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Auch ohne Thron ist sie noch immer eine Königin: Das packende historische Epos »Die Herrin von Camelot« von Rosalind Miles als eBook bei dotbooks. In der friedlichen Idylle des Sommerlandes wächst Prinzessin Guenevere wohlbehütet und sorglos auf – bis zu dem Tag, an dem ihre Mutter ein gewaltsamer Tod ereilt und das Königreich ins Chaos stürzt ... In der Stunde ihrer größten Not begegnet sie dem Mann, der ihr Schicksal werden soll:Arthur aus dem Hause Pendragon. Dieser tapfere und stattliche Mann, der auf dem besten Wege ist, König der Britannier zu werden, gewinnt schon bald ihr Herz – und ihre Hand. Als neue Herrin über die Ritter der Tafelrunde gelingt es ihr, das Königreich der Sommerlande zurückzugewinnen. Doch das Schicksal hält für Guenevere eine schwere Prüfung bereit ... So haben Sie die altbekannte Saga noch nie erlebt: »Eine lebendige Geschichte von einer gefeierten Romanautorin und Historikerin, die die glorreichste Zeit einer legendären Frau zum Leben erweckt.« Publishers News Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der historische Roman »Die Herrin von Camelot« von Rosalind Miles ist der erste Band ihres Guenevere-Eposʼ, das Fans von Marion Zimmer Bradley, Diana L. Paxson und Elizabeth Chadwick begeistern wird. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 775
Über dieses Buch:
In der friedlichen Idylle des Sommerlandes wächst Prinzessin Guenevere wohlbehütet und sorglos auf – bis zu dem Tag, an dem ihre Mutter ein gewaltsamer Tod ereilt und das Königreich ins Chaos stürzt ... In der Stunde ihrer größten Not begegnet sie dem Mann, der ihr Schicksal werden soll: Arthur aus dem Hause Pendragon. Dieser tapfere und stattliche Mann, der auf dem besten Wege ist, König der Britannier zu werden, gewinnt schon bald ihr Herz – und ihre Hand. Als neue Herrin über die Ritter der Tafelrunde gelingt es ihr, das Königreich der Sommerlande zurückzugewinnen. Doch das Schicksal hält für Guenevere eine schwere Prüfung bereit ...
Über die Autorin:
Rosalind Miles wurde in Warwickshire geboren und studierte in Oxford, Birmingham und Leicester. Sie ist eine preisgekrönte Schriftstellerin, Journalistin, Kritikerin und Rundfunksprecherin, deren Werke in der ganzen Welt erschienen sind. Unter anderem gewann sie den Network Award für herausragende Leistungen im Schreiben für Frauen. Ihre historischen Romane wurden international gefeiert, insbesondere »Elisabeth, Königin von England«, in der sie das Leben und die Zeit der Tudor-Königin nachzeichnet. Ihr juristisches und soziales Engagement hat sie vom Buckingham Palace bis ins Weiße Haus geführt.
Rosalind Miles veröffentlichte bei dotbooks bereits »Die Königin des Sommerlandes«, »Elisabeth, Königin von England«, »Unter der roten Sonne Australiens«, »Im Schatten des Akazienbaums« und »Im Land der Silbereichen«.
Die Website der Autorin: rosalind.net
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eBook-Neuausgabe Juni 2023
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1999 unter dem Originaltitel »Guenevere – The Queen of the Summer Country«.
Copyright © der englischen Originalausgabe 1999 by Rosalind Miles
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1999 für die deutsche Ausgabe by Ullstein Buchverlage GmbH & Co. KG, Berlin
Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Artyzan, jocic, Sophie Tar, Kompaniets Laras
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98690-682-5
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Rosaling Miles
Die Herrin von Camelot
Die große Saga
Aus dem Englischen von Hedda Pänke
dotbooks.
Für denjenigen, der die Welt zwischen den Welten durchwandert.
Es geschah zu der Zeit, als Uther Pendragon König von ganz England war, daß er eine edle Dame mit dem Namen Igraine liebte. Doch sie wollte den König nicht erhören.
Und so wurde König Uther aus Verdruß und großer Liebe krank. Da sagte Merlin zu ihm: »Wenn du mein Verlangen erfüllst, soll auch deines erfüllt werden. Und das Kind, das du mit Igraine bekommst, sollst du mir überlassen.«
»So soll es geschehen«, sagte der König. Dann zog er mit einem großen Troß nach Cornwall, belagerte die Burg und tötete Igraines Gemahl, den Herzog Gorlois. Merlin ließ einen großen Nebel aufziehen, in dessen Schutz Herzog Gorlois erschlagen wurde, und danach brachte er Uther in Gestalt von Gorlois zu Königin Igraine. In dieser Nacht lag Uther bei Igraine in ihrer Burg Tintagel und zeugte mit ihr das Kind Arthur.
Dann nahm er Königin Igraine zu seiner Gemahlin und bewog König Lot von Lothian und den Orkneys dazu, Morgause zu heiraten, die Tochter der Königin. Ihre andere Tochter Morgan le Fay schickte er in ein Kloster, weil es ihm so gefiel.
Die Königin nahm durch das Kind beträchtlich an Leibesumfang zu, und nachdem sie entbunden hatte, wurde das Kind an einem Hintertor Merlin übergeben und zu einem entfernt lebenden Lord gebracht, der es wie sein eigenes aufzog. Innerhalb von zwei Jahren befiel König Uther ein großes Leiden, und seine Feinde bemächtigten sich seines Landes und erschlugen seine Männer, wo sie auf sie trafen. Und so starb er und ließ das Reich in großer Bedrängnis zurück.
Nach vielen Jahren rief Merlin die Lords und Könige sowie das Volk in London zusammen, um ihnen zu zeigen, wer rechtmäßig König des Reiches sein sollte. Und so geschah es, daß auch ein rechtschaffener Ritter namens Sir Ector von seinem fernen Besitz in Wales herbeieilte, mit seinem Sohn Sir Kay und dem jungen Arthur, der als Kays Bruder aufgezogen worden war, und sie kamen zu einem Stein, in dem ein Schwert steckte ...
Thomas Malory »Morte d’Arthur«
Der alte Mann fröstelte und beugte sich vor, um sich die Hände am Hals seines Pferdes zu wärmen. Von den Bergen vor ihnen schickte Nebel seine weißen Finger ins Tal, und der Märztag neigte sich dem Ende zu. Das Gras war bereits naß vom Abendtau, bald würde es regnen. London lag weit hinter ihnen, und sie waren Meilen von jedem Obdach entfernt. Es würde eine weitere feuchte und hungrige Nacht werden.
Unwichtig. In seinen hellen Augen blitzte es. Wenn sie den Ort ihrer Bestimmung erreichten, würde sich jeder Mann satt essen können.
»Merlin?«
Er zuckte zusammen. »Ja?«
Der junge Reiter neben ihm bewegte sich unbehaglich im Sattel. »Woher wußtest du, daß mich die Könige und Lords als König anerkennen würden, als du sie zusammenriefst, um mein Anrecht zu proklamieren?«
»Ihnen war ein Zeichen verheißen.« Merlin starrte in den Nebel und vermied den Blick seines Gefährten. »Und wir haben ihnen eines gegeben.«
Der junge Mann lachte verlegen. »Was? Das Schwert im Stein?«
»Was sonst?«
Dem jungen Mann schien die zunehmende Verärgerung in Merlins Stimme gleichgültig zu sein. »Aber das war doch kein echtes Zeichen vom Himmel. Du hast es bewirkt, es war deine Tat!«
»Es war das Zeichen, nach dem es sie verlangte.« Merlin wandte sich ihm zu. »Und es hat dich zum König gemacht!«
Merlins Augen funkelten. Wieder hörte er die Hochrufe auf dem Vorhof der Kirche widerhallen, als sich die Versammelten die Kehlen nach Arthur wund schrien. Was machte es da schon aus, daß sich die Kleinkönige und mißgünstigen Lords vor dem Schwur zum Waffengang davonstahlen? Die anderen hatte der Junge mit seiner schlichten Aufrichtigkeit und strahlenden Zuversicht für sich gewonnen.
»Jetzt bist du König Arthur!« knurrte er und musterte mürrisch, was er insgeheim bewunderte – Arthurs Offenheit, sein jungenhaftes Lächeln, seinen nachdenklichen Blick. »Was willst du mehr?«
»Ha!« entfuhr es Arthur kläglich. »Ein König ohne Königreich.«
»Unsinn!« Gereizt schüttelte der alte Mann den Kopf. »Deine Ländereien sind noch in den Händen deiner Feinde. Aber wenn wir Caerleon erreichen, werden alle zu deinen Fahnen eilen.«
Arthur lächelte verhalten. »Alle?«
»Alle deine wahren Untertanen!« lautete die scharfe Antwort. »Und sie werden für dich gegen jene kämpfen, die nach dem Tod deines Vaters dein Königreich unter sich aufteilten.«
Uthers Tod ...
Ein schmerzlicher Schatten überflog Merlins Gesicht. Er erinnerte sich, wie vor langer Zeit, vor vielen Lebensaltern, das Land nach dem Abzug der Römer und ihrer Legionen in Anarchie abgeglitten war. Doch das war nichts im Vergleich zu der Dunkelheit, die sich herabsenkte, als König Uther fiel.
