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Ein Leben wie eine Legende: Der farbenprächtige historische Roman »Die Königin des Sommerlandes« von Rosalind Miles jetzt als eBook bei dotbooks. Das Schicksal einer großen Frau ... Guenevere ist auf dem Zenit ihrer Macht: An der Seite von Arthur herrscht sie als Königin über ganz Britannien. Doch niemand ahnt, welchen Tücken sie sich täglich stellen muss, während Arthur für die Intrigen bei Hofe blind zu sein scheint – auch dafür, dass einer seiner neuen Ritter die Königin tot sehen will ... Zur gleichen Zeit steuert Gueneveres schwelender Konflikt mit Morgan le Fay, Arthurs Halbschwester, auf einen dunklen Höhepunkt zu: Denn Merlin, besessen davon, die Thronfolge zu sichern, will deren verschollenen Sohn Mordred als rechtmäßigen Erben mit seinem Vater Arthur vereinen – und nur Guenevere erkennt das Ausmaß der Gefahr, die das für das Königreich bedeutet ... »Eine fesselnde Lektüre. Zweifellos werden Milesʼ Fans von dieser üppigen, feministischen Interpretation des englischen Epos begeistert sein.« Publishers Weekly Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Avalon-Roman »Die Königin des Sommerlandes« von Rosalind Miles ist der zweite Band ihres Guenevere-Eposʼ, das Fans von Marion Zimmer Bradley, Diana L. Paxson und Elisabeth Chadwick begeistern wird. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 645
Über dieses Buch:
Das Schicksal einer großen Frau ... Guenevere ist auf dem Zenit ihrer Macht: An der Seite von Arthur herrscht sie als Königin über ganz Britannien. Doch niemand ahnt, welchen Tücken sie sich täglich stellen muss, während Arthur für die Intrigen bei Hofe blind zu sein scheint – auch dafür, dass einer seiner neuen Ritter die Königin tot sehen will ... Zur gleichen Zeit steuert Gueneveres schwelender Konflikt mit Morgan le Fay, Arthurs Halbschwester, auf einen dunklen Höhepunkt zu: Denn Merlin, besessen davon, die Thronfolge zu sichern, will deren verschollenen Sohn Mordred als rechtmäßigen Erben mit seinem Vater Arthur vereinen – und nur Guenevere erkennt das Ausmaß der Gefahr, die das für das Königreich bedeutet ...
»Eine fesselnde Lektüre. Zweifellos werden Milesʼ Fans von dieser üppigen, feministischen Interpretation des englischen Epos begeistert sein.« Publishers Weekly
Über die Autorin:
Rosalind Miles wurde in Warwickshire geboren und studierte in Oxford, Birmingham und Leicester. Sie ist eine preisgekrönte Schriftstellerin, Journalistin, Kritikerin und Rundfunksprecherin, deren Werke in der ganzen Welt erschienen sind. Unter anderem gewann sie den Network Award für herausragende Leistungen im Schreiben für Frauen. Ihre historischen Romane wurden international gefeiert, insbesondere »Elisabeth, Königin von England«, in der sie das Leben und die Zeit der Tudor-Königin nachzeichnet. Ihr juristisches und soziales Engagement hat sie vom Buckingham Palace bis ins Weiße Haus geführt.
Rosalind Miles veröffentlichte bei dotbooks bereits »Die Herrin von Camelot«, »Elisabeth, Königin von England«, »Unter der roten Sonne Australiens«, »Im Schatten des Akazienbaums« und »Im Land der Silbereichen«.
Die Website der Autorin: rosalind.net
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eBook-Neuausgabe Juni 2023
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2000 unter dem Originaltitel »Guenevere - The Knight of the Sacred Lake« bei Simon & Schuster, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2000 unter dem Titel »Der heilige See« bei Ullstein.
Copyright © der englischen Originalausgabe 2000 by Rosalind Miles
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2000 für die deutsche Ausgabe by Econ Ullstein List
Verlag GmbH & Co. KG, München/Ullstein Verlag
Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Kompaniets Laras, wabeno, siedonis
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98690-683-2
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Rosalind Miles
Die Königin des Sommerlandes
Die große Saga
Aus dem Englischen von Hedda Pänke
dotbooks.
