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Vor der Vergangenheit kann niemand fliehen: Der mitreißende Schicksalsroman »Im Land der Silbereichen« von Rosalind Miles jetzt als eBook bei dotbooks. Unter der heißen Sonne Australiens entscheidet sich ihre Zukunft ... Ihr unbeugsamer Wille und ihre Intelligenz haben Stephanie Harper geholfen, schwere Prüfungen zu überstehen – nun hofft sie, an der Seite des Chirurgen Dan Marshall endlich ihr Glück gefunden zu haben. Aber schon bald ziehen dunkle Wolken am Horizont auf, denn sie sieht sich gleich zwei Feinden gegenüber: der hasserfüllten Jilly, die einst ihre Freundschaft schändlich verraten hat, und dem skrupellosen Geschäftsmann Jake Sanders, der das Imperium der Harpers vernichten will. Fieberhaft versucht Stephanie, alle Fäden in der Hand zu behalten, um ihre Familie und das traumhafte Anwesen Eden zu retten – doch auf dem Weg zu der entscheidenden Konferenz gerät sie mitten auf dem Ozean in tödliche Gefahr ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der bewegende Roman »Im Land der Silbereichen« von Rosalind Miles ist der zweite Band ihrer Eden-Saga, die Fans von Danielle Steele, Nora Roberts und Elizabeth Haran begeistern wird! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 579
Über dieses Buch:
Unter der heißen Sonne Australiens entscheidet sich ihre Zukunft ... Ihr unbeugsamer Wille und ihre Intelligenz haben Stephanie Harper geholfen, schwere Prüfungen zu überstehen – nun hofft sie, an der Seite des Chirurgen Dan Marshall endlich ihr Glück gefunden zu haben. Aber schon bald ziehen dunkle Wolken am Horizont auf, denn sie sieht sich gleich zwei Feinden gegenüber: der hasserfüllten Jilly, die einst ihre Freundschaft schändlich verraten hat, und dem skrupellosen Geschäftsmann Jake Sanders, der das Imperium der Harpers vernichten will. Fieberhaft versucht Stephanie, alle Fäden in der Hand zu behalten, um ihre Familie und das traumhafte Anwesen Eden zu retten – doch auf dem Weg zu der entscheidenden Konferenz gerät sie mitten auf dem Ozean in tödliche Gefahr ...
Über die Autorin:
Rosalind Miles wurde in Warwickshire geboren und studierte in Oxford, Birmingham und Leicester. Sie ist eine preisgekrönte Schriftstellerin, Journalistin, Kritikerin und Rundfunksprecherin, deren Werke in der ganzen Welt erschienen sind. Unter anderem gewann sie den Network Award für herausragende Leistungen im Schreiben für Frauen. Ihre historischen Romane wurden international gefeiert, insbesondere »Elisabeth, Königin von England«, in der sie das Leben und die Zeit der Tudor-Königin nachzeichnet. Ihr juristisches und soziales Engagement hat sie vom Buckingham Palace bis ins Weiße Haus geführt.
Rosalind Miles veröffentlichte bei dotbooks bereits die Romanbiographie »Elisabeth, Königin von England«, ihre historischen Romane der Guinevere-Saga »Die Herrin von Camelot« und »Die Königin des Sommerlandes« und ihre dramatischen Australienromane »Unter der roten Sonne Australiens« sowie die beiden Bände der großen Eden-Saga »Im Schatten des Akazienbaums« und »Im Land der Silbereichen«.
Die Website der Autorin: rosalind.net
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eBook-Neuausgabe Juli 2023
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1986 unter dem Originaltitel »Bitter Legacy«. Die deutsche Erstausgabe erschien 1989 unter dem Titel »Bitteres Erbe« bei Lübbe
Copyright © der englischen Originalausgabe Hanna-Barbera (Live Action) Pty Ltd 1986
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1989 für die deutsche Übersetzung by Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach
Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Susii, Sara Borbala Balogh, ViChizh, cb_travel, Russell Morris
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)
ISBN 978-3-98690-742-6
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Rosalind Miles
Das Leuchten der Silbereichen
Roman
Aus dem Englischen von Eva Malsch
dotbooks.
Wie ein Schiff vor Anker lag das große weiße Haus auf einer Klippe, hoch über dem Pazifik. Vom Meer aus betrachtet, schien es in der grellen Mittagssonne zu schlafen, heiter auf dem ausgedehnten grünen Rasen zu ruhen, vor dem Hintergrund hoher Bäume. Aber auf der Küstenstraße hatte den ganzen Vormittag reger Autoverkehr geherrscht, und jetzt war die Party in vollem Gang.
»Glücklich, Darling?«
»Glücklich? Soll ich’s dir zeigen?«
»Dieses Angebot würde ich gern annehmen – wenn nicht so viele Leute hier wären.« Seufzend musterte Dan Marshall seine Gäste. »Warum haben wir uns das angetan? Wieso sind wir nicht einfach verschwunden, um irgendwo allein zu feiern.«
»Was soll das heißen?« fragte die Frau an seiner Seite in gespielter Empörung. »Das ganze Jahr hattest du mich nur für dich, und jetzt beschwerst du dich, weil wir ein paar Stunden mit der Familie und Freunden verbringen. Dr. Marshall, ich schäme mich für dich.« Als Stephanie sein Unbehagen sah, warf sie lachend den Kopf in den Nacken.
»Daran liegt es nicht«, prostestierte Dan. »Aber wenn jetzt noch jemand ankommt, mir die Hand schüttelt und mir erklärt, was für ein Glückspilz ich bin, dann schlage ich ihn nieder, das schwöre ich dir!« Er sah, wie sie in leichtem Spott die Stirn zu runzeln begann, und fügte hastig hinzu: »Natürlich bin ich in der Tat sehr glücklich, aber ich kann darauf verzichten, das immer wieder zu hören.«
Plötzlich wurde sie ernst. »Würde es dir helfen, wenn ich dir sage, wie glücklich ich bin? Daß ich mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen kann? Daß diese letzten sieben Jahre die schönsten waren, seit ich denken kann?«
Liebevoll blickte er in ihre blauen Augen. »Alles Gute zum Hochzeitstag, Mrs. Marshall«, flüsterte er. »Ich freue mich schon auf die nächsten sieben Jahre – und die siebenundsiebzig danach.« Er berührte ihre Schulter und spürte durch das Chiffonkleid die Wärme ihres Körpers, roch ihr Parfüm, den Maiglöckchenduft, den er so gut kannte. Sein Herz schlug schneller. »Könnten wir nicht ...«
»Störe ich? Hoffentlich! Ich möchte meinen Ruf als eifersüchtiger Stiefsohn nicht verlieren.«
»Ach, Dennis ...« Widerstrebend wandte sich Stephanie von Dan ab. »Was dein Timing angeht, mußt du noch einiges lernen.«
»Ganz im Gegenteil, liebste Mutter.« Dennis grinste boshaft. »Mein Timing ist meisterhaft. Gelingt es mir nicht immer wieder, im richtigen Moment zu erscheinen und einen zärtlichen Augenblick zwischen euch beiden zu unterbrechen?«
Das Ehepaar wechselte einen Blick und lachte. »Das stimmt«, bestätigte Stephanie. »Aber muß es unbedingt heute sein, ausgerechnet an diesem Tag? Da gebe ich die schickste Party in der südlichen Hemisphäre, um meine glückliche Ehe zu feiern, und das war seit dem Beginn dieses Festes die erste Sekunde, die ich allein mit meinem Mann verbracht habe. Wo steckt denn Sarah? Warum kümmerst du dich nicht um sie?«
»Bin ich der Hüter meiner Schwester?« begehrte Dennis auf. Aber er verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und verschwand.
»Meine Problemkinder!« meinte Stephanie mit einem wehmütigen Lächeln.
»Die beiden sind keine Kinder mehr, Steph«, entgegnete Dan. Und je eher du aufhörst, Dennis wie einen kleinen Jungen zu behandeln, desto früher wird er sich wie ein Erwachsener benehmen, hätte er gern hinzugefügt. Aber beim Anblick ihrer besorgten Miene verkniff er sich diese Bemerkung. Statt dessen beschloß er, sie auf andere Gedanken zu bringen. Nichts sollte an diesem Tag ihr Glück trüben. Er griff nach ihrer Hand, spielte mit den Fingern und zog einen der lackierten Nägel an die Lippen. »Was könnte für einen Mann schöner sein, als seine Frau in einer perfekten Umgebung zu lieben – in einem zweiten Eden?«
Sie blickte sich um und gab ihm recht. Der Garten hüllte sie beide wie eine seltsame, geheimnisvolle Welt ein. An allen Seiten erhoben sich majestätisch Bäume und warfen ständig wechselnde Schatten auf das Gras, während sie ihre Äste im strahlenden Sonnenlicht ausbreiteten. Stephanie kannte und liebte jeden einzelnen – die Zedern, die Tulpen und hohen Johannisbrotbäume. In diesem natürlichen Rahmen hatte sie mit Hilfe ihrer Phantasie etwas geschaffen, das beinahe einem Kunstwerk glich, ein magisches Reich mit Wanderwegen, von Rosen überwucherten Pavillons und abgeschiedenen, duftenden Lauben, wo die Stille nur vom Plätschern ferner Brunnen und dem Rauschen der Brandung tief unten an den Felsen durchbrochen wurde. Hinter den Bäumen lag der breite Rasen, der sich bis zum Haus erstreckte. Wären dort nicht die vielen Leute umhergeschlendert, in bunte Sommerfarben gekleidet – Stephanie und Dan hätten die ersten Liebenden allein im schönsten Garten der Erde sein können.
