet hat, dort mitzuspielen. Ich gebe es also wieder einmal auf. Wenigstens weiß sie, dass ich hier bin und wie ich heiße.

Kapitel 3

Ein Schlüssel dreht sich in meiner Wohnungstür. Giselher kommt nach Hause. Wenn Brigittchen jetzt schreiend aufsteht und brüllt: »O Gott, wer ist dieser Mann, wo kommt er her und was will er hier?«, werde ich sie würgen. Sie hat Giselher nämlich mindestens schon fünfmal hier bei mir gesehen. Aber Brigittchen sagt nur: »Hallo.« Entweder sie erinnert sich an ihn oder es ist ihr egal, dass ein Fremder vor uns steht.

»Abend«, sagt Giselher und setzt sich ungefragt zu uns. »Sag, Lindi, hast du Bier im Haus?«

Ich springe zum Kühlschrank. »Natürlich, natürlich«, sage ich geflissentlich, »ich habe es extra in den Tiefkühler gelegt, damit es nicht zu warm ist.« Schnell hole ich eine Flasche aus dem Fach und öffne sie.

Giselher nimmt einen großen Schluck, dann lehnt er sich zurück: »Das war ein Tag, sag ich euch, das war ein Tag. Hallo Heinrich!«

Er streichelt Heinrich über den Kopf, und der öffnet sofort das Maul, weil er scharf auf den Kronkorken ist, der sich auf der Bierflasche befunden hat. Schnell wirft Giselher ihn in Heinrichs Maul. Heinrich macht »krcccch« und wackelt in Richtung Wohnzimmer. Zeit für Guten Abend RTL. Heinrich liebt diese Nachrichtensendung. Am aufgeregtesten ist er, wenn Laster auf Autobahnen zusammenkrachen und dies von einem Amateur gefilmt wurde. Dann zittert Heinrich vor Aufregung am ganzen Reptilienleib und schlägt auch mal hektisch mit seinem langen Schwanz um sich. Manchmal gehen dabei Möbelstücke kaputt. Mein Glastisch beispielsweise. Aber was soll ich tun? Wenn Heinrich sein Guten Abend RTL nicht sehen darf, ist er tagelang beleidigt und verweigert manchmal das Fressen. Einmal hat er sogar geweint. Ich hätte niemals gedacht, dass Alligatoren weinen könnten. Er hat mir entsetzlich Leid getan.

Nachdem ich Heinrich aufs Sofa gehoben und ihm zwei Kissen unter den Kopf geschoben habe, gehe ich zurück in die Küche. Giselher und Brigittchen unterhalten sich darüber, wie schrecklich das Leben doch ist. Seitdem ich Giselher kenne, ist er am Klagen. Zwei Scheidungen, immense Unterhaltszahlungen an Kinder, die er noch nie gesehen hat, und ständig Ärger mit den Mitarbeitern. Giselher betreibt die Firma Fun on Funeral. Früher war Fun on Funeral ein ganz gewöhnliches Bestattungsunternehmen mit einem ganz normalen Namen, das er von seinem Vater geerbt hat. Aber Giselher wollte hoch hinaus und hatte keine Lust mehr auf diese traurigen Beerdigungen, bei denen alle schreien und weinen und teilweise vor Trauer in die offenen Gräber stürzen. Einmal muss es ganz schlimm gewesen sein: Eine neunundachtzigjährige Frau, die siebzig Jahre mit ihrem Mann verheiratet war, sprang freiwillig ins Grab auf den Sarg und hat geschrien: »Lasst mich hier drin! Lasst mich hier drin. Ich will bei meinem Lutz bleiben!« Es war sehr schwierig, die Frau wieder rauszuholen aus dem Grab.

»Das hat mich zu sehr belastet«, pflegt Giselher zu sagen. In Zukunft sollte es lustige Beerdigungen geben. Trauerfeiern, bei denen Clowns um den Sarg springen oder ein Stand-up-Comedian den Toten in lustigen Sätzen ehrt oder Akrobaten, die, als Mickey Mouse und Minnie Mouse verkleidet, Saltos über die Grabkränze schlagen und dann in die Hände klatschen. Giselher fand seine Idee großartig. Ich habe anfangs nicht so recht daran geglaubt, aber es funktioniert. Immer mehr Leute buchen eine Beerdigung bei Fun on Funeral. Ja, Leute, die noch leben, machen einen Termin mit Giselher und legen genau den Ablauf fest (»… und dann soll der Jongleur bitte so jonglieren, dass die Kegel Tante Herta, die in der ersten Reihe sitzt, in die Visage fliegen. Schade, dass ich ihr Gesicht dann nicht mehr sehen kann.«)