Es begab sich, daß Uther Pendragon, König von ganz England, die Königin von Cornwall liebte, eine edle Dame mit Namen Igraine. Daher zog er mit einem großen Troß gen Süden, und Merlin hüllte alles in Nebel, in dem Igraines Gemahl Herzog Gorlois erschlagen wurde. Danach brachte Merlin Uther in Gestalt von Gorlois zu Königin Igraine auf ihre Burg Tintagel. In dieser Nacht lag Uther bei Igraine und zeugte mit ihr das Kind Arthur.
Dann nahm Uther Königin Igraine zu seiner Gemahlin und bewog König Lot von Lothian und den Orkney-Inseln dazu, Morgause zu heiraten, die Tochter der Königin. Ihre andere Tochter, Morgan le Fay, schickte er in ein Kloster, weil es ihm so gefiel. Nachdem die Königin einem Sohn das Leben geschenkt hatte, wurde das Kind heimlich Merlin übergeben, der es von Sir Ector, einem Ritter des Königs Ursien von Gore, aufziehen ließ.
Innerhalb von zwei Jahren befiel König Uther ein großes Leiden, und er starb. Viele Jahre später rief Merlin die Lords und Könige sowie das Volk in London zusammen, um ihnen zu zeigen, wer rechtmäßig König des Reiches sein sollte, und Arthur zog das Schwert aus dem Stein.
Als Arthur König war, fügte es sich, daß ihm der Sinn nach einer Gemahlin stand. »Ich liebe Guenevere von Camelot, die in ihrem Haus die Runde Tafel beherbergt«, sagte er zu Merlin, »denn sie ist die heldenhafteste und edelste Dame auf Erden.« Und Merlin entgegnete: »Würdet Ihr sie nicht so innig lieben, könnte ich Euch eine Jungfrau finden, die Euer Herz mehr erfreut als diese Königin.« Und im Vertrauen fügte Merlin hinzu, daß Sir Lancelot Guenevere bestimmt war und sie ihm, doch der König wollte nicht von ihr lassen.
So wurden sie miteinander vermählt und regierten guten Mutes. Ihnen wurde ein Sohn geboren, mit dem Arthur in die Schlacht zog. Aber der Knabe verlor sein Leben, weil er zu jung war.
Dann erfaßte den König eine verhängnisvolle Liebe zu seiner Halbschwester Morgan le Fay, und er lag bei ihr und zeugte mit ihr einen Sohn mit Namen Mordred. Sobald sich zeigte, daß Morgan le Fay ein Kind gebären würde, gab Arthur sie dem König Ursien von Gore zur Gemahlin und erteilte später den Befehl, daß alle Kinder im Alter seines Sohnes mit einem Schiff auf das Meer hinausgeschickt würden. Das Schiff sank, und die Kinder ertranken. Die Wellen spülten ihre Körper an Land, aber der Knabe Mordred wurde niemals gefunden.
Als Sir Lancelot, Ritter vom See und Sohn des Königs Ban von Benoic in Klein-Britannien, nach Camelot kam, zeichnete er sich auf den Turnieren und in der Waffenkunst vor allen anderen Männern aus. Demzufolge gewann er die Gunst der Königin, und Sir Lancelot liebte Königin Guenevere vor allen anderen Damen seines Lebens.
Doch wegen ihrer Zuneigung zu Arthur und um der edlen Gemeinschaft der Ritter keine Schande zu bereiten, durften sie sich ihrer Liebe nicht hingeben. Daher sprach die Königin zu Lancelot: »Es bricht mir das Herz, teurer und süßer Freund, aber ich muß Euch bitten, von hier zu scheiden ...«
Thomas Malory »Morte d’Arthur«
Hoch droben auf der Bergkuppe schlummerte Camelot in lichter Dunkelheit. Im Glockenturm dösten die Eulen, und die runden Türme mit ihren Spitzdächern, bunten Flaggen und goldenen Zinnen leuchteten durch den Abend. Der Posten schlug ein Bein über das andere und freute sich auf einen ruhigen Wachdienst. In diesen linden Sommerwochen erhellte ein silbriges Zwielicht die Nacht, selbst in den ersten Stunden nach Mitternacht, in denen Elfen und Kobolde unterwegs waren.
