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Wenn Sie jemand fragen würde, was das Thema der Predigt Jesu war, was würden Sie antworten? Das Bedürfnis des Menschen nach Erlösung? Die Liebe Gottes zu den Menschen? Die Wiedergeburt?Zweifellos hat Jesus über all diese Dinge gesprochen. Und sie sind alle wesentliche Wahrheiten. Aber keines von ihnen war das Thema Seiner Lehre. Das Thema der Botschaft Jesu war das Königreich Gottes. Wo immer Er hinging, predigte Jesus über das Königreich. Die Ironie ist, dass in dem Evangelium, das heute gepredigt wird, die Botschaft vom Königreich fast völlig fehlt. Das hat zur Folge, dass viele Christen nicht erkennen, dass das Königreich Gottes eine gegenwärtige Realität auf der Erde ist. In der Tat wissen sie nicht einmal, was das Königreich Gottes ist. Folglich gehen sie nie die Verpflichtung gegenüber dem Königreich ein, die Christus verlangt.In Das Königreich, das die Welt auf den Kopf stellte führt David Bercot den Leser zurück zu den Lehren Jesu über das Königreich. Lehren, die allzu oft vergessen wurden. Bercot beschreibt die radikal neuen Gesetze des Königreiches und seine auf den Kopf gestellten Werte. Im Königreich Christi ist kein Platz für ein oberflächliches Christentum, denn dies ist ein Königreich, das historisch die Welt auf den Kopf stellte.
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Seitenzahl: 420
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Jesus antwortete:
„Mein Königreich ist nicht von dieser Welt. Wenn Mein Königreich von dieser Welt wäre, so würden Meine Diener kämpfen, damit Ich den Juden nicht ausgeliefert würde; nun aber ist Mein Königreich nicht von hier.“
Darauf sagte Pilatus zu Ihm:
„Bist Du denn ein König?“
Jesus antwortete:
„Du sagst richtig, dass Ich ein König bin.“
(Johannes 18,36-37)
Nun schrieb Pilatus eine Überschrift, und hängte sie an das Kreuz. Und das Schreiben war:
JESUS VON NAZARETH DER KÖNIG DER JUDEN.
Dann lasen viele Juden diese Überschrift; denn der Ort, an dem Jesus gekreuzigt wurde, war nahe der Stadt, und sie war auf Hebräisch, Griechisch und Latein geschrieben.
(Johannes 19,19-20)
Da sprachen die obersten Priester der Juden zu Pilatus:
„Schreibe nicht: »Der König der Juden«, sondern „Er sagte: »Ich bin der König der Juden«.““
Pilatus antwortete:
„Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.“
(Johannes 19,21-22)
Aber als sie sie nicht fanden, schleppten sie Jason und einige Brüder vor die Stadtoberen und riefen:
„Diese, die die Welt auf den Kopf gestellt haben, sind auch hierher gekommen. Jason hat sie beherbergt, und sie alle handeln gegen die Dekrete des Kaisers, indem sie sagen, es gebe einen anderen König - Jesus.“
(Apostelgeschichte 17,6-7)
Der pensionierte Rechtsanwalt David Bercot hat das Studium der frühen Christen und des historischen christlichen Glaubens zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Er schreibt und spricht über die frühen Christen und den ursprünglichen, historischen Glauben seit über dreißig Jahren. Seine Bücher haben sich über eine Viertelmillion Mal verkauft und wurden in fünfzehn Sprachen übersetzt.
Doch Davids Interesse am historischen Glauben ist nicht in erster Linie akademisch. Er schreibt und spricht darüber aus einem leidenschaftlichen Interesse heraus, um die heutigen Christen zur Originalbotschaft vom Königreich Gottes zurückzurufen.
David und seine Frau Deborah leben im zentralen Süden von Pennsylvania. Gott hat sie mit drei erwachsenen Kindern - Andre, Heather und Isaiah - und drei Enkelkindern gesegnet.
Als mich Scroll Publishing kontaktierte und fragte, ob ich dieses Buch übersetzen möchte, sagte ich mit großer Freude sofort zu, unterbrach alle meine Projekte und begann unverzüglich mit der Übersetzungsarbeit. Es war höchste Zeit, dass dieses wertvolle Werk endlich auf Deutsch erscheint. Ich hatte bereits ein Buch von David Bercot übersetzt und kannte daher seinen Stil. Diesmal stand ich vor zwei neuen Herausforderungen. Erstens ist es über 20 Jahre alt und für Amerikaner geschrieben, sollte nun aber für moderne, deutschsprachige Europäer verständlich sein. Ich entschied mich für eine wortgetreue Übersetzung mit erklärenden Anmerkungen in den Fußnoten. Zweitens verwendet David Bercot die New-King-James-Version (NKJV) und stimmt seine Aussagen so darauf ab, dass sie in keiner vorhandenen deutschen Bibelübersetzung treffend rüberkommen. Das beginnt schon beim Buchtitel. Daher entschied ich mich, für die betroffenen Bibelzitate die NKJV auf Deutsch zu übersetzen. Das harmoniert mit den Pointen in dem Buch nicht nur perfekt, sondern ermöglicht deutschgeprägten Lesern einen vielleicht neuen, erfrischenden Blick auf altvertraute Bibelverse.
Michael Eichhorn, Juli 2024, Hermagor
Inhalt
Über den Autor
Vorwort des Übersetzers
Teil I Das Königreich mit auf den Kopf gestellten Werten
1. Heiliger Krieg?
2. Das Königreich, das auf den Füßen steht
3. Eine andere Art von Königreich
4. Haben Sie sich dem Königreich verpflichtet?
5. Unsere Sicht auf den Mammon ändern
6. Ein neuer Standard der Ehrlichkeit
7. Die Gesetze des Königreichs über Ehe und Scheidung
Teil II Der große Stolperstein
8. Meine Feinde lieben?
9. Aber was wäre, wenn ...?
10. Aber heißt es nicht in der Heiligen Schrift ...?
11. Was ist mit den Königreichen der Welt?
12. Leben unter zwei Königreichen
13. Bin ich von dieser Welt?
14. Macht uns das zu Aktivisten für Frieden und Gerechtigkeit?
15. Hat das irgendjemand im wirklichen Leben getan?
16. Aber ist das das historische Christentum?
Teil III Was ist das Evangelium vom Königreich?
17. Der Jesusweg zum Heil
18. Wie man in das Königreich eintritt
19. Pharisäer brauchen sich nicht zu bewerben
20. Das Königreich kann nicht still gehalten werden
Teil IV Ein Hybrid wird geboren
21. Was ist aus dem Evangelium vom Königreich geworden?
22. Das Königreich der Theologie
23. Hat Gott die Regeln geändert?
24. Wie die Lehren Christi verschwanden
25. Das goldene Zeitalter, das nie stattfand
26. Augustinus - Apologet des Hybrids
27. Fälschung im Namen Christi!
Teil V Als es illegal war, ein Königreich-Christ zu sein
28. Das Untergrundkönigreich
29. Die Waldenser
30. Die alternative Strömung
31. Die Waldenser treffen auf die Schweizer Reformatoren
32. Das neue Zion in Genf
33. Das Banner des Königreichs wird von neuem erhoben
34. Der Ball ist jetzt bei uns
Anhang
Über das Titelbild
Kostenloser Katalog
Bücher von Bercot auf Deutsch
Namensverzeichnis
Literaturverzeichnis
Es war Freitag, der 8. Juli 1099. Die heiße Wüstensonne brannte auf eine zerlumpte Prozession von Klerikern in Roben herab, die große Kreuze und Reliquien von Heiligen trugen während sie um die äußeren Mauern Jerusalems marschierten. Den Klerikern folgten 1.200 ausgemergelte, barfüßige Kreuzritter und etwa 11.000 halbverhungerte, durstige Soldaten, Seemänner und Handwerker. Die muslimischen Verteidiger der Stadt lachten höhnisch über diese Prozession und verspotteten die da marschierten. Die Muslime entweihten sogar Kreuze auf verschiedenste Weisen und hängten sie an die Stadtmauern, um dieses Gesindel von halbverrückten Christen weiter zu beleidigen.