Merlin holte tief und pfeifend Luft. »Wehe dem Land, dessen König ein Kind ist, sagen die Christen. Das Mittlere Königreich gehörte seit undenklichen Zeiten dem Haus von Pendragon. Hätte dein Vater gelebt, bis du ein erwachsener Mann bist, hätte kein Mensch auf Erden gewagt, dir dein Recht streitig zu machen. Wir bräuchten nicht um deinen Thron zu kämpfen. Wir bräuchten Caerleon nicht zu stürmen, um dich wieder in den Besitz deines Reiches zu bringen.«
»Die Christen ...« Arthurs Gedanken nahmen eine andere Wendung. »Unser Volk hier hält sich an den alten Glauben. Was hätten uns die Christen zu sagen?«
Merlins Blick wurde undurchdringlich. »Sie sind die kommenden Männer. Wir brauchen ihre Unterstützung.«
»Aber die alten Götter werden nie sterben.« Ehrfurchtsvoll sah Arthur zu den bemoosten Eichen am Weg auf, zu den dunklen Bergen vor ihnen und dem Himmel, an dem die ersten Sterne funkelten. »Und auch nicht ...«
»... die Große Mutter, die es bereits vor ihnen allen gab?« lachte Merlin rauh. »Keine Bange, Junge! Wie alle echten Frauen hat die Göttin eine Schwäche für junge Männer. Sie wird es dir verzeihen, wenn du den Christen ein wenig huldvoll entgegenkommst. Und ein Herrscher muß der König all seiner Untertanen sein, nicht nur jener eines Glaubens.«
Es begann zu nieseln. Arthur sah sich zu der kleinen Kolonne seiner Gefolgsleute um. »Wir müssen ein Lager aufschlagen«, sagte er. »Die Männer haben seit Tagen nicht mehr ordentlich geschlafen. Sie sind erschöpft. Wir müssen eine Rast einlegen.«
Der mitleidlose Blick des alten Mannes entging ihm nicht. »Deine Feinde rasten und ruhen nicht. Jeder Tag Aufschub macht sie nur stärker.«
Arthur holte tief Atem. »Sie sind bereits stark, Sir. Nach zwanzig Jahren macht ein Tag mehr oder weniger keinen großen Unterschied.«
Merlin knirschte mit den Zähnen. »Weiter, sage ich! Schlag schnell und hart zu, um sie aus deinem Reich zu vertreiben!« Der alte Mann fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Schlag erbarmungslos zu, zerschmettere sie zu Brei!«
Sein Puls raste. Ja, zu Knochenbrei und Matsch, zu Futter für Krähen und Hunde. Und vor allem einer mußte hundertfach büßen. König Lot von Lothian sollte seinen Zorn spüren wie glühende Flammen.
Lot der Lothier, König der Orkneys, Lord der Inseln.
Lot der Abscheuliche, Lot der Verfluchte.
Vor Merlins innerem Auge tauchte ein breites, schwarzbärtiges Gesicht auf einem stiernackigen Hals auf. Bald würden Lot und die anderen das Schwert zu kosten bekommen und an ihrem eigenen Blut ersticken.
Mit sinnlicher Genugtuung stellte er sich vor, wie er seine Schwertspitze in Lots Kehle stieß, seine schwarzen Augen hervorquellen sah, seinen letzten gurgelnden Schrei hörte. Endlich, endlich ...
Arthurs Worte rissen ihn aus seinem Wachtraum: »Wenn die Männer zu schwach sind, werden wir gar nichts erreichen.« Er lächelte, aber seine Stimme klang fest. »Verzeih, Merlin. Du sollst alles andere bestimmen, aber die Männer muß ich anführen.« Wieder warf er einen Blick über die Schulter. »Sie haben ihre Lords verlassen, ihre Könige, ihr Land, um sich mir anzuschließen. Ich bin für sie verantwortlich.«
Merlin wandte seinen Blick den Sternen zu. Sein ganzer Körper zuckte in dem Bemühen, seinen Rachedurst zu zügeln. »Nun, nach zwanzig Jahren kann ich mich auch noch ein wenig länger gedulden.« Sein Lachen hörte sich schrill an. »Als mich König Lot vertrieb, habe ich geschworen zurückzukehren. Er wird noch dort sein, wenn ich komme.«
»Wo? In Caerleon?«
Merlin zuckte mit den schmalen Schultern. »Seine Vasallen-Könige regieren dort an seiner Stelle über dein Land. Er wird sich im Norden aufhalten, in seinem eigenen fernen Reich. Von dem er ganz gut lebte, bis der Tod deines Vaters dein Königreich habgierigen Schurken wie ihm schutzlos preisgab.« Seine Zähne blitzten gelblich im Abendlicht. »Aber wir werden ihn in den Süden locken, dessen bin ich mir sicher.«
Arthur nickte. »Und ihn in gerechter Schlacht schlagen, Mann gegen Mann. Nur auf diese Weise werde ich meinen Thron und mein Reich wiedererhalten.«
Merlins Augen funkelten. »Und auf diese Weise wirst du dich zum Hochkönig machen!«
Arthur zögerte. »Ich weiß, daß sich mein Vater zum Hochkönig machte, als alle anderen Könige bereit waren, ihm zu folgen. Aber er mußte viele Kriege führen, um sie zu befrieden. Ich strebe lediglich nach dem, was ich mein Eigen nennen kann. Wenn ich das Mittlere Reich wieder unter die Herrschaft von Pendragon bringen kann, bin ich es zufrieden.«
An Merlins Schläfen traten die Adern hervor. »Pendragon bedeutet das Hochkönigtum, Herrscher aller Briten!« knirschte er zwischen den Zähnen hervor. »Verspiele deine Bestimmung nicht, Junge! Du bist berufen, sie jetzt zu erfüllen.«
»Wenn es meine wahrhafte Bestimmung ist, werde ich sie erfüllen«, entgegnete Arthur ruhig.
Merlin schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Du wirst Hochkönig! Das habe ich vor der gesamten Versammlung kundgetan, als ich dich zum König erklärte.«
Arthur lächelte versöhnlich. »Wenn das Schicksal es will, wird es kommen, wie du sagst. Aber erst einmal muß ich mich der nächstliegenden Aufgabe stellen.« Er wurde wieder ernst. »Deinen Worten zufolge stehen mir zu Hause einige harte Gefechte bevor, bis alle vertrieben sind, die sich des Mittleren Königreichs bemächtigt haben. Der Angriff auf Caerleon kann erst ein Anfang sein.« Er lachte verlegen. »Und diese Waffengänge sind längst noch nicht alles. Ein König braucht eine Königin. Wenn ich meinem Volk ein wahrer Herrscher sein soll, muß ich mir eine Gemahlin suchen.«
In Merlins Augen zuckte es. In diese Richtung gingen die Gedanken des Jungen also bereits? »Eines Tages sicherlich. Aber du bist noch jung – dafür ist noch viel Zeit.«
»Männer meines Alters sind bereits verheiratet, haben Kinder.« Arthurs Stimme veränderte sich. »Und vor einem oder zwei Monden bin ich einer Dame begegnet ...«
»Als du an dem Turnier teilgenommen hast? Die Jungfrau von der Burg?«
Überrascht sah Arthur ihn an. »Du weißt von ihr?« Röte stieg ihm in die Wangen, als wäre er geschlagen worden. »Woher?«
Unbeeindruckt hielt Merlin seinem verärgerten Blick stand. »Ich weiß es eben.« Natürlich wußte er es. Es war seine Pflicht, so etwas zu wissen. Er lachte rauh auf. »Und ich weiß auch, daß sie in deinem Leben von keinerlei Bedeutung sein wird. Ein gutaussehender junger Mann von Stand kann jede Jungfrau haben.«
»Sie ist nicht ›jede‹ Jungfrau.« Wieder errötete Arthur. »Sie ...« Er verstummte und wandte den Blick ab.
Merlin musterte ihn ohne jedes Mitgefühl. Wie jung er ist, dachte er.
Arthur spürte Merlins Verachtung. »Sie ist nicht ›jede‹ Maid«, wiederholte er trotzig.
Merlin blieb ungerührt. »Schlag dir die Jungfrauen aus dem Kopf!« befahl er erregt. »Zur rechten Zeit werden wir dir eine königliche Prinzessin suchen, tugendhaft und wohlerzogen ...«
»Wie Guenevere aus dem Sommerland?«
Unwillkürlich verspannte sich Merlin. »Guenevere?«
»Sie ist mutig und schön, heißt es, und sie wird eines Tages Königin sein.« Arthur sah Merlin an. »Wenn wir das Mittelreich zurückgewinnen, werden sie unsere nächsten Nachbarn, und es wäre nicht schlecht, sie zu Freunden zu haben.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Wir befinden uns in der Nähe ihrer Grenzen. Sollen wir einen kleinen Umweg machen, um ihnen unseren Respekt zu erweisen?«
Auf keinen Fall, mein Junge. »Schlag sie dir aus dem Sinn!« ordnete er an. »Später werden wir ein Abkommen mit ihnen schließen, um unsere Grenzen abzusichern. Aber die Prinzessin Guenevere ist nichts für dich.«
»Warum nicht?« Arthurs graue Augen musterten ihn neugierig.