Er lachte leise in sich hinein. Ja, die Elfen. Im Juni war ein Wachtposten nie ohne Gesellschaft. Aber ein kluger Mann tat gut daran, die Blicke abzuwenden, wenn er die Nähe der Elfen spürte. Und heute waren sie mit Sicherheit unterwegs, schließlich ließ die Königin ein Fest vorbereiten.
Geräuschfetzen drangen an sein Ohr, die Töne eines gregorianischen Gesangs. Er ließ seine Augen zum Burghof wandern, wo sich ein langgestrecktes Gebäude in den Schutz der Mauer drückte. Hinter den hohen Mittelstrebenfenstern leuchtete ein einsames Licht in die Dunkelheit. Es war die Flamme über dem Altar, das Symbol ewiger Hoffnung und Zuversicht.
Zuversicht? Die würden die armen Teufel da unten auch brauchen. Der Wachtposten erschauerte. Oh, bei allen Göttern – da unten sein zu müssen, und das die ganze Nacht lang ...
Aber für die Männer in der Kapelle war ihre nächtliche Tätigkeit keine Tortur, sondern eine hohe Ehre. Er kratzte sich nachdenklich den Kopf. Wie es wohl war, von der Königin zum Ritter geschlagen zu werden?
Die Königin ... Vor seinem inneren Auge tauchte eine grazile Gestalt in Weiß und Gold auf, ein strahlendes Lächeln. Wonnevolle Gedanken überkamen ihn wie eine Wolke beflügelter Federwesen. Vor ihr niederzuknien, sich ihren Ritter nennen zu dürfen, ihre Hand zu berühren und zu schwören, für sie zu sterben – das, dieser Kuß des Schicksals, würde jeden Mann selig erbeben lassen. Und die jungen Männer in der Kapelle hatten jahrelang dafür gekämpft, es höher geschätzt als die Liebe der Frauen, sogar als das Leben. Daher scherte es sie wenig, was sie nun durchzustehen hatten. Manche würden es ertragen, andere nicht. So einfach war das.
Und danach würden sie ein rauschendes Fest feiern. Er grinste in sich hinein. Ihr Götter da oben, was hatte die Königin nicht alles von nah und fern heranschaffen lassen! Wagenladungen von Bier und Wein, karrenweise frisches Fleisch. Im Umkreis von Meilen war kein Gehöft verschont geblieben. Die Köche fluchten und rauften sich die Haare, denn seit Wochen flogen die Befehle der Königin von ihrem Turm herab wie Pfeile. »Von allem nur das Beste! Könige und Königinnen werden als Gäste erwartet, unser Volk aus nah und fern. Und vor allem müssen wir unsere neugeschlagenen Ritter ehren.«
Die neuen Ritter.
Nun, für diese Ehre mußten sie teuer bezahlen.
Seufzend senkte der Wachtposten den Blick, um für die Märtyrer da unten zu beten.
In der Kapelle war es klamm und kühl. Der junge Ritter schwankte auf den Knien und hob benommen den Blick. Hoch an der Wand hing die Runde Tafel über den Böcken, die sie stützten, wenn die Ritter sich um sie versammelten. Das große Rund schien von selbst zu leuchten und zu schimmern wie das Antlitz des Mondes. Fest richtete der Ritter seinen Blick darauf, versuchte jeden Gedanken an Schmerzen und Pein zu verdrängen. »Maria Mutter Gottes, segne meine Vigilien, o Himmelskönigin«, betete er demütig. »Laß mich nicht schwach werden. Laß mich meine neue Würde und Deinen heiligen Namen nicht entweihen.«
Im Hintergrund der Kirche betrachtete ihn der Novizenmeister leicht hämisch und betete die Worte nach. Er verschränkte die Arme, lehnte sich an die feuchte Wand und musterte die Reihen der Knienden vor dem Altar. Ihre Gesichter sahen grau und verfallen aus wie die von Greisen. Sie waren alle gleich, diese werdenden Ritter, und brannten darauf, die besten im ganzen Land zu sein. Aber nach der ersten Stunde des Kniens auf dem kalten Stein flehten selbst die Standhaftesten um ihr Überleben.