»Es ist wirklich schwer zu glauben, daß wir nicht im Paradies wohnen.« Sie wollte die Arme um seinen Hals legen und ihn küssen, doch er blickte über ihren Kopf hinweg und stöhnte leise. »Halt, mein Liebling! Wir müssen schon wieder Eindringlinge abwehren.«
»Bill!« Ihre Freude war echt. »Und Rina – wie schön, euch wiederzusehen! Ich habe mich schon gefragt, ob ihr überhaupt noch kommt.«
»Dachtest du, wir würden deinen großen Tag versäumen?« erwiderte Bill leicht gekränkt. »Aber wir beide können eben nicht mehr so früh aufstehen und fröhlich rumlaufen wie die Jugend.«
»Hör nicht auf ihn«, mischte sich Rina ein. »Er hat so viel Aufhebens gemacht, um möglichst früh hier zu sein, daß wir uns letzten Endes verspätet haben. Aber wenn man so lange verheiratet ist wie wir beide, gewöhnt man sich an männliche Schrullen. Wie auch immer – herzlichen Glückwunsch, ihr zwei!«
»Danke, Rina«, antwortete Dan lächelnd, dann schüttelte er freundschaftlich die wettergegerbte Hand des alten Mannes. »Nett, daß du da bist, Bill. Du glaubst also, die Firma wird diesen einen Tag ohne dich überleben?«
Bill wandte sich an Stephanie: »Was versucht er eigentlich? Will er mich um meinen Job bringen?« Mit einem dicken Finger zeigte er auf Dan. »Eins laß dir mal sagen. Es wird noch lange dauern, bis Harper Mining auf meine Dienste verzichten kann. Und der einzige Mensch, der sich trauen würde, mich zu feuern, oder ohne mich zurechtkäme, ist der Aufsichtsratsvorstand – deine Frau.«
»Aber Bill!« Rasch versuchte Stephanie die Wogen zu glätten. »Wie du sehr genau weißt, habe ich nicht die Absicht, ohne dich weiterzumachen oder das auch nur zu probieren. Aber da wir die ganze Woche für Harper Mining leben und atmen, sollten wir uns am Wochenende wirklich eine Erholungspause gönnen, besonders auf einer Party.«
Besänftigt zog er sie an sich und drückte einen Kuß auf ihre Stirn. »Du kannst alles mit mir machen, Steph, das weißt du. Das ist schon so, seit sie ein kleines Mädchen war«, fuhr er an Dan gewandt fort, zum Zeichen, daß er ihm verziehen hatte, dann drehte er sich wieder zu Stephanie um. »Wie schön du heute aussiehst, meine Liebe – und ganz gewiß nicht alt genug, um die Mutter dieser zwei Rabauken zu sein, die wir vorhin getroffen haben.«
»Moment mal, Bill!« schimpfte Rina. »So darfst du nicht über die beiden reden.«
»Allerdings nicht«, bemerkte Dan trocken. »Dennis ist in letzter Zeit ein junger Lebemann par excellence. Wir wissen nie, wann er nachts nach Hause kommt, und er scheint sämtliche Herrenausstatter von New York, London und Rom zu ernähren.«
»Und Sarah?« fragte Rina.
Stephanie lächelte nachsichtig. »Immer noch dieselbe alte Sass. Sie nimmt das Leben viel zu ernst und überlegt unentwegt, was sie mit sich anfangen soll.«
»Ah, sie wird schon ihren Weg finden«, meinte Bill zuversichtlich. »Wie alt ist sie jetzt? Einundzwanzig, zweiundzwanzig? Vermutlich folgt sie dem Beispiel ihrer Mutter – eine typische Spätentwicklerin. Sie wird’s euch allen schon noch zeigen.«
Ein Kellner überquerte den Rasen mit einem Tablett voll schäumender Gläser, die in der schwülen Hitze schon ein wenig zu beschlagen anfingen. Dan winkte ihn zu sich und überreichte jedem feierlich einen Kristallkelch mit eisgekühltem Champagner, dann ergriff er Stephanies Hand. »Auf alle spät erblühten Blumen!« Tief bewegt schaute er seine Frau an. »Und wenn das unser Herbst ist – möge unser Winter niemals kommen.«
»Auf Dan und Stephanie!«
»Gott segne euch beide!«
Stephanie hörte Bill und Rinas Glückwünsche nur mit halbem Ohr. Habe ich jetzt endlich das große Glück gefunden? fragte sie sich. Darf ich nach sieben Jahren der Zukunft trauen – und diesem Mann? Plötzlich wurde sie von heftiger Angst erfaßt, alles verschwamm vor ihren Augen, und ein Schwindelgefühl überkam sie. Schwankend hielt sie sich an Dans Hand fest, und er nahm sie sofort in die Arme.
»Es geht mir schon wieder gut«, beantwortete sie seine sorgenvollen Fragen, als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. »Es lag an der Hitze, wirklich.«
Und sie hatte sich tatsächlich erholt. Lächelnd hängte sie sich bei Rina ein, begann ein angeregtes Gespräch und führte sie zwischen den Bäumen zur Klippe, wo der Barbecue-Lunch serviert werden sollte.
Die beiden Männer folgten ihnen. Es war Bill, der das Schweigen brach. »Du denkst doch daran? Ist dir klar, was am Montag geschehen wird?«
Dan seufzte tief auf. »Ja.«
»Kurz bevor wir hierhergefahren sind, ist ein neues Sorgenpaket auf meiner Schwelle gelandet. Deshalb haben wir uns übrigens verspätet. Aber das hat Zeit, bis Steph am Montag ins Büro kommt. Und das andere – erinnert sie sich an das Datum?«
Eine kurze Pause trat ein. »Ich weiß es nicht.« Unvermittelt blieb Dan unter einem blühenden Baum stehen.
Bill starrte ihn ungläubig an. »Du weißt es nicht?«
»Überleg doch mal!« stieß Dan mit scharfer Stimme hervor. »Ich wollte nicht davon sprechen. Wie man so schön sagt – schlafende Hunde soll man nicht wecken. Also habe ich beschlossen, abzuwarten, bis Stephanie von sich aus darüber redet. Und das hat sie nicht getan. Das ist alles.«
»Sie könnte es vergessen haben«, meinte Bill hoffnungsvoll.
Dan schüttelte den Kopf. »Wie wäre das möglich?« Die Frage hing in der Luft wie das schwere Aroma der Jasminblüten.
»Nun, es muß nicht unbedingt Ärger für Steph bedeuten ...« Bills Stimme erstarb. Stumm standen sie beieinander, verbunden durch Angst und wachsende Unsicherheit.
»Dan! Bill! Wo bleibt ihr denn?« Stephanies heitere Stimme hallte über den Rasen. »Kommt endlich, sonst versäumt ihr den ganzen Spaß!«
Diese Knastbienen sind komische Geschöpfe, dachte die Gefängniswärterin Hughes. Obwohl sie ihren Beruf schon seit zwanzig Jahren ausübte, wurde sie noch immer nicht schlau aus den Insassinnen. Was konnte ein vernünftiges Mädchen wie 1013 veranlassen, sich mit einer so hartgesottenen Type wie 498 einzulassen? Noch dazu, wo 498 nun entlassen werden sollte? Das hatte doch keine Zukunft. Andererseits war 1013, die wegen guter Führung einige Vergünstigungen genoß, ein nettes Ding, und hinter Gittern gab es nicht allzu viele von dieser Sorte. Man mußte schon ein Unmensch sein, wenn man den liebevollen Abschied stören wollte – auch wenn 498 eine Schlange durch und durch war. Böse, abgrundtief böse.
Es war ein langer Tag gewesen. Müde ging die Wärterin durch den breiten Sandsteinkorridor, gefolgt von 1013, die ein Tablett mit dem Abendessen für die Gefangene trug.
Am Ende des Flurs wurde eine Zellentür von einer anderen Wärterin aufgehalten. Sie warf der Frau mit dem Tablett einen anzüglichen Blick zu, ehe sie die Tür hinter ihr zuwarf, um sie mit der Zelleninsassin allein zu lassen.
»Mein Liebling!« 1013 spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
Die Insassin nahm ihr das Tablett aus der Hand, stellte es auf den Tisch und sagte gefühllos: »Reiß dich zusammen, um Himmels willen! Oder willst du für die zwei da draußen eine Schau abziehen?«
1013 setzte sich auf das schmale Bett und begann zu schluchzen. »O Jilly, ich werde dich so vermissen.«
»Ich dich auch, aber ich kann nicht so tun, als würde ich ungern von hier weggehen – nicht einmal dir zuliebe, Olive. Du weißt, ich habe eine Menge zu tun und muß Leute treffen – vor allem eine ganz bestimmte Person.« Ein seltsamer Glanz lag in Jillys Blick. »Darauf habe ich lange gewartet. Und eins darfst du mir glauben: Sie wird sich nicht gerade über das Wiedersehen freuen.« Sie sprach leise, aber ihr scharfer, zischender Unterton entging den Wärterinnen auf dem Korridor nicht. Sogar ihre Stimme erinnerte an die Geräusche einer Schlange, dachte Mrs. Hughes angewidert. Was mag Olive bloß an ihr finden?
In der Zelle rang 1013 mühsam um Fassung. »Ich möchte dich nicht verlieren, Jilly«, würgte sie hervor. »Wohin willst du gehen? Was wirst du tun?«
»Das weiß ich noch nicht«, erwiderte Jilly unbekümmert. »Australien ist groß. Da habe ich unbegrenzte Möglichkeiten.«
»Genau das befürchte ich!« Olives Kummer brach sich wieder Bahn, und sie krümmte sich zusammen, von Schluchzen geschüttelt.