Eine vierundfünfzigjährige Hausfrau, die dachte, sie sei schlimm krank, hatte bei Giselher auch ihre Beerdigung in Auftrag gegeben. Mit allem Drum und Dran. Ein lesbischer Freizeitchor sollte in einem Kanon singen, dass sie, die dann Verstorbene, den Ehemann schon jahrelang mit ihrer besten Freundin betrogen hatte. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Frau bloß eine Halsentzündung hatte. Sie drehte fast durch und versuchte, sich das Leben zu nehmen, was ihr leider misslang, da sie statt Schlaftabletten Magnesium-Tabletten schluckte. Der Lesbenchor dachte, dass er der Frau einen Gefallen tut, wenn er statt bei der Beerdigung auf ihrer Geburtstagsfeier auftritt und sorgte mit dem minutenlangen Kanon dafür, dass eine Ehe zerbrach. Giselher bringt mit seinen Erzählungen über die lustigen Beerdigungen wenigstens ein bisschen Abwechslung in mein tristes Leben. Sonst passiert ja nicht viel darin. Er hat auch vorgeschlagen, meine Beerdigung zu organisieren: »Wenigstens gäbe es dann mal was zu lachen, wenn du tot bist«, hat er gesagt. »Ich mache dir auch einen Sonderpreis.«

Ich habe abgelehnt. Wer würde denn schon zu meiner Beerdigung kommen? Ja, die Mädels aus der Redaktion. Herbert ganz sicher nicht, weil er Angst hätte, Geld für die Kirchenkollekte geben zu müssen. Und sonst? Eltern habe ich keine mehr, und Freunde finde ich keine, weil ich nicht auf Leute zugehen kann. Ein einziges Mal war ich abends allein in einer Kneipe in St. Georg. Zwei Männer haben mich angesprochen. Der eine wollte Feuer und der andere hat mich gefragt, ob ich ihn auf ein oder zwei Bier einlade. Nachdem ich das gemacht hatte, hat er mich gefragt, ob ich ihm ein paar hundert Euro leihen könnte, er sei derzeit etwas knapp. Hätte sich beim Börsengang verkalkuliert und jetzt seien ihm die Gläubiger auf den Fersen. Nachdem ich auch das gemacht hatte, hat er gefragt, ob ich Immobilien besitze oder ein neues Auto. Nachdem ich Nein gesagt hatte, ist er einfach gegangen. Ich habe mir dummerweise seinen Namen nicht geben lassen wegen der Rückzahlung des Geldes, und als ich den Barbesitzer fragte, wie der Mann heißt, ist der weiß im Gesicht geworden und hat gesagt: »Wenn ich dir das sage, bin ich morgen von Kugeln durchlöchert.« Ich bin dann nach Hause gegangen und habe, weil nichts im Fernsehen lief und ich alle meine Videokassetten schon hundertmal gesehen hatte, einen Plastikgurkenhobel bei eBay ersteigert. Dann ersteigerte ich das Buch Ein Welpe kommt ins Haus und weil das alles so günstig war und es mir Freude machte, was zu ersteigern, ersteigerte ich noch einen Maserati, zum sagenhaften Schnäppchenpreis von zehntausend Euro. Seitdem steht der Maserati zwei Straßen weiter in einer angemieteten Garage und ich muss jeden Monat ein paar hundert Euro an den ehemaligen Besitzer des Maseratis und fünfzig Euro Garagenmiete abstottern. Den Maserati kann ich nicht fahren, weil der nämlich eigentlich auf den Schrottplatz gehört. Nichts funktioniert. Er springt noch nicht mal an. Ich könnte versuchen, den Maserati zu verkaufen, aber der Lack platzt immer weiter ab, das Lenkrad ist auch schon abgefallen und die Tür schließt nicht mehr richtig. Außerdem lag lange Zeit ein totes Tier auf der Rückbank. Weil ich mich nicht getraut habe, es anzufassen, hat es nach einer Zeit übel gerochen. Ich bin also eine stolze Maseratibesitzerin, die ihr Auto nicht fahren kann. Außerdem müsste ich einen leeren Colakasten auf den Sitz stellen, bevor ich mich draufsetze, weil ich sonst nicht durch die Windschutzscheibe schauen könnte.

»Du lässt dich ausnutzen«, sagt Giselher zu Brigittchen, während die eine zweite Flasche Wein öffnet.

»Aber ich liebe ihn doch so. Ich muss ihn anrufen!« Brigittchen weint fast.