Allen Beleidigungen und Verhöhnungen zum Trotz setzten die Kreuzfahrer ihren Barfußmarsch bis zum Ölberg fort, wo sie anhielten. Dort ermahnte sie einer der Bischöfe: „Wir befinden uns jetzt an dem Ort, von wo der Herr in den Himmel aufgefahren ist. Mehr können wir nicht tun, um uns zu reinigen. Ein jeder von uns vergebe seinem Bruder, den er verletzt hat, damit der Herr uns vergebe“1. Dann erinnerte er sie an seine Prophezeiung, dass Jerusalem ihnen am nächsten Freitag ausgeliefert würde, wenn sie sich weiterhin demütigten und reinigten.
Wenn irgendwelche Muslime die Rede des Bischofs gehört hätten, wären sie nicht besonders beunruhigt gewesen. Die Einnahme der Stadt Jerusalem in sieben Tagen? Unwahrscheinlich. Schließlich hatte Iftikhar, der muslimische Herrscher Jerusalems, alle Brunnen außerhalb der Stadtmauern verstopft oder vergiftet, bevor die Kreuzfahrer überhaupt die Nähe Jerusalems erreicht hatten. Die Kreuzfahrer hatten nur eine einzige Quelle, die nur sporadisch sprudelte, und viele der Kreuzfahrer waren ernsthaft dehydriert. Außerdem hatte Iftikhar alle Haustiere innerhalb der Stadtmauern gebracht, so dass die Stadt reichlich mit Nahrungsmitteln versorgt war. Im Gegensatz dazu waren die Kreuzfahrer vor Hunger ausgezehrt. Jerusalem konnte einer langen Belagerung standhalten. Um ihre Lebensmittelvorräte zu schonen und sie vor Verrat zu schützen, hatte Iftikhar alle Christen aus der Stadt vertrieben. Auch die meisten Juden hatten die Stadt verlassen.
Also hatten Iftikhar und seine Soldaten keine schlaflosen Nächte wegen der Kreuzfahrer. Sie wussten, dass sie reichlich Wasser hatten, Lebensmittel im Überfluss, bessere Waffen und die scheinbar uneinnehmbaren Stadtmauern zu ihrem Schutz. Und sie hatten 60.000 bewaffnete Männer, um diese Mauern zu verteidigen! Darüberhinaus war ein Entsatzheer ägyptischer Soldaten auf dem Weg, um die Belagerung aufzuheben. Und was hatten die Kreuzfahrer all dem entgegenzusetzen? Rund 1.200 Ritter waren alles – unterstützt von einer schlecht ausgerüsteten, zerlumpten Truppe von 11.000 Soldaten, Seemännern und Handwerkern. Insgesamt hatten die Kreuzfahrer also weniger als 13.000 Mann gegen 60.000 bewaffnete Muslime. Außerdem kämpften die Kreuzfahrer in einem unbekannten Land und waren an die Wüstenhitze nicht gewöhnt, die so anders war als in ihrer Heimat Frankreich. Ja, man konnte über sie nur lachen.
Doch das Lachen verstummte fünf Tage später, als die Kreuzfahrer zur Überraschung der Muslime mehrere riesige hölzerne Belagerungstürme in Richtung der Mauern von Jerusalem rollten. Die Kreuzfahrer hatten diese gewaltigen Konstruktionen im Geheimen aus geborgenem Holz errichtet. Jeder Turm war mit praktisch allem ausgestattet, was eine mittelalterliche Armee brauchte: einem Katapult, einem Rammbock, einer Zugbrücke und einem erhöhten Türmchen, von dem aus die Kreuzfahrer Pfeile auf die Verteidiger der Stadt abschießen konnten. Darüber hinaus befand sich in jedem Belagerungsturm eine kleine Armee fränkischer Kreuzritter, die darauf wartete, in die Stadt einzudringen, sobald die Mauern durchbrochen worden waren.
Als die muslimischen Verteidiger die gefürchteten Belagerungstürme sahen, begannen sie, ihre Verteidigungsanlagen an den Teilen der Mauer verstärken, die sich gegenüber den Türmen befanden. In der Nacht vor dem Angriff bauten die Kreuzfahrer jedoch stillheimlich einige der Türme ab und verlegten sie fast eine Meile weiter weg, zu weniger befestigten Teilen der Stadtmauer Jerusalems. Das war ein unglaubliches Unterfangen, schon unter normalen Umständen. Aber in ihrem geschwächten Zustand war es eine schier übermenschliche Leistung. Als am Donnerstagmorgen, dem 14. Juli, das Morgenlicht die Landschaft Jerusalems sanft erhellte, waren die muslimischen Verteidiger starr vor Fassungslosigkeit. Sie konnten nicht glauben, dass einige der Türme in der Nacht versetzt worden waren.
Da sie die ganze Nacht gearbeitet hatten, waren viele der Angreifer bereits erschöpft. Dennoch beteten sie an diesem Morgen und vertrauten darauf, dass Gott ihren müden Körpern die nötige Kraft geben würde. Nach dem Gebet begannen die Kreuzfahrer ihren Angriff auf Jerusalem. Unter lauten Lobgesängen zu Gott schoben die Kreuzfahrer die wuchtigen Belagerungstürme langsam auf die Stadtmauern Jerusalems zu. Während die Türme zentimeterweise vorrückten, schleuderten die Kreuzfahrer mit den Katapulten riesige Felsbrocken auf die Stadtmauern und die dahinter liegenden Häuser. Als einige der Belagerungstürme die Stadtmauern erreichten, begannen ihre schweren Rammböcke die alten Mauern Jerusalems zu rammen. Von den Spitzen ihrer Belagerungstürme schleuderten die Kreuzfahrer brennende Holzgeschoße, die in Teer, Wachs und Schwefel getaucht worden waren. Diese Geschoße setzten die hölzernen Befestigungen auf der Innenseite der Mauern in Brand.
Die muslimischen Verteidiger schleuderten jedoch ihre eigenen feurigen Raketen auf die Türme zurück, und versuchten sie so in Brand zu setzen. Die Verteidiger bearbeiteten die Türme den ganzen Tag lang mit Steinen, die sie mit Katapulten auf sie schleuderten. Die Geschoße und Pfeile regneten den ganzen Tag lang hin und her. Die Kreuzfahrer kämpften tapfer, konnten aber keinen Fuß fassen. Einige ihrer Belagerungstürme waren zertrümmert worden. Einer brannte komplett nieder. Als die Nacht hereinbrach, stellten beide Seiten die Kämpfe ein.
Am Freitagmorgen, dem 15. Juli, griffen die Kreuzfahrer erneut an. Dies war der Tag, an dem der Bischof prophezeit hatte, dass sie die Stadt einnehmen würden. Doch es sah nicht danach aus. Sie waren alle ermattet von den schlaflosen Nächten und den Kämpfen des Vortages. Gegen Mittag waren die Kreuzfahrer völlig fertig. Sie waren übermüdet und schienen keine Fortschritte zu machen. Sie waren zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen, und die Mauern von Jerusalem schienen uneinnehmbar.
Schließlich brachen sie ihre Manöver ab und hielten Rat. Etwa die Hälfte von ihnen war bereit, die vergebliche Belagerung abzubrechen und den Bischof, der die falschen Prophezeiungen gemacht hatte, zu hängen. Doch während sie noch diskutierten, winkte plötzlich ein Ritter auf dem Ölberg den anderen mit seinem Schild, um ihnen zu signalisieren, dass sie vorrücken sollten. Auf dieses Signal hin fassten die Männer Mut und griffen erneut an. Die Rammböcke machten sich wieder an die Arbeit, und einige der Kreuzfahrer begannen, mit Leitern und Seilen die Mauern zu erklimmen.