Jilly musterte sie kühl, dann ging sie zu ihr und schlug sie unsanft auf die Schulter. »Hör auf!« fauchte sie drohend, dann fügte sie etwas freundlicher hinzu: »Du willst doch unser nettes Beisammensein nicht verderben, oder?« Sie nahm Olives Gesicht in beide Hände und küßte sie auf den Mund.
»Oh, deine Lippen sind so weich«, flüsterte Olive.
Jilly umarmte sie und küßte sie immer wieder. Rhythmisch begann sie Olives Brüste zu streicheln und fühlte, wie sich die Knospen unter ihren Fingern erhärteten. Olive versank in träumerischer Passivität, die vor innerer Spannung vibrierte. Aufgrund langer Erfahrung kannte Jilly die Techniken, die sie anwenden mußte, um sie zu befriedigen. Sie drückte den Rücken der anderen Frau auf das harte Bett. Mit gespreizten Beinen kniete sie über den Hüften und beugte sich vor, um mit dem durchgeknöpften Gefängniskittel zu kämpfen. Endlich waren alle Knöpfe geöffnet, und sie streifte den rauhen Stoff von der zarten Haut. Mit beiden Händen befreite sie Olives Brüste vom BH. Feine bläuliche Äderchen bildeten ein zartes Muster auf den prallen Kugeln, deren leuchtendes Weiß einen krassen Kontrast zu den braunen Knospen bildete. Einige Sekunden lang hielt Jilly inne, um diesen Anblick zu genießen, das Schauspiel der stöhnenden Frau, die sich halbnackt unter ihr wand. Dann griff sie nach den Brustwarzen, streichelte und knetete sie mit Daumen und Zeigefinger, bis sich Olive in wachsender Leidenschaft zwischen Jillys Schenkeln hin und her warf.
Aber Jilly hielt ihr eigenes Verlangen im Zaum, dafür war auch nachher Zeit genug, wenn die beiden prüden Wärterinnen nicht mehr draußen auf Horchposten standen. Dieser Gedanke spornte sie dazu an, Olive möglichst bald zum Höhepunkt zu verhelfen. Rasch legte sie sich neben die erregte Frau, ihre tastenden Finger fanden den zitternden Hügel zwischen Olives Beinen, und nach wenigen Sekunden war alles vorbei.
Kaum waren Olives Schreie verklungen, betraten die beiden Beamtinnen auch schon die Zelle. »Okay, das war’s, ihr beiden Turteltäubchen«, verkündete die zweite Wärterin. »Ich bringe Olive in ihr Quartier zurück, und Sie kümmern sich um 498, Hughes, ja?«
Immer noch trunken nach der sexuellen Erfüllung, ließ sich Olive vom Bett hochziehen und zur Tür führen, halb betäubt, als hätte sie Drogen genommen. Erst auf der Schwelle konnte sie wieder klar denken. Plötzlich wehrte sie sich gegen den Griff der Wärterin und schaute zur Zelle zurück. »Jilly!« lautete ihr letzter flehender Appell.
Die Wärterin war zwar etwas grob, aber weder bösartig noch hartherzig. Geduldig ließ sie den beiden noch ein paar Minuten Zeit.
»Ich hab’s dir gesagt, Olive. Das war unser Abschied. Jetzt werde ich endlich frei sein – nach sieben Jahren!« Ein schwaches Lächeln umspielte Jillys Lippen. »Und du hast noch nicht einmal sieben Monate abgesessen. Also jammere mir nichts vor. Ich kann dir nichts versprechen, denn ich beginne ein neues Leben. Für dich ist da vorerst kein Platz drin.«
Die Wärterin zerrte die kreischende Olive zur Tür hinaus. Langsam erstarb das Geschrei im Korridor. Mrs. Hughes seufzte tief auf. »Ein reizendes Mädchen sind Sie, Jilly Stewart, wirklich. Sie bringen’s nicht einmal fertig, der armen dummen Gans zum Abschied ein paar nette Worte zu sagen.«
Jilly würdigte sie keines Blickes. »Verschwinden Sie, Hughes, ich möchte in Ruhe essen«, sagte sie und setzte sich an den Tisch.
Die Wärterin nahm den halbkugelförmigen Deckel vom Tablett. Darunter kam eine Hühnerkeule mit Kartoffeln, Erbsen und Sauce zum Vorschein, mittlerweile lauwarm, aber immer noch appetitlich. Jilly griff nach ihrem Besteck, dann riet ihr ein Instinkt, zu der Frau aufzublicken. Mrs. Hughes neigte sich hinab, bespuckte langsam und methodisch das ganze Essen, dann ging sie seelenruhig zur Tür, wo sie sich zu der Gefangenen umdrehte.
Geduckt saß Jilly da, bleich vor Wut und bereit, wie eine Wildkatze aufzuspringen und sich auf die Gegnerin zu stürzen. Die Wärterin warf die Zellentür zu und drehte den schweren Schlüssel herum. »Lassen Sie sich’s gut schmecken, 498!« rief sie.
Montag, der Beginn einer neuen Arbeitswoche ... Ich muß ins Büro, sagte sich Stephanie. Aber während sie sich der verführerischen Sonnenwärme hingab, beschloß sie: Bald – noch nicht. In ihrem geschäftigen Leben fand sie nur während der frühen Morgenstunden Zeit, ein Sonnenbad zu nehmen und sich am Swimmingpool zu entspannen, der sich an der ganzen Rückfront des Hauses entlangzog. In den heißen Sommermonaten stand sie schon bei Tagesanbruch auf, um die vorerst noch milde Sonnenwärme zu genießen, zu schwimmen, am Pool zu frühstücken oder an einem der abgeschiedenen, stillen Plätze des Gartens, der nach ihren Plänen angelegt worden war.
Der Garten – von Eden. Wieder einmal wanderten Stephanies Gedanken den Weg zurück, den sie schon so oft genommen hatten. War es klug gewesen, ihr neues Haus Eden zu nennen, nach dem alten Landsitz? Mit geschlossenen Augen lag sie in der Sonne und sah ihn deutlich vor sich. Ein altes Steinhaus, umgeben von Veranden mit kühlen Fliesenböden, und am Oberstock von eleganten Galerien – ein Prachtgebäude in der endlos scheinenden Weite des australischen Northern Territories ... Innen war es im Stil eines englischen Landhauses eingerichtet gewesen, mit Marmorfliesen in der Eingangshalle und Eichentäfelung in der Bibliothek – einzigartig in dieser Umgebung. Als Kontrast dazu war der Garten mit der schönsten Vegetation des südlichen Klimas ausgestattet. Hoch aufragende Palmen, gewaltige Gummibäume, Goldakazien, Eschen und Blutholz schufen eine leuchtend grüne Oase in der sonnenverbrannten Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckte. In der Nähe des Hauses wucherten Baumfarne, tausendjährige Moose und üppige Blumen in der fruchtbaren roten Erde, und der Rosengarten war seit Generationen der Stolz aller Besitzer von Eden gewesen.
Auf ein solches Heim konnte man zwar stolz sein, aber man mußte nicht unbedingt glücklich darin werden. Stephanie, als einsames, mutterloses Mädchen aufgewachsen, war von ihrem Vater Max vernachlässigt worden. Der Minenmogul interessierte sich mehr für sein Öl-, Gold- und Uranimperium als für seine hochgewachsene, ziemlich ungraziöse Tochter, durch deren Existenz er täglich an seine bei der Entbindung verstorbene Frau erinnert wurde – den einzigen Menschen, den er je geliebt hatte. Seinem Kind gab er alles bis auf die Dinge, die man mit Geld nicht kaufen kann – Liebe, Vertrauen und Sicherheit.
Und so klammerte sich Stephanie während ihrer Jugend und auch später als erwachsene Frau an Eden, den einzigen unverrückbaren Felsen in ihrer Unsicherheit. Eden veränderte sich niemals, ließ sie nie im Stich. Wann immer sie fortging, um die Schule zu besuchen, Reisen zu unternehmen oder aus geschäftlichen Gründen (Max arbeitete sie in Ermangelung eines Sohnes widerstrebend in der Firma ein), kehrte sie so schnell wie möglich nach Hause zurück. Auch als die Harper-Mining-Zentrale nach Sydney verlegt wurde, in den Mittelpunkt der australischen Geschäftswelt, um in Südostasien und dann weltweit zu expandieren, betrachtete sich Stephanie immer noch als Nordländerin. Trotzdem bewunderte sie das großartige Harper Mansion, das sich Max außerhalb der Stadt über dem Hafen von Darling Bay erbaut hatte. Abgesehen von zwei kurzen Ehen – aus der einen stammte Sarah, aus der anderen Dennis – wohnte Stephanie in Harper Mansion, wann immer sie in Sydney zu tun hatte. Doch bei jeder sich bietenden Gelegenheit flog sie nach Eden, dem einzigen Ort auf der Welt, wo sie sich geborgen fühlte.
Bis ... Unbehaglich richtete sich Stephanie auf ihrer Liege auf. Nicht daran denken, befahl sie sich wie schon so oft. Denk an den neuen Anfang. An Dan. Sie schaute zum Rand des Pools, wo er ebenso wie sie die Strahlen der Morgensonne genoß. Wie unerwartet er in ihr Leben getreten war, um ihr über die schlimmste Krise hinwegzuhelfen und ihr eine vielversprechende Zukunft anzubieten ... Dabei habe ich mich damals bereits in einem Alter befunden, wo die meisten Frauen fürchten, daß nun alles vorbeisein würde. Andererseits behaupten viele Leute, daß das Leben erst mit vierzig beginnt, dachte sie lächelnd. Sie strich über ihren jugendlichen, straffen Körper und erinnerte sich träumerisch an die Freuden, die er ihr in den letzten sieben Jahren geschenkt hatte, hier auf Eden, in dem Beinahe-Paradies, das sie mit Dan teilte.