Warum nicht? Aber Merlin behielt seine Überlegungen für sich. »Sie ist bereits versprochen«, sagte er leichthin. »Sie wird bald heiraten. Aber das ist für dich kein Verlust. Dieser Jungfrau ist es vorbestimmt, ihrem Gemahl kein Glück zu bringen.«
Beiläufig drehte er sich um und deutete zwischen die Bäume. »Du wolltest doch rasten und ein Lager aufschlagen. Dort drüben scheint ein geeigneter Platz zu sein.«
Er zügelte sein Pferd und schwieg geraume Zeit nachdenklich. »Ich muß dich für eine Weile verlassen. Morgen kehre ich zurück. Wir treffen uns vor Einbruch der Nacht in den Wäldern oberhalb von Caerleon.« Lächelnd faßte er die Zügel wieder fester. Die letzten Strahlen der sinkenden Sonne trafen seine zusammengekniffenen Lider. »Wünsche mir Glück, denn es gibt vieles für mich zu tun.«
Warum war ich schon immer anders als andere Mädchen?
Immer hatte sie gewußt, daß sie in den Armen einer Königin lag, wenn ihre Mutter ihr Geschichten von den Feen und Gnomen erzählte, die von ihren Bergen und ihren Höhlen aus nach kleinen Prinzessinnen Ausschau hielten, wie sie eine war. Und sie wußte, daß sie ganz in Weiß und Gold neben ihrer Mutter ausritt, um die Menschen zu begrüßen, weil das alle Königinnen des Sommerlandes getan hatten.
Wenn ihre Kinderfrauen sagten: »Bleib hier, behellige die Königin nicht«, erwiderte ihre Mutter lächelnd: »Laßt sie ruhig zu mir kommen, eines Tages wird sie Königin sein.«
Wenn ihr Vater stirnrunzelnd feststellte: »Guenevere ist jetzt erwachsen, sie muß eines nicht zu fernen Tages heiraten«, lachte ihre Mutter: »›Eines Tages‹ ist früh genug für sie, ihre Wahl zu treffen.« Und alle, die um den Thron der Königin versammelt waren, stimmten lächelnd zu.
Die Kindheit war wie ein langer Sommer auf sonnigen weißgoldenen Wiesen, in deren Gras Margeriten und Dotterblumen leuchteten wie Sterne. Zur Mittagsstunde strahlte die Sonne auf stille Lichtungen und hochaufragende Wälder herab, ließ die Dächer der lebenden grünen Kathedralen aufleuchten wie Feuer. Von all den Königreichen auf den Inseln währte bei ihnen der Sommer am längsten, sagte ihre Mutter. Aus diesem Grund hatten die Alten bei der Erschaffung der Welt das liebliche, grüne südwestliche Königreich am Meer Sommerland genannt.
Es war eine Kindheit in einem Land der Sommersonne. Doch die Winde des Herbstes begannen zu wehen, um ihre Welt in eine des Winters zu verwandeln, und sie sah nichts, spürte nichts, bis es plötzlich vorüber war.
Warum war jetzt alles so verändert?
»Guenevere, wo bist du? Schnell, Liebchen, beeil dich.«
Sie hörte ihre Mutter rufen, als sie langsam die Treppe hinaufstieg. Auf der breiten Galerie stand die Königin inmitten ihrer Ritter. Mit ihrem hellen Gewand und der Goldkrone leuchtete sie zwischen den hochgewachsenen Männern wie eine Blume im Wald.
So viele Männer, so viele Augen ...
Guenevere ging auf die Gruppe der Ritter zu und zwang sich, ihren neugierigen Blicken auszuweichen. Lachend griff die Königin nach ihrer Hand und zog sie an die Brüstung. »Sieh nur, sie sind alle da. Für wen soll ich mich entscheiden?«
Unterhalb der Galerie hatten bereits einige Reiter auf dem Turnierplatz Position bezogen. Wie Puppen kurbettierten sie auf ihren tänzelnden Rössern, auf ihren Rüstungen blitzte die Frühlingssonne. Auf der Wiese hinter der Stechbahn standen die farbigen Zelte der Turnierteilnehmer wie Blumen im Gras. Junker und Pagen sprangen zwischen den Zelten hin und her wie Heuschrecken, fieberhaft darum bemüht, ihre Ritter auf die Auseinandersetzung vorzubereiten.
In der Ferne schimmerten die weißen Türme von Camelot in der Sonne. In Festtagskleidung strömten Menschen durch die Tore und über die Wiese auf den Turnierplatz zu. Herolde machten mit ihren Trompeten die Runde. »Platz da! Haltet euch von der Stechbahn fern, Platz da!«
Tief atmete Guenevere den Duft frischgemähten Grases ein. Lächelnd sah sie ihrer Mutter ins strahlende Gesicht und die tanzenden Augen. Das erste Turnier des Frühjahrs stand stets unter der Schirmherrschaft der Königin, und diese zeigte ihr Vergnügen offen wie ein Kind. Und in vielerlei Hinsicht ist sie das auch, dachte Guenevere zärtlich, ganz und gar nicht wie eine fast vierzigjährige Königin mit einer erwachsenen Tochter.
»O Guenevere!« Die Königin strich ihrer Tochter liebevoll über die Haare. »Wie hübsch du bist, Liebchen, heute ganz besonders. Hat einer meiner Edlen endlich deine Aufmerksamkeit erregt? Dein Vater ist dieser Ansicht ...«
Ja, Mutter, so ist es ...
Aber wie kann ich die seine erregen?
Sie zwang sich dazu, ihre Mutter anzusehen. »Der König sieht überall für mich Gemahle«, entgegnete sie gelassen. »Aber heute ist Euer Tag, Madam, nicht meiner.«
Das Gesicht der Königin verdüsterte sich. »Mein Tag ...« Sie lachte kurz und sonderbar auf. »Es ist das Fest von Penn Annwyn, wußtest du das?«
Guenevere schüttelte den Kopf. »Des alten Gottes der Unterwelt?«
Die Königin nickte. »Der Tag, an dem die Jahrestür den Weg zur Welt zwischen den Welten freigibt. Der Tag, an dem der Lord der Finsternis zu jenen kommt, die er mit sich nehmen will.« Sie erschauerte unwillkürlich und bemühte sich dann um ein Lächeln. »Ein alter Aberglaube aus den Welschlanden, wo man an Vergangenem hängt. Aber wir hörten, daß Merlin gesehen wurde.«
Guenevere holte entsetzt Luft. »Merlin?«
Es war ein Name, der Angst und Schrecken verbreitete. Die Menschen fürchteten sich vor allen Fremden, weil Merlin vielerlei Gestalt annehmen konnte. Einmal hatte ihr Kindermädchen sie in die Arme gerissen und war mit ihr vor einem Kind davongerannt, das sie angestarrt hatte, weil sie glaubte, es wäre der alte Zauberer. Doch das war abergläubischer Unsinn. Sie räusperte sich. »In der Tat?«
Die Königin wandte den Blick ab. »Es scheint, als triebe der alte Zauberer wieder sein Unwesen.«
Guenevere fröstelte es. »Aber das bedeutet ...«
Die Königin hob die Hand. »Wo Merlin auftaucht, folgen ihm Ängste, Gerüchte und Hirngespinste. Wir haben Boten nach London und in die Welschlande geschickt, und unsere Späher sind überall. Wenn sich etwas ereignet, werden wir es erfahren.«
Unvermittelt hob sich die Stimmung der Königin, und sie fuhr mit der Hand sanft über Gueneveres Wange. »Nur keine Furcht! Unser Geschick steht in den Sternen. Wir können es nicht ändern.« Sie lächelte ihr bezauberndstes Lächeln. »Sei frohgemut, mein Kind.«
Sie rief nach dem Haushofmeister. »Sind die Reiter bereit für das Turnier?«
Er verneigte sich. »Sie warten nur noch auf das Wort der Königin.«
»Wenn das so ist«, strahlte sie, »laßt uns beginnen.«
Unterhalb der Galerie reihten sich die Herolde und Trompeter in ihren bunten Röcken auf.
»Wer sich um die Ehre des meisterlichen Turnierreiters der Königin bewirbt, der trete vor!« rief der ranghöchste Herold. »Meldet jetzt euren Anspruch an oder zieht ohne Murren von dannen!«
Mit ausgestreckten Armen trat die Königin an die Galeriebrüstung und nahm die Hochrufe der Menge entgegen. Dann ließ sie ihr Spitzentuch fallen. Wie eine benommene Taube schwebte es durch die Luft. Der Herold senkte seinen Stab, ein Fanfarensignal schmetterte durch die Luft, und die hervorragendsten Ritter des Landes nahmen Aufstellung vor ihrer Königin.
»Schau doch nur, Guenevere, sieh sie dir an!«
Guenevere lächelte. Ihre Mutter starrte wie gebannt auf die zwölf Männer, die in ihren blitzenden Rüstungen langsam über den Turnierplatz ritten. Mit ihren leuchtenden Federbüschen in Rot, Weiß, Schwarz, Blau, Grün und Gold wirkten sie über alle Maßen prächtig. Aber ihre Helme mit den Visieren gaben ihnen auch etwas Bedrohliches, als wären es Raubvögel und gar keine Menschen. Guenevere erschauerte. Warum sollte sie sich mit derartigen Gedanken den sonnigen Tag verdüstern?
»König Leogrance, der Erste Ritter der Königin!« rief der Herold.
Eine hochgewachsene Gestalt in goldener Rüstung ritt heran, von bannertragenden Rittern begleitet, eine goldene Krone um den Helm. Mein erster siegreicher Ritter und meine erste Liebe, hatte die Königin Guenevere erzählt, damals in den weißgoldenen Tagen erster Minne, als ihre Wonne aneinander sie zur Welt gebracht hatte. Mit Unbehagen betrachtete Guenevere die Gestalt, die noch immer gerade im Sattel saß, wenn auch etwas ungelenk auf dem nicht zu willfährigen Pferd. Warum tust du so etwas, Vater, Jahr für Jahr, fragte sie sich bekümmert, mißt dich im Turnier mit Rittern, die jung genug sind, um deine Söhne sein zu können.
