Das leise Versprechen des Glücks - Elizabeth Noble - E-Book
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Das leise Versprechen des Glücks E-Book

Elizabeth Noble

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Beschreibung

Das ABC des Herzens: Der Liebesroman »Das leise Versprechen des Glücks« von Elizabeth Noble jetzt als eBook bei dotbooks. Eigentlich sollte Natalies Freund ihr an Silvester endlich den lang ersehnten Heiratsantrag machen – stattdessen serviert er sie eiskalt ab! Am Boden zerstört verkriecht sie sich bei ihrem besten Freund Tom, der eine unerwartete Idee hat, um sie aufzuheitern: Für die nächsten 26 Wochenenden will er 26 außergewöhnliche Dinge mit ihr unternehmen – durch das das ganze Alphabet von A bis Z. Was erst noch wie eine verrückte Schnapsidee klingt, setzen die beiden schon bald in die Tat um. Das perfekte Ablenkungsmanöver für Natalies gebrochenes Herz … aber wieso beginnt dieses plötzlich immer verräterisch schnell zu schlagen, wenn Tom in der Nähe ist? »Ein absolutes Muss!« The Bookseller Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romantik-Highlight »Das leise Versprechen des Glücks« von Elizabeth Noble wird alle Fans der Bestseller von Cecilia Ahern und Rosie Walsh begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 579

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Über dieses Buch:

Eigentlich sollte Natalies Freund ihr an Silvester endlich den lang ersehnten Heiratsantrag machen – stattdessen serviert er sie eiskalt ab! Am Boden zerstört verkriecht sie sich bei ihrem besten Freund Tom, der eine unerwartete Idee hat, um sie aufzuheitern: Für die nächsten 26 Wochenenden will er 26 außergewöhnliche Dinge mit ihr unternehmen – durch das das ganze Alphabet von A bis Z. Was erst noch wie eine verrückte Schnapsidee klingt, setzen die beiden schon bald in die Tat um. Das perfekte Ablenkungsmanöver für Natalies gebrochenes Herz … aber wieso beginnt dieses plötzlich immer verräterisch schnell zu schlagen, wenn Tom in der Nähe ist?

Über die Autorin:

Elizabeth Noble wurde 1968 in England geboren und studierte englische Literatur in Oxford. Danach arbeitete sie einige Jahre im Verlagswesen, bis sie die Liebe zum Schreiben schließlich dazu brachte, ihre eigenen Romane zu veröffentlichen, von denen viele zu internationalen Bestsellern wurden.

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Romane:

»Die Farbe des Flieders«

»All die Sommer zwischen uns«

»Für immer bei dir«

»So wie es einmal war«

»Das leise Versprechen des Glücks«

»Wo die Liebe zu Hause ist«

***

eBook-Neuausgabe August 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »Alphabet Weekend« bei Hodder & Stoughton, A division of Hodder Headline, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Das ABC der Liebe« bei Goldmann, München.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2005 by Elizabeth Noble

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2010 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagssgruppe  Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung eines Motives lisima / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-768-6

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Elizabeth Noble

Das leise Versprechen des Glücks

Roman

Aus dem Englischen von Renate Reinhold

dotbooks.

Von A wie Abseiling bis V wie Las Vegas

meinen Freundinnen gewidmet –

Nicola, Suzanne, Nicky, Fiona,

Maura, Jenny und Kathryn –

wem sonst?

VORWORT:Silvesternacht

Kapitel 1:NATALIE UND TOM

Silvesternacht. So ist es nun mal. Wirklich gut sieht man im Bikini nur einen einzigen Sommer lang aus (nachdem sich der Busen – vor dem Bauch – entwickelt hat), den allerersten Kuss kann man nur ein Mal erleben (pro Kerl, versteht sich), und jeder Mensch, nun, zumindest jeder aus Natalies Bekanntenkreis, hatte bisher in seinem Leben nur eine einzige wirklich fantastische, hundertprozentig gelungene Wahnsinnssilvesternacht erlebt. Die seltsamerweise in den meisten Fällen zeitlich in das Jahr fiel, in dem man wirklich gut im Bikini aussah und seinen allerersten Kuss bekam. Alle darauf folgenden Jahre schnitten im Vergleich dazu schlechter ab, getreu dem Prinzip »In unserer Jugend waren die Sommer heißer« – war nicht früher tatsächlich alles ein bissschen strahlender und lauter und lebendiger? War ich früher nicht ein bisschen schlanker und hübscher und witziger? War Silvester damals insgesamt nicht einfach schöner? Und der Valentinstag? Ganz ehrlich – wirklich super war dieser Tag nur, als man fünfzehn Jahre alt war und auf eine Valentinskarte von dem Typ im Schulbus in der hintersten Reihe wartete, der immer diese schmalen Krawatten trug und ununterbrochen Led Zeppelins »Stairway To Heaven« hörte. So etwas erlebt man nur in einem einzigen Jahr, ein Mal im Leben.

Silvesternacht, 23:15 Uhr, eigentlich eine fantastische Zeit, um im Auto unterwegs zu sein. Alle anderen waren bestimmt schon »dort«. In dem Lokal, in dem sie nun vorgeben würden, sich prächtig zu amüsieren, während sie in Wirklichkeit an die Hausparty damals 1988 in Cambridge dachten oder an die Zeit 1967, als sie so bekifft waren, dass sie nicht einmal mehr das Glockenläuten um Mitternacht mitbekamen, oder an die Silvesternacht 1992, als sie mitten auf dem Times Square einen Heiratsantrag bekamen, oder an irgendeinen anderen Silvesterabend früher, an dem dieselben zehn Personen, die am Esstisch versammelt saßen, nicht gar so langweilig erschienen waren oder so bissig oder so erpicht darauf, wieder nach Hause zu kommen, weil der Babysitter nach Mitternacht den doppelten Stundenlohn verlangte.

Niemand sonst war um diese Zeit unterwegs. »Dancing in the Moonlight« dröhnte aus dem Autoradio, und Natalie wechselte beschwingt in einer Art Corsa-Salsa auf der menschenleeren Straße mehrmals von einer Fahrspur auf die andere. Ihre Stimmung hob sich ein wenig. Gute Idee. Gute Idee von Tom.

Ursprünglich hatte sie zu Hause bleiben und den Abend in denkbar mieser Laune allein verbringen wollen. Rose, wahrscheinlich die einzige ihrer Freundinnen, die sie aus dieser üblen Stimmung hätte reißen können, hatte bedauernd verkündet, ihr Freund Peter habe ein Silvesterangebot von Eurostar gebucht – zwei Übernachtungen, Drei-Sterne-Hotel in Lille (nicht Paris, das kostete zweihundert Pfund mehr, und schließlich war er ja noch Doktorand). Würde Natalie zurechtkommen? Auch du, Brutus, hatte sich Natalie gedacht (und ein stummes gemeines Gebet zum Himmel geschickt, dass Rose nicht mit einem Verlobungsring am Finger zurückkommen möge, was jedoch wiederum umgehend Schuldgefühle in ihr wachrief), ehe sie ihre Freundin umarmt, ihr mit einem ironischen Schulterzucken angeboten hatte, sich aus ihrer Wäschekommode zu bedienen – Negligés, versteht sich, keine String-Tangas –, und ihr versichert hatte, es sei natürlich okay und sie werde eben auf irgendeine Party gehen. Natürlich hatte Natalie anschließend bei den zwei Partys, zu denen sie eingeladen war, abgesagt. Sie hatte den Gastgebern vorgeflunkert, sie hätte leider schon etwas anderes vor, und so war es ihr gelungen, vom Radarschirm zu verschwinden (was sie gleichermaßen erleichterte und beunruhigte – es war so leicht gewesen).

Ihre beiden Schwestern konnte sie vergessen. Susannah, die Glückliche, weilte in Marrakesch wegen irgendeiner kombinierten Silvester-Abschluss-Party für den Film, in dem Casper unlängst mitgespielt hatte. Und Bridget war ungefähr im zehnten Monat schwanger, ein Umstand, der es eher unwahrscheinlich machte, dass sie an diesem Abend eine Quelle der Heiterkeit für Natalie sein würde. Bridget und Karl lagen jetzt bestimmt schon im Bett, zwischen sich ihr engelsgleiches achtzehn Monate altes Töchterchen Christina, blätterten in dem Buch der Vornamen und stießen mit Apfelsaftschorle auf das neue Jahr an.

Zu Hause bei Mum und Dad? Dann schon lieber allein. Eine Fünfunddreißigjährige, die am Silvesterabend daheim bei ihren Eltern hockte, diese Vorstellung war zu jeder Zeit schlimm genug, doch nach diesem letzten Jahr, in Anbetracht der Umstände ... Nein, so einen Abend hätte sie nicht ausgehalten. Wenn man sich vorstellte, was dort derzeit ablief.

Sie hätte sich, nachdem Susannah endgültig ausgezogen war, eine neue Mitbewohnerin suchen sollen. Die beiden Schwestern hatten es genossen, die Wohnung für sich allein zu haben, nachdem Bridget vor drei Jahren ausgezogen war, um zu heiraten, und auch die Bezahlung der monatlichen Hypothekenrate war ihnen nicht schwerer gefallen. Bridget wusste es zu schätzen, dass ihr ehemaliges Zimmer ihr nach wie vor zur Verfügung stand: Es ermöglichte ihr die gelegentliche kleine Flucht aus dem Alltag mit Karl und Christina, wenn, sie mal abends ausging und es später wurde und sie in der Stadt blieb. Doch dann war Susannah ganz plötzlich ausgezogen, und bei Natalie hatte sich eine gewisse Lethargie breitgemacht. Nein, nicht Lethargie, eher eine Art Erwartungshaltung. Eigentlich sollte auch sie nicht mehr lange dort wohnen bleiben. Eigentlich sollte auch in ihrem Leben irgendetwas passieren.