Der Neubeginn mit Dan hatte ihr den Mut gegeben, längst fällige Veränderungen vorzunehmen. Wenn sie Harper Mining auch seit dem Tod ihres Vaters und ihrem achtzehnten Lebensjahr leitete – es hatte ihrer ersten glücklichen Ehe bedurft, um endgültig in ihre Rolle als Firmenchefin hineinzuwachsen und ihr Erbe im eigenen Stil zu verwalten. Nun konnte sie alles verwerten, was ihr Bill McMaster, der loyale Manager, im Lauf der Jahre geduldig beigebracht hatte. Erfolgreich nahm sie die Zügel in die Hand.
Zunächst trennte sie sich von Harper Mansion, weil sie endlich bereit war, aus Max’ Schatten herauszutreten. Sie baute sich mit Dan ein neues Heim im eleganten Kolonialhausstil, auf einer bewaldeten Landspitze, weit genug von Sydney entfernt. Seine anmutigen Proportionen, die formschönen Balkone und die strahlend weißen Mauern machten es zu einem Markstein an der Küste der Tasman-See. Es dauerte lange, bis Haus und Garten fertig waren, doch während der ganzen Zeit kehrte Stephanie kein einziges Mal in ihr altes Zuhause zurück. Sie bemühte sich sogar, nicht einmal mehr daran zu denken. Doch als der Augenblick kam, da sie ihr neues Domizil taufen mußte, fiel ihr kein anderer Name als »Eden« ein.
Früher oder später würde sie entscheiden müssen, was mit dem alten Landsitz geschehen sollte. Aber es war so leicht gewesen, dieses Dilemma vor sich herzuschieben. In ihrem erfüllten neuen Leben und ihrem Glück mit Dan, während ihrer beruflichen Aktivitäten und dem Heranwachsen ihrer Kinder hatte sie gemerkt, wie schnell sich die Monate zu Jahren summierten. Und das Problem blieb weiter ungelöst. Regelmäßige Inspektionen überzeugten sie davon, daß Eden bei der alten Haushälterin und den treuen Helfern aus dem Stamm der Ureinwohner, die auf dem Landsitz lebten, immer noch in guter Obhut war. Aber Stephanie wollte nie wieder dort leben. Eines Tages würde sie das Haus einem anderen Zweck zuführen oder zum Verkauf anbieten müssen. Doch bis vor kurzem hatte sie sich nicht einmal dazu aufraffen können, die Schäden beheben zu lassen, die durch das Feuer entstanden waren.
Das Feuer – auch vor diesem unwillkommenen Gedanken schreckte sie zurück. Ungebeten erschienen gräßliche Bilder vor ihrem geistigen Auge – die Öllampe, die zu Boden fiel, die rasende Geschwindigkeit, mit der sich die Flammen ausbreiteten, und über allem ein Gesicht, von tödlichem Wahnsinn gezeichnet ... Erst vor einem Monat war sie imstande gewesen, diese Geister eines vergangenen Grauens zu bannen und die Restauration in Angriff zu nehmen. Wenn die Arbeiten beendet waren – was dann? Wir werden sehen, antwortete sie der inneren Stimme energisch.
Sie sprang von ihrer Liege auf und lief über die Terrasse zu Dan. »Wollen wir schwimmen?« fragte sie.
Dan lüftete den verbeulten alten Strohhut, der sein Gesicht vor der Sonne schützte, und öffnete ein Auge. »Verschwinde und laß mich zufrieden, Mrs. Marshall.«
Kichernd hockte sie sich neben ihn und begann seinen schlanken, gebräunten Körper zu streicheln. Sie spielte mit den goldbraunen Härchen auf der Brust und liebkoste den flachen Bauch. Abrupt setzte sich Dan auf und hielt ihre Hand fest. »He, benimm dich!« rief er. »Spring ins Wasser, dort kannst du deine leidenschaftliche Glut abkühlen. Gewisse Leute müssen sich auf einen harten Arbeitstag vorbereiten, den sie schwitzend im Operationssaal verbringen müssen. Sie können ihren Lebensunterhalt nicht so im Vorübergehen verdienen wie andere, die nur auf dem internationalen Geldmarkt herumjonglieren ...« Übermütig schob er sie zum Pool. Nach einem amüsanten Ringkampf am Beckenrand gelang es ihm, Stephanie ins Wasser zu werfen.
Es fühlte sich eiskalt an nach der Sonnenwärme. Keuchend tauchte Stephanie auf, dann schwamm sie genüßlich zum anderen Ende. Im Kraulstil absolvierte sie mehrere Längen, bis ihr ganzer Körper prickelte. Bei der letzten Wende sah sie eine Gestalt aus dem Haus kommen. Matey, der ehrwürdige alte Butler, seit urdenklichen Zeiten im Harper-Haushalt engagiert, servierte das Frühstück. Seine Herkunft blieb ein Geheimnis. Max hatte ihn angeblich einer englischen Adelsfamilie abgeluchst; einer anderen Version zufolge war Matey der Majordomus eines grandiosen europäischen Palastes gewesen. Aber woher er auch stammen mochte – seine größte Stunde hatte geschlagen, als er von Max beauftragt worden war, das Harper Mansion im großen Stil zu führen.
Wie immer hatte Max einen guten Griff getan. Jetzt, über siebzig Jahre alt, hielt Matey noch immer am alten Standard fest und beglückwünschte sich insgeheim, weil es ihm gelang, der Familie Harper auch in einer etwas unkonventionelleren Generation vornehmes Flair zu verleihen, trotz Dr. Marshalls Vorliebe für ein einfaches Leben. Was Dan auch sagte – das Frühstück wurde weiterhin auf einem antiken stummen Diener aus Mahagoni herangerollt, mit Silber, feinem Porzellan und schimmerndem Damast beladen. So war es auch heute.
»Guten Morgen, Matey!« rief Stephanie und kletterte aus dem Pool. »Könnten Sie bitte noch das Telefon bringen?«
Auch das war ein morgendliches Ritual. Der Butler mißbilligte Telefonate während der Mahlzeiten und zeigte sich unzugänglich für das Argument, internationale Finanzmanager und medizinische Notfälle würden es nicht schätzen, wenn man sie bat, später noch einmal anzurufen. Obwohl er seinen Unwillen durch ein betont steifes Rückgrat kundtat, ging er wie jeden Morgen ein zweites Mal vom Haus in den Garten.
Stephanie ergriff ein Handtuch, lief zu Dan und schlang von hinten die nassen Arme um seinen Hals, um seine Lektüre der Morgenzeitung zu unterbrechen und ihn aufs Ohr zu küssen.
»Du schon wieder!« stöhnte er.
»Nein!« brummte sie mit tiefer Stimme. »Hier ist Matey. Irgendwelche Klagen?«
»Du machst meine Zeitung ganz naß. Komm hierher, nach vorn.« Er stand auf, nahm das Badetuch und begann ihr langsam und liebvoll den Rücken abzutrocknen.
»Mmmm«, murmelte sie. »Hast du damit deinen Lebensunterhalt verdient, bevor du Arzt geworden bist?«
»Damit – und außerdem mit Diebstahl, Straßenraub und Piraterie auf hoher See.«
Sie lachte. »Idiot!«
»Ich mein’s ernst«, protestierte Dan. »Zum Skalpell griff ich erst, als ich von meinem Jugendtraum abkam, ein Ned Kelly der Neuzeit zu werden.«
»Du mußt heute tüchtig frühstücken, Doc«, erklärte Stephanie energisch. »Anscheinend bist du geistig weggetreten.«
Beim Kaffee fragte er mit ruhiger Stimme: »Wie fühlst du dich heute, Steph?«
»Was meinst du?«
»Dieser Schwindelanfall gestern ... Bedrückt dich irgend etwas?«
»Überhaupt nichts«, erwiderte sie leichthin.
»Du bereust es also nicht, daß du beschlossen hast, das alte Eden restaurieren zu lassen?«
Ein Schatten glitt über ihr Gesicht, und sie antwortete ausweichend: »Es war mein Zuhause.« Skeptisch schaute er sie an, und sie bekräftigte: »Es war mein Zuhause. Was immer dort auch geschehen ist – es liegt hinter mir.«
Sanft strich er über ihre Hand. »Ich weiß, es war schwer für dich, die Vergangenheit abzuschütteln. Aber ich möchte, daß du dies hier – unser neues Eden als dein Heim betrachtest.«
Stephanie sah auf und zeichnete mit einer Fingerspitze zärtlich die Umrisse seines Kinns nach. »Natürlich! Wenn wir hier miteinander frühstücken, wie ein ganz normales Ehepaar ... Es ist nur ...« Sie unterbrach sich und erschauerte.
»Was?«
»In letzter Zeit quälen mich böse Ahnungen – als würde etwas auf uns zukommen, etwas Schlimmes. O Liebling ...« Tränen glänzten in ihren Augen. »Wir waren so glücklich, und ich habe einfach Angst, unser Glück könnte uns genommen werden. Mir ist, als ginge jemand über mein Grab«, fügte sie mit einem schwachen Lächeln hinzu und versuchte sich zusammenzureißen.