Die Verteidiger der Stadt hatten hinter den Stadtmauern einen regelrechten Berg aus Heu- und Baumwollballen als zusätzlichen Schutz aufgeschichtet. Einigen Bogenschützen unter dem Kommando von Gottfried von Bouillon gelang es jedoch, diese Ballen mit ihren brennenden Pfeilen in Brand zu stecken. Als der Wind drehte, raubten riesige Rauchwolken den muslimischen Verteidigern die Sicht und den Atem. Der Regen aus Feuer und Rauch trieb sie von den Mauern.
Gottfried nutzte die Gunst der Stunde und ließ rasch die lange Zugbrücke von seinem Turm herab und seine Männer strömten wacker über die Mauern. Binnen Minuten hatten die Kreuzfahrer jenen Mauerabschnitt gesichert, was ihren Waffenbrüdern ermöglichte, sämtliche Mauern mit Leitern und Seilen zu erklimmen. Einige Eindringlinge erreichten eines der Stadttore und konnten es öffnen. Eine Flut von Kreuzrittern strömte nun durch das geöffnete Tor.
Obwohl die Muslime immer noch gegenüber den Kreuzfahrern stark in der Überzahl waren, wichen sie doch fassungslos und verwirrt zurück. Noch vor wenigen Stunden sah es so aus, als wären die Kreuzfahrer geschlagen. Doch nun schwärmten sie in die Stadt. In einem wilden Durcheinander flohen die bestürzten Verteidiger vor den Kreuzfahrern. Plötzlich brach in der ganzen Stadt eine Massenpanik aus, als jeder versuchte den Angreifern zu entkommen. Frauen kreischten und Kinder weinten als die Kreuzfahrer jeden abschlachteten, den sie trafen.2
Die Kreuzfahrer sahen sich selbst als das mittelalterliche Pendant zu Jehu und seiner Armee, der seinerzeit die Baalsanbeter abschlachtete3. Ein Kreuzfahrer hinterließ uns einen Augenzeugenbericht über das schreckliche Massaker in Jerusalem:
„Haufen von Köpfen, Händen und Füßen waren in den Straßen der Stadt zu sehen. Man musste sich einen Weg über die Leichen von Menschen und Pferden bahnen. Aber das waren Kleinigkeiten verglichen mit dem, was im Tempel Salomos geschah, einem Ort, an dem gewöhnlich religiöse Feiern gehalten werden. Was geschah dort? Wenn ich die Wahrheit sagte, so würde es eure Vorstellungskraft übersteigen. Es soll also reichen, wenn ich lediglich sage, dass im Tempel und der Vorhalle Salomos die Männer bis zu ihren Knien und dem Zaumzeug in Blut ritten. In der Tat, es war ein gerechtes und herrliches Gottesurteil, dass dieser Platz mit dem Blut der Ungläubigen angefüllt werden sollte! Denn so lange hat er schon unter ihren Gotteslästerungen gelitten. Die Stadt war angefüllt mit Leichen und Blut.“4
Man könnte meinen, dass die Kreuzfahrer am nächsten Tag von Gewissensbissen geplagt wurden, weil sie an die 100.000 Menschen massakriert hatten, darunter viele kleine Kinder. Doch weit gefehlt, denn sie waren sich sicher, dass ihr Herr Jesus Christus ihnen den Sieg geschenkt hatte und als glücklicher König auf sie herab lächelte. Schließlich hatte der Papst selbst alle guten Katholiken explizit dazu aufgerufen, das Heilige Land von den Ungläubigen zu befreien. Er hatte allen Katholiken die vollständige Vergebung der Sünden für jeden zugesichert, der sich auf den Kreuzzug begab. So fährt unser Augenzeuge fort:
„Nun, da die Stadt eingenommen war, war es all unsere früheren Mühen und Strapazen wert gewesen, die Hingabe der Pilger am Heiligen Grab zu sehen. Wie sie jubelten und frohlockten und dem Herrn ein neues Lied sangen! Denn ihre Herzen opferten Gott Lobpreisgebete, siegreich und triumphierend, die sich nicht in Worte fassen lassen. Ein neuer Tag! Neue Freude! Neue und unaufhörliche Fröhlichkeit! Die Vollendung unserer Arbeit und unserer Hingabe ließ aus allen neue Worte und neue Lieder hervorsprudeln. Dieser Tag, sage ich, wird in allen künftigen Zeitaltern berühmt sein, denn er hat unsere Mühen und Sorgen in Freude und Jubel verwandelt. Dieser Tag, sage ich, markiert die Rechtfertigung der gesamten Christenheit, die Erniedrigung des Heidentums und die Erneuerung unseres Glaubens. ‚Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat, lasst uns frohlocken und uns freuen‘, denn an diesem Tag hat sich der Herr seinem Volk offenbart und es gesegnet.“5
Aber betrachtete Jesus dieses Massaker als etwas erfreuliches? Hatten die Kreuzfahrer das Königreich Gottes wirklich vorangebracht? Oder hatten sie ihm großen Schaden zugefügt?
Immerhin hatte Jesus etwa 1.100 Jahre zuvor ein Königreich der Liebe errichtet. Seine Untertanen sollten an ihrer Liebe untereinander erkannt werden. Und nicht allein das, sie sollten auch ihre Feinde lieben. Ihr eigener König hat sich selbst als sanftmütig und von Herzen demütig beschrieben. Die ersten Untertanen dieses besonderen Königreichs hatten ihre Welt auf den Kopf gestellt - nicht mit dem Schwert, sondern mit Worten der Wahrheit und Taten der Liebe. Was also machten Leute, die behaupteten, Untertanen dieses Königreichs der Liebe und Sanftmut zu sein, in einem fernen Land, als sie die Einwohner Jerusalems massakrierten?
Das ist eine lange Geschichte. Aber es ist eine, die erzählt werden muss. Denn mein ewiges Schicksal und das Ihre sind eng verbunden mit der Geschichte des Königreichs, das die Welt auf den Kopf stellte.
1 Raymond d’Aguiliers in August C. Krey, The First Crusade: The Accounts of Eyewitnesses and Participants 256
2 J. Arthur McFall, “The Fall of Jerusalem,” Military History Magazine (June, 1999)1-6.
3 Gemeint ist die Geschichte aus 2. Kön. 10, 18ff. Anm. des Übersetzers.
4 Krey 252.
5 Krey 253.
Wie wir gleich sehen werden, ist das Königreich, das die Welt auf den Kopf stellte, ein einzigartiges Königreich. Es ist ein Königreich der auf den Kopf gestellten Werte.
Im Jahr 1978 schrieb Donald Kraybill ein Buch mit dem Titel „The Upside-Down Kingdom“ (Das am Kopf stehende Königreich), in dem er einige dieser auf den Kopf gestellten Werte des Königreichs Gottes erforschte. Doch um dieses auf den Kopf gestellte Königreich vollständig zu verstehen, müssen wir uns zunächst ein Königreich ansehen, das auf den Füßen stand.
Die Heilige Schrift stellt uns dieses auf den Füßen stehende Königreich im Buch Exodus vor, wo Gott zu den Israeliten sprach:
„Wenn ihr nun wirklich Meiner Stimme gehorcht und Meinen Bund haltet, dann sollt ihr für Mich ein besonderer Schatz sein, mehr als alle anderen Menschen; denn die ganze Erde ist Mein. Und ihr sollt Mir ein Königreich von Priestern sein und ein heiliges Volk.“ Ex 19,5-6 6
Das war das Angebot Gottes an die Israeliten: dass sie Sein besonderes Königreich von Priestern sein könnten. Und die Israeliten nahmen Sein Angebot an. Sie schlossen am Berg Sinai einen Bund mit Ihm. Wie die meisten Bündnisse beruhte auch dieser Bund auf Beidseitigkeit. Wenn die Israeliten der Stimme Gottes gehorchten, würden sie für Ihn ein „Königreich von Priestern und ein heiliges Volk“ sein. Wie jedes andere Königreich sollte auch das Volk Israel einen Herrscher und Gesetze haben. Ihr König, Gesetzgeber und Richter sollte jedoch Gott selbst sein (Jes 33,22). Die Gesetze des Königreichs Israel waren das Gesetz Moses, das direkt von Gott gegeben wurde.