Hoch aufgerichtet saß die Königin auf ihrem Thronsessel. Stell keine Fragen! befahl ihr stocksteifer Rücken unhörbar. Erkenne, daß er es tun muß, daß er es aus Liebe tut.
Inzwischen hatten alle Herausforderer ihre Verbeugung gemacht, aber noch immer hatte das Volk den Mann nicht gesehen, der sie zum Turnierplatz gezogen hatte. Ein Murren durchlief die Reihen der Zuschauer und machte sich schließlich lautstark Luft. »Den meisterlichen Ritter! Wir wollen den Ritter sehen, der die Königin beschützt!«
Ein weiteres Schmettern der Fanfaren. »Heißt den Ritter der Königin willkommen, der erschienen ist, alle Herausforderer in die Schranken zu weisen ...«
»Lucan!«
Die Menge tobte und klatschte. Hinter dem Holzgatter am Rand des Turnierplatzes sprengte ein riesiger Rappe hervor, auf seinem Rücken eine hochgewachsene Gestalt in Rot und Gold, mit hochgeklapptem Visier und lachendem Gesicht.
Der Neuankömmling brachte das schnaubende Tier vor der Galerie zum Stillstand und verneigte sich vor der Königin. »Euer Diener, Majestät, im Leben wie im Tod!« rief er und warf einen Gegenstand hoch durch die Luft. Einer der Ritter beugte sich vor, um ihn für die Königin aufzufangen.
Es war ein herzförmiger Strauß aus Rosen, Nelken und Geißblattranken, die die Luft mit ihrem Duft erfüllten.
»Wie ein blutendes Herz«, hauchte Guenevere hingerissen.
Der Blick der Königin flog zu Lucan, dann schnell wieder fort. »Ein tränendes Herz«, korrigierte sie, und ihre bebenden Finger spielten mit den Geißblattranken, als wären sie Lucans Haare. Ihre Augen strahlten, und ihr Lächeln galt ihm allein.
Die Herolde riefen mit ihren Trompeten den nächsten Herausforderer auf die Bahn. Aber nach dem lachenden Ritter in Rot und Gold waren alle anderen nur noch wie Schatten in seiner Sonne. Lucan würde gewinnen. Er wußte es, alle in seiner Umgebung wußten es, und das schwarze, bedrohliche Roß, auf dem er ritt, schien es ebenfalls zu wissen. Das riesige Tier schoß so vehement auf die Gegner zu, als wäre es wild entschlossen, alles zu zerstören, was sich ihm in den Weg stellte.
Trotz seiner Angriffslust schien Lucans Pferd der Königin nicht zu gefallen. »Was ist das für ein neues Tier, auf dem Sir Lucan reitet?« wollte sie wissen und erhielt zur Antwort: »Ein Rappe, den er sich aus Wales kommen ließ, als ihm der Besitzer von der Beherztheit des Pferdes erzählte.« Die Queen nickte, aber ihre Miene blieb besorgt.
Die Sonne brannte ungewöhnlich heiß für die Jahreszeit vom Himmel. Gegen Lucan hatten die Herausforderer nicht die Spur einer Chance. Einer nach dem anderen preschte heran, wurde aber geradezu leichthändig mit der Lanze aus dem Sattel gehoben. Als sich die Sonne dem Westen zuneigte, war Lucan als einziger auf der Stechbahn verblieben.
»Und nun? Wem soll ich die Ehre erweisen?« Das Gesicht der Königin zeigte eine mädchenhafte Röte, und wieder lächelte sie dieses eigentümliche Lächeln.
»Ihr wißt, daß Ihr den Sieger wählen müßt«, erwiderte Guenevere zärtlich, »wenn Ihr wollt, daß Euch der beste Ritter beschützt – notfalls bis zu seinem Tod.«
Ein Schatten überflog das Gesicht der Königin. »Sprich nicht vom Tod.« Sie schloß die Augen.
Überrascht sah Guenevere sie an. Nie hatte ihre Mutter irgendwelche Anzeichen von Furcht gezeigt und dem Tod mehr als einmal ins Auge geblickt, wenn sie von ihrem Streitwagen herab kämpfte wie alle Königinnen des Sommerlandes vor ihr. Keine Tränen, keine Furcht, hatte sie Guenevere immer wieder gesagt, als sie ihre Tochter lehrte, stark und mutig zu sein. Eine leise Angst beschlich Guenevere. War ihre Mutter etwa verzaubert oder krank?
»Der große Augenblick ist gekommen!« schrie der Herold. »Die Königin wird jetzt ihren Beschützer erwählen!«
Die Königin öffnete die Augen und lächelte. »Keine Tränen, keine Furcht, meine Kleine«, flüsterte sie und drückte Gueneveres Hand. »Ich muß nun gehen.« Guenevere brachte kein Wort über die Lippen. Reglos sah sie zu, wie sich ihre Mutter erhob und zur Stechbahn hinunterschritt.
In der Mitte des Turnierplatzes war eine kleine Plattform für die Königin errichtet worden. Guenevere beobachtete, wie ihre Mutter leichtfüßig das niedergetretene Gras überquerte und das Podest bestieg. Sie schien wieder guter Dinge zu sein, ihr Unbehagen überwunden zu haben. Bedienstete folgten ihr mit den quastengeschmückten Kissen, auf denen reiche Goldgeschenke für den Sieger lagen.
Vor dem Holzgatter wartete Lucan neben dem König. Erbost, zum Stillstehen gezwungen zu sein, bäumte sich der Rappe wild auf, bevor der Ritter ihn endlich bezähmen konnte.
Die Herolde stießen in ihre Trompeten und gaben Lucan damit das Signal, sich auf die Königin zuzubewegen. Flankiert vom König und nach allen Seiten winkend, setzte sich Lucan in Bewegung. Auf dem Podium sah ihm die Königin mit strahlenden Augen entgegen.
Die Sonne stand tief am Horizont, die Tageshitze war nur noch eine Erinnerung. Ein tückischer Wind kam auf und peitschte die schweren Schmuckdecken um die Läufe der Pferde, es wurde kalt. Die Sonne verschwand hinter einer dunklen, purpurschwarzen Wolkenbank.
Die beiden Reiter zügelten ihre Tiere vor dem Podium.
»Majestät«, rief der König. »Ich erkläre Euren Ritter Lucan zum Sieger des Turniers, der sich gegen alle Herausforderer bewährt und den edlen Wettstreit gewonnen hat.«
Mit der goldenen Kette des Siegers in den Händen trat die Königin auf ihn zu. »Gut gekämpft, edler Ritter!«
»Für meine Königin!«
Mit einem triumphierenden Lachen beugte sich Lucan über den Kopf des schnaubenden Pferdes. Lächelnd streckte sie die Hände aus, um ihm die Kette um den Hals zu legen. Keiner von ihnen bemerkte, daß sich die Augen des Tieres auf die Königin richteten. Es ließ ein gewaltiges Wiehern hören, riß die Vorderläufe hoch, erfaßte die Königin und zerschmetterte ihren Körper unter seinen Hufen.
Mit einem Entsetzensschrei sprang Lucan vom Pferd und zerrte es von der reglos im Gras liegenden Gestalt fort. Immer noch schreiend riß er sein Schwert aus der Scheide und stieß es dem Tier bis zum Heft ins Herz. Als das mächtige Tier zuckend zu Boden stürzte, entfuhr ein höhnisch lachender Geist seinem Maul und flog zu den Wolken hinauf. Spöttisch hallte das Lachen nach und erstarb, als das Blut des Pferdes den Boden tränkte, auf dem der Körper der Königin lag.
»Er ist gekommen!« brachen sich Schreie in der Menge Bahn. »Der Lord der Finsternis, der Herr der Unterwelt hat uns heimgesucht. Er ist mitten unter uns!«
Kalt war es, bitter kalt. Und mit Sicherheit würde es vor Einbruch der Nacht zu regnen beginnen. Der Wachtposten blies sich in die Handflächen, schulterte seine Hellebarde und trat von einem Bein aufs andere. Skeptisch blickte er zu den dunklen Wolken auf, die sich im Westen zusammenballten. Aber selbst bei gutem Wetter war Caerleon nicht allzugut zu verteidigen.
Mißmutig blickte er auf die unebenen Mauern der alten Burg, die niedrige Brustwehr und den seichten Burggraben. Die Burg stand auf der höchsten Erhebung des Tales und war von Wäldern umgeben, die ein kluger Verteidiger längst im Umkreis einer Meile gefällt hätte. Jenseits des Tales konnte ein Späher von den Bergen aus alles in Erfahrung bringen, was er wissen mußte. Aber den Erbauern von Caerleon war es mehr um ein gefälliges Aussehen gegangen als um die Abwehr möglicher Überfälle. Und seit sich König Lot in den Besitz des Landes gebracht hatte, bestand für die Marionettenkönige, die es für ihn regierten, keinerlei Notwendigkeit zur Verteidigung.
Vermutlich hatten sie inzwischen sogar längst vergessen, wie man kämpfte. Der Wachtposten lauschte auf das Lärmen der Zecher in der Großen Halle. Vor Tagesanbruch wäre keiner von ihnen in der Lage, ein Schwert zu heben.