»Hör zu, Steph ...« Er zögerte. »Was ich dir jetzt sage, wird dir nicht gefallen, aber du brauchst Urlaub und endlich wieder Zeit für dich selbst. Und für mich. Weißt du, daß wir an unserem Hochzeitstag zum erstenmal seit Monaten mehr als nur ein paar Stunden gemeinsam verbracht haben? Und selbst die mußten wir mit hundertfünfzig Leuten teilen!«
»O Dan – die Aufsichtsratsvorsitzende von Harper Mining kann nicht einfach aus ihrer Firma weglaufen.«
»Einen Tag wird die Firma sicher ohne dich auskommen – heute.«
Lächelnd fragte sie: »Was hast du vor?«
»Alles. Oder gar nichts. Wenn wir nur zusammen sind.« Er grinste auf jene Weise, die sie immer wieder so liebenswert fand. »Darf sich die reichste Frau Australiens nicht ab und zu einen freien Tag gönnen?«
»Doktor, du hast gewonnen.« Während sie sich zu ihm beugte, um ihn zu küssen, klingelte das Telefon.
»Am besten achtest du gar nicht darauf.«
»Dan ...«
»Zum Teufel mit Harper Mining! Wenigstens heute.«
»Es könnte Dennis sein – oder Sarah.« Sie nahm den Hörer ab.
»Stephanie?«
Das Herz wurde ihr schwer. Sie erkannte die Stimme sofort.
»Hier ist Bill McMaster. Tut mir leid, daß ich dich so früh störe, aber wir haben echte Probleme. Ich rufe nur an, weil ich dich bitten wollte, möglichst früh ins Büro zu kommen.«
»O Bill ...« Sie merkte, wie schwach und unsicher ihre Stimme klang. »Kannst du das nicht allein regeln? Eigentlich wollte ich mir diesen Tag freinehmen. Dan und ich ...«
»Steph, die Lage ist wirklich ernst«, fiel er ihr ärgerlich ins Wort.
»Sie warf einen Blick auf Dan. Nach seiner ausdruckslosen Miene zu schließen, hatte er bereits erraten, worum sich das Telefonat drehte. »Bitte, Bill – verdirb mir nicht diesen Tag!«
»Es geht nicht um diesen verdammten Tag«, explodierte der alte Mann, »sondern um dein Leben! Also wirst du ins Büro kommen, verstanden?« Wütend warf er den Hörer auf die Gabel.
Auch Stephanie legte auf, mit zitternden Fingern.
»Der gute alte Bill«, meinte Dan sardonisch. »Man kann sich stets darauf verlassen, daß ihm die Interessen von Harper Mining am Herzen liegen.«
Auf der Fahrt zum imposanten Harper-Gebäude in der Bent Street, mitten im Geschäftszentrum von Sydney, verflog Stephanies Unsicherheit, und die alte Energie kehrte zurück. In ihrem Büro angekommen, quittierte sie den Gruß ihrer Sekretärin – »Miß Harper, Accounting und European Operations wollen unbedingt Besprechungen mit Ihnen abhalten!« – mit einer wegwerfenden Handbewegung und äußerte ihr eigenes Anliegen: »Geben Sie mir die Wallstreet-Kurse, sobald sie da sind, Hilary.« Durch die Verbindungstür, die von der Suite des Aufsichtsratsvorstandes ins Büro des Managers führte, sah sie Bill telefonieren. Seine Laune hatte sich inzwischen nicht gebessert.
»Verdammt, besorgen Sie sich eine Spitzhacke und eine Schaufel, wenn’s sein muß!« schrie er. »Aber graben Sie diesen Namen aus! Ich will wissen, wer und warum, und ich höre mir keine Ausreden an!« Er legte auf, dann eilte er sofort in Stephanies Büro und schwenkte einen Fernschreiblochstreifen mit Börsenkursen.
Sie erriet, was ihn so beunruhigte. »Spielt irgendwer mit unseren Aktien rum?«
»Jemand, der seine Spuren verflucht gut verwischt!« stieß er hervor.
»Du meinst, man hat es auf die Firma abgesehen?«
»Möglicherweise.«
»Und wer steckt dahinter?«
»Das ist es ja, was ich eruieren will. Meine Leute arbeiten schon seit Stunden daran. Aber bis jetzt konnten wir nicht feststellen, wohin die Aktien geraten sind.«
Nachdenklich runzelte Stephanie die Stirn. »Nun, solange wir nicht wissen, welcher Finger in unserem Apfelkuchen rumstochert, können wir nicht viel unternehmen. Aber wir werden die Börsenentwicklung anhand der letzten Zahlen studieren und sehen, was sich dabei herausstellt.« Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und bedeutet ihm, ihr gegenüber Platz zu nehmen.
Statt dessen trat er ans Fenster und tat so, als wollte er die Aussicht genießen. »Hast du heute schon die Zeitungen gelesen?«
»Die Zeitungen? Nein.«
Wortlos wandte er sich zu Stephanie, zog eine zusammengefaltete Seite aus der Innentasche seines Jacketts und legte sie auf den Schreibtisch. Er merkte ihr an, daß sie den Inhalt des Artikels sofort erriet.
»O nein, Bill«, flüsterte sie.
»Du mußt den Tatsachen ins Auge blicken, Mädchen. Das ist der einzige Ausweg.«
Mühsam zwang sie sich, den Bericht in der Rubrik »Stadtgespräche« zu lesen und sah ihre Befürchtungen bestätigt.
»Das letzte Kapitel einer der interessantesten Stories der letzten Jahre wird heute beginnen, wenn Jilly Stewart das Gefängnis verläßt. Kenner der Sydney-Szene werden sich erinnern, daß sie vor sieben Jahren aus zwei Gründen zu einer Haftstrafe verurteilt wurde: Beihilfe zum Mord und Totschlag. Sicher wird ihre Entlassung die Kontroverse, die sich um den dramatischen Gerichtsprozeß rankte, von neuem entfachen. Die Geschworenen befanden sie für schuldig, beim versuchten Mord an ihrer besten Freundin, der Minenerbin Stephanie Harper, Mithilfe geleistet zu haben. Außerdem legte man ihr zur Last, Stephanie Harpers Ehemann getötet zu haben, den Tennischampion Greg Marsden, der zu jenem Zeitpunkt Jilly Stewarts Liebhaber gewesen war. Hinter diesen nackten Tatsachen verbirgt sich ein Gewirr bizarrer Umstände, die sämtliche nationalen und internationalen Medien wochenlang in Atem hielten. Während der Verhandlung stellte sich heraus, daß die Angeklagte während der Flitterwochen ihres späteren Opfers als Gast in dessen Haus eingeladen worden war. Die Mordwaffe war ein zwölf Fuß langes Salzwasserkrokodil. Wie durch ein Wunder überlebte Stephanie Harper den brutalen Angriff und wurde die Leiterin von Harper Mining sowie eine führende Persönlichkeit im Geschäfts- und Gesellschaftsleben unseres Landes. Sie ist mit dem Mann verheiratet, der nach dem schrecklichen Ereignis ihr Gesicht und ihren Körper neu gestaltet hat, dem plastischen Chirurgen Dr. Daniel Marshall ...«
Bestürzt legte sie die Zeitungsseite auf den Tisch. »Das – das hatte ich nicht erwartet«, stammelte sie.
»Aber du wußtest es doch bestimmt?« fragte Bill sanft.
»Ja – daß sie ungefähr um diese Zeit entlassen würde ... Mehr wollte ich gar nicht wissen.« Unglücklich sah sie zu ihm auf. »Ich dachte, das alles wäre endgültig vorbei, Bill. Warum lassen sie die Vergangenheit nicht ruhen?«
Er räusperte sich. »Ich muß dir noch etwas sagen, Steph, und so leid es mir tut – anscheinend war das erst der Anfang ...«
»Sonntag, Sonntag«, sang Jake unter der Dusche, »der allerschönste Tag für mich ...« Aus dem Schlafzimmer drang die Stimme des Rundfunksprechers. »... die Nachrichten und die Wettervorhersage von heute, Montag ... Die Luftverschmutzung von Sydney ist heute besonders stark ...« – »Montag, Montag!« trällerte Jake falsch, aber fröhlich, und entschied, daß die Woche großartig begann.
Er fing jeden Tag mit einer Dusche an, da er auf geradezu penible Weise sauber war, nicht aus Eitelkeit, sondern aus der natürlichen Arroganz einer großen Dschungelkatze heraus, eines Leoparden, Pumas oder Tigers. Dies gehörte zu seinen Besonderheiten, die auf Frauen unwiderstehlich wirkten. Ihre Sinne sagten ihnen, sie könnten Gänseleberpastete von seinem Bauch lecken, Champagner aus seinem Nabel schlürfen und ihn unbedenklich überall küssen. Während er nun unter dem Wasserstrahl plätscherte, entfernte er die Spuren einer solchen Nacht.
»Ich bin Junggeselle und lebe allein ...« Jake hatte beschlossen, ein Lied anzustimmen, das er besser kannte. Aber seine Gedanken weilten woanders. Nachdenklich seifte er seinen straffen, wohlgeformten Körper ein und überprüfte wie jeden Morgen unbewußt die klaren Konturen seiner Muskeln, den flachen Bauch, die kraftvollen Schenkel. Er neigte zur Fülle, was er lieber mit intensivem Fitneßtraining bekämpfte als mit Disziplin oder Verzicht auf irgendwelche Genüsse. Wie gewohnt war er mit dem Ergebnis seiner Nachforschungen zufrieden und lachte leise, als ihn manche Körperteile an die Eskapaden der letzten Nacht erinnerten.