Nichts war, wie es sein sollte.

Gerade jetzt etwa sollte sie nicht im Auto die M4 entlangbrettern und Radio hören, unterwegs zu der Kneipe, in der sie als Teenager ihre Silvesterpartys gefeiert hatte. Sie sollte auf den Malediven sein, sollte, nach einem aufregenden Tag, den sie mit der Erkundung der Unterwasserwelt verbracht hatte, duftend und sonnengeküsst, gekleidet in hauchfeines weißes Leinen, in die Hotelbar schweben und sündteuren importierten Bollinger trinken. Sie sollte in Simons Armen liegen.

Dieser Mistkerl.

Dieser verdammte Mistkerl.

Sie war gerade im Begriff, ihm Sonnenbrand dritten Grades und geschwollene Lymphknoten nach einer Kollision mit einer Giftqualle zu wünschen, als die Tränen kamen. Verflucht. Sie schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad. DIESE BEFRIEDIGUNG GÖNNE ICH IHM NICHT. ICH HABE IHM SIEBEN JAHRE MEINES LEBENS GESCHENKT – NEIN NEIN NEIN VON MIR BEKOMMT ER NICHTS MEHR.

Ihre Silvesternacht – DIE EINE – war jene erste gemeinsame Silvesternacht mit Simon gewesen. Skiurlaub in der Schweiz, in einem Chalet, das den Eltern irgendeiner Bekannten gehörte. Eine schnee- und schnapsreiche Fete auf dem Dorfplatz eines malerischen Bergdorfes. Tausend Menschen, die zu den unterschiedlichsten Melodien tanzten, die aus offenen Fenstern ins Freie drangen, über ihnen der Himmel, aus dem Millionen Schneeflocken fielen. Diese Atmosphäre, die ausgelassene Stimmung einer betrunkenen, sich verbrüdernden Menge. Simon küsste sie, seine Lippen so heiß in der eiskalten Luft. Sie liebten sich im Trockenraum, weil es draußen im Schnee zu kalt war (sie hatten es probiert), leise, damit niemand aufwachte.

Das war »ihre« Silvesternacht gewesen.

Sie hatte Tom ganz vergessen gehabt. Nun, vergessen nicht gerade. Tom war immer da. War all die Jahre immer irgendwie präsent gewesen. Aber sie hatte nicht daran gedacht, dass er sie nicht vergessen hatte.

Natalie und Tom hatten sich im August 1977 kennengelernt, in jenem Sommer, in dem Elvis Aaron Presley gestorben war, in dem Natalie mit ihren Eltern und ihren beiden Schwestern in das übernächste Haus eingezogen war. Bridget war die Nestbauerin gewesen, schon damals. Sie hatte zusammen mit ihrer Mutter die Umzugskisten ausgepackt, ihre gigantische Whimsies-Sammlung, kleine Tierfiguren aus Porzellan, ans Tageslicht befördert und sie auf der weißen Melanin-Kommode arrangiert, die ihr schmales Einzelbett von dem Natalies trennte, in dem Kinderzimmer, das sich die beiden Schwestern teilen sollten. Susannah hatte tagelang nur ferngesehen – man hatte im Andenken an Elvis alle seine Spielfilme gesendet: Viva Las Vegas, King Creole, Love Me Tender. Die neue dreiteilige Couchgarnitur war noch nicht eingetroffen, also hatte Susannah reichlich Platz, um hingebungsvoll dazu zu tanzen und mitzusingen. Sie hätte Natalie gern in ihre Show einbezogen, als Chor im Hintergrund, wenn es ihr möglich gewesen wäre, aber Natalie schmollte und war nicht ansprechbar. Sie hatte nicht umziehen wollen. Sie hatte ihr altes Haus geliebt. Susannah kritisierte sie, sie sperre sich gegen jegliche Veränderungen, statt sie bereitwillig anzunehmen. Solche und ähnliche Sätze gab Susannah des Öfteren von sich, wobei sie das Gesagte mit weitausholenden, anmutigen Gesten ihrer langen schlanken Arme unterstrich und dabei ihre silbernen Armreifen zum Klirren brachte.

Dad wurde zum Filialleiter ernannt, und aus diesem Grund hatte die ganze Familie umziehen müssen. Es war eine Beförderung und somit eine gute Sache, und außerdem war Natalie ohnehin nicht gefragt worden.

Sie hatte auf dem Ziegelmäuerchen vor ihrem neuen Haus gesessen und mit einem Zweig im Boden gestochert, als sie Tom zum ersten Mal sah. Ihre Mutter war mit ein paar leeren Umzugskisten aus dem Haus getreten, gerade als seine Mutter vorbeiging – sie seien auf dem Weg in die Stadt, erzählte sie, weil ihr Sohn neue Schuhe brauche, ehe die Schule wieder anfinge, und dass seine Füße wie verrückt wachsen würden, sodass sie praktisch jedes halbe Jahr neue Schuhe kaufen müsse, was schon an sich teuer genug sei, aber dann müsse man ja noch an Fußballschuhe denken und an Turnschuhe und Gummistiefel. Tom – der nach Natalies Schätzung ungefähr gleichaltrig war, aber größer – schaute peinlich berührt drein, und Natalies Mum wirkte irgendwie benommen und abwesend und nickte nur und lächelte viel, und ihr Lächeln wurde leicht schief, als Toms Mutter bemerkte, drei Töchter, wie schön und was für ein Glück, denn die Füße von Mädchen würden wahrscheinlich nicht halb so schnell wachsen. Natalie hatte erstaunlich große Füße, die jedoch offenbar nur sporadisch wuchsen, aber dann mit rasanter Geschwindigkeit und meistens kurz nachdem ihre Mutter ihr neue Schuhe gekauft hatte. Es war ein gängiger Scherz innerhalb der Familie. Tom hatte große, weit offene Augen. Und zu viel lockiges Haar. Nicht lang im Nacken wie ein Fußballer, sondern oben auf dem Kopf.

Natalies Mutter erzählte Toms Mutter, Natalie sei burschikos, ein richtiger Wildfang, und Toms Mutter meinte, das würde Tom gefallen, da ohnehin kaum Kinder in seinem Alter in der Straße wohnen würden, und dass die beiden sich anfreunden sollten.

Doch natürlich waren bis dahin noch Wochen ins Land gezogen. Das neue Trimester hatte schon längst begonnen. In diesen Wochen hatten sie verlegen in zwei separaten Gärten, zwei Türen voneinander getrennt, das Gleiche gemacht (mit Fahrrad und Rollerskates fahren, Ballspiele). Mrs Samways, die alte Frau im Haus dazwischen, hatte die beiden Kinder schließlich zusammengebracht. Sie hatte so eine Kupferschale in ihrem Wohnzimmer stehen, die sie mit Bonbons füllte, und dann mussten die Kinder aus der Nachbarschaft immer so tun, als hätten sie die Süßigkeiten »hineingezaubert«, einfach indem sie daran rieben. Jeder wusste, die alte Dame vielleicht ausgenommen, dass da keine Zauberei im Spiel war, aber dennoch kamen die Kinder immer wieder und rieben an der Schale. Mrs Samways schätzte deren Gesellschaft, und die Kinder schätzten die Süßigkeiten, auch wenn es in dem Wohnzimmer immer so roch, als hätte die alte Dame am Abend zuvor dort Fisch gegessen. Wenn Mrs Samways Kinder vor dem Haus spielen sah, kam sie vor die Tür, einen grellbunten gehäkelten Schal über den Schultern, und sagte mit ihrer dünnen, zittrigen Stimme: »Na, hat heute wer Lust auf ein bisschen Zauberei?« Und dann lächelten die Kinder schüchtern und trotteten zu ihr hinüber.

Einmal an einem Sonntag, als die Väter ihre Autos auf Hochglanz polierten und die Mütter das Geschirr vom Mittagessen spülten und die älteren Geschwister im Radio die Hitparade hörten und sich die Hitliste aufschrieben, damit sie am nächsten Tag in der Schule mitreden konnten, reagierten beide, Natalie und Tom, gleichzeitig auf die dünne Fistelstimme. Tom ließ Natalie den Vortritt bei der Wahl der Bonbons, und nachdem sie Mrs Samways Fragen über die Schule über sich hatten ergehen lassen, fragte er Natalie: »Fahren wir ein bisschen Fahrrad?«

»Okay«, antwortete sie mit einem Schulterzucken.