Sie könnten sich natürlich niederlegen. Jeder einzelne der zwanzig jungen Männer würde einen Teil der Stunden lang ausgestreckt vor dem Altar verbringen, die Arme ausgebreitet, um mit seinem Körper ein Kreuz zu bilden. Nach einer Stunde oder zwei, wenn sich die Steine, auf denen sie knieten, anfühlten wie glühende Messer, würden die unsicheren Kantonisten nach vorn aufs Gesicht fallen und die ganze Nacht so verharren. Andere wiederum würden darum kämpfen, aufrecht zu bleiben, bis die Glocke den Anbruch des Morgens verkündete.
Der Novizenmeister lächelte kalt. Schon jetzt konnte er sagen, wer umfallen würde und wer nicht. Daher wußte er auch, wer ein guter Ritter werden würde und wer nicht.
Die meisten nicht. Aufmerksam schweifte sein Blick über die dicht geschlossenen Reihen. Er war zu alt und zu erfahren, um über die Schwächen und vertanen Hoffnungen junger Männer zu seufzen. Aber jedes Jahr um diese Zeit erinnerte er sich daran, wie feurig sich die neuen Ritter in ihre Aufgaben stürzten und wie wenigen es bestimmt war, sie zu bestehen. Einige würden bald an einer Lanzen- oder Schwertspitze zugrunde gehen; oft schon während ihrer ersten Abwesenheit vom Hof, wenn sie danach trachteten, ihren Namen mit wagemutigen Taten in aller Welt bekanntzumachen. Anderen wäre ein weit grausameres Ende beschieden: der langsame Tod ihrer Hoffnungen, während sie sich Jahr um Jahr an ihren einstigen Träumen maßen und feststellen mußten, daß sie von deren Erfüllung weiter entfernt waren als zu Beginn.
Diese wären es, die bei der ersten Prüfung ihrer Stärke nach vorn auf ihre Gesichter fielen. Er konnte ihn schon jetzt an ihnen riechen, den Gestank von Angst und Versagen, des Entsetzens vor ein bißchen Schmerz. Scharf sog der Novizenmeister die Luft ein und drückte sich von der Wand ab. Viele fühlten sich zur Ritterschaft berufen, aber nur wenige würden sich als wahre Ritter erweisen.
Zum Beispiel die Prinzen von den Orkney-Inseln ...
Mit einer Spur Unbehagen blickte der Novizenmeister zu den drei machtvollen Gestalten hinüber, die ganz vorn in der Kapelle Schulter an Schulter unerschütterlich auf den Knien verharrten. Keiner von ihnen würde schwach werden, darauf würde er wetten, sie kannten keine Angst vor Schmerzen. Und als Neffen von König Arthur wären sie gewiß auch ergeben und treu. Loyal, kühn und stark. Was hatten die Söhne von König Lot nur an sich, das ihn wünschen ließ, sie unterstünden nicht seiner Obhut, wären nicht dazu bestimmt, Ritter der Tafelrunde zu sein, wenn die Nacht vorüber war?
Er zog die Stirn in grüblerische Falten. Sir Gawain war der erste und treueste Gefolgsmann des Königs. Grobschlächtig und streitlustig. Ja, aber auch aufrecht und ohne Falsch. Warum sollten seine drei jüngeren Brüder versagen? Jeder von ihnen war so hünenhaft wie Gawain und gleichermaßen kampferprobt. Dennoch konnte man nicht davon ausgehen, daß sie sich so hervorragend bewährten wie Gawain. Vor allem der dunkle Agravain.
Agravain ...
Den Novizenmeister bedrängten Zweifel, die er nicht benennen konnte. Doch in jedem Jahr gab es wiederum einen, der ihn hoffnungsvoll stimmte. Seine Augen wandten sich dem schmächtigen Jungen zu. Mador nannte er sich, Mador von den Auen. Jung-Mador würde nicht scheitern.