Er verließ die Duschkabine, trocknete sich flüchtig ab, dann schlüpfte er in einen flauschigen Bademantel und ging ins Schlafzimmer. Abgesehen von den üblichen männlichen Utensilien wie Uhr, Wechselgeld und Manschettenknöpfen auf dem Toilettentisch wirkte der Raum seltsam unpersönlich, das Domizil eines Mannes, der keine Spuren hinterließ. Die Einrichtung war opulent. Man bezahlt ein Vermögen für eine Luxussuite im Regent, überlegte Jake, aber dafür kriegt man auch was, nämlich Luxus. Seine nackten Füße versanken in einem tiefen Teppich, dessen Hellblau von den schweren Vorhängen aus chinesischer Seide erwidert wurde. Auch die Wände waren mit Seide tapeziert, in einem Magnolienton, der sich von einer Borte aus Iris und Wasserlilien in dunklerem Blau abhob. Glühendes Korallenrot im Lampenschirm, einige Kissen und Ziergegenstände belebten die vorherrschenden Schattierungen von Beige, Taubenblau und Schiefergrau. Jake fand, daß er mit seiner Elfenbeinhaut, dem schwarzen Haar und den blauen Augen sehr gut zu dieser Farbensinfonie paßte.
Sorgfältig begann er auszuwählen, was er anziehen wollte. Auf seine Kleidung legte er ebenso großen Wert wie auf seinen Körper, und seine Anzüge stellten das Beste dar, was die englische Schneiderkunst zu bieten hatte, seine Hemden das Erlesenste, was es in Amerika auf diesem Sektor gab. Das Endresultat wirkte teuer, aber diskret und konservativ. Jake verabscheute alles Auffällige und hatte eine wahre Leidenschaft für die Sicherheit entwickelt, die ihm echter Stil und Qualität gaben. Außerdem wußte er, daß er wie ein Mann aussehen mußte, dem jeder ohne Zögern sein Geld anvertrauen würde. Den Pfau in ihm verriet die intensive Farbe des Tüchleins, das in seiner Brusttasche steckte. Und unter dem korrekten Anzug trug er schicke italienische Slips. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß ein Mann auch an den langweiligsten Tagen niemals wissen konnte, was ihm vor der Schlafenszeit noch alles passieren würde.
Das Telefon auf dem Nachttisch läutete, und er nahm den Hörer ab.
»Die Lochstreifen von heute morgen liegen für Sie bereit, Mr. Sanders. Außerdem haben wir den aktuellen Aktienstand von Harper Mining.«
Jake lächelte. »Gut. Ist Anton schon da?«
»In zehn Minuten.«
»Okay, ich komme. Und verlieren Sie vor meiner Ankunft nichts von diesen kostbaren Aktien, okay?« Er legte auf und beglückwünschte sich. Ein Tigergrinsen entblößte seine weißen Zähne. Als er hinausging, pfiff er eine Melodie vor sich hin. »Es war einmal ein wilder Kolonialjunge ...«
»Könnte vielleicht irgend jemand so freundlich sein und mir erzählen, warum zum Teufel ich hierher zurückgelotst wurde?«
Sarah sah von ihrem Buch auf und musterte Dennis mißbilligend. »Nimm’s nicht so schwer, kleiner Bruder. Es ist völlig sinnlos, wenn du dich aufregst.«
Aber Dennis ließ sich nicht von seiner Aggressivität abbringen. »Ich war erst letzten Samstag in Eden, auf dieser Party. Da war es schon schwierig genug, rechtzeitig von Perth wegzukommen. Und kaum bin ich wieder fort, werde ich erneut hierhergeholt. Was soll dieses verdammte Bumerangspiel, Sass? Und was habe ich diesmal verbrochen, um die Einberufung des Familienkriegsrates heraufzubeschwören?«
»Oh, es geht gar nicht um dich.« Sarah lächelte freudlos. »Es sieht fast so aus, als würdest du deinen Titel als größter Störenfried in Harper-Kreisen verlieren. Erinnerst du dich an Tante Jilly? Jilly Stewart?«
Dennis’ schmales Gesicht verzerrte sich. »Dieses Biest!« stieß er wütend hervor. »Was hat sie damit zu tun?«
»O Dennis ...« Sarah verstummte, und ihr Bruder, der sie zum erstenmal genauer betrachtete, bemerkte Anzeichen echter Sorge.
»Was ist los, Sass?« fragte er erschrocken.
Sie seufzte. »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Gieß dir erst mal einen Drink ein. Ich glaube, du wirst ihn brauchen.«
Geistesabwesend lauschte Stephanie im Schlafzimmer über dem Salon von Eden den leisen Stimmen ihrer Kinder. Sie saß am Toilettentisch und trug ihr Make-up auf. Grundierung, Lidschatten, Puder, Wimperntusche, Rouge – mechanisch erledigte sie eins nach dem anderen. Dan, in einem nahen Lehnstuhl beobachtete sie aufmerksam. Was immer sie tat, pflegte ihr zu gelingen, und so schminkte sie sich auch gekonnt. Geschickt betonte sie die klaren Linien ihres Gesichts und wählte eine Farbe für die Augen, die deren melancholische Nuance von Glockenblumen im Frühlingsregen exakt widergab. Aber er sah, daß sie wie ein Automat funktionierte. Ihre Gedanken waren meilenweit entfernt, und ihr Blick, den er im Spiegel sah, wirkte seltsam leer.
»Steph«, begann er unsicher, um das drückende Schweigen zu brechen, »es ist noch nicht zu spät, um das alles abzublasen.«
Sie schien aus tiefer Trance zu erwachen. »Wie könnte ich?«
»Ganz einfach. Ruf an oder laß mich das machen.«
»O Dan ...« Ihre Stimme klang todmüde.
»Darling ...«, erwiderte er, hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihr die Situation zu erleichtern, und der Notwendigkeit, seinen Standpunkt zu vertreten. »Ich glaube, du machst einen schweren Fehler.«
»Da könntest du dich irren.«
»Denk wenigstens noch einmal darüber nach!« drängte er. »Du hast deine Entscheidung viel zu schnell getroffen und nicht lange genug überlegt. Wer weiß, welche Folgen das nach sich zieht ...«
Stephanie stellte die Wimperntusche beiseite und wandte sich an Dan: »Ich habe keine andere Wahl.«
»Es gibt eine ganze Menge Alternativen«, widersprach er erregt. »Aber aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen tust du so, als hättest du kein Recht, deine Wahl zu treffen. Anscheinend hast du kampflos nachgegeben.«
»Das würde nicht zu mir passen, Dan, das weißt du. Aber gegen Tatsachen ist man machtlos.« Haltsuchend streckte sie die Hand nach ihm aus, und er erschrak, weil sich ihre Finger trotz des heißen Sommerabends eiskalt anfühlten.
Er unternahm einen letzten Versuch, sie umzustimmen. »Du mußt dir das alles nicht zumuten – wenn du es bloß einsehen würdest!«
»Dan!« Sie setzte sich kerzengerade auf und umklammerte seine Hand mit aller Kraft. »Bevor du in mein Leben getreten bist, habe ich mich fast immer versteckt. Das werde ich nie wieder tun!«
»Ich glaube das einfach nicht!« Wütend rannte Dennis zum Barschrank und schenkte sich einen zweiten Whisky ein.
»Vorsicht, Kleiner!« ermahnte ihn Sarah. »Du wirst noch umkippen, wenn du deinen Alkoholkonsum nicht ein bißchen drosselst.«
Er ignorierte ihre Warnung. »Ich glaube es nicht!«
»Es wird dir aber nichts anderes übrigbleiben.«
»Es muß ein Irrtum sein. Es ist doch völlig verrückt!«
»Dennis ...«
»Nun, ich akzeptiere es jedenfalls nicht – auch dann nicht, wenn du dazu bereit bist.« Herausfordernd schüttete er den Whisky in sich hinein. »Das muß ich wirklich nicht ...«
»Nimm’s doch ein bißchen gelassener«, unterbrach sie ihn energisch, »wenn du dich so aufführst, hilfst du Mum nicht, und du wirst auch nichts ändern. Du solltest zur Abwechslung mal an andere Leute denken – nicht immer nur an dich selbst.« Um den Tadel zu mildern, fuhr sie leichthin fort: »Versuchen wir doch mal, das Ganze von der komischen Seite zu betrachten.«
»Ich finde deinen Humor richtig pervers, Sass. Du bist krank, weißt du das?«
Ihre Wangen färbten sich dunkel, aber sie beherrschte sich. »Anscheinend liegt das in unserer Familie.«
Die Tür öffnete sich, und Stephanie kam herein, begleitet von Dan. Sie trug ein dramatisches, schwarz-weißes Modellkleid, ihr Make-up war ebenso makellos wie ihre Frisur. Falls sie sich besonders große Mühe mit ihrer äußeren Erscheinung gegeben hatte, um ihr Selbstvertrauen zu stärken, so zeigte sie das nicht. Sie sah blaß, aber gefaßt aus, und ihr Lächeln wirkte warmherzig wie immer, als sie das Wohnzimmer durchquerte, um ihre Kinder zu umarmen.
»Wie schön du bist, Mum!« beteuerte Sarah liebevoll.
Dennis begrüßte seine Mutter kaum und kam sofort zur Sache. »Nimmst du diesen Quatsch wirklich ernst?«
»Sprich nicht so mit deiner Mutter!« mischte sich Dan in scharfem Ton ein.