Und so lief es von nun an zwischen den beiden: Tom war der Anstifter, und Natalie war diejenige, die sich ihm bereitwillig anschloss. Er war älter als sie und ging mit Bridget in dieselbe Klasse. Und er war mutiger. Und leichtsinniger, wie Natalies Dad zu sagen pflegte. Tom hatte den Vorschlag gemacht, sie könnten mit Karacho die steile Straße hinunterfahren und im letzten Moment vor der hüfthohen Ziegelmauer abbremsen, um das Fahrrad nach rechts oder links ausbrechen zu lassen, und, was noch mehr zählte, unter Tränen hatte er diesen Vorschlag sogar zugegeben, auf dem Rücksitz im Auto von Natalies Vater, auf der Fahrt in die Notaufnahme. Tom hatte die Idee gehabt, die Flasche Martini aus der Hausbar zu stibitzen, während der Sommerparty im Haus seiner Eltern, bei der sich die beiden Kinder um die Garderobe der Gäste kümmern und Erdnüsse herumreichen sollten, und die Flasche dann in der Garage gemeinsam zu leeren. Diesmal hatte keiner die Tat eingestehen müssen. Es war ihnen furchtbar schlecht geworden, ganz heimlich, und die Flasche Martini wurde auch nie vermisst. Tom war bei allen Dingen der Vorreiter. Klassenfahrt nach Frankreich. Die erste Zigarette. Knutschen bei ausgeschaltetem Licht auf einer Party, als die Eltern ausgegangen waren und sie sturmfreie Bude hatten. Die diversen Schulabschlussprüfungen wie O-Level und A-Level, Universität ...

Ein einziges Mal hatten sie sich wirklich ernsthaft gestritten. Es war in dem Jahr gewesen, in dem Torvill und Dean in diesen fließenden violetten Kostümen mit »Bolero« die Weltmeisterschaft im Eistanz gewannen. Tom hatte sich während eines Disco-Abends in der Schule an Susannah herangemacht – die viel und gerne mit allen möglichen Jungs knutschte –, und Natalie war deswegen sauer auf ihn und hatte ihm erklärt, wie widerwärtig sie das finde, so als ob er mit seiner eigenen Schwester herummachen würde. Tom hatte nur gelacht und gemeint, Susannah sei alles andere als eine Schwester für ihn. Wenn er mit ihr, Natalie, knutschen würde, wäre das vielleicht so, als würde er mit seiner Schwester knutschen, aber mit Susannah sei das etwas ganz anderes. Er hatte dabei einen Ausdruck im Gesicht gehabt, den Natalie noch nie an ihm gesehen hatte und der ihr überhaupt nicht gefiel, und so hatte sie ihn geschlagen – nicht ins Gesicht, aber in den Bauch, und zwar kräftig –, und dann war sie davongeflitzt und hatte eine ganze Woche nicht mit ihm geredet, bis er ihr eine dieser orangenförmigen Schokoladenkugeln, Terry’s Chocolate Orange, gekauft und ihr mit sehr ernster Miene versichert hatte, wie leid es ihm tue und dass es nicht wieder vorkommen werde.

Und ein einziges Mal, sie war neunzehn, er war zwanzig Jahre alt gewesen, hatten sie sich geküsst – sie war sitzengelassen worden und am Boden zerstört und Tom hatte sich um sie gekümmert. Wieder einmal. Sie hatte sich in irgendeinen Kommilitonen im College verliebt, doch dieser Kerl hatte seine Exfreundin auf irgendeine Wahnsinnshausparty in London mitgenommen und nicht sie, und so war Natalie nach Hause zu ihren Eltern gefahren, um Trübsal zu blasen. Tom war zu der Zeit ebenfalls zu Hause, um letzte Vorbereitungen für seinen geplanten Interrail-Trip zu treffen, und Natalie hatte jammernd auf dem Boden in seinem Zimmer gehockt und zugesehen, wie er Jeans und T-Shirts in seinen Rucksack packte.

»Weißt du, was dein Problem ist?«, hatte Tom gesagt. »Du glaubst, du musst dich in den Kerl verlieben. Jedes Mal wieder.«

»Ich bin eben romantisch – was ist daran so falsch?«, hatte sie ihn angeraunzt.

»Blödsinn! Du hast dir nur was Schlechtes angewöhnt. Erzähl mir doch nicht, dass du jedes Mal verliebt bist, Nat. Es passiert einfach zu oft. Liebe ist ganz was anderes!«

»Und seit wann bist du Experte auf diesem Gebiet? Ich dachte, du studierst Informatik.«

»Ich bin kein Experte. Genau das will ich ja damit sagen. Ich war noch nie verliebt.«

»Ach, du armer kleiner Junge.«

»Ich brauch dein Mitleid nicht, Herzchen. Wer von uns beiden hockt denn jetzt da wie ein Häufchen Elend, na? Ich hab genug anderes gemacht, das kannst du mir glauben.«

»Herumvögeln, zum Beispiel.«

»Nun ja, wenn du davon anfängst. Gelegentlich. Ich hab’s ziemlich getrieben, ich hatte meinen Spaß, ich habe Zuneigung empfunden, ein paar Mädchen habe ich sogar sehr, sehr gern gehabt. Aber Liebe? So richtig verliebt war ich bis jetzt noch nicht. Und ich hab auch keine Eile damit. Besonders wenn so etwas« – Tom deutete mit dem Finger auf sie – »dabei herauskommt.«

»Jungs werden später reif als Mädchen.«

»Was für ein lahmes Argument. Du verstehst nicht, was ich meine, Nat. Du bist verliebt in die Liebe. Du fühlst dich zu den falschen Typen hingezogen, und immer wieder fällst du auf die Schnauze. Und dann kommt der große Katzenjammer und der Herzschmerz. Das ist einfach nur albern.«

Voller Empörung war Natalie aufgestanden. »Entschuldige, dass ich dich mit meinem albernen ›Herzschmerz-Katzenjammer‹ belästigt habe. Wie ermüdend muss das für dich sein. Ich gehe jetzt.«

Tom packte sie am Handgelenk. »Hör auf mit dem Quatsch. Ich halte das schon aus. Und du gehst jetzt nirgends hin, höchstens ins Pub, und zwar mit mir. Wenn ich dir nicht mit vernünftigen Argumenten beikommen kann, dann vielleicht mit Alkohol.«

Etliche Drinks später lagen sie im Garten im Gras und redeten immer noch über Natalies Herz.

»Weißt du, was dein Problem ist?«

Natalies Problem in diesem Moment bestand darin, dass sie dringend pinkeln musste, doch sie drehte den Kopf zur Seite und sah ihn an. »Sprich, o weiser Mann.«

»Du legst die falschen Maßstäbe an.«

»Hä?«

»Du musst dich bei deinen Entscheidungen mehr vom Intellekt leiten lassen und weniger von deinen Emotionen ...« Tom lallte ein wenig.

»Wovon redest du eigentlich?«

»Du musst dir bewusst jemanden suchen, der dich nicht im Stich lassen wird.«

»Woher soll man denn vorher wissen, ob einer einen im Stich lassen wird oder nicht?«

»Ich würde dich nicht im Stich lassen.«

Sie streckte ihre Hand aus und schlug auf seinen Brustkorb. »Das weiß ich doch. Du bist mein bester Freund.« Sie tätschelte seine Schulter. Jetzt musste sie aber wirklich aufstehen und auf die Toilette gehen.

Da rollte Tom sich auf die Seite und stützte sich auf seinen Ellbogen. Plötzlich war sein Gesicht ganz dicht vor ihr. Er schaute sie an. Und dann küsste er sie, nur ein Mal, ganz leicht auf den Mund. Zuerst dachte sie, er hätte sein Ziel verfehlt. Vielleicht bemühte er sich, die doppelte Natalie auf die Wange zu küssen. Schließlich hatte er drei Glas Bier getrunken. Doch sein Gesicht sagte ihr etwas anderes. »Halt die Klappe«, erwiderte sie, obwohl er kein Wort gesagt hatte.

»Ich werde dich heiraten.«

»Halt die Klappe!« Ein bisschen lauter diesmal.

»Nicht jetzt. Wir sind noch zu jung.«

»Niemals. Niemals, du dummer Kerl.«

»Niemals ist eine lange Zeit.«

Natalie setzte sich mit einem Ruck auf. »Halt die Klappe.«

»Ich glaube, es sind deine Schlagfertigkeit und deine bissigen, geistreichen Kommentare, die ich am meisten an dir liebe.« Er lächelte und sah fast wieder aus wie der alte Tom.

»Halt die –«

Er streckte den Zeigefinger hoch, um ihr das Wort abzuschneiden. »Okay. Ich werde die Klappe halten. Aber vergiss diesen Nachmittag nicht, Natalie. Wenn du mal wieder mit Liebeskummer angekrochen kommst und vielleicht dreißig Jahre alt bist und deine beste Zeit hinter dir hast und es satthast, auf Männerjagd zu gehen, dann heirate ich dich.«

»Sehr nett. Gut zu wissen. Danke, Tom.«

Du meine Güte – dachten wir damals wirklich, mit dreißig hätten wir die beste Zeit hinter uns? Vor sechzehn Jahren waren wir wahrscheinlich davon überzeugt. War man jenseits der dreißig, erschien einem dieses Alter natürlich ziemlich jung.

Damals hatte er sich über sie lustig gemacht. Vielleicht sollte sie ihn heute Abend an sein Versprechen erinnern. Vielleicht sollte sie auf die Knie fallen, auf sein Angebot eingehen. Aber wahrscheinlich hatte er es längst vergessen – sie war überrascht, dass sie sich daran erinnerte. Und außerdem war dieses Thema derzeit ohnehin nicht geeignet, sie zum Lachen zu bringen.