Anerkennend musterte der alte Mann die schmale Gestalt, die schreckensstarr, aber durchdrungen von Verlangen vor dem Altar kniete. Er war ein guter Junge, dieser Mador, und kein Fehlgriff. Auch sein Bruder Patrise berechtigte zu Hoffnungen, wie er da neben Mador kniete und grimmig entschlossen schien, lieber das Bewußtsein zu verlieren, als sich fallen zu lassen. Beide waren sie gute Jungen. Aber Mador hatte dieses Feuer in sich, das war sein Vorteil.
Mit der Zeit würde er ein Ritter ohne Fehl und Tadel werden.
Der Novizenmeister seufzte. Wenn ...
Wenn der Junge die Nacht ehrenvoll überstand ...
Wenn Liebe ihm nicht den Verstand raubte und ihn Turniere und Klingenkreuzen vergessen ließ ...
Wenn er einen würdigen Ritter fand, dem er sich anschließen konnte, einen wie Lancelot, keinen rohen Krieger wie Sir Gawain, keinen Zyniker wie Sir Kay.
Lancelot ...
Erneut seufzte der Novizenmeister auf. Wußte auch nur irgendjemand auf Erden, wo Lancelot weilte und wann er zurückkehren würde?
Halt dich wacker, Patrise! Laß dich nicht fallen. Halte durch!
Der junge Ritter Mador versuchte, seinem Bruder unhörbar Kraft zuzusprechen, und neigte sich zur Seite, um ihn zu stützen. Patrise riß sich zusammen und warf seinem Bruder einen dankbaren Blick zu. Ich halte durch, Mador. Ganz bestimmt.
Mador schloß die Augen und blickte durch die dünne Haut seiner Lider. Vor einer Weile hatte er herausgefunden, daß er auf diese Weise besser sehen konnte. Es war sogar die beste, die einzige Art zu sehen.
Und da war sie, blendete seine Augen, erfüllte seine Seele mit Verlangen und Kraft. Sie verkörperte alles, was ein Ritter anbeten und zu verehren hoffen konnte. Und jetzt erschien sie ihm in der düsteren Kapelle, schwebte strahlend unter die Runde Tafel der Göttin, an der morgen ihre auserwählten Ritter Platz nehmen würden.
Die Ritter der Königin.
Trunken vor Ekstase geriet er ins Schwanken. Guenevere, sang seine Seele, Guenevere, die Königin. Jeder der Männer hier würde sein Leben für sie hingeben, wenn er im Strahlen ihres Lächelns sterben dürfte. Aber wie konnte er von der Gunst der Königin träumen, wo er doch noch nichts getan hatte, um sich ihre Aufmerksamkeit zu verdienen? Wie sollte er sich ihrer würdig erweisen? Mador stöhnte innerlich auf. Wie könnte er jemals ihren Ritter ersetzen, der davongezogen war?
Ein qualvoller Stich durchzuckte Madors stolzes Herz. Kein Mann konnte Lancelot ausstechen, ebensowenig wie eine Frau darauf hoffen durfte, Guenevere zu übertreffen. Beide schienen vor diesem bereits tausend Leben gelebt zu haben. Verzagt zog sich Madors Herz zusammen. Lancelot war der vortrefflichste Ritter auf Erden und würde es immer bleiben.
Aber jeder Mann kann sich über das hinaus vervollkommnen, was ihm zunächst bestimmt wurde, sagte sich Mador zwischen seinen leidenschaftlichen Gebeten. Kein anderer Mann kann Lancelot sein. Aber er konnte versuchen, dem Ritter nachzueifern, den die Königin liebte. So innig liebte, hieß es, daß er von dannen ziehen mußte. Und er war davongezogen, niemand wußte, wohin und wann er zurückkehren würde.
Nah wie fern war Lancelot der Stern, nach dem jeder junge Mann seinen Lebenskurs festlegte. Lancelot würde nicht schwach werden, daher durfte er es auch nicht. Sich wieder der Leidenschaft seiner Pein hingebend, verließ Mador seinen schwachen, auf den kalten Steinen knienden Körper. Mit dem Gesang seiner Seele schwang sich sein Geist in nie gekannte Höhen: Guenevere, meine Lady, Guenevere, die Königin.