Etwas verunsichert, aber immer noch erbost, wandte sich der Junge zu ihm: »Das betrifft unsere Familie, Dan«, erwiderte er mit Nachdruck. »Die Familie Harper.«
Dan holte tief Luft. »Ich fürchte, es geht uns alle was an. Und deine Bemerkung dürfte die Dinge nicht gerade vereinfachen.«
»Bitte, hört auf – alle beide!« Stephanies gequälter Aufschrei brachte Dennis zur Vernunft.
»Ich hab ein bißchen zuviel getrunken«, entschuldigte er sich verlegen, dann fügte er flehend hinzu: »Mum, Sarah sagt doch nicht die Wahrheit, oder?«
Stephanie lächelte grimmig. »Ich würde dir gern die Antwort geben, die du hören willst, Dennis. Aber das hier ist leider ein Wehwechen, das eine Mutter nicht küssen kann, um es zu lindern. Über die Situation bist du informiert. Aber wir haben noch nicht besprochen, was wir unternehmen können. Vor allem ...« Sie unterbrach sich, als sie die Türglocke läuten hörte.
Alle lauschten atemlos. Aus der Richtung des Dienstbotentrakts im Hintergrund des Hauses bewegten sich Mateys Schritte gemessen zur Haustür. »Ah, Mr. McMaster! Sie werden erwartet. Die Familie befindet sich im Salon. Wenn Sie mir bitte folgen würden ...«
Die Spannung im Zimmer war fast greifbar. Schritte durchquerten die Halle, die Tür schwang auf. Bill McMaster stand auf der Schwelle, eine Aktentasche in der Hand. »Guten Abend«, begann er unbehaglich. »Ich habe jemanden mitgebracht – ihr wißt ja schon Bescheid ...« Seine Stimme erstarb, und er trat beiseite.
Jilly tauchte hinter ihm auf, in einem zerknitterten, verwaschenen, altmodischen Kleid, eine verbeulte Handtasche unter dem Arm. Ein schiefes, herausforderndes Lächeln umspielte ihre Lippen. Langsam ging sie in den Salon. Keiner sagte ein Wort. Schließlich brach sie das Schweigen. »Will mich denn niemand begrüßen?«
Der erste, der sich von dem Schock erholte, war Dennis. »Am liebsten würde ich dich hinauswerfen, aber das ist nicht mein Haus.«
»Dennis!« drohte Dan leise.
Hastig sprang Sarah für ihren Bruder in die Bresche. Mitleid füllte ihre Augen. »Hallo, Tante Jilly. Willkommen.«
Jilly akzeptierte den Kuß, den ihr das Mädchen auf die Wange gab, doch diese Geste stimmte sie keineswegs milder. »Nun, Steph?«
Wie gebannt starrte Stephanie sie an – unfähig, sich zu bewegen oder zu sprechen. Das genügte Jillys reizbarem Temperament, um sich zu manifestieren. »Um Himmels willen, ihr könntet mir wenigstens erklären, was ich hier soll!«
Dan griff ein, besonnen wie immer. »Vielleicht sollten wir uns erst einmal setzen. Dennis, du kümmerst dich um die Drinks, ja? Was möchten Sie, Jilly? Übrigens, ich bin Dan Marshall, Stephanies Mann.«
Er nahm Jillys Arm und führte sie zu einem Stuhl. Dann rückte er auch für Stephanie einen Sessel zurecht. Nachdem alle Platz genommen hatten, lockerte sich die Spannung ein wenig, und sie blickten den bevorstehenden Ereignissen erwartungsvoll entgegen.
»Ich glaube, du kannst die Situation am besten erklären, Bill«, meinte Dan.
Bill wartete, bis Dennis die Drinks verteilt hatte. Dann öffnete er unter atemloser Stille seine Aktentasche, entnahm ihr eine alte Eisenkassette, die er auf den Tisch stellte, und räusperte sich. »Nach Max Harpers Tod wurde kein Testament gefunden. Deshalb ging sein ganzes Vermögen automatisch an seine Tochter Stephanie. Neulich begann sie das alte Gebäude von Eden renovieren zu lassen, Max’ erstes und letztes Heim, das Haus, wo er gestorben war. In der vergangenen Woche wurden die Arbeiten in der Bibliothek aufgenommen, Max’ Lieblingsraum. Als man die vom Feuer beschädigte Täfelung entfernte, kam ein Wandsafe zum Vorschein, von dessen Existenz niemand gewußt hatte. Und das hier lag darin.« Er öffnete die Kassette und wies auf vergilbte Papiere, von einem verblichenen Band umschlungen. »Uns betrifft nur eines dieser Dokumente – Max Harpers Letzter Wille. Aus diesem Grund habe ich dich hierher mitgebracht, Jilly. Ich habe den Tag deiner Haftentlassung keineswegs ausgesucht, um mir einen dummen Scherz mit dir zu erlauben. Du bist in das alles verwickelt, und alle sind – mehr oder weniger übereinstimmend – der Meinung, daß es dein gutes Recht ist, davon zu erfahren.«
Mit glitzernden Augen beugte sich Jilly in ihrem Sessel vor, aber sie gab keinen Laut von sich. Bill griff nach dem Testament. »Ich habe dieses Papier mehrmals überprüft – die Zeugen, die Unterschrift, alles. Es ist unzweifelhaft identisch und unanfechtbar. Und nun werde ich es verlesen – zumindest den Teil, der für uns alle eine Rolle spielt.«
Fang doch endlich an, Bill! hätte Stephanie am liebsten geschrien. Zieh diese Qual nicht noch mehr in die Länge! Sag es ihr!
»›Ich, Maxwell Harper‹«, las Bill langsam vor, »›vermache im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte mein gesamtes Vermögen meiner Tochter Stephanie. Sie soll nach ihrem Gutdünken damit verfahren, und ich hoffe, sie wird für ihre Schwester Jilly sorgen, die ich hiermit als meine Tochter anerkenne.‹«
Das drückende Schweigen, das nun folgte, schien sich bis in alle Ewigkeit auszudehnen. Dann wurde es von Jilly gebrochen, die aus dem Zimmer rannte und schrie: »Nein, nein, nein, nein, nein!«
Die Minuten tickten dahin, und sie kam nicht zurück. Niemand wollte die Gedanken stören, denen sie im Garten nachhing. Als die Nacht hereinbrach, begann sich Stephanie ernsthafte Sorgen zu machen, ergriff eine Jacke und ging hinaus.
Sie fand Jilly auf der Klippe, wo sie zur Küste hinabstarrte, die an dieser Stelle einen natürlichen kleinen Hafen bildete. Ihre hellen Katzenaugen leuchteten in der Dunkelheit, und sie murmelte zusammenhanglose Worte vor sich hin. Stephanies Anwesenheit bemerkte sie erst, als ihr die Jacke um die Schultern gelegt wurde, als Schutz vor der steifen Meeresbrise. Wie ein erschrockenes wildes Tier zuckte Jilly vor der Berührung zurück.
»Jilly – wir müssen miteinander reden.«
Keine Antwort.
»Auch für mich war es ein furchtbarer Schock. Aber ich hoffte, wir könnten einen Weg finden, um es gemeinsam durchzustehen.«
»Mach dir nichts vor!« Jillys Stimme zitterte. »Ich kann nicht – reden. Daß wir Schwestern sind, ändert überhaupt nichts – abgesehen von der Tatsache, daß ich nun einen weiteren Grund habe, um festzustellen, wie schlecht ich bei alldem weggekommen bin.«
Stephanie stöhnte. »Es könnte sehr viel ändern – wenn du nur wolltest.«
»Oh, ich wünschte, ich hätte es nie erfahren. Warum mußte er’s uns verraten? Warum hat er’s nicht früher gesagt?«
»Das weiß ich nicht.« Vorsichtig versuchte sich Stephanie an Jillys Herz heranzutasten. »Er war immer zu stolz und zu selbstsüchtig, um seine Fehler einzugestehen. Und er wollte nicht die Verantwortung dafür tragen, daß er deine Mutter verführt hatte, vor allem weil dein Vater ...«
»Du meinst meinen angeblichen Vater«, verbesserte Jilly sarkastisch.
»... und meiner langjährige Freunde waren und geschäftlich miteinander zu tun hatten ...«
»Uns gemeinsam aufwachsen zu sehen, befreundet zu sein – und nie ein Wort zu sagen ...«
»Vergiß Max!« stieß Stephanie energisch hervor. »Und versuch dich zu erinnern, daß wir beide uns für lange, lange Zeit so nahe standen wie Schwestern.«
»Was nützte mir das, als wir uns in denselben Mann verliebten?« fauchte Jilly.
Stephanie wurde blaß. »Greg Marsden«, würgte sie mühsam hervor, »war ein – außergewöhnlicher Mann. Es ist kein Wunder, daß er uns beiden gefiel.«
»Immer noch dieselbe alte Steph!« spottete Jilly. »Unglaublich! Gibt es eigentlich irgend etwas, wofür du keine Entschuldigungen findest? Dieser ›außergewöhnliche‹ Mann war noch nicht einmal eine Woche mit dir verheiratet, als er mir bereits nachstellte. Oh, er war großartig, das stimmt. Im Bett ganz große Klasse, das muß man ihm lassen.« Jilly war sich ihrer Fähigkeit, Stephanie weh zu tun, sehr wohl bewußt und fügte grausam hinzu: »Aber er wollte deinen Tod. Wie willst du das erklären? Und als er mit uns im Boot auf den Fluß hinausfuhr, um dich diesem Krokodil vorzuwerfen, rührte ich keinen Finger. Weil ich mir deinen Tod ebenfalls wünschte!« Sie keuchte aufgeregt, in wildem Rhythmus ballte sie die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder.