Das Pub musste gerammelt voll sein – nirgendwo gab es mehr einen freien Parkplatz. Natalie fuhr den Corsa an die Böschung, die das Kricketfeld begrenzte, und stieg aus. Du meine Güte, war das kalt. Sie wickelte ihren Mantel fester um sich, schob das Haar hinter die Ohren und stapfte zum Eingang. Je näher sie kam, desto lauter wurde der Geräuschpegel, und ein sanfter orangefarbener Lichtschein fiel aus den Fenstern nach draußen.

Wie eine warme Decke hüllten sie die Stimmen und Hände ihrer alten Freunde ein.

»Hallo, Nat!«

»Ein gutes neues Jahr!

»Wie geht’s dir?«

»Soll ich dir was zu trinken holen?«

Sie spürte eine leichte Euphorie in sich aufsteigen. Die anderen freuten sich über ihr Kommen, und auch ihr tat es gut, die vertrauten Gesichter wiederzusehen. Die Begleiter ihrer Kindheit und Jugend. Der Text dieser Titelmelodie fiel ihr ein – »sometimes you wanna be where everybody knows your name«. Der gute alte Tom. Wie klug von ihm.

Und dann sah sie ihn. Er trank sein Bier immer in dieser Körperhaltung. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und hielt das Glas in der Armbeuge. Dabei wippte er leicht auf den Fersen. Tom nickte gerade und lächelte sein Gegenüber an und bemerkte Natalie nicht sogleich. Dann ging jemand von der Theke zurück in den Gastraum, in den Händen ein Metalltablett mit Getränken, das er hoch über den Köpfen der Gäste balancierte, und durch die Lücke, die dadurch entstand, fiel Toms Blick auf sie. Er winkte ihr zu und formte mit den Lippen ein Hallo, und plötzlich hielt Natalie es für möglich, dass sie zu heulen anfangen könnte.

Kapitel 2:PATRICK UND LUCY

Lucy hörte Patrick die Treppe herunterkommen und ging hinaus in die Diele. »Danke, dass du mir das abgenommen hast, Schatz. Hast du Erfolg gehabt?«

»Zum Teil. Ed ist nach drei weiteren Kapiteln endlich eingeschlafen, aber Bella besteht hartnäckig darauf, dass sie mit ihren acht Jahren alt genug ist, um bis Mitternacht aufzubleiben.«

»Was hast du zu ihr gesagt?«

»Ich hab ihr geantwortet, wach im Bett zu liegen, das wäre okay für uns, aber wenn sie aufbliebe, würde uns das stören.«

Lucy schmunzelte. »Ganz genau. Die nächsten Stunden gehören nur uns beiden. Komm, trink ein Glas.« Sie hielt in der einen Hand eine geöffnete Flasche Champagner und in der anderen ein Glas, das halb ausgetrunken war. Sie ging zurück in die Küche. »Hol dir doch ein Glas aus dem Schrank, ja?«

Patrick ging ins Wohnzimmer. Wie lange war er oben mit den Kindern beschäftigt gewesen? Das Wohnzimmer sah völlig verändert aus. Sie musste wie ein Derwisch herumgewirbelt sein. Die Zeitungen, die vorher über den ganzen Fußboden verstreut waren, lagen nun in einem ordentlichen Stapel auf dem Couchtisch. Die Spielsachen der Kinder waren in den Boxen hinter der Couch verstaut, und die Nadeln unter dem Tannenbaum, der nun seit drei Wochen im Zimmer stand und praktisch kahl war, waren verschwunden. Genauso fühlte sich Patrick. Verbraucht und mitgenommen. Erschöpft von den Feiertagen. Seine Eltern und ihre Mutter und eine, wie es schien, nicht enden wollende Reihe von Freunden, Verwandten und, wie er sie insgeheim nannte, »diversen« Leuten waren aufgekreuzt und beköstigt und mit Getränken versorgt worden. Und jedes Mal hatten sie hinter ihren Gästen wieder aufgeräumt. Lucy war ihm vorgekommen wie die Fernsehköchin Deliah Smith unter Aufputschmitteln. Praktisch jeden Morgen hatte sie ihn mit Ed zu Tesco geschickt, mit einer rasch hingekritzelten Einkaufsliste, auf der so obskure Dinge standen wie Safran, Bourbon-Vanillezucker und Gänseschmalz, und jeden Abend hatte er die immer gleichen Töpfe und rätselhaften Teile der Küchenmaschine gespült und abgetrocknet und wieder an ihren Plätzen verstaut, damit sie am nächsten Tag erneut zum Einsatz kommen konnten. Jede Nacht war er ins Bett und sogleich in den Tiefschlaf gefallen. Er konnte von Glück reden, wenn er es mal schaffte, bis Mitternacht wach zu bleiben. Silvester sollte man im März feiern. Wer hatte denn Lust, sich nach all dem Weihnachtsstress noch irgendwelche Mühe zu machen? Lucy, ganz klar. Sie hatte den Tisch für zwei gedeckt – Stoffservietten, Kerzen – und eine CD eingelegt, was sie fast nie tat.

Patrick betrachtete sich in dem Spiegel über dem Kaminsims, registrierte seinen blassen Teint, die Tränensäcke unter den Augen und fragte sich, ob er sich ein bisschen fein hätte machen sollen.

»Patrick?« Er nahm ein Glas aus dem Schrank, eine der acht Sektflöten aus Bleikristall, die sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten, und ging in die Küche.

Es duftete köstlich. Lucy rührte in einem Topf auf dem Herd, und ihre Wangen glühten von der Hitze. Zwei Teller mit gebeiztem Lachs standen auf der Arbeitsplatte.

»Es dauert noch etwa zwanzig Minuten. Gib mal her.« Sie schenkte ihm ein, dann hob sie ihr Glas, um mit ihm anzustoßen. »Ein gutes neues Jahr, mein Schatz.«

»Ein gutes neues Jahr«, erwiderte er. Sie küsste ihn. Es war ein Kuss voller Leidenschaft und Verheißung. »Ich frage mich, wo du die Energie zum Kochen hernimmst, nach diesen zwei Wochen, die du hinter dir hast.«

»Ich bin ziemlich erschöpft«, gestand sie. »Aber du bist für mich schließlich die Hauptperson. Und der Abend heute gehört nur uns beiden. Und außerdem«, fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, »ist es ein Rezept aus Festmenüs in zehn Minuten.«

»Du bist echt klasse.«

»Und morgen kocht ja Marianne für uns, da habe ich dann einen Tag frei.«

»Sind nur wir eingeladen?«

»Ich denke schon. Warum?«

»Ich meine nur. Es wäre mir lieber so. Wenn andere Eltern aus Bellas Klasse dabei sind, wird immer nur über dasselbe geredet. Lehrer, Stundenplan, Schulparkplatz, Kuchenbacken fürs Schulfest ...«

»Das ist meine Welt, Liebling!«

»Ich weiß ... aber manchmal ist es gar zu öde. Ich finde, es ist entspannter, wenn wir mit Alec und Marianne allein sind.«

Lucy schwieg.

Er leerte sein Glas, füllte es erneut und schenkte auch ihr nach. Dann setzte er sich auf einen Stuhl und schaute ihr versonnen beim Kochen zu. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert. Sie wirkte weder älter noch fülliger noch müder noch gesetzter. Sie sah einfach noch genauso aus wie das junge Mädchen, das er vor vielen Jahren kennengelernt hatte.

Er war ihr nachgelaufen, damals im Supermarkt, einen Gang nach dem anderen. Obst und Gemüse. Konserven. Backwaren. Sie hatte so eine Art, die Hüften zu schwingen. Es war ein fröhlicher, optimistischer Gang. Aus sicherer Entfernung, während er planlos alle möglichen Waren von links und rechts in seinen Einkaufswagen lud, beobachtete er sie, wie sie mit ein paar älteren Damen und mit einem pickligen Jüngling, der die Regale auffüllte, schwatzte, und es fiel ihm auf, wie wunderbar ihr kräftiges kastanienbraunes Haar glänzte. Er beobachtete sie, während sie sich genüsslich Zeit ließ, eine Handvoll Pflaumen auszusuchen. Es klang vielleicht lächerlich, selbst für seine Ohren, aber er hatte sich in ihre Rückenansicht verliebt, ehe er sie schließlich an der Ecke des Kosmetikregals überholte und ihr zauberhaftes Gesicht zu sehen bekam, und kurz darauf Bella, die in einem kunstvoll geknoteten Babytragetuch vor ihrer Brust hing.

Lucy und Tom pflegten darüber zu scherzen und behaupteten, Patrick sei der Erfinder der Supermarkt-Anmache.

»Wärst du jetzt gern im Pub mit Tom?« Lucy warf ihm einen leicht spöttischen Blick zu. Sein Bruder hatte Anfang der Woche angerufen und sie beide eingeladen.

»Nein. Wir sind doch viel zu alt für diesen Quatsch, meinst du nicht?«

»Du vielleicht. Ich rechne sehr wohl damit, dass es in meinem Leben noch einige denkwürdige Abende geben wird. Vielleicht wäre es lustig geworden. Wir hätten ja deine Mum bitten können, die Kinder zu nehmen.«

»Siehst du, du bist diejenige, die jetzt gern mit meinem Bruder im Pub wäre!«

»Überhaupt nicht. Obwohl er erwähnt hat, Natalie würde auch kommen, nicht wahr? Ich habe sie seit der Sache mit Simon nicht mehr gesehen. Na ja, vielleicht schaut sie mal kurz bei uns vorbei, ehe sie wieder wegfährt. Das hat sie doch immer getan, oder? Es ist schon eine Art Ritual.«

»Haben wir Rituale?«

»Liebling, wir haben jede Menge davon. Ist dir das noch nie aufgefallen?« Sie umarmte ihn, und er roch den Duft ihres Parfüms, ihres Haars. Er sog den Duft tief ein und stützte sein Kinn auf ihren Scheitel.