Trotz dieser besonderen Merkmale war das Königreich Israel immer noch ein irdisches Königreich. In den meisten Aspekten war es den Königreichen der Welt ähnlich. Es hatte ein physisches, geografisches Territorium. Sein Volk war eine eigene ethnische Nationalität. Sie verteidigten ihr Königreich mit irdischen Soldaten, die mit Schwertern, Speeren und Bögen bewaffnet waren. Wie alle anderen irdischen Reiche erweiterten die Israeliten ihr Territorium durch den Einsatz des Schwertes. In den Augen der umliegenden Völker war der größte Unterschied der, dass den Israeliten durch ihr Gesetz der Gebrauch von Götzenbildern verboten war.
Sogar die Segnungen, die Gott den Israeliten versprochen hatte, waren irdische, materielle Segnungen:
„Wenn du der Stimme des Herrn, Deines Gottes, gehorchst ... wird die Frucht deines Leibes gesegnet sein, der Ertrag deines Bodens und das Wachstum deiner Herden. … Der Herr wird den Segen deiner Vorratskammern befehlen. … Und der Herr wird dir Überfluss an Gütern geben, an der Frucht deines Leibes, an der Vermehrung deines Viehs und am Ertrag deines Bodens. … Der Herr wird dir Seinen guten Schatz, den Himmel, öffnen, um deinem Land den Regen zur rechten Jahreszeit zu geben. … Du wirst vielen Völkern leihen, aber du wirst nicht borgen.“ Dtn 28,1-12
Aber nicht nur die Segnungen würden materiell sein. Wenn die Israeliten den Bund mit Gott brachen, würden auch ihre Strafen ebenso irdisch und physisch sein:
„Der Herr wird den Regen in eurem Land in Pulver und Staub verwandeln, die vom Himmel auf euch herabfallen, bis ihr vernichtet seid. Der Herr wird dafür sorgen, dass ihr vor euren Feinden geschlagen werdet. … Ihr werdet viel Saatgut auf das Feld tragen, aber wenig ernten, denn die Heuschrecken werden es verzehren. Du wirst Weinberge pflanzen und sie pflegen, aber du wirst weder vom Wein trinken noch Trauben lesen; denn die Würmer werden sie fressen.“ Dtn 28,24.25.38.39
Kurz gesagt, das alte Königreich Israel war ein Königreich, das auf die Beine gestellt war. Sein Muster war sogar für die anderen Nationen der Welt verständlich. Tatsächlich war das alte Israel in vielerlei Hinsicht nach demselben Muster aufgebaut, nach dem auch die anderen Nationen errichtet worden waren. Der Hauptunterschied bestand darin, dass die anderen Völker sich einbildeten, dass es ihre Götter waren, die sie zu einem Volk machten. Sie glaubten, dass es ihre Götter waren, die ihnen materiellen Wohlstand bescherten, wenn sie diese Götter verehrten. Und sie glaubten, dass es ihre Götter waren, die sie mit Dürren und Hungersnöten bestraften, wenn ihre Götter unzufrieden mit ihnen waren. In vielerlei Hinsicht war das Weltbild der Heidenvölker dem Weltbild der Israeliten recht ähnlich. Der Hauptunterschied bestand in Fragen der Religion und der Moral, nicht in Staatsangelegenheiten.
Aber das alte Königreich Israel, das überwiegend irdisch war, war nicht als Selbstzweck gedacht gewesen. Es war als Lehrmeister gedacht, der die Israeliten zu etwas viel Größerem führen sollte - einem Königreich, das wahrlich nicht von dieser Welt sein würde.
6 Wenn nicht anders angegeben, stammen alle Bibelzitate in diesem Werk aus der New King James Version, übersetzt auf Deutsch.
Das Jahr 30 n. Chr. begann wie jedes andere Jahr. Die jüdischen Priester brachten immer noch täglich Opfer im Tempel dar. Die Bauern arbeiteten auf ihren Feldern, und die Frauen wuschen ihre Kleidung in den Flüssen. Die Fischer hängten ihre Netze zum Trocknen an den Ufern des Sees Genezareth auf. Doch plötzlich tauchte ein Prophet namens Johannes auf! Bekleidet mit Kamelhaar und einem Ledergürtel machte Johannes eine auffällige Figur. Und er brachte eine aufrüttelnde Botschaft mit: Das Königreich Gottes ist nahe!
Das Königreich Gottes ist nahe? Für die Juden bedeutete dies, dass der Messias bald kommen würde. Es bedeutete den Sturz Roms! Es bedeutete, dass sie bald ihre Unabhängigkeit als Nation zurückerhalten würden. Kein Wunder, dass die Botschaft des Johannes die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Die Menschen strömten zu ihm, um herauszufinden, was sie tun mussten, um sich auf dieses Königreich vorzubereiten.
Als Johannes jedoch Jesus als ihren lang erwarteten Messias identifizierte, waren die meisten Juden nicht begeistert. Jesus von Nazareth? Er schien überhaupt nicht der Messias zu sein, den sie erwarteten. Er war offensichtlich kein Krieger. Und Er versuchte nicht einmal, eine Armee aufzustellen, um die Juden von Rom zu befreien. Tatsächlich predigte Er nicht einmal gegen die Römer.
Worüber predigte Er? Ich möchte Ihnen, dem Leser, diese Frage stellen. Was war das Thema der Predigten von Jesus?
Die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen?
Die Liebe Gottes zu den Menschen?
Die Notwendigkeit, wiedergeboren zu werden?
Die Tatsache, dass Jesus als Lösegeld für uns sterben würde?
Jesus hat sicherlich über all diese Dinge gesprochen. Und sie alle sind wesentliche Wahrheiten. Aber keine von ihnen war das Thema Seiner Botschaft.
Die Heilige Schrift berichtet nur von einer einzigen Begebenheit, bei der Jesus über die Wiedergeburt sprach: Sein privates Gespräch mit Nikodemus.
Er erwähnte sein Sterben als Lösegeld für uns nur ein einziges Mal.
Es gibt nur fünf oder sechs Stellen, an denen Er überhaupt das Wort „Erlösung“ verwendet.
Nein, das Thema der Botschaft von Jesus war das Königreich Gottes. In den Evangelien gibt es fast hundert Bezüge auf das Königreich Gottes. Außerdem handelten die allermeisten Gleichnisse Jesu vom Königreich Gottes. Jesus sagte sogar, dass der Grund, warum Er auf die Erde gesandt wurde, darin bestand, das Königreich Gottes zu predigen:
„Ich muss das Königreich Gottes auch in den anderen Städten verkünden, denn zu diesem Zweck bin ich gesandt worden.“ Lk 4,43
Das ist nicht das, was wir zu hören gewohnt sind, nicht wahr? Wir haben alle den Eindruck gewonnen, dass der Hauptzweck des Kommens Jesu auf die Erde darin bestand, uns von unseren Sünden zu erlösen. Und das war definitiv einer der Zwecke Seines Kommens. Aber es war nicht der einzige Zweck. Wo immer Er hinging, predigte Jesus über das Königreich Gottes.
Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: „Tut Buße, denn das Königreich des Himmels ist nahe herbeigekommen.“ Mt 4,17
Und Jesus zog durch ganz Galiläa und lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium vom Königreich und heilte alle Arten von Krankheiten und alle Arten von Seuchen. Mt 4,23
Als aber das Volk es erfuhr, folgten sie Ihm nach; und Er nahm sie auf und redete zu ihnen von dem Königreich Gottes und heilte, die der Heilung bedurften. Lk 9,11
Und Jesus ging umher in alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium vom Königreich und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk. Mt 9,35
Es ist eine Ironie, dass, obwohl das Königreich Gottes das Thema von Jesu Predigten war, die Botschaft vom Königreich in dem heute gepredigten Evangelium fast völlig fehlt. Was ist das Thema der meisten Predigten heute? Es ist die persönliche Erlösung des Menschen, nicht wahr? Es ist nicht das Königreich Gottes.