Aber auch Könige sollten wissen, was gewöhnlichen Menschen bekannt war. Und jedermann wußte, daß sich Merlin herumtrieb.
Etliche behaupteten, daß er oberhalb von Caerleon gesehen worden wäre, doch andere schworen, daß er sich im Sommerland aufhielt. Mit Sicherheit war er vor wenigen Tagen in London gewesen, wo er diese große Versammlung abgehalten hatte. Dann war er wieder verschwunden, wahrscheinlich in die Welschlande, wo er zusammen mit den wilden Schweinen im Wald lebte, bei Vollmond auf einem Hirsch ritt, Lieder zu den Sternen hinaufsang und Quellwasser als Wein trank. Das war die Wahrheit, das wußte jeder.
Aber niemand wußte, ob das mit dem neuen König zutraf. Ein König für das Mittlere Königreich, hieß es, wo es seit dem Tod von König Uther keinen König mehr gegeben hatte. Oder besser gesagt: Wo es zu viele gab, seit König Lots Vasallenkönige Einzug gehalten hatten. Der Wachtposten grinste grimmig in sich hinein. Sechs insgesamt, und jeder von ihnen ein Feigling oder ein Dummkopf.
Doch nun sollte es ein Pendragon sein, und das war etwas anderes. Uther Pendragon – ja, der war ein wahrer Herrscher gewesen. Dem Wachtposten wurden die Augen feucht, als er an den toten König dachte. Ein Mann zum Frohlocken, lustvoll und berstend vor Leben. Mit Händen, die das Schwert im Kampf zu schwingen wußten, und Armen, so stark wie die eines Bären. Auch gebaut wie ein Bär – groß, breitschultrig und zupackend –, aber jeder Zoll ein echter Mann.
Seltsam, daß einem Mann wie Uther nie ein Sohn beschieden war. Seine Königin hatte Kinder aus einer früheren Vermählung, gebar aber in der Ehe keine weiteren, die Uther hätte seine eigenen nennen können.
Dabei hatte Uther in dieser Hinsicht nichts anbrennen lassen, dachte der Wachtposten schmunzelnd. Hat Tag und Nacht in der Scheune seine Färse hergenommen, sagten die Männer. Aber nie hatte die ihm auch nur ein einziges Kalb geworfen. Nun, Gott würde wissen, warum.
Die Erinnerung an Uther verblich. Namenlose Trübsal überfiel den Wachtposten. Als der Hochkönig noch lebte, war einfach alles besser gewesen.
Er drehte sich um, trottete zum Torhäuschen zurück und stieß auf dem Weg mit den Stiefeln gegen die Mauer, um sich die Füße zu wärmen. Würde das rote Drachenbanner jemals wieder von der höchsten Zinne von Caerleon wehen? Vor tausend Jahren hatte der erste Pendragon dieses Land in Besitz genommen. Wenn Merlin tatsächlich einen König gefunden hatte, der ein Pendragon war, oder einen Pendragon, der König werden könnte, würde jeder Mann weit und breit zu seinen Fahnen eilen.
Brüllendes Gelächter kam aus der Großen Halle. Die sechs Könige waren schwer berauscht, daran bestand kein Zweifel. Herrgott im Himmel! Bald würden sie zu raufen beginnen und Kräfte verschwenden, die sie zur Abwehr eines möglichen Angriffs benötigten.
Ein Angriff ... Verzweifelt blickte der Wachtposten um sich. Die Männer an der Brustwehr hoben die Humpen und ließen die Würfel kreisen, während der Ausguck in seinem Verschlag hörbar schnarchte. Doch was sollte man von den Burschen erwarten, wenn die Herren in der Großen Halle bereits sturzbetrunken waren und nach Huren grölten? Schon eine kleine Zahl Angreifer könnte diese »Verteidiger« im Handumdrehen überwältigen.
Nun, geschähe ihnen recht.
Wenn doch nur ...
Seine Stimmung hob sich. Wenn Merlin doch nur einen neuen König für sie gefunden hätte. Einen König für das Volk, wie es der alte Uther gewesen war, der dem bösen Spuk ein Ende machte und das Gute wiederherstellte. Einen jungen König, der sich eine Königin nahm und Pendragon-Söhne zeugte, die das Land nach ihm regieren konnten. Einen Mann, dessen Name, dessen Ehre niemals starb.
Pendragon.
Wenn der König doch nur wiederkehren würde ...
Im Schatten der Burg gab sich der frierende, verzweifelte und hoffnungslose Wachtposten seinen Träumen hin.
In der Großen Halle von Caerleon waren die Fackeln heruntergebrannt. Stöhnend hob König Carados den schmerzenden Kopf. Der Tisch war klebrig von verschüttetem Bier und Wein, die Halle voller schwitzender Körper. Die meisten schliefen. Sie hatten gegen Mittag begonnen, und inzwischen mußte es nach Mitternacht sein – zwölf Stunden niedrigster Ausschweifungen.
In jeder dunklen Ecke oder Nische kauerte ein Ritter mit einem halbbekleideten Schankmädchen. Auf den Bänken machten sich einige seiner Männer noch immer trunken und brünstig wie Hirsche über die Frauen aus der Umgebung her. Nun, Ritter waren Ritter. Sie waren nicht anders als ihre Lords, die meisten von ihnen sogar besser.
Sein Magen verkrampfte sich, als er sich an die fette Hure erinnerte, mit der er vorhin getändelt hatte, als das Blut in seinen Adern kochte. Dem Himmel sei Dank, daß er sich eines Besseren besonnen und sie in die Küche zurückgeschickt hatte, in die sie gehörte.
Angewidert drehte er sich auf seinem Sitz um. Und da war sie. Lag mit schamlos entblößtem Körper halb auf dem Tisch und schlief, die Brustwarzen rot und geschwollen. Jetzt erinnerte er sich daran, daß er sie von hinten besprungen hatte wie ein Hund und diese prallen Brüste mißhandelte und in die Brustwarzen kniff, als sie vor ihm auf dem Tisch kniete – unter dem Beifallgebrüll der anderen. Jetzt beherrschte ihn nur noch ein Gedanke: Ihr Götter, warum habe ich das getan?
Mit hämmernden Schläfen blickte Carados um sich. Wie spät war es? Den verblassenden Sternen nach zu urteilen, eine Stunde vor Sonnenaufgang. Neben ihm lag ein weiteres Opfer der nächtlichen Zecherei. Pfeifend entwich der Atem seinem halboffenen Mund, ein dünner Speichelfaden lief über sein Kinn. Voller Verachtung musterte Carados den schlaffen Körper. Allmächtige Götter, wenn sie sich auf Rience verlassen müßten, könnten sie gleich aufgeben.
Aber Rience war auch nicht schlimmer als die anderen vier. Und den Göttern sei Dank, daß es keinen Anlaß zur Beunruhigung gab. Sechs Könige konnten es mit jedem aufnehmen. Sie waren alle auf König Lot und seinen Teil des Königreichs eingeschworen, jeder bereit, es bis zu seinem letzten Atemzug zu verteidigen.
Carados riß sich zusammen. Wie kam er gerade jetzt auf den Tod? In zwanzig Jahren war es kein einziges Mal nötig gewesen, für das Mittlere Königreich zu den Waffen zu greifen, und sie hatten nicht vor, dafür zu sterben – weder früher noch jetzt.
Dennoch mußte der Gefahr, die von Merlins jungem Mann ausging, ins Auge gesehen werden.
»Licht!« schrie er und stieß den nächsten Pagen mit dem Stiefel in die Seite. »Sorg für Licht, oder ich lasse dich auspeitschen!«
Etwas weiter entfernt regte sich eine verschlafene Gestalt am Tisch. »Carados, du Teufel, bist du das?« knurrte King Agrisance, der robusteste von König Lots Vasallen. »Wir beide müssen die einzigen Überlebenden sein.«
»Wir werden nicht mehr lange leben, wenn wir die anderen nicht auf Vordermann bringen können!« Carados reckte den Daumen und deutete auf die Schläfer. »Rience wird bis Mittag schlafen, und Vause war noch nie ein guter Kämpfer. Nentres und Brangoris werden mindestens eine Woche lang das Bett hüten müssen. Wenn dieser Junge von Merlins Gnaden erscheint, werden du und ich ihm allein entgegentreten müssen.«
Agrisance brüllte vor Lachen. »Er wird nicht erscheinen! Und wenn doch – was kann er tun, frage ich dich. Sechs Könige dazu bringen, sich vor einem Bastard zu verneigen? Uns dazu bewegen, unsere Schwerter in den Dienst eines bartlosen Jünglings zu stellen?«
»Wenn er kommt, dann nicht allein«, murmelte Carados. Trotz seines brummenden Schädels griff er nach dem Weinkrug.
»Nein«, schmunzelte Agrisance. »Er kommt mit diesem närrischen alten Hexenmeister Merlin und einem Troß zerlumpter Kinder und Toren, denen die Beinkleider um die Ärsche schlackern und die vor Hunger halb tot sind.« Wieder lachte er schallend. »Würdest du mit einer solchen Streitmacht auch nur einen Misthaufen angreifen?«
Agrisance lachte so heftig, daß die alte Schwertnarbe auf seiner Wange anschwoll, bis sie sein Auge verdeckte und sein Gesicht wie ein grinsender Totenschädel aussah.