Kurz darauf stand sie schon wieder am Herd und rührte weiter in ihrem Topf. »Nicht zu glauben, dass dies bereits unser siebtes gemeinsames Silvester ist, nicht wahr?«

Patrick lächelte nachdenklich. »Beim ersten Mal sind wir auch nicht in Ruhe gelassen worden, weißt du noch?« Bella hatte Zähne bekommen. Er hatte das neue Jahr begrüßt, indem er im Schlafzimmer auf und ab gegangen war, im Arm das plärrende Kind eines anderen Mannes.

Lucy hatte damals vorgeschlagen, sie würde ihre Mutter bitten, das Baby an dem Abend zu nehmen. Es war ihr peinlich, dachte Patrick, und das machte ihn traurig. Will, Lucys Ehemann, hatte sie verlassen, als Bella drei Monate alt war, und Patrick war danach der erste Mann für sie gewesen. Er hatte sich verzweifelt bemüht, ihr zu zeigen, dass Bella kein Problem für ihn darstellte, dass Lucys Vergangenheit Teil seiner Gegenwart und ihrer gemeinsamen Zukunft sein konnte. Dass er dies gleich in der Silvesternacht handfest würde beweisen müssen, damit hatte er nicht gerechnet. Es war das erste Mal, dass sie miteinander geschlafen hatten. Sie waren fast, aber nur fast, schon zu müde dafür gewesen, als Bella endlich mit Hilfe einer Dosis Calpol kapituliert hatte, und es war ach-so-leise geschehen, damit das Kind nicht wieder aufwachte. Patrick hatte auch nicht vergessen, dass Lucy damals gesagt hatte, sie wolle nie mehr ohne ihn ein neues Jahr beginnen, woraufhin sie jedoch geradezu erstarrt war vor Verlegenheit, als wäre ihr mit diesem Satz herausgerutscht, wie sehr sie ihn brauchte, wie sehr sie sich an ihn klammerte und dass er nun bestimmt sofort das Weite suchen würde. Er hatte es gehasst, ihre Dankbarkeit zu bemerken, ihre Scheu wegen ihres Körpers, mit den vier leuchtend roten Schwangerschaftsstreifen und den riesigen Brüsten, aus denen Milch tropfte. Er liebte sie einfach. Alle diese Dinge störten ihn nicht im Geringsten. Es war sein inniger Wunsch gewesen, sich um sie zu kümmern. Dieser Wunsch hatte immer noch Bestand, nach all diesen Jahren. »Was gibt es denn Schönes zu essen?«

»Das da« – sie deutete auf den gebeizten Lachs –, »anschließend Riesengarnelen in einer Tomaten-Champagner-Sauce – dafür brauche ich einen Schuss von dem guten Zeug da, aber keine Sorge, ich habe noch eine zweite Flasche im Kühlschrank kalt gestellt – und zum Nachtisch Erdbeeren.« Sie schob ihre Hand unter sein Hemd und strich sachte mit den Fingerspitzen über seine Haut. »Die kannst du vom Dessertteller essen oder von mir, was du lieber magst.« Sie küsste ihn leidenschaftlich. »Hmmm. Es ist schon ziemlich lange her. Falls dir das noch nicht aufgefallen ist.«

Es war ihm aufgefallen. Es war genau drei Wochen her, seit jenem Tag ...

Kapitel 3:ANNA UND NICHOLAS

Nicholas zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und polierte damit sorgfältig den silbernen Hals des Dekanters. Er hatte den Rotwein in der Küche schon vor einigen Stunden hineingefüllt, durch ein Stück Baumwollmusselin, sorgfältig und bedächtig. Er hatte Anna im Weg gestanden, natürlich, obwohl er sich bewusst seine Ecke ausgewählt hatte, in der Hoffnung, sie würde sich nicht gestört fühlen; sie hatte ihn angeschrien. Doch wenn es um das Dekantieren ging, durfte man nicht nachlässig werden.

Der Tisch war wunderschön gedeckt. Sie waren nicht reich, aber sie gehörten einer Generation an, die ihre Sachen pfleglich behandelte, und im Lauf der vierzig Jahre, die sie nun miteinander verheiratet waren, hatten sie einige sehr schöne Dinge angesammelt. Mehrere vollständige Sätze Weingläser aus Bleikristall – keines davon war angeschlagen; ein Speiseservice von Royal Doulton; das wunderschöne Tischtuch aus weißem Leinen nebst passenden Servietten. Alle diese Dinge hatten sie von ihrem eigenen Geld gekauft. Zwölf Weihnachten lang, damals in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren, hatten sie sich gegenseitig damit beschenkt. So hatte Anna ihm etwa ein Rot- und ein Weißweinglas geschenkt, und er ihr ein Gedeck. Die Tatsache, wie leicht oder schwer ihnen diese Ausgaben fielen, zeigte an, wie seine Karriere verlaufen war. In den frühen Jahren war es viel Geld für sie gewesen. Am Ende war es nur ein Geschenk unter mehreren, die unter dem Weihnachtsbaum lagen – Weihnachten war zu einem viel aufwändigeren Fest geworden. Dennoch hielten sie an ihrer Tradition fest. Die Mädchen fanden diese Art des Schenkens einfallslos – Susannah versuchte immer, ihn zu überreden, Schmuck zu kaufen, Bridget sprach sich für Parfüm aus. Doch er und seine Frau schätzten dieses Ritual und wollten es beibehalten. Anna nahm diese Gegenstände erst in Gebrauch, wenn sie einen Sechser-Satz davon hatten, und acht Gäste zu einem »feinen« Dinner konnten sie erstmalig einladen in dem Jahr, in dem Charles und Diana geheiratet hatten. Das Besteck in dem noblen Kasten aus Mahagoni hatten sie bei einem Ausverkauf bei Harrods erstanden, mit dem Geld aus der einzigen Erbschaft, die jemals einer von ihnen bekommen hatte: vierhundert Pfund, die ihm eine alte Tante hinterlassen hatte. Das Besteck war nur versilbert, natürlich, doch es bildete den passenden Rahmen für das Porzellan und die Kristallgläser. Es war ihnen nie darum gegangen, mit dieser Tischkultur zu protzen – Anna war schließlich kein Snob wie diese Hyacinth Bucket aus der Fernsehserie Mehr Schein als Sein. Für ihn war es vielmehr sichtbarer Ausdruck dessen, was sie sich gemeinsam geschaffen hatten, was sie verband, was wertbeständig war.

Die Mädchen hatten es damals nicht verstanden – und würden es auch in Zukunft nicht verstehen. Heute war das Leben anders: Bridget hatte ihr Speiseservice für acht Personen auf einmal bekommen – es entsprach genau ihren Vorstellungen, so wie die Posten auf ihrer Hochzeitsliste. Er hatte fünfzehntausend Pfund für die Hochzeit hingeblättert, sie war in die Flitterwochen gestartet, die dreitausend Pfund gekostet hatten, und war in ein Leben zurückgekehrt, in dem alle Gegenstände, die für ihren Haushalt nötig waren, gebrauchsfertig und hübsch verpackt von John Lewis in ihrer Diele auf sie warteten. Seine Töchter lächelten nur nachsichtig, wenn er behauptete, die Dinge, die man sich hatte erarbeiten müssen, hätten einen größeren Wert.

»Kriegskind« nannte ihn Susannah, nicht unfreundlich.

Was natürlich stimmte. Er war in dem Jahr vor Kriegsausbruch auf die Welt gekommen, als Kind einer Mutter, die bereits alle Mühe hatte, ihre vier anderen Kinder durchzubringen, und eines Vaters, der 1939 in den Krieg ziehen musste und erst sechs Jahre später wieder zurückkehrte. Vielleicht hatten sie recht.

Doch Bridget war erst drei Jahre verheiratet gewesen, als sie bereits ein Glas und zwei Kuchenteller nachkaufen musste.

Wieder einmal Silvester. Nicholas fühlte sich alt und müde. Die drei Paare im Zimmer nebenan waren dieselben Personen, mit denen Anna und er die vergangenen zweiundzwanzig Silvester gefeiert hatten. Mit zweien dieser Paare trafen sie sich nur an diesem einen Abend des Jahres.