Sie denken sich jetzt vielleicht: „Okay, vielleicht hat Jesus über das Königreich gepredigt, aber Seine Jünger machten das anders. Er befahl ihnen, dass sie über die Wiedergeburt und die Erlösung predigen sollten, nicht über das Königreich Gottes, richtig?“ Falsch! Als Jesus Seine Jünger beauftragte, sagte Er ihnen ausdrücklich, sie sollten über das Königreich predigen. Beachten Sie Seine Predigtanweisungen:
Wenn ihr hingeht, predigt und sprecht: „Das Königreich des Himmels ist nahe herbeigekommen.“ Mt 10,7
Er sandte sie aus, das Königreich Gottes zu verkündigen und die Kranken zu heilen. Lk 9,2
Heilt dort die Kranken und sagt ihnen: „Das Königreich Gottes ist nahe zu euch gekommen.“ Lk 10,9
Bitte verstehen Sie, dass es sich hier nicht um ein paar vereinzelte „Beweistexte“7 handelt. In fast jedem Abschnitt, in dem Jesus Seinen Jüngern Anweisungen zum Predigen gab, sagte Er ihnen, sie sollten über das Königreich predigen.
Sie erinnern sich sicher an den Jünger, der sagte, er wolle Jesus nachfolgen, müsse aber zuerst seinen Vater begraben. Was hat Jesus ihm gesagt?
„Lass die Toten ihre eigenen Toten begraben, du aber geh hin und verkündige das Königreich Gottes.“ Lk 9,60
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will damit keineswegs unser Bedürfnis nach Wiedergeburt und Erlösung herunterspielen. Dies sind entscheidende Aspekte des Evangeliums. Sie sind jedoch ein Mittel zum Zweck - zum Eintritt in das Königreich Gottes. Jesus hatte nie die Absicht, dass Seine Nachfolger über die Erlösung und die Wiedergeburt unabhängig vom Königreich Gottes predigen sollten. Das Königreich Gottes ist ein absolut entscheidender Aspekt des Evangeliums. Wenn wir den Menschen von der Erlösung erzählen, aber nichts über das Königreich Gottes sagen, dann predigen wir nicht das Evangelium von Jesus Christus.
Und welches Evangelium war es, von dem Jesus sagte, dass es vor dem Ende in der ganzen Welt gepredigt werden würde? Er sagte:
„Und dieses Evangelium vom Königreich wird in der ganzen Welt gepredigt werden als ein Zeugnis für alle Nationen, und dann wird das Ende kommen.“ Mt 24,14
Zwar wird ein Evangelium heute in der ganzen Welt gepredigt, aber ist es das Evangelium vom Königreich?
Jedes Reich hat vier grundlegende Komponenten:
Einen oder mehrere Herrscher.
Untertanen.
Einen Herrschaftsbereich oder ein Gebiet.
Gesetze.
Das Königreich Gottes ist da nicht anders. Es hat einen Herrscher, es hat Untertanen, einen Herrschaftsbereich und Gesetze. Da das Königreich Gottes jedoch eine revolutionäre Art von Reich ist, nehmen diese vier grundlegenden Komponenten einzigartige Aspekte an.
Zunächst einmal hat das Königreich Gottes keinen irdischen Herrscher. Sein Herrscher ist Jesus Christus, der vom Himmel aus regiert. Irdische Reiche wechseln von Zeit zu Zeit ihre Herrscher und ihre Politik. Im Gegensatz dazu ist Jesus ewig, und Seine Politik ändert sich nicht.
„Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.“ Hebr 13,8
Wer sind die Untertanen des Königreichs Gottes? Die Juden? Nein, denn Jesus sagte den Juden ziemlich pointiert:
„Ich sage euch: Das Königreich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt.“ Mt 21,43
Wer ist aber dieses Volk, dem Jesus das Königreich Gottes geben wird? Die Römer? Die Briten? Die Amerikaner? Nein, es ist keines von denen, denn die Heilige Schrift sagt uns:
„Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist weder Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus. Und wenn ihr Christus angehört, so seid ihr Abrahams Same und Erben nach der Verheißung.“ Gal 3,28.29
Also sind wir alle, die wir Christus angehören, wir alle, die wir wahrhaftig wiedergeboren sind, die Untertanen dieses Königreichs. Wir sind die Erben von Gottes Verheißung geworden, die Bürger Seiner neuen Nation. Als Petrus an die Heidenchristen8 seiner Zeit schrieb, wandte er sich mit den folgenden Worten an sie:
„Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliges Volk, Sein besonderes Volk, damit ihr den Lobpreis dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in Sein wunderbares Licht gerufen hat; die ihr einst kein Volk wart, jetzt aber das Volk Gottes seid, die ihr keine Barmherzigkeit erlangt habt, jetzt aber Barmherzigkeit erlangt habt.“ 1. Petr 2,9-11
Die Untertanen des Königreichs Gottes sind also dazu berufen, ein heiliges Volk, ein Königreich von Priestern zu sein, so wie die Israeliten seinerzeit berufen worden waren (Ex 19,5.6). Allerdings wurde das Königreich von den Israeliten genommen und einem Volk gegeben, das die Früchte der Gerechtigkeit hervorbringen würde, nämlich dem Volk der wiedergeborenen Gläubigen.
Ein einzigartiger Aspekt des Königreichs Gottes ist, dass seine Untertanen nicht wie die Untertanen anderer Reiche einen bestimmten Teil der Erde bewohnen. Die Bürger des Königreichs Gottes sind über alle Nationen der Welt verstreut. Diese Besonderheit hat dem Königreich Gottes ständige Konflikte beschert. Das liegt daran, dass seine Bürger stets in zwei verschiedenen Reichen leben - dem Reich der Welt und dem Königreich Gottes.
Jesus sagte zu der samaritanischen Frau:
„Es kommt die Stunde, in der du weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten wirst.“ Joh 4,21
Das Königreich Gottes würde keine irdische Hauptstadt und kein Heiligtum haben.
All dies lag jenseits der Erfahrung sowohl der Juden als auch der Heiden zur Zeit Jesu. Das Königreich der Israeliten umfasste ein bestimmtes geografisches Gebiet. So wie alle anderen Reiche der Menschheit. Die Israeliten hatten immer einen physischen Ort, an dem sich ihre Stiftshütte oder ihr Tempel befand. Seit tausend Jahren war dieser Ort Jerusalem. Jedes menschliche Reich hat eine irdische Hauptstadt, aber Gottes Königreich hat keine.
Als wäre das alles nicht schon erstaunlich genug, sagte Jesus den Pharisäern etwas noch Erstaunlicheres:
Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Königreich Gottes kommen würde, antwortete Er ihnen und sprach: „Das Königreich Gottes kommt nicht durch Beobachtung; man wird auch nicht sagen: ‚Seht hier!‘ oder ‚Seht dort!‘ Denn wahrlich, das Königreich Gottes ist inwendig in euch.“ Lk 17,20.21
Was für ein Königreich ist das? Ein Königreich, das inwendig in euch ist? Jesus führte wahrhaftig etwas wunderbar Neues ein, etwas Revolutionäres. Dies war nicht nur ein neues Königreich, es war eine neue Art von Königreich. Es war eine Art von Reich, die sich völlig von dem unterschied, wovon jeder - ob Jude oder Nichtjude - jemals zuvor gehört hatte. Ein Königreich, das „inwendig in euch“ ist.