Carados wandte den Blick ab. »Lach nur, wenn dir danach ist«, murrte er gereizt, »aber es ist ihnen gelungen, Lots Sohn auf ihre Seite zu ziehen.«
»Lots Sohn?« prustete Agrisance, aber das Lachen verging ihm schnell. »Wovon redest du da?«
»Lots Sohn«, wiederholte Carados. »Gawain, dem ältesten. Er hat an der Versammlung teilgenommen, auf der Merlin sein Bürschlein zum König proklamierte. Und er war so beeindruckt, daß er seinen Lord verließ, um sich diesem Arthur anzuschließen.«
Agrisances Lippen schürzten sich zu einem ungläubigen Pfiff, aber kein Ton kam heraus.
Mit Befriedigung stellte Carados fest, daß er nicht mehr grinste. »Gawain war sogar der erste, der diesem Arthur Gefolgschaft schwor und sein Schwert in seinen Dienst stellte. Und der selbsternannte König war so entzückt, daß er Gawain an Ort und Stelle zum Ritter schlug. Rience und Vause sagen, daß Merlin das alles bewirkt haben muß.« Er trank einen Schluck Wein und spürte, wie er in seiner Kehle brannte. »Aber schlecht für Lot, wenn sein Sohn und Erbe auf diese Weise zum Gegner überläuft.«
Agrisance nickte. »Das muß in Blutvergießen enden, sobald Lot davon erfährt.« Langsam begann sein weinbenebeltes Hirn zu funktionieren. »Aber Lot hält sich achthundert Meilen entfernt auf den Orkneys auf. Wenn wir Merlins Aufwiegler nicht töten, werden es die Kälte und der Hunger tun. Also wird der Bursche tot sein, bevor Lot davon hört. Dann muß er nur noch mit der Schande fertig werden.«
Es entstand ein lastendes Schweigen, bevor Carados wieder zu sprechen begann. »Es sei denn, Lots Sturz ist vorherbestimmt, um für begangenes Unrecht zu sühnen ... falls er unrecht gehandelt hat ... vor Jahren ...«
Verdutzt starrte Agrisance ihn an. »Wovon sprichst du da?«
Es gelang Carados nicht, sein Unbehagen zu verdrängen. »Von Lot. Und Uther. Wenn sie das Mutterrecht gebrochen haben ...«
Agrisance konnte seine Gereiztheit nicht verbergen. »Bei allen Göttern, Mann! Werde deutlich. Was um alles in der Welt ...?«
»Erinnerst du dich daran, wie sich Uther zum Hochkönig gemacht hat?« Carados holte tief Atem. »Er eroberte Cornwall und machte sich die Königin von Cornwall gegen ihren Willen gefügig. Sie hatte zwei Töchter, und Uther gab beide fort. Er wollte die Königin ganz für sich allein.«
»Nun, das würde jeder Mann wollen!«
Carados schüttelte den Kopf. »Uther wollte das Mutterrecht brechen. Um sicherzustellen, daß keine der Töchter den Thron der Mutter besteigt.«
»Irgendwie macht das doch auch Sinn.« Inzwischen erinnerte sich Agrisance vage. Uther hatte der Königin Unrecht zugefügt, mußte er zugeben, und auch ihren Töchtern, doch Krieg war nun einmal Krieg. »Aber wie paßt da Lot hinein?«
Carados stellte fest, daß ein Schauer seinen Rücken überlief. »Uther vermählte die ältere Maid mit Lot.«
»Mit Lot? Sie hätte es ärger treffen können. Ein ganzes Lot ärger!« Agrisance lachte über seinen eigenen Scherz. »Und was ist mit der jüngeren geschehen?«
»Sie wurde Morgan genannt. Wäre sie zwölf Jahre alt gewesen, hätte auch sie verheiratet werden können. Aber sie war zu jung. Und da schickte Uther sie in ein Kloster, bis sie erwachsen war.«
Carados schloß die Augen. Eine alte Erinnerung entfachte ein Feuer hinter seinen Lidern. Ja, Morgan. Kind oder nicht – er hätte sie zur Gemahlin genommen.
Er sah sie wieder vor sich, die schmale, aber für ihr Alter gutentwickelte Gestalt mit den langen Beinen und schlanken Schenkeln, zwischen denen sich ein Mann Zeit lassen konnte, und kleinen, spitzen Brüsten, die einem Mann die Augen aus dem Kopf fallen lassen konnten. Und ihre Augen, dieser Blick! In seinen Lenden regte es sich. Augen, in denen man ertrinken konnte, dunkle Mitternachtsseen, voller Verheißungen. Bei allen Göttern – so jung sie war, die Maid hatte mehr von einer Hexe denn von einer Nonne. Wieder spürte er die Hitze in seinen Lenden. Ja, er hätte die kleine Morgan jederzeit genommen.
Er sah sich um. Das Küchenmädchen lag noch immer halb über der Tischplatte, pralle Brüste drängten aus dem Mieder, hochgeschobene Röcke entblößten ihre Schenkel. Die Erinnerung an die vergangene Nacht kehrte zurück, und Carados spürte, daß er steif wurde.
Agrisances Stimme riß ihn aus seinem Verlangen. »Und so hat Uther sie lebenslang in ein Kloster geschickt?«
Aber Carados war nicht mehr bei der Sache. Er griff nach dem Weinkrug und leerte ihn zur Hälfte. Den Rest goß er dem Küchenmädchen in den geöffneten Mund und über ihre Brüste.
»Was zum Teufel ...?« Fluchend fuhr die junge Frau hoch, sackte aber wieder in sich zusammen, als sie Carados erkannte. »Oh, Sir ...«
»Und die ältere Maid, die Lot geheiratet hat ...« sinnierte Agrisance trunken weiter. »Wie heißt sie eigentlich? Morgause ... war es nicht so?«
Carados hörte nicht mehr hin. Schicksal, Blut und Tod lagen allein in den Händen der Götter. Wenn Lot Unrecht getan hatte, dann würde er mit Sicherheit dafür büßen. Und wenn Lots Geschick in den Sternen stand, dann auch das ihre. Wenn Lot dem Untergang geweiht war, dann auch seine getreuen Vasallen. Höchste Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, bevor es zu spät war.
»Oh, Sir ...« kicherte das Küchenmädchen mit einem sehnsuchtsvollen Ausdruck in den Augen. Es riß den Mund auf, als es an sich herabblickte und die weinnassen Brüste sah. Mühsam kämpfte es sich in eine sitzende Position. Zwischen den dunklen Weinpfützen leuchteten die roten Brustwarzen wie Teufelsaugen.
»Ihr hattet nach Licht verlangt, Sir?«
Carados drehte sich um. Der Page steckte eine brennende Fackel in die Wandhalterung. Ein Lichtstrahl erleuchtete die Große Halle, und ein letzter Impuls von Vernunft durchzuckte Carados’ Kopf.
Merlin war mit seiner zusammengewürfelten Schar auf dem Weg zu ihnen. Der zerlumpte Troß könnte Caerleon inzwischen erreicht haben. Der Bastard Arthur konnte in den umliegenden Wäldern sein Lager aufgeschlagen haben und nur auf die Morgendämmerung warten, um anzugreifen. Er sollte die Wachmannschaften in Alarmbereitschaft versetzen, die Kämpfer zusammenrufen und alle vier Türme bemannen.
Und genau das würde er tun.
Danach.
Er setzte die fette Hure weiter auf die Tischplatte und drückte sie auf den Rücken. Eine Hand fand eine pralle rote Brustwarze, während sich die andere zwischen die Schenkel verirrte.
Seine Gedanken überschlugen sich.
Danach, ja, danach würde er ...
Das Mädchen machte die Beine breit. Unmengen weißen Fleisches taten sich vor ihm auf, und er ließ jede andere Überlegung fahren.
Ein Posten döste am Tor, eine Anzahl weiterer vertrieb sich die Zeit an der Brustwehr, ein Wächter schlief selig in seinem Ausguck: Es dürfte keine Schwierigkeiten bereiten, Caerleon im Überraschungsangriff zu nehmen. Von seinem Aussichtspunkt in den Bergen überblickte Arthur die Verteidigungsanlagen der Burg und schärfte sie sich ein. Leicht würde es zwar nicht sein, dazu waren sie zu wenige. Aber es dürfte kaum das tollkühne, todgeweihte Unternehmen werden, das er befürchtet hatte.
Eine Weile stand er so reglos da, daß man ihn mit einem der mächtigen Eichenstämme hätte verwechseln können. Als ihn die Männer einige Zeit später ins Lager zurückkehren sahen, stießen sie sich verständnisinnig an. Sie hatten bereits begriffen, daß ihr Anführer, so jung er war, zuweilen zu einer konzentrierten Versunkenheit neigte, die menschliche Maßstäbe zu übersteigen schien.
»Arthur! Endlich!«
Arthur sah der kleinen Gestalt entgegen, die auf ihn zugeeilt kam, und unterdrückte ein Stöhnen. Er liebte Kay aufrichtig, aber die Anspannung auf dem Gesicht seines Pflegebruders war nicht zu übersehen.