Er fuhr sich mit dem Finger unter den Hemdkragen. Anna beharrte darauf, dass er und die männlichen Gäste eine schwarze Krawatte trugen. Der Abend würde dadurch etwas Besonderes, meinte sie. Und unbequemer. Sein Hemd war alt und zu eng geworden, wahrscheinlich brauchte er inzwischen eine andere Größe. Wenn sie unter sich waren, sagte Anna, sie wäre schön blöd, sich für ein Fünf-Gänge-Menü ins Zeug zu legen, wenn ihre Gäste sich nicht einmal die Mühe machen würden, ihre Jeans gegen festliche Kleidung einzutauschen. Alle Paare wechselten sich turnusmäßig in der Rolle des Gastgebers ab. Bei Brian und Margaret gab es immer Essen vom Inder, das Margaret bei dem Restaurant am Kreisverkehr bestellte und Brian frühzeitig abholte, damit er was trinken konnte, und das auf der Resopal-Frühstückstheke angerichtet und den Gästen direkt aus der Verpackung serviert wurde. Sie hatten ein paarmal mit Brian und Margaret gemeinsam Urlaub gemacht, als deren halbwüchsige Söhne mit ihren Töchtern befreundet gewesen waren, und Margaret war oft ohne BH gegangen, obwohl sie damals schon gut in den Vierzigern war, also lange nach der Zeit, in der so etwas vielleicht noch passabel gewesen wäre. Nicholas dachte bei sich, dass die Einladungen bei Brian und Margaret auch so waren. Unbekümmert und zwanglos. Die Essen bei Shaun und Lindsay standen immer unter einem bestimmten Thema. Thailändisch, Schottisch, Texmex. Lindsay stimmte ihre Kleidung und Shaun die Getränke darauf ab. Nicholas würde nie das Jahr vergessen, in dem Lindsay in einem Kimono erschien, tiefe Verbeugungen machte wie eine Geisha und Shaun aus Eierbechern sake servierte. Sie hatten auf dem Boden Platz nehmen müssen, was seinen Knien gar nicht gut bekommen war. Clive und Vicky waren etwas konventionellere Gastgeber, aber dort aß man immer in der Küche, und Clive trug unweigerlich Jeans.

Nicholas fragte sich, wie die anderen wohl über sie beide redeten, wenn sie sich für Einladungen in seinem Haus in Schale werfen mussten. Vielleicht gefiel es ihnen sogar. Jedenfalls plauderten sie angeregt im Wohnzimmer nebenan – Anna reichte wahrscheinlich gerade die Mini-Yorkshire-Puddings herum mit den schmalen Streifen von kurz gebratenem Roastbeef. Er vernahm das herzhafte Männerlachen von Clive und Shaun.

Nicholas verspürte den Wunsch, nach oben zu gehen, sich aufs Bett zu legen, einzuschlafen und vielleicht nie wieder aufzuwachen. Oder zumindest erst dann, wenn dieser endlos lange Abend vorüber war. Am allerwenigsten mochte er die Vorstellung, dass er jetzt gleich sein verbindliches Lächeln aufsetzen und zu seinen Gästen zurückkehren müsse. Er hatte keine Lust auf dieses aufwändige Fünf-Gänge-Menü und keine Lust, zuzusehen, wie sein teurer Rotwein die Kehlen von Leuten hinunterrann, die genauso gern Lambrusco getrunken hätten. Und vor allem hatte er weder den Wunsch noch die Energie, so zu tun, als wäre er glücklich, selbstgefällig auf alle seine schönen Dinge zu blicken und diese unerträgliche, sinnlose Farce weiterzuspielen.

Er fuhr regelrecht zusammen, als die Tür hinter ihm geöffnet wurde. Anna trat rückwärtsgehend aus dem Wohnzimmer und machte dabei ihren Gästen gegenüber eine humorvolle Bemerkung. Die anderen lachten. Als sie sich zu ihm herumdrehte, in der Hand das leere Tablett, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck von einer Sekunde zur anderen; das Lächeln verschwand schlagartig, ihre Stirn legte sich in missbilligende Falten. »Verdammt, was treibst du hier, Nick? Du könntest mir da drinnen ruhig etwas zur Hand gehen. Du meine Güte, du bist schließlich der Gastgeber und nicht einer der Gäste.«

Kapitel 4:PATRICK UND LUCY

Sie hatten die Erdbeeren nicht gegessen. Zu wenig Schlaf in den vergangenen Tagen und zu viel Champagner. Patrick wusste nicht mehr, wie sie schließlich auf der Couch gelandet waren oder wessen Idee es gewesen war, die unvermeidliche TV-Silvesterparty einzuschalten, doch nun lagen sie beide dort, hörten mit halbem Ohr der gekünstelten Fröhlichkeit irgendeiner dämonisch aussehenden Schottin zu, die ihre Stimme zu einem Kreischen erhoben hatte, um sich in dem Lärm und Trubel und dem noch schlimmeren Gekreische von ein paar Dudelsäcken Gehör zu verschaffen. Er dachte schon, Lucy sei eingeschlafen, doch als dann mit wachsender Lautstärke die letzten Sekunden bis Mitternacht eingezählt wurden, schälte sie sich unter seinem Arm hervor und stupste ihn in die Seite. »Wir sollten wenigstens aufstehen.«

»Warum?«

»Na, du weißt schon. Das neue Jahr begrüßen.«

»Du spinnst.« Beim Abspielen der Nationalhymne verhielt sie sich genauso.

»Komm schon.« Sie war bereits aufgestanden und zerrte ihn am Arm hoch.

»Drei, zwei eins. EIN GUTES NEUES JAHR!« Lucy warf die Arme hoch und flüsterte ihren Wunsch. Es wäre eine Katastrophe, wenn sie Ed aufwecken würden. Er würde die ganze Nacht nicht mehr einschlafen. Die Arme immer noch erhoben, fügte sie hinzu: »Jetzt komm ich mir ein bisschen blöd vor.«

Patrick seufzte. »Luce?«

»Was ist?«

Das Telefon klingelte. Es war, wie Lucy vorausgesehen hatte, ihre beste Freundin Marianne, die von einer Party aus anrief. »Ein gutes neues Jahr, Luce«, brüllte sie in den Hörer.

Lucy spürte einen Anflug von Neid, als sie den fröhlichen Partylärm im Hintergrund vernahm. Patrick hatte keine Lust gehabt, hinzugehen. »Dir auch. Na, amüsierst du dich?«

»Es ist so lustig!« Marianne war betrunken. »Moment mal, ich geb dir Alec.« Einen kurzen Moment dachte Lucy, die Leitung sei unterbrochen oder Marianne habe den Hörer fallen lassen. Dann hörte sie Alecs Stimme.

»Hallo, du.«

»Ein gutes neues Jahr.«

»Wär’ schön, wenn du hier wärst.«

Errötete sie etwa? Sie hielt den Hörer ein Stück von sich weg, als würde er glühen, und rief hinein: »Ja, Patrick ist neben mir. Ich geb ihn dir.«

Patrick war nicht neben ihr, aber sie wartete, bis er aufstand und zu ihr herüberkam, während sie den Hörer an die Brust drückte. Als er das Telefon übernahm, ging sie in die Küche.

Sie hantierte gerade am Spülbecken, als er in die Küche trat. Sie drehte sich nicht zu ihm herum. »Hört sich ganz nach einer wilden Fete an, oder?«

»Lucy?« Seine Stimme klang gepresst. »Ich habe meinen Job verloren.«

Kapitel 5:ANNA

Sie hatten gerade erst den vierten Gang beendet, als die Standuhr in der Diele Mitternacht schlug. Anna duldete nicht, dass der Fernseher eingeschaltet wurde. Unmittelbar darauf wurden draußen auf der Straße die Silvesterraketen abgeschossen, die mit ihrem Krachen ihre Mozart-CD übertönten. Es erschien unpassend, jetzt aufzustehen, zu singen, sich zu umarmen, auch wenn Brian Margaret einen Kuss zuwarf und Nicholas sah, wie Clive unter dem Tisch nach Vickys Hand tastete.

Anna entschuldigte sich und erhob sich, um das Dessert zu holen, und Nicholas beschäftigte sich unterdessen damit, die acht Sektflöten zu füllen.

»Wir können uns erst zuprosten, wenn Anna wieder da ist«, protestierte Lindsay, als Nicholas das Glas erhob. »Warum bleibt sie so lange weg? Soll ich mal nachsehen?«

»Nein«, erwiderte Nicholas. »Ich geh schon. Und trinkt aus. Es ist eine Sünde, zu warten, bis er nicht mehr perlt. Wir stoßen einfach nachher noch mal an ...« Er öffnete die Tür zur Küche und sah Anna an der Tür zum Garten stehen und das Feuerwerk der Nachbarn beobachten. »Alles in Ordnung, Anna?« Ihre Schultern hoben und senkten sich, und sie gab einen seltsamen erstickten Laut von sich.

Er trat näher, und sie lehnte sich an ihn, und er sah, dass sie weinte. »Was ist denn, Anna? Was ist denn nur los?«

In letzter Zeit hatte sie es ihm nur selten gestattet, sie anzufassen, und dabei wollte er sie doch so gerne trösten. Seit Monaten schon war sie so unzugänglich, auf Distanz bedacht, ganz anders als früher. Er wusste, dass sie oft weinte, aber sie tat es nie in seiner Gegenwart. Er wollte ihr forschend in die Augen schauen, legte den Finger unter ihr Kinn und hob es an, doch sie drehte ihren Kopf unwirsch zur Seite und vergrub ihr Gesicht in seinem Ärmel. Eine ganze Weile standen sie so da, bis ihm der Gedanke kam, einer der Gäste könnte in die Küche kommen und sie so vorfinden. Diese Vorstellung wäre ihr unerträglich. Dabei waren diese Leute doch angeblich ihre Freunde ... »Du musst mit mir reden, Liebling. Wir können nicht so weitermachen.« Er spürte, wie sie nickte und sich noch fester an ihn klammerte.