„Oh, ich verstehe“, werden Sie vielleicht denken, „Jesus sprach von einem geistlichen Königreich, nicht von einem echten Königreich.“ Nein, Jesus sprach von einem realen Königreich. Das alte Königreich der Israeliten war definitiv ein echtes Königreich, nicht wahr? Es hatte echte Könige, echte Untertanen und echte Gesetze. Das Königreich Gottes ist genauso real wie das alte israelitische Königreich. Es hat auch einen echten König, echte Untertanen und echte Gesetze. Sein Herrschaftsbereich umfasst die ganze Erde, auch wenn die Mehrheit der Weltbevölkerung keine Bürger dieses Königreichs sind.
Was hat Jesus gemeint, als Er sagte, dass das Königreich Gottes inwendig in euch ist? Tertullian, ein frühchristlicher Schriftsteller, kommentierte diesen Satz so:
Nun, wer ist hier, der nicht versteht, dass die Formulierung „inwendig in euch“ bedeutet in eurer Hand oder in eurer Macht? Das heißt, wenn ihr die Gebote Gottes hört und tut.9
Jeder kann sich dafür entscheiden, ein Bürger des Königreichs Gottes zu sein, wenn er bereit ist, die erforderliche Verpflichtung einzugehen. Man muss weder irgendwohin reisen noch eine Geldsumme bezahlen, um so ein Bürger zu werden.
Viele Griechisch-Gelehrte sind heute der Meinung, dass Lukas 17,21 besser mit „Das Königreich Gottes ist mitten unter euch“ anstatt mit „inwendig in euch“ übersetzt werden sollte. Mit anderen Worten: Der König und einige Seiner Untertanen standen bereits mitten unter den religiösen Führern, die Jesus fragten, wann das Königreich Gottes kommen würde. Das Königreich Gottes war mitten unter ihnen, aber sie erkannten es nicht.
Welche Bedeutung Jesus auch immer mit der Formulierung „inwendig in euch“ oder „mitten unter euch“ gemeint hat, das Prinzip ist immer noch dasselbe. Sein Königreich hat keine nationalen Grenzen, keinen irdischen König und keine militärischen Streitkräfte. Seine Untertanen leben mitten unter den Völkern dieser Welt, doch die Welt kann dieses Königreich nicht sehen. Ein Bürger von Gottes Königreich zu werden, ist für jeden erreichbar. Was Gottes Volk zu Untertanen dieses Königreichs macht, ist etwas in ihnen - der ihnen innewohnende Heilige Geist.
Viele Christen haben die Vorstellung, dass das Königreich Gottes etwas Zukünftiges ist. Aber nein, das Königreich Gottes ist etwas, das jetzt schon da ist. Paulus schreibt an die Kolosser:
„Er hat uns von der Herrschaft der Finsternis befreit und uns in das Königreich des Sohnes Seiner Liebe versetzt.“ Kol 1,13
Paulus spricht in der Vergangenheitsform. Gott hat uns schon in Sein Königreich versetzt. Er holt uns nicht erst dann in Sein Königreich, wenn wir gestorben sind. Er holt uns in Sein Königreich sobald wir wiedergeboren sind.
Seltsamerweise erkennen viele Christen nicht, dass das Königreich Gottes eine gegenwärtige Realität auf der Erde ist. In der Tat wissen viele Christen nicht einmal, was das Königreich Gottes ist. Genauso wie die Pharisäer sehen sie das Königreich Gottes nicht. Und so haben sie sich nie diesem Königreich verpflichtet.
7 „Beweistexte“ (engl. „proof-texts“) sind Zitate oder Textschnipsel aus der Bibel, die verwendet werden um eine bestimmte theologische Position oder Lehre zu untermauern. Oft werden Beweistexte isoliert betrachtet, ohne den Kontext der gesamten Schrift oder die Absicht des Autors zu berücksichtigen. Dies kann dazu führen, dass Texte aus ihrem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert werden. Siehe auch Fußnote zu Kapitel 17 „Der Jesusweg zum Heil“. Anm. des Übersetzers.
8 Das sind Christen, die vor ihrer Bekehrung irgendeinem Volk angehörten, nur nicht den Juden. Im Gegensatz dazu werden Juden, die sich zum Christentum bekehrten, Judenchristen genannt. Anm. des Übersetzers.
9 Tertullian, Against Marcion, Book IV, Ch. 26; ANF, Vol. III, 409.
Wenn Ausländer Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Amerika werden wollen, müssen sie folgenden Eid ablegen:
„Ich erkläre hiermit an Eides statt,
dass ich jedem ausländischen Fürsten, Machthaber, Staat oder jeder Souveränität, deren Untertan oder Bürger ich bisher war, absolut und vollständig die Treue verweigere und abschwöre;
dass ich die Verfassung und die Gesetze der Vereinigten Staaten von Amerika gegen alle Feinde im In- und Ausland unterstützen und verteidigen werde;
dass ich denselben treu und loyal ergeben sein werde;
dass ich im Namen der Vereinigten Staaten von Amerika Waffen tragen werde, wenn das Gesetz es verlangt;
dass ich in den Streitkräften der Vereinigten Staaten von Amerika nichtkämpfend dienen werde, wenn das Gesetz es verlangt;
dass ich Arbeiten von nationaler Bedeutung unter ziviler Autorität verrichten werde, wenn das Gesetz es verlangt;
und dass ich diese Verpflichtung aus freien Stücken und ohne innere Vorbehalte oder die Absicht, mich ihr zu entziehen, eingehe; so wahr mir Gott helfe.“10
Die Vereinigten Staaten würden, wie auch die meisten anderen Regierungen, es solchen, die Staatsbürger werden wollen, nicht erlauben, einen Spagat zu machen. Eingebürgerte Staatsbürger können nicht behaupten, dass ihre Loyalität und Treue den Vereinigten Staaten gehört, wenn sie gleichzeitig einer fremden Regierung loyal und treu bleiben. Unsere Regierung würde das nicht zulassen. Sie möchte ungeteilte Loyalität von allen, die die Staatsbürgerschaft beantragen.
Es sollte daher nicht überraschen, dass Jesus, der König, eine ähnliche Loyalität von denjenigen verlangt, die die Staatsbürgerschaft in Seinem Königreich beantragen wollen. Tatsächlich verlangt Er sogar ein noch höheres Maß an Gefolgschaftstreue:
„Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut auseinander.“ Mt 12,30
„Wer Vater oder Mutter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht wert. Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und Mir nachfolgt, ist Meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um Meinetwillen, wird es finden.“ Mt 10,37-39
„Wer von euch nicht allem entsagt, was er hat, kann nicht mein Jünger sein.“ Lk 14,33
Die Vereinigten Staaten verlangen von den Menschen nicht, dass sie allem entsagen, was sie haben, um Staatsbürger zu werden. Aber Jesus tut es. In Seinem Königreich kann es keine geteilte Loyalität geben. Jesus wird sich von niemandem oder nichts auf eine untergeordnete Rolle degradieren lassen. Er verlangt alles oder nichts. Genau genommen ist das der Grund, warum Jesus uns auffordert, die Kosten zu berechnen, bevor wir uns entscheiden, Seinem Königreich beizutreten.
Denn wer von euch, der einen Turm bauen will, setzt sich nicht zuerst hin und berechnet die Kosten, ob er genug hat, um ihn zu vollenden - damit nicht, wenn er den Grundstein gelegt hat und nicht fertig wird, alle, die es sehen, anfangen, ihn zu verspotten, indem sie sagen: „Dieser Mensch fing an zu bauen und konnte nicht fertig werden.“ Lk 14,28-30
Jesus möchte nicht, dass wir etwas anfangen, das wir nicht zu Ende bringen.
„Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist tauglich für das Königreich Gottes.“ Lk 9,62
Wenn wir das Königreich Gottes wirklich verstehen und begreifen, was es bedeutet, wird es für uns wertvoller sein als alles andere, was wir je besitzen.