»Er ist nicht gekommen«, sprudelte Kay hervor. »Nirgendwo ein Anzeichen von ihm.«
Arthur seufzte. »Wenn Merlin zu kommen versprochen hat, dann tut er es auch.«
»Warum ist er davongeritten, als wir gestern abend unser Lager aufgeschlagen haben?« sorgte sich Kay. »Wohin wollte er?«
»Er ist Merlin«, lächelte Arthur. »Wer kann es wissen?«
»Du solltest es wissen. Er hätte es dir sagen müssen. Du bist der König! Und der Anführer unserer Heerschar, so klein sie auch ist.« Verdrossen zeigte Kay zu den Männern hinüber, die sich in der feuchten Nachtkühle um die Lagerfeuer kauerten. »Seit drei Tagen haben sie nichts mehr gegessen. Hier in den Wäldern können sie zwar einiges Wild jagen, aber das wird nicht lange vorhalten. Was ist, wenn Merlin nicht kommt?«
Arthur zögerte mit der Antwort. Es war nicht leicht für Kay. Sein ganzes Leben lang war er der Sohn eines adligen Hausstandes gewesen und Arthur das namenlose Kind, das aus Barmherzigkeit aufgenommen worden war. Kay hatte die beste Ausbildung erhalten, um als Ritter König Ursien von Gore zu dienen, dem Lehnsherrn seines Vaters. Und dann hatte sich der Namenlose plötzlich durch eine höhere Berufung über ihn hinweggesetzt.
Aber Kay hatte keinen Augenblick gezögert, sein Los mit dem Arthurs zu verbinden. Er hatte eine Antwort verdient.
»Merlin wird uns nicht im Stich lassen«, versicherte Arthur überzeugt. »Aber heute ist das Fest von Penn Annwyn, ein großer Tag in den Welschlanden, wo der Lord der Finsternis noch immer regiert. Merlin ist ein Druide von hohem Rang. Selbstverständlich ist er für die Abhaltung der Riten vonnöten.«
»Ah!« Kays ironisches Lachen machte deutlich, was er von dieser Erklärung hielt. »Also ist unser mächtiger Mann zu diesem entscheidenden Zeitpunkt mit seinen Geistern unterwegs?« Fast beschwörend beugte er sich vor. »Aber wir können nicht in alle Ewigkeit warten. Jede Minute können sie uns aus der Burg erspähen und Truppen losschicken, um uns auszulöschen.«
»Keine Angst. Wir greifen heute nacht an, wie geplant.«
»So?« Kays Augen leuchteten auf. »Nun, wenn wir schnell genug vorgehen, müßte ein Angriff ausreichen, selbst ohne seine Unterstützung.« Er brauchte den Gedanken nicht zu äußern, der beiden durch den Kopf ging: Mit oder ohne Merlin – ein Angriff ist alles, was wir haben.
»Nur Mut, Bruder! Ich habe mir die Lage der Burg genau angesehen. Sie ist zu nehmen.«
»Hmm.« Kay war nicht überzeugt. Aber es brachte nichts, der Furcht nachzugeben. Er bemühte sich um einen scherzhaften Ton. »Und wenn der erste Angriff fehlschlägt, können wir immer noch nach Sommerland fliehen und dort Zuflucht suchen.« Er warf Arthur einen Blick zu. »Die Königin soll wunderschön sein und eine ausgezeichnete Kämpferin. Und ihre Tochter ...«
»Wir werden nicht geschlagen.«
Kay schürzte die Lippen. »Wenn du es so beschlossen hast, werden wir also siegen, Bruder. Und dann?«
»Laß uns zunächst die sechs Könige da drüben zur Rechenschaft ziehen, die Schurken, die es wagen, mein Königreich zu ihrem Besitz zu erklären.« Arthur seufzte. »Und dann haben wir eine weit größere Gefahr zu gewärtigen.«
»Die Sachsenhorden?«
Arthurs Augen verloren sich in der Weite, sahen furchtbare Dinge. »Jemand muß sich den Männern aus dem Norden in den Weg stellen und den Schrecken beenden, den sie über das Meer bringen.« Er fuhr sich mit der Hand durch die dichten blonden Haare. »Und vielleicht ist es der Wille der Götter, daß ich das tue. Doch noch ist der Zeitpunkt nicht gekommen. Sie schicken keinen halbflüggen König, der noch nicht einmal Herr in seinem Reich ist, gegen Männer, die, vom Teufel getrieben, darauf aus sind, zu zerstören und zu töten.«
Um sie herum stiegen die Abendnebel vom Boden auf. Im Wald wurde es dunkel. Eine leise Bewegung erregte Kays Aufmerksamkeit. »Wer da?« rief er.
Zwei Gestalten näherten sich ihnen, beladen mit Zaumzeug, das bei jedem ihrer Schritte klirrte. Arthur sprang auf die Füße. »Gawain und Bedivere!« rief er. »Habt ihr die Pferde für die Nacht versorgt?«
Der größere der beiden Männer hob die Faust, mit der er zwei Fasane umklammert hielt, während sein Gefährte ein paar Wildkaninchen geschultert hatte.
»Schaut doch nur, Sire!« dröhnte Gawain. »Sie sind uns ins Netz gegangen – wie durch Zauber.«
»Zauber also?« Arthur wandte sich an Kay. »Meinst du noch immer, Merlin wäre heute nicht bei uns?«
Lächelnd drehte er sich um und lief durch das Lager zu seinem Aussichtspunkt zurück. Er wollte noch einmal einen Blick auf die Burg werfen, bevor er seinen Männern befahl, sich für den Angriff vorzubereiten.
Auf dem Hügel hielt er inne und sah zur Burg hinüber. Sie wirkte so ruhig und friedlich, als warte sie auf die Morgendämmerung. Dort drüben scheinen alle noch tief zu schlafen, dachte Arthur. Doch dann runzelte er besorgt die Stirn.
Was war das?
Unten in der Burg flackerte Licht auf. Frische Fackeln waren in die Große Halle gebracht worden. Also waren sie doch wach und bereiteten sich auf den neuen Tag vor.
Nun, das ließ sich nicht ändern. Äußerlich blieb Arthur gelassen, aber sein Magen krampfte sich zusammen. Wenn die Zecher in der Großen Halle aus ihrem Rausch erwachten, war jede Hoffnung auf einen Überraschungsangriff vergebens.
Und ohne diesen Vorteil ...
Seine kleine, ungeübte Truppe gegen eine ganze Garnison. Seine hungrigen, durchnäßten und erschöpften Männer gegen wohlgenährte Soldaten, die in warmen Betten geschlafen hatten. Seine unerprobten Fähigkeiten als Anführer gegen die Streitmacht der Verbündeten von König Lot, selbst wenn der große Herrscher nicht persönlich anwesend war.
Aber es sollte wohl so sein.
Nachdenklich senkte er den Kopf und ließ seine Gedanken schweifen. Mit tiefen Atemzügen nahm er die Köstlichkeit der lebendigen Welt in sich auf. Die machtvollen Eichen und ausladenden Kiefern standen hier seit Anbeginn der Zeit. Jede knorrige Wurzel, jeder tiefhängende Ast, darauf bedacht, sorglosen Reisenden zum Verhängnis zu werden, war so alt wie die Sterne und ebenso mitleidlos.
Hier im Herzen des Waldes wurde ihm seine Belanglosigkeit im großen Plan der Geschehnisse beruhigend bewußt. Man hatte ihn gerufen, und er war diesem Ruf gefolgt – bereit, notfalls dafür auch zu sterben. Die großen Götter hatten die Zukunft beschlossen, sie stand bereits in den Sternen.
Ein leichter Windzug bewegte die Blätter der Bäume. Hinter ihnen erzitterte die Luft, nahm Form an, und Merlin erschien. Er nickte Arthur zu. »Stehen die Dinge gut?«
»Nicht so gut, wie sie könnten.« Arthur deutete zur Burg hinüber. »Ich hatte gehofft, sie würden ihren Rausch länger ausschlafen. Aber es sieht so aus, als wären sie schon wieder auf den Beinen. Gleichwohl.« Er wandte sich Merlin zu. »Wie ist das Fest des Penn Annwyn verlaufen?«
Merlin ließ ein hohes, krähendes Lachen hören. »Nun, gut. Sehr gut!« Er rieb sich die faltigen, welken Hände. »Seit wir voneinander geschieden sind, habe ich gute Arbeit geleistet, Junge.«
Arthur hütete sich, weitere Fragen zu stellen. »Ich danke dir«, meinte er höflich. »Und es freut mich sehr, dich wiederzusehen. Meine Ritter haben dich vermißt – Kay vor allem. Er konnte sich nicht vorstellen, Caerleon ohne dich anzugreifen.«
Merlins Kopf schoß herum wie der eines Habichts. »Aber du konntest es dir vorstellen, nehme ich an.«
»Ja, so ist es«, entgegnete Arthur gleichmütig. »Dennoch stimmt mich deine Rückkehr froh.« Er gab seiner Stimme einen zuversichtlichen Klang. »Wir werden uns heute bewähren, auch wenn wir den Vorteil der Überraschung verloren haben.«
Merlin spähte zu der erleuchteten Großen Halle hinunter. »Vielleicht, vielleicht auch nicht.« Er schien völlig unbesorgt zu sein. »Du willst im Morgengrauen losschlagen?«
»Noch früher, um die Dunkelheit zu nutzen. Die Männer bereiten sich offenbar schon vor.« Arthur zeigte zum Lager hinüber, von wo leise Geräusche zu ihnen drangen. »Hörst du es? Ich muß zu ihnen.«
Er streckte liebevoll die Hand aus, um Merlins Arm zu umfassen. »Laß mich dir helfen, hier läuft es sich nicht besonders gut.« Er hob den Blick zu den Sternen. »Wirst du um unseren Sieg beten, wenn die Männer bereit sind?«
Merlin schüttelte den Kopf. »Du hast meine Gebete nicht nötig«, erklärte er brüsk. »Aber auch ich muß gehen. Es gibt noch immer so vieles zu tun.«
So vieles zu tun ...