»Es tut mir leid.«

»Ich weiß.« Es stimmte. »Ich möchte dir einfach nur helfen.«

»Du kannst mir nicht helfen.«

»Ich will es versuchen.«

Einen Moment lang schwieg sie, doch was sie dann sagte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. »Warum? Ich bin doch ein Nichts.«

Kapitel 6:NATALIE

Im Pub hatte Natalie Schwierigkeiten, für »Auld Lang Syne« die Arme vor dem Körper zu kreuzen. Der Volltrottel zu ihrer Linken hielt ihr die verkehrte Hand hin.

»Komm her.« Tom packte ihren rechten Arm und legte ihn schräg über ihre Brust, dann fing er an, ihren linken Arm auf und ab zu bewegen. »Should old acquaintance ...«

Ha. »Old acquaintance«. Alte Freundschaft. Uralte Freundschaft, besser gesagt. Und ob er vergessen sein würde? Und wie! Darauf konnte dieser Kerl Gift nehmen. Aber vielleicht noch nicht heute Nacht. Sie musste sich ja noch an ihn erinnern, um sich sagen zu können, dass sie ihn vergessen würde, oder? Aber ab morgen würde er ganz sicher vergessen sein, und zwar so was von vergessen. Sie hatte schließlich alles hier, was sie brauchte. Sie hatte gute Freunde, sie hatte uneingeschränkten Zugriff auf gut gekühlten Weißwein, sie hatte Tom. Ach ja, Tom.

Es ging in dem Pub sehr laut zu. Als sie es das erste Mal zu ihm sagte, zogen sich seine Brauen zusammen. »Was?«, brüllte er.

»Du wirst mich heiraten, Tom.«

»Was?« Doch dieses Mal hatte er verstanden.

»Ich sagte, du wirst mich heiraten.« Sie hatte ihre rechte Hand dem Kerl zu ihrer Linken entzogen und gebrauchte sie nun, um ihren Satz vehement zu unterstreichen.

»Klar tu ich das.«

Darüber, was später passiert war, ließ ihre Erinnerung sie weitgehend im Stich.

Bis Toms Mutter an die Tür klopfte und, ohne eine Antwort abzuwarten, hereinplatzte und sich auf ihr Bett setzte. Sie hatte ihr einen Becher Tee gebracht. »Ein gutes neues Jahr, Schätzchen! Ich muss schon sagen, ganz wie in alten Zeiten. Wie lange ist es her, seit du das letzte Mal bei uns übernachtet hast? Na ja, es ist jedenfalls sehr nett. Ich wünschte nur, Tom hätte mir vorher gesagt, dass er dich mit hierherbringen wird. Ich hätte ein paar Nelken oder so was kaufen und das Zimmer ein bisschen fröhlicher machen können.«

Das Zimmer war ohnehin farbig genug. Natalie ließ ihre Blicke – ihre Wimpern waren vom vergangenen Abend verklebt – durch den Raum wandern. Limettengrün und Violett. Die Nachwirkungen einer besonders schrillen und üblen Folge der Inneneinrichtungsserie Changing Rooms Mitte der Neunzigerjahre, die Cynthia sich angesehen und, was noch schlimmer war, durch die sie sich hatte inspirieren lassen. Natalie fragte sich, ob denn Gott eine farblich passende Nelke dazu erschaffen hatte.

Cynthia redete wie ein Wasserfall. Das war das Nette an ihr. Antworten waren gar nicht nötig. Natalie glaubte ohnehin nicht, dass sie an diesem Vormittag ein Wort herausbringen würde. Hatte sie etwa geraucht? Ihre Zunge fühlte sich rau an wie Sandpapier, und in ihrem Kopf hämmerte es wie wild.

»Wie geht’s deiner Mum, Schätzchen? Eine schreckliche Sache war das. Na ja, ich bin froh, dass am Ende doch nichts weiter war. Sie muss ja eine fürchterliche Angst gekriegt haben. Ich will sie schon eine ganze Weile besuchen, aber du weißt ja, wie es ist, dauernd kommt einem was dazwischen ...« Fast hätte sie nicht weitergewusst. Doch dann rettete sie sich über den peinlichen Moment. »Außerdem, ein neues Jahr, ein neuer Anfang und alles.«

Nun, das hörte sich wirklich einfach an. Vielleicht sollte Natalie es ihrer Mutter auf diese Weise erklären. Die beiden Frauen waren eigentlich nie richtige Freundinnen gewesen. Cynthia war für den Geschmack ihrer Mutter zu laut und übersprudelnd, redete, ohne vorher zu denken. Natalie war, ehrlich gesagt, die Haltung ihrer Mutter Cynthia gegenüber immer etwas peinlich gewesen. Ihre Mutter wirkte auf andere manchmal so, nun ja, unnahbar und arrogant. Doch Cynthia schien das nie gemerkt zu haben. In diesem Zusammenhang wurde Natalie mit wachsendem Unbehagen bewusst, dass sie heute zu Hause erscheinen musste. Mit einem Kater. »Wo ist Tom?«, fragte sie mit heiserer Stimme.

»Unter der Dusche, denke ich. Er ist in einer etwas besseren Verfassung als du. Wie wär’s mit einem schönen deftigen Frühstück? Entweder bringt’s dich um, oder es vertreibt den Kater.«

»Klingt gut, Cynthia. Danke.«

Natalie hatte sich erneut unter die Bettdecke verkrochen und war fast wieder eingeschlafen, als Tom an die Tür klopfte und unmittelbar darauf hereinkam.

»Unglaublich, wie es in eurer Familie zugeht«, grummelte sie. »Wartet ihr denn nie ab, bis man ›Herein‹ sagt?«

»Sei nicht so schnippisch. Wenn ich dich gestern nicht buchstäblich hierhergetragen hätte, wer weiß, wo du gelandet wärst. Du warst in einer ziemlich üblen Verfassung.«

»Verbindlichsten Dank, Sir Lancelot. Und wer hat Schuld daran?«

»Wieso sollte es meine Schuld sein? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dich gezwungen habe, zehn Gläser Wein zu trinken.«

»Waren es wirklich so viele?«

»Also, ich habe sie nicht gezählt, aber ich würde sagen, so, wie du am Ende getorkelt bist, kommt es in etwa hin.«

»Hab ich mich danebenbenommen?« Sie schlug die Hände vors Gesicht.

»Fürchterlich daneben.«

Sie warf ein limettengrünes Kissen in seine Richtung. Er fing es lässig mit einer Hand auf.

»Und wieso siehst du eigentlich so putzmunter aus?«, fragte sie vorwurfsvoll. Tom, dessen Haar noch feucht von der Dusche war, wirkte geradezu unverschämt frisch und dynamisch.

»Ich muss noch dies und jenes erledigen, einige Leute aufsuchen. Es gibt eine Menge zu organisieren.« Natalie war verwirrt. »Schließlich passiert es nicht alle Tage, dass ein Kerl einen Heiratsantrag kriegt.«

»Was redest du denn da?«

»Es verletzt mich, dass du dich nicht erinnerst.« Er wirkte ganz und gar nicht verletzt. »Gestern Abend? Du hast mich gebeten, dich zu heiraten. Und ich hab ja gesagt.«

»Du dummer Kerl.«

»Heißt das, du hast deine Meinung geändert?«

»Das heißt, dass ich gestern Abend nicht bei Sinnen war und daher nicht verantwortlich gemacht werden kann für das, was ich eventuell gesagt oder getan habe ...«

Cynthias Stimme ertönte von unten aus der Küche. »Hallo, ihr zwei! Frühstück ist fertig!«

Tom nahm den limettengrünen Morgenmantel von dem Haken an der Rückseite der Schlafzimmertür und warf ihn Natalie zu, dann zwinkerte er ihr zu und ging zur Treppe.

»Hallo, Mum, hallo, Dad. Gute Neuigkeiten. Natalie und ich werden heiraten. Sie hat mir gestern Abend einen Heiratsantrag gemacht, und ich habe ja gesagt.«

Toms Vater ließ seine Zeitung sinken, um die beiden zu betrachten. »Wie schön. Willkommen in unserer Familie, meine Liebe.« Seine Augen glitzerten belustigt.

Vor ein paar Jahren wäre er ein richtig heißer Typ gewesen, schoss es Natalie durch den Kopf, während sie ihn musterte. Das war ihr bisher nie aufgefallen. »Wir werden ganz bestimmt nicht heiraten.« Sie versuchte, Tom unter dem Tisch gegen das Schienbein zu treten, traf aber stattdessen das Tischbein aus Mahagoni, und das tat richtig weh. Sie rieb sich reumütig den Knöchel, während Tom in gespielter Anteilnahme sein Gesicht verzog – Natalie hätte ihm eine scheuern können.

»Und wieso nicht, wenn ich fragen darf? Er wäre ein richtig guter Fang. Er sieht gut aus, ist klug, erfolgreich im Beruf, lieb und aufmerksam ...«

»Schon gut, Mum. Erinnere mich daran, dass ich dich in Zukunft als Begleiterin mitnehme, wenn ich mich zum ersten Rendezvous mit einer neuen Frau treffe.«

»Das wird ja jetzt nicht mehr vorkommen, nicht wahr? Jetzt, wo du Natalie hast und sozusagen in festen Händen bist ...«

Natalie konnte bei diesem Geplänkel nicht mithalten. Sie hatte richtig schlimme Kopfschmerzen, und es war ihr furchtbar schlecht. Sie legte ihr Besteck beiseite, murmelte einen Dank in Cynthias Richtung und verzog sich nach oben ins Bett.