„Das Königreich des Himmels gleicht einem Schatz, der in einem Acker verborgen war, den ein Mensch fand und verbarg; und aus Freude darüber geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker. Wiederum, gleicht das Königreich des Himmels einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte; und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“ Mt 13,44-46
Genau genommen erwarten in Kriegszeiten sogar irdische Regierungen von ihren Staatsbürgern, dass sie ihre Vaterlandstreue über jede andere Treue stellen, einschließlich der, gegenüber ihren eigenen Familien. In Kriegszeiten kommt es manchmal vor, dass Väter und Söhne gegeneinander kämpfen und dass Soldaten ihre eigenen Brüder töten. In der Tat erwarten irdische Königreiche von ihren Staatsbürgern, dass sie im Krieg ihr eigenes Leben für das Wohl ihres Landes geben, wenn es nötig ist. Jede echte Regierung erwartet diese Art von Loyalität von ihren Staatsbürgern.
Jesus erwartet nicht weniger. Und warum? Weil Sein Königreich ein echtes Reich ist. Doch im Gegensatz zu irdischen Reichen ist das Königreich Gottes immer im Krieg (Eph 6,12). Wie Jesus sagte:
„Denkt nicht, dass ich gekommen bin, um Frieden auf Erden zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern ein Schwert. Denn ich bin gekommen, um einen Mann gegen seinen Vater aufzubringen, die Tochter gegen ihre Mutter und die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter; und die Feinde des Menschen werden seine eigenen Hausgenossen sein.“ Mt 10,34-36
Jesus verlangt von Seinen Bürgern dasselbe Maß an Loyalität, Liebe, Hingabe und Verpflichtung, das glühende Patrioten ihrem Land in Kriegszeiten entgegenbringen - wenn nicht noch mehr. Ein Bürger des Königreichs Gottes zu sein, ist weder ein Spaß noch ein Spiel, sondern eine ernste Angelegenheit.
„Wer sein Leben liebt, wird es verlieren, und wer sein Leben in dieser Welt hasst, wird es für das ewige Leben bewahren.“ Joh 12,25
Während des Zweiten Weltkriegs rationierte die Regierung der Vereinigten Staaten eine große Zahl von Gütern. Gummi war das erste, das rationiert wurde. Bald darauf folgte Benzin. Schon bald darauf begann die Regierung mit der Rationierung von Zucker, Kaffee, Fleisch, Butter, Konserven, getrockneten Erbsen und Bohnen und einer Vielzahl anderer Produkte. Schließlich rationierte oder beschränkte die Regierung sogar Artikel wie Autos, Fahrräder, Schreibmaschinen, Schuhe und Kleidung.11
Was hätten die Leute von einer Person gehalten, die behauptete, ein glühender Patriot zu sein, wenn sie beim Stehlen von Benzin aus einer örtlichen Raffinerie erwischt worden wäre, um die Unannehmlichkeiten der Benzinrationierung in Kriegszeiten nicht ertragen zu müssen? Was wäre, wenn dieselbe Person zahlreiche andere Kriegsgesetze gebrochen hätte? Hätte man sie dann als wahren Patriot bezeichnet? Wohl kaum! Man hätte sie einen Heuchler, einen Betrüger und sogar einen Verräter genannt.
Im Königreich Christi ist das nicht anders. Jesus hat verschiedene Gesetze und Gebote erlassen, und alle Seine Gesetze sind Kriegsgesetze. Wenn wir Seine Gesetze brechen, erweisen wir uns als Verräter. Wir zeigen, dass wir keine echte Liebe für unser neues Land haben. Wir wollen die Vorteile des Lebens unter Christi Regierung genießen, aber wir wollen keine Mühsal oder Unannehmlichkeiten erleiden. Jesus durchschaut jeden vorgetäuschten Patriotismus für Sein Königreich, jede gekünstelte Liebe zu Ihm, sofort.
Aber vielleicht hat man Ihnen gesagt, dass es für Christen keine Gesetze gibt. Viele Prediger sagen: „Wir haben keine Gebote mehr - das war unter dem Gesetz Moses. Wir stehen unter der Gnade, nicht unter dem Gesetz.“ Wenn das der Fall ist, dann erklären Sie bitte diese Aussagen Jesu:
„Wenn ihr Mich liebt, so haltet Meine Gebote.“ Joh 14,15
„Der, der Meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der Mich liebt. Und der, der Mich liebt, der wird von Meinem Vater geliebt werden, und Ich werde ihn lieben und Mich ihm offenbaren.“ Joh 14,21
„Wenn jemand Mich liebt, dann wird er Mein Wort halten, und Mein Vater wird ihn lieben, und Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Der, der Mich nicht liebt, hält Meine Worte nicht.“ Joh 14,23-24
„Ihr seid Meine Freunde, wenn ihr tut, was immer Ich euch gebiete.“ Joh 15,14
„Wenn ihr Meine Gebote haltet, werdet ihr in Meiner Liebe bleiben, so wie Ich die Gebote Meines Vaters gehalten habe und in Seiner Liebe bleibe.“ Joh 15,10
Wir haben keine Gebote? Nur Gnade? Nicht laut Jesus! Und Seine Sichtweise ist die einzige, die zählt. Wo es keine Gesetze und keine Gebote gibt, da gibt es kein Königreich. Und wo es kein Königreich gibt, da gibt es auch keinen Jesus. Jede Theologie oder jede Schriftauslegung, die die klaren Worte Jesu aufhebt, ist nicht von Christus. Jesus hat Seine letzte Nacht12 vor Seinem Tod doch nicht extra damit verbracht, Seinen Jüngern immer und immer wieder zu wiederholen, dass sie Seine Gebote halten sollen, nur um ihnen später zu sagen, dass Er eigentlich gar keine Gebote hat!
Als ich in den fünfziger Jahren aufwuchs, hörte ich oft das Gerede über den „American Way“, der „Amerikanische Weg“. Der „American Way“ bezog sich auf die amerikanischen Werte, im Gegensatz zu den Werten der Kommunisten. Zu den amerikanischen Werten gehört der feste Glaube an die Religionsfreiheit, die Redefreiheit, die Pressefreiheit, ein ordentliches Gerichtsverfahren und gewählte Repräsentanten, die dem Volk gegenüber verantwortlich sind.
In ähnlicher Weise gibt es einen „Königreichweg“. Das Königreich Jesu kommt mit seinem eigenen, speziellen Wertekatalog daher. In den folgenden Kapiteln werden wir uns einige der auf diesen Werten beruhenden Gesetze des Königreichs ansehen. Für die meisten Menschen werden diese Werte des Königreichs Gottes auf den Kopf gestellt erscheinen. Das liegt daran, dass viele von ihnen das genaue Gegenteil der alltäglichen menschlichen Werte sind. Aber das Wichtigste, was man sich bei ihnen merken sollte, ist, dass die Werte des Königreichs Gottes in der Ewigkeit verwurzelt sind. Und die Dinge nehmen ganz andere Eigenschaften an, wenn sie dem Licht der Ewigkeit ausgesetzt werden.
Das ist vergleichbar mit den wechselnden Eigenschaften der chemischen Substanz H2O bei verschiedenen Temperaturen. Wenn diese Substanz über 0 Grad Celsius (und unter 100 Grad) ist, nennen wir sie Wasser. Es ist eine Flüssigkeit, die durch ein Rohr fließen kann. Man kann sie trinken oder in ihr schwimmen. Aber unter 0 Grad nimmt H2O ganz andere Eigenschaften an. Alle seine Eigenschaften werden plötzlich auf den Kopf gestellt. Was man zuvor trinken konnte, kann man jetzt essen. Auf dem, worin man zuvor schwimmen konnte, kann man jetzt gehen.
Mit der Ewigkeit verhält es sich genauso. Alles - Besitztümer, Begabungen, Aktivitäten und Werte - bekommt einen völlig neuen Charakter, wenn man es mit den Augen der Ewigkeit betrachtet. Dinge, die aus irdischer Sicht ein Segen sind, werden oft zum Fluch, wenn man sie mit den Augen der Ewigkeit betrachtet. Im Königreich Gottes ist die Ewigkeit nicht die Hauptsache, sondern die einzige Sache. Alles andere ist letzten Endes irrelevant.