»Jilly«, entgegnete Stephanie mit ruhiger Stimme, »glaubst du wirklich, du würdest mir etwas erzählen, was ich nicht schon längst weiß? All die Jahre habe ich versucht, dir zu verzeihen. Ich denke, jetzt kann ich es.«
»Aber das darfst du nicht!« Jilly war nicht zu besänftigen, sondern steigerte sich in immer größere Hysterie hinein. »Ich haßte dich schon in unserer Kindheit, weil du immer soviel Geld hattest und ich fast nichts besaß. Und mein Haß wuchs, als du Greg Marsdens Frau wurdest. Nicht nur weil ich ihn begehrte – oh, ich wußte, daß ich ihm den Sex bieten konnte, den er brauchte. Nein, vor allem weil Miß Stephanie Harper, das arme, reiche kleine Mädchen, wieder einmal mit dem ersten Preis davonspaziert war!«
»Jilly – begreifst du denn nicht, daß wir niemals eine Chance hatten, die Vergangenheit zu bewältigen?« Stephanie legte all ihre Gefühle in diesen Appell.
»Es ist zu spät!« schrie Jilly. »Ich will nicht deine Schwester sein! Und ich lege keinen Wert auf deine Wohltaten! Verstehst du das denn nicht? Diese Neuigkeit bringt das Faß zum Überlaufen. So viele Jahre lang habe ich dich um dein Geld, deine Macht und deinen Ehemann beneidet! Und jetzt erfahre ich, daß dies alles von Anfang an mir zugestanden hätte! Mir, mir, mir!«
»Du siehst doch, was sie uns angetan hat! Und dabei ist sie eben erst angekommen. Glaub mir, Mum, wenn du dem keinen Riegel vorschiebst, wird sich unser ganzes Leben verändern.«
Erschöpft saßen sie im Wohnzimmer und konnten Dennis’ Gefühlsausbruch nachempfinden, aber es fehlte ihnen die Kraft, um darauf zu reagieren. Mit Dans Hilfe war es Stephanie schließlich gelungen, Jilly in einem der Gästezimmer von Eden ins Bett zu bringen. Bill hatte sich mit tröstlichen Worten verabschiedet, aber seiner Chefin auch eingeschärft, sie müsse am nächsten Morgen im Büro erscheinen und das Problem der Harper-Mining-Aktien in Angriff nehmen. Nun waren die Familienmitglieder unter sich – müde und bedrückt.
»Mum ...«, begann Sarah unsicher. »Erinnerst du dich an den Kurs in Adelaide? Für fortgeschrittene Musiker? Ich möchte daran teilnehmen.«
Abrupt sah Dan auf. »Du gehst weg von hier?«
»Ja.«
»Glaubst du nicht, daß deine Mutter dich vorerst hier behalten möchte? Sie braucht deine Unterstützung, und du bist es ihr schuldig, noch möglichst lange hierzubleiben.«
Seufzend nickte Sarah.
»He, mich könnt ihr nicht so leicht einwickeln!« stieß Dennis aggressiv hervor. »Mum, du mußt Tante Jilly loswerden. Einen anderen Ausweg gibt es nicht.«
»Doch, Dennis«, widersprach Stephanie mit Nachdruck. »Was immer auch geschehen mag und ob es dir gefällt oder nicht – sie gehört jetzt zur Familie. Keiner von uns kann das ignorieren.«
»Mum!« Es war beinahe ein Aufschrei. »Ich traue ihr nicht. Du etwa?«
Stephanies Schweigen war so gut wie eine Antwort.
Dennis holte tief Atem, und es klang beinahe wie ein Schluchzen: »Okay, Mum, mach, was du willst. Aber keine Bange, ich werde nicht zulassen, daß sie dir weh tut.« Herausfordernd schaute er Dan an, der den Blick ohne jede Angriffslust erwiderte. »Ich halte das nicht mehr aus, und deshalb gehe ich jetzt ins Bett«, erklärte der junge Mann und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.
»Das sollten wir alle tun«, meinte Stephanie und lächelte schwach. »Schlafen wir drüber, und versuchen wir’s morgen noch einmal.«
Grau und bewölkt dämmerte der nächste Tag herauf. Stephanie erwachte mit Kopfschmerzen und hatte keine Lust, zu schwimmen oder am Pool zu frühstücken. Hastig zog sie sich an, verließ die deprimierende Atmosphäre von Eden und fuhr zum Büro. Obwohl sie dort zeitiger als sonst eintraf, war Bill schon vor ihr da. Auch er sah so aus, als hätte er eine schlimme Nacht hinter sich. Aber er begrüßte sie erstaunlich sanft. »Das war ziemlich übel gestern abend, was? Wie geht’s dir, Steph?«
»Ich bin okay«, erwiderte sie brüsk. »Was tut sich auf dem Börsenmarkt?«
»Offensichtlich vergreift sich jemand an unseren Aktien ...« Er wählte seine Worte sehr sorgfältig. »Harper Mining ist das Ziel eines gutgeplanten Angriffs.«
»Hast du die Kurswerte?«
»Ich habe veranlaßt, daß sie sofort an uns weitergeleitet werden, sobald sie eintreffen.«
»Ein Angriff ...« Stephanie sah ihre Angst bestätigt und verspürte leichte Übelkeit. »Wer steckt dahinter, Bill?«
»Anfangs hatte ich meine Zweifel«, entgegnete er und schnitt eine Grimasse. »Aber nach dem System, das sich heute morgen herauskristallisierte, muß es Jake Sanders sein.«
Der Name traf sie wie ein Blitzschlag. »Bist – du sicher?«
»Leider. Es gibt keine andere Möglichkeit. Im Augenblick ist er der einzige mit dem erforderlichen Know-how, dem nötigen Mut und dem Kapital, um so etwas durchzuziehen.«
»Oh ...« Stephanie atmete tief auf. »Nun, wir kennen seinen Ruf. Haben wir irgendwelche besonderen Informationen über ihn?«
»Wir wissen, daß er Engländer ist und hierherkam, um die Kolonien nach der altehrwürdigen Tradition seiner Landsleute zu erobern«, erklärte Bill angewidert. »Ein mieser Pirat mit großen Ambitionen. Sein Vermögen kratzt er sich zusammen, indem er mit dem Geld anderer Leute spielt. Falls dich das tröstet – wir sind nicht seine ersten Opfer. Er hat schon mehrere große westaustralische Firmen geplündert. Abgesehen von diesen wenigen Informationen ist er ein Rätsel.«
»Anscheinend ist er – attraktiv.«
»Nur wenn du die Gefahr attraktiv findest. Und ich dachte, damit wärst du im Augenblick zur Genüge eingedeckt. Soll ich die Angelegenheit regeln?«
»Nein.« Stephanie hob das Kinn, eine Bewegung, die Bill nur zu gut kannt. »So einem Firmenpiraten bin ich noch nie begegnet. Vielleicht bietet mir Mr. Sanders genau die Abwechslung, die ich jetzt brauche.«
Es klopfte an der Tür, und eine junge Frau trat ein. »Mr. McMaster? Sie haben nach den neuesten Kurswerten gefragt.«
Stephanie musterte die anmutige Figur des Mädchens, das strenge und korrekte, aber trotzdem feminine Kleid, das schimmernde blonde Haar. Hastig machte Bill die beiden miteinander bekannt. »Stephanie, das ist Cassie Jones, meine neue Assistentin – spezialisiert auf Firmenanalysen. Sie arbeitet seit etwa zehn Tagen für mich. Cassie, das ist Stephanie Harper, unsere Chefin.«
»Guten Morgen, Miß Harper«, grüßte Cassie. »Mr. McMaster, wie aus der Analyse hervorgeht, hat der Angriff nichts von seiner anfänglichen Schwungkraft verloren, trotz des sprunghaften Anstiegs unserer Aktienpreise. Jake Sanders kauft immer noch.«
»Wenn der Preis okay ist, wird er verkaufen und den Profit einstecken«, meinte Stephanie. »Nun, solche Klippen haben wir schon mehrmals umschifft, Bill.«
Zu ihrer Überraschung reichte Cassie ihr nun ein anderes Papier. »Ich habe mir auch unseren derzeitigen Kapitalverkehr angesehen. Da dürfte es ziemlich eng werden.«
Stephanie überflog die Aufstellung, beeindruckt von der Initiative und Gründlichkeit der neuen Mitarbeiterin. »Mr. Sanders konnte sich wohl kaum einen günstigeren Zeitpunkt aussuchen, um uns zu attackieren«, bemerkte sie nachdenklich.
»Danke, Cassie«, sagte Bill. »Bleiben Sie dran, ja? Betrachten Sie die Sache aus allen Blickwinkeln, die Ihnen relevant erscheinen. Sie haben Zugang zu allen Papieren, die Sie benötigen.«
Stephanie beobachtete, wie die junge Frau nickte und den Raum verließ. Der Hauch eines sinnlichen Parfums mit Moschusnote blieb zurück. »Mit dieser Assistentin hast du eine sehr interessante Wahl getroffen, Bill«, neckte sie ihren Manager.
»Sie ist hochqualifiziert und hat ihren Magister auf der Handelsakademie gemacht«, verteidigte er sich. »Und sie kann sicher erklären, wie Sanders arbeitet, da sie sich schon seit einiger Zeit in der Geschäftswelt bewegt. Vermutlich ist er ihr des öfteren über den Weg gelaufen.«
»Und um unseren Mr. Sanders auszubooten, brauchen wir alle Unterstützung, die wir nur kriegen können.«
»Steph ...«
Sie sah ihm an, daß er ein schwieriges Thema anschneiden wollte. »Du willst fragen, was ich mit Jilly vorhabe?«
»So ähnlich ...«