Mehrere Stunden vergingen, ehe sie sich wieder zeigte. Tom war mit seinem Vater in der Garage. Sie bastelten herum. So nannten sie das, was sie dort trieben. Seit Natalie Toms Vater kannte, besaß John einen Austin Healey, den er, um ihn vor den Elementen zu schützen, unter einer besonderen Plane aufbewahrte, die Natalie immer an den letzten Teil von E. T. denken ließ, und den er nur ein Mal pro Jahr zu einer Healey-Rally und zurück fuhr, vorausgesetzt, es war weder Regen/Hagel/ Schnee noch eine Heuschreckenplage vorhergesagt. Die übrige Zeit »bastelte« er an dem Wagen herum, und immer wenn Tom seine Eltern zu Hause besuchte, »bastelte« er mit. Die Tatsache, dass Cynthia den beiden Männern niemals in die Garage folgte, auch wenn sie noch nicht alles losgeworden war, was sie ihnen sagen wollte, war vermutlich ein weiterer Grund für die Beliebtheit dieses Rückzugsorts. Als Natalie hereinkam, lauschten die beiden Männer gerade im Radio der Übertragung des Pferderennens.

»Hübsche Overalls, Jungs.«

»Na, wie geht’s dir jetzt?«

»Besser.« Sie lächelte lahm. »Bereit, je pense, für les parents.«

»Soll ich dich irgendwohin fahren?«

»Könntest du mich zum Pub fahren, damit ich meinen Wagen holen kann?«

»Kein Problem. Bin gleich so weit.« Tom zog seinen Overall aus und warf ihn auf eine Werkbank.

John legte den Arm um Natalies Schulter. »War wirklich schön, dich wiederzusehen, Schätzchen. Wir haben dich die letzten Jahre nicht oft zu Gesicht bekommen.«

»Ich weiß. Tut mir leid.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ihr lebt inzwischen euer eigenes Leben. Den da bekommen wir auch nur selten zu Gesicht.« Er deutete hinüber zu seinem Sohn. »Ich kann mich erinnern, früher, da konnte ich mich oft vor lauter Kindern kaum umdrehen. Ihr beide, Patrick, Genevieve. Unser Haus kam mir fast schon wie ein Freizeitheim vor. Das fehlt mir heute ein bisschen, manchmal ...«

»Aber Patrick bringt doch jetzt Bella und Ed mit ...«

»Das stimmt. Dann kann ich mich ganz schnell wieder erinnern!«

»Bin gleich zurück, Dad.«

John gab Natalie einen Kuss. »Mach’s gut, Schätzchen.«

»Willst du, dass ich mitkomme?« Sie standen in der Sonne, mit dem Rücken gegen Natalies Wagen gelehnt.

»Nein, aber danke. Bridget hat gesagt, sie will am Nachmittag bei meinen Eltern vorbeikommen. Wenn ich Glück habe, lösen wir einander ab.«

»Und anschließend?«

»Und anschließend« – sie seufzte – »muss ich wohl in die neue raue Wirklichkeit zurückkehren. Ich denke, ich bin froh, dass wir nie eine gemeinsame Wohnung hatten, ich und Simon. Wenn ich mir vorstelle, dass ich nun diese ganze Umzieherei vor mir hätte und CDs und alles aussortieren müsste ...«

»Stimmt.« Tom wusste nicht, was er noch hinzufügen sollte, also umarmte er sie. »Du schaffst das schon.«

»Ach.« Sie fühlte sich bleischwer, niedergeschlagen und völlig erschöpft. Kein bisschen zuversichtlich.

Tom gab ihr zum Abschied einen Kuss auf die Stirn, öffnete die Wagentür und stieg ein. Während er den Motor startete, ließ er das Fenster herunter. »Also, wir sehen uns dann demnächst. Freitagabend.«

»Hab ich da was nicht mitgekriegt?« Sie hatte sich doch schon seit einer Ewigkeit nicht mehr für einen Freitagabend mit einem Mann verabredet, der nicht Simon war.

»Nein, aber du hast doch Zeit, oder?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich denke schon. Was hast du denn vor?«

»Ich habe mir einen Plan ausgedacht ...«

»Was für einen Plan?«

»Na ja, seien wir mal ehrlich, du hast nichts Besseres zu tun, und ich habe Lust, etwas zu tun, was mich ein bisschen herausfordert, und da hab ich mir eben was ausgedacht.«

Gegen ihren Willen musste Natalie schmunzeln. »Und ...?«

»Und ... da du dir so sicher bist, dass ich nicht der richtige Partner für dich wäre, ich mir aber dessen ziemlich sicher bin, dachte ich, ich sollte es dir einfach beweisen.«

»Und wie genau willst du das anstellen?«

»Ich werde sechsundzwanzig Tage mit dir verbringen. Na, verstehst du, wie ich auf diese Zahl gekommen bin? Das ist die Anzahl der Buchstaben im Alphabet.«

»Und ...«

»Ja, spotte nur. Und einer von uns beiden bestimmt, was wir an dem jeweiligen Tag unternehmen. Immer abwechselnd. Ich bin übrigens derjenige, der anfängt, mit A. Du bist B, ich bin C, du bist D –«

»Ich kenne das Alphabet, Tom.«

»Genau. Dann wirst du ja auch kaum Probleme haben, dir was Nettes auszudenken, oder?«

»Und der Zweck des Ganzen ist?«

»Du wirst dich in mich verlieben.«

»Ganz bestimmt.«

»Wir werden uns aus unserer sicheren Ecke herauswagen. Wir werden einander in neuen Situationen und an neuen Orten kennenlernen ... und du wirst merken, was du alles verpasst hast.« Er grinste, und Natalie wusste nicht, ob er ernst genommen werden wollte oder sich einfach einen Spaß mit ihr erlaubte.

»Du spinnst ja. Wie lange kennen wir uns jetzt, zwanzig Jahre, nicht wahr? Ich denke, wir hätten inzwischen gemerkt, wenn das zwischen uns beiden mehr als nur Freundschaft ist und ob die Chemie stimmt.«

»Vielleicht hat es ja einer von uns beiden gemerkt.« Sie verdrehte genervt die Augen. »Und übrigens«, fuhr er fort, »warum reden die Frauen andauernd von dieser Chemie? Hast du schon mal einen Mann darüber reden hören?«

»Männer brauchen keine Chemie, die brauchen Titten.«

Tom schüttelte missbilligend den Kopf. »Du enttäuschst mich mit deinen Klischees, Nat, von deiner derben Sprache ganz zu schweigen.«

»Ach, halt die Klappe. Hör mal, ich weiß es einfach, okay? Und du weißt es auch, wenn du mal für eine Minute aufhören würdest, den Clown zu spielen.«

»Eine letzte Frage, meine Schöne. Hast du in den kommenden Monaten irgendwas Besseres mit deinem Leben vor?«

»Du weißt genau, dass das nicht der Fall ist.«

»Na eben. Warum spielst du dann nicht an den Wochenenden das Alphabet-Spiel mit deinem alten Kumpel Tom? Lebe doch mal ein bisschen.«

Darauf wusste Natalie keine Antwort.

»Wir sehen uns dann am nächsten Freitag«, sagte Tom und brauste davon.

Kapitel 7:LUCY

Es hatte über Nacht geschneit. Lucy konnte sich nicht erinnern, wann das letzte Mal der Schnee tatsächlich liegen geblieben war, doch an diesem Morgen war draußen alles weiß, wenn es auch nur ein paar Zentimeter waren. Die Welt sah wie verzaubert aus. Bella und Ed waren draußen im Garten, trugen Winterstiefel und Mäntel über ihren Schlafanzügen und bauten einen Schneemann, und Lucy lauschte ihren Begeisterungsrufen, während sie darauf wartete, dass das Wasser im Kessel kochte.

»Ich werde Marianne und Alec absagen«, erbot sie sich.

»Nein. Das brauchst du nicht.«

»Bist du sicher?«

»Aber ja.«

Sie war erleichtert. Sie wollte die Einladung nicht absagen. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen seit dem Weihnachtskonzert in der Schule vor Ferienbeginn. Alec hatte ihr, als sie sich verabschiedet und einander frohe Weihnachten gewünscht hatten, einen Kuss auf die Wange gegeben, etwas näher an ihrem Mund, als angebracht war, und ihre Hand gehalten, etwas länger, als vielleicht normal war.

Sie wusste, es war nicht richtig, dass sie sich so dringend wünschte, ihn wiederzusehen. »Und später dann reden wir darüber, ja?«, sagte sie zu Patrick. Darüber. Ein kurzes Wort für ein bedeutungsschweres Thema.

»Sicher.«

Oben in ihrem Schlafzimmer überlegte sie lange, was sie anziehen sollte. Sie hörte, wie die Kinder kichernd und fröhlich plappernd hereinkamen, und sie hörte, wie Patrick sie aus ihrer Winterkleidung schälte und mit ihnen lachte. Als Bella zu ihr ins Schlafzimmer kam, lagen auf dem Bett zwei, drei Outfits, die Lucy ausgewählt und wieder verworfen hatte, und Lucy selbst stand in BH und Höschen vor dem Standspiegel und schaute sich prüfend an. Sie lächelte ihrer Tochter zu und verzog dann kritisch den Mund. »Ich fürchte, ich habe über Weihnachten ein paar Pfund zugenommen.«