Und das ist der wesentliche Grund, warum wir erwarten sollten, dass die Gesetze und Werte dieses Königreichs anders sind, revolutionär. Es sind die Gesetze und Werte der Ewigkeit. Natürlich sind sie anders als jene auf der Erde!
Am Ende der Bergpredigt warnt uns Jesus:
„Viele werden an jenem Tag zu Mir sagen: ‚Herr, Herr, haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt, in Deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in Deinem Namen viele Wunder getan?‘ Und dann werde Ich zu ihnen sagen: ‚Ich habe euch nie gekannt; weicht von Mir, ihr, die ihr Gesetzlosigkeit praktiziert!‘“ Mt 7,22-23
Also sagte Jesus, dass Er jeden bekennenden Gläubigen, der Gesetzlosigkeit praktiziert, verwerfen würde. Mein Wörterbuch definiert „gesetzlos“ als „nicht durch die Autorität des Gesetzes geregelt“.13 Diejenigen, die Gesetzlosigkeit praktizieren, sind also bekennende Christen, die sich weigern, entweder Jesu Gesetze oder Gebote anzuerkennen oder nach ihnen zu leben.
Jesus schloss Seine Bergpredigt mit den Worten:
„Darum wer immer nun diese Meine Worte hört und sie tut, den will Ich mit einem klugen Mann vergleichen, der sein Haus auf den Fels baute; und es regnete und flutete, und die Winde wehten und stießen an das Haus, und es stürzte nicht ein, denn es war auf den Fels gegründet.
Jeder aber, der diese Meine Worte hört und sie nicht tut, wird sein wie ein törichter Mensch, der sein Haus auf den Sand baute; und es regnete, und die Fluten kamen, und die Winde wehten und stießen an das Haus, und es stürzte zusammen. Und sein Einsturz war gewaltig.“ Mt 7,24-27
Diese Worte sind klar und deutlich, nicht wahr? Die einzige Möglichkeit, wie wir auf den Fels bauen können, ist, die Dinge zu tun, die Jesus lehrte. Wenn wir nicht tun, was Er lehrte, bauen wir auf Sand. So einfach ist das.
Deshalb finde ich es unglaublich, dass wir, die wir uns als bibeltreue Christen bezeichnen, Jesus die Worte direkt ins Gesicht zurückwerfen und Ihn verhöhnen, indem wir am Sonntagmorgen lautstark singen:
„Meine Hoffnung gründet sich auf nichts weniger als auf Jesu Blut und Gerechtigkeit.
Ich wage es nicht, dem süßesten Bild zu trauen, sondern stütze mich ganz und gar auf Jesu Namen.
Auf Christus, dem soliden Felsen, stehe ich. Jeder andere Boden ist sinkender Sand, jeder andere Boden ist sinkender Sand.
Wenn die Dunkelheit Sein liebliches Antlitz verschleiert, ruhe ich auf Seiner unveränderlichen Gnade. In jedem hohen und stürmischen Orkan hält mein Anker im Inneren dieses Schleiers.
Wenn Er kommen wird mit Trompetenschall, o, möge ich dann in Ihm gefunden werden. Gekleidet in Seine Gerechtigkeit allein, makellos stehend vor dem Thron.“14
Die einzige Stelle in der Heiligen Schrift, die davon spricht, auf den Fels zu bauen und nicht auf sinkenden Sand, ist jene Stelle aus der Bergpredigt, die wir gerade gelesen haben. Dort hat Jesus ganz klar gesagt, dass wir nur dann auf den Felsen bauen können, wenn wir das tun, was Er in dieser Bergpredigt gepredigt hat. Seine Gnade ist wirklich unveränderlich, aber Er erstreckt sie nur auf jene, die Ihn lieben und Ihm gehorchen.
Doch dieses beliebte Lied ignoriert genau diese Worte Jesu völlig und lehrt stattdessen, dass wir auf den Felsen bauen, indem wir einfach nur darauf vertrauen, dass die Gnade und Gerechtigkeit Jesu uns umhüllt - unabhängig davon, wie wir leben. Und raten Sie mal, wem die meisten bekennenden Christen glauben wollen: (1) Jesus selbst oder (2) diesem Liedtexter und anderen, die wie er ein Evangelium des einfachen Glaubenstums15 predigen?
Das Leben und Wirken im Königreich Gottes erfordert einen radikalen Paradigmenwechsel. Das Wort Paradigma bedeutet im Grunde ein Modell oder Muster. Es kann auch ein Gesamtkonzept oder die Summe unserer Annahmen bedeuten, die es uns ermöglichen, ein bestimmtes Ereignis, ein Szenario oder das Leben im Allgemeinen zu verstehen (oder misszuverstehen). Wir vollziehen einen Paradigmenwechsel, wenn wir etwas für die Realität halten, aber später feststellen, dass es etwas anderes ist.
Einer der bekanntesten Paradigmenwechsel in der Wissenschaft fand beispielsweise statt, als Kopernikus postulierte, dass sich die Erde und andere Planeten um die Sonne drehen. Nachdem die Wissenschaftler das heliozentrische Modell von Kopernikus akzeptiert hatten, mussten sie viele ihrer früheren Annahmen über die Bewegungen der Erde ändern. In ähnlicher Weise veränderte die Entdeckung von Louis Pasteur und anderen Wissenschaftlern, dass Keime Krankheiten verursachen, die medizinische Praxis radikal.
Der Schriftsteller Frank Koch gibt ein hervorragendes Beispiel für einen Paradigmenwechsel in einer Geschichte, die in Proceedings, der Zeitschrift des United States Naval Institute, erzählt wurde:
„Zwei Schlachtschiffe, die dem Ausbildungsgeschwader zugeteilt waren, befanden sich mehrere Tage lang bei schwerem Wetter zu Manövern auf See. Ich diente auf dem führenden Schlachtschiff und hatte bei Einbruch der Dunkelheit Wache auf der Brücke. Die Sicht war wegen des leichten Nebels schlecht, so dass der Kapitän auf der Brücke blieb, um alle Aktivitäten im Auge zu behalten.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit meldete der Ausguck auf dem Flügel der Brücke: ‚Licht, Peilung auf Steuerbordbug.‘ ‚Ist es konstant oder bewegt es sich nach achtern?‘, fragte der Kapitän. Der am Ausguck antwortete: ‚Stetig, Kapitän‘, was bedeutete, dass wir uns auf einem gefährlichen Kollisionskurs mit diesem Schiff befanden. Daraufhin rief der Kapitän dem Signalmann zu: ‚Signalisieren Sie dem Schiff: Wir sind auf Kollisionskurs. Ich rate Ihnen, den Kurs um 20 Grad zu ändern.‘
Daraufhin kam das Signal zurück: ‚Ratsam für Sie, den Kurs um 20 Grad zu ändern.‘
Der Kapitän sagte: ‚Sende: Ich bin Kapitän, ändert den Kurs um 20 Grad.‘
‚Ich bin ein Matrose zweiter Klasse‘, kam die Antwort, ‚Sie sollten besser den Kurs um 20 Grad ändern.‘
Von da an war der Kapitän wütend. Er spuckte vor sich hin: ‚Senden: Ich bin ein Schlachtschiff. Ändert den Kurs um 20 Grad.‘
Zurück kam die blinkende Nachricht: ‚Ich bin ein Leuchtturm.‘
Wir änderten den Kurs.“16
Der Paradigmenwechsel, den wir vollziehen müssen, um in das Königreich Gottes einzutreten und darin zu bleiben, ist genau so radikal! Als neue Bürger des Königreichs Gottes entdecken wir, dass viele Dinge, die wir für Schiffe hielten, in Wirklichkeit Leuchttürme sind. Wenn wir wirklich Bürger des Königreichs Gottes sind, ändert sich unser komplettes Weltbild.