Merlin überkam eine große Müdigkeit. Er hob eine Hand und bedeckte die Augen. Noch so viele Aufgaben, die nur er bewältigen konnte. Habt ein Nachsehen, ihr Götter! Seine alten Knochen begehrten auf, seine Seele rebellierte. Wann wäre er endlich frei? Frei von Arthurs Schicksal und dem Wissen um das Kommende?
Übelkeit befiel ihn. Er kannte die Antwort: Niemals, lautete sie. Aber immerhin konnte er den Jungen vor dem Ärgsten bewahren. Vor allem vor dem Mädchen aus dem Sommerland.
Vor innerer Erregung wurde Merlin bleich. Diese Maid war Arthurs Unglück, er durfte sie nie heiraten. Nein, sie mußte in ein eigenes dunkles Schicksal verwickelt werden. Dann würde sie von Unheil überfallen, von Feinden verfolgt und vernichtet werden, bevor Arthur Zeit blieb, erneut an sie zu denken.
Ja, das war unvermeidlich. Er nickte energisch. Ein heftiger Regen mußte auf Sommerland niedergehen, die böse Saat keimen und die mütterliche Linie aussterben.
Unhörbar murmelte er vor sich hin, in Einklang mit seiner inneren Stimme. Keine weiteren Königinnen mehr. Die Maid mußte auf sich allein gestellt werden, um dann genauso schnell unterzugehen. Keine weiteren Königinnen mehr. Jetzt mußten neue Kräfte über die mütterliche Linie triumphieren. Nur so konnte er sie von Arthur fernhalten und den Jungen vor sich selbst retten.
Nun, er hatte für einen guten Anfang gesorgt. Es sollte nicht schwer sein, einen weiteren dunklen Faden in den Teppich der Bestimmung zu weben, um das Schicksal des Sommerlandes und seiner Königinnen zu ändern. Nicht allzu schwer, aber schwer genug und darüber hinaus undankbar. Merlin biß die Zähne zusammen und bereitete sich auf die vor ihm liegenden Auseinandersetzungen vor.
Eines Tages würde der Junge wissen, was er alles getan hatte. Eines Tages wäre seine Arbeit beendet, und er konnte an den Ort der Wonnen entfliehen, wo er endlich frei war.
Wonnen – o ja! Wie sehr es ihn danach verlangte! Der Frühling nahte und mit ihm der alte Hunger, dieses süße Verlangen.
Aber noch war es nicht soweit. Er bezähmte seine zuckenden Muskeln, seine rebellische Seele. Noch nicht, noch wartete Arbeit auf ihn. Eine neue Gestalt, eine neue Aufgabe. Zärtlich blickte er in Arthurs besorgtes Gesicht, auf die hochgewachsene Gestalt, die fürsorglich eine Hand ausgestreckt hatte, um ihn zu stützen. Er schüttelte den grauen Kopf und wandte das Gesicht ab. »Ich muß fort«, sagte er.
In den Gemächern der Königin war es kühl, roch es leicht nach Patschuli, dem Lieblingsduft ihrer Mutter, solange sich Guenevere erinnern konnte. Aber die reglose Gestalt auf dem großen Bett schien nichts um sich herum wahrzunehmen.
Sanft tasteten die fast durchscheinend wirkenden Hände des alten Medicus über die Glieder der Königin. »Sie war am Leben, als man sie aufhob und hierherbrachte, das läßt uns hoffen«, murmelte er. »Und doch ist es seltsam ...«
Guenevere riß sich aus ihrer benommenen Verzweiflung. »Sir?«
»Hier, Lady Guenevere.« Die Finger des Arztes schoben die schimmernden Haare der Königin zur Seite. Eine große Wunde zeigte an, wo der Pferdehuf ihren Schädel getroffen hatte. »Aber ansonsten ...« Er zuckte mit den Schultern und hob hilflos die Hände.
Langsam folgte Guenevere seinem Gedankengang. Friedlich ruhte die Königin in den Kissen, die rostroten Haare aus den langen Flechten gelöst, und schien keinerlei Schmerzen zu haben. Sie wirkte wie ein Kind, das in den Armen seiner Mutter schlief. »Ja«, flüsterte Guenevere, »es ist seltsam.«
»Der Lord der Finsternis, Penn Annwyn, ist aus der Unterwelt gekommen ...«
Im Schatten der niedrigen Kemenate schlug eine alte Bedienerin verzweifelt mit der Stirn gegen die Wand. »Der Lord der Finsternis hat seinen Geist geschickt«, stöhnte sie auf. »Er sucht uns heim ...«
Große Mutter, verschone mich, erspare ihr das ...
»Hol die Wache!« rief Guenevere einer Frau neben der Tür zu. »Laß sie in ihre Unterkunft bringen. Und gewähre hier niemandem Zutritt, wenn ich es nicht ausdrücklich erlaube.«
»Sofort, Lady.« Die Frau eilte auf Guenevere zu. »Und der König ist gekommen. Wollt Ihr mit ihm sprechen?«
Guenevere näherte sich der Tür. Draußen auf dem Flur starrte König Leogrance blicklos vor sich hin. Sein Gesicht war noch immer vom Staub des Turnierplatzes bedeckt, der Helm ruhte in seiner Armbeuge.
»Große Mutter, rette sie! Rette die Königin!« flehte ein paar Schritte weiter Lucan und lief rastlos auf und ab.
»Er hat sie geholt, der Lord der Finsternis hat sie geholt ...« hörte Guenevere die alte Bedienerin jammern, als die Wachen sie fortführten.
Am ganzen Körper zitternd, trat sie in die Kammer zurück und schüttelte den Kopf. »Sag dem König, daß er unverzüglich Nachricht erhält, wenn es etwas Neues gibt.«
Sie eilte wieder an das Bett der Königin und zupfte am Ärmel des Medicus. »Wird sie überleben?«
Er schüttelte den weißhaarigen Kopf. »Nur ein Narr würde eine solche Aussage wagen.«
»Dann seid ein Narr!« rief sie heftig. »Wir haben genügend Gold – falls das Eure Entscheidung erleichtert!«
Das Lächeln des alten Heilers kam sehr zögerlich. »Ihr müßt Euch einen anderen Narren suchen, Prinzessin. Meine Erkenntnisse sind nicht käuflich.«
Mit einer Verbeugung entfernte er sich. Guenevere ballte die Fäuste und drückte sie gegen die Augen. Große Mutter, hilf ...
Eine andere Bedienerin der Königin näherte sich leise wie eine Katze. »Madam, Lord Taliesin, der Ober-Druide, ist gekommen. Er möchte alle Ritter und Lords der Königin sowie Euch zusammenrufen, um Rat zu halten. Findet das Eure Zustimmung?«
Taliesin hier? Große Mutter, ich danke dir ...
Sie konnte sich an keine Zeit erinnern, in der der weise alte Mann ihre Mutter nicht beraten und unterstützt hätte. Alle Druiden waren einmal Krieger gewesen, wie sie wußte. Aber Taliesin war ihr stets als eine Quelle des Friedens erschienen. Sie sah die junge Frau an. »Sag ihm – verzeih, aber ich habe deinen Namen vergessen ...«
»Ich werde Ina genannt, Lady.« Tränen standen in den Augen der Bedienerin mit der makellosen Haube und dem weißen Kragen. »Oh, Lady, ich würde alles für die Königin tun. Selbst für sie sterben, wenn sie dadurch wieder gesund würde.«
»Vielen Dank, Ina.« Guenevere holte tief Atem. »Laß Lord Taliesin ausrichten, daß er meine Zustimmung hat. Und gib dem König und Sir Lucan Bescheid, daß wir in der Großen Halle zusammenkommen.«
Nach einem Knicks verließ die Frau die Kemenate. Guenevere beugte sich über die reglose Gestalt auf dem Bett. Um sie herum war nur die Stille des Krankenzimmers, ein Duft nach Rosen und Kräutern und die unterdrückten Geräusche der Frauen, die Lampen und Fackeln entzündeten, da der Abend nahte.
Von einem plötzlichen heftigen Widerstreben erfaßt, die Königin zu verlassen, griff sie nach der Hand ihrer Mutter und rief eine der Frauen zu sich. »Einer der Barden soll kommen, damit er ihr etwas vorsingt, bis ich zurückkehre.«
Die Frau knickste. »Und welchen sollen wir holen, Lady?«
Guenevere dachte nach, aber nur ein Name fiel ihr ein. Sie bemühte sich um eine gelassene Stimme, als er ihr über die Lippen kam. »Ruf Cormac, ihn hat sie stets besonders gern gehört.« Unwillkürlich krampfte sich ihr Herz zusammen. »Und sag ihm – bitte ihn, auf jeden Fall zu bleiben, bis ich wieder hier bin.«
Die Frau lächelte traurig. »Wie Ihr befehlt, Lady. Aber die Königin wird nichts hören.«
Törin! Natürlich würde sie ihn hören. Wer wagte es, etwas anderes zu behaupten? Ihre Verärgerung unterdrückend, wandte sich Guenevere ab. Sie warf einen letzten Blick auf ihre Mutter, beugte sich vor und drückte einen Kuß auf ihre Stirn. In diesem Moment öffnete die Königin die Augen und sah sie an.