In dem Augenblick, in dem sie zur Tür hereintraten, wußte der Schankwirt, wen er vor sich hatte. Sie trugen einfache Reisekleidung wie andere auch, aber ihre würdige Ausstrahlung, ihre selbstsichere Haltung waren nicht zu übersehen. Er kniff die Augen zusammen. Die Schenke war gut gefüllt, die Zecher sprachen dem Trunk zu, aber die neuen Gäste mußten die Einnahmen einer ganzen Woche wert sein, wenn nicht mehr.
»Setz dich in Trab!« zischte der Wirt seinem überlasteten Schankmädchen zu und versetzte ihm einen schnellen Tritt gegen das Schienbein. »Räume den Tisch in der Ecke neben dem Feuer frei und bring sofort drei Becher vom Besten.«
»Sehr wohl, Herr.« Das verschwitzte Mädchen strich sich eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn und hastete davon.
Die Neuankömmlinge standen in der Tür und musterten den niedrigen Raum mit seinen rauchgeschwärzten Deckenbalken, die lärmenden Zecher, rümpften die Nasen über den schalen Biergeruch, die Ausdünstungen menschlicher Körper. Nur das Hereinbrechen der Nacht und der Mangel an einer geeigneten Unterkunft kann sie auf meine Schwelle geführt haben, dachte der Wirt. Ich muß verhindern, daß sie wieder das Weite suchen.
»Willkommen, die Herren!« rief er, wischte sich die Hände an der schmutzigen Schürze ab und eilte ihnen mit einem breiten Grinsen entgegen. »Es geschieht nicht häufig, daß ich edle Ritter wie Euch in meiner bescheidenen Herberge begrüßen darf. Tretet ein, kommt näher. Im Handumdrehen wird die Maid Euch einen Tisch bereiten.«
Hinter sich hörte er das laute Grölen der Gäste, die das Schankmädchen zum Verlassen des Ecktisches nötigte und kurzerhand zu einer anderen Gruppe vor dem Kamin schob. Verstohlen schätzte der Wirt die drei Männer ab. Jünger, als es zunächst den Anschein hatte, aber auch nobler, keine Ritter der Straße, die sich ihren Lebensunterhalt ergaunern, sondern junge Männer des Hofes, sehr wahrscheinlich Gefolgsleute des Königs. Zwei von ihnen sind Brüder, entschied er, auch wenn der kleinere braunhaarig und verschlossener ist als der andere mit seinen blonden Haaren und dem offenen Gesicht. Aber was ist von dem größten der drei zu halten?
Allem Anschein nach waren die Brüder ihm verpflichtet, und er entschied, was zu tun war. Der dunkle Ritter hing beflissen an seinen Lippen, während sich der hellhaarige geduldig im Hintergrund hielt. Aber der dritte Ritter wirkte, als lasse ihn seine Umgebung kalt. Er war von schlanker, geschmeidiger Gestalt, und seine glühenden braunen Augen blickten so bohrend, als richteten sie sich ins Jenseits; er stand halb abgewandt, als zögere er, die Schenke zu betreten und den Schutz der Dunkelheit zu verlassen.
Selbst der Wirt erkannte, daß der Fremde kein gewöhnlicher Mann war. Er trug einen grünen, mit silbernen Knöpfen besetzten Rock aus weichem Leder und darüber einen feinen Wollumhang in der gleichen Farbe. Seine kastanienbraunen Haare besaßen einen glänzenden Schimmer, und jede seiner Bewegungen sprach von anmutiger Würde. Er stand auf der Schwelle mit dem Ausdruck so inbrünstiger Trauer, als hätte er etwas verloren und die Hoffnung aufgegeben, es jemals wiederzufinden.
Der Wirt nahm das alles in sich auf, und das Herz drehte sich ihm im Leibe um. Er erinnerte sich an einen Ritter wie diesen, der vor Jahren in den Wald gegangen und niemals wiedergekehrt war. Er hatte so wohltuend für die Augen ausgesehen wie dieser Gast, und alle in der Stadt sagten, die Feenkönigin hätte ihn zu sich geholt, als ihren Geliebten.
Tod und Teufel, fluchte der Schankwirt in sich hinein. Warum ließ er sich von diesem fremden Ritter auf derart abwegige Gedanken bringen? Und wo blieb dieses törichte Mädchen? Er drehte sich um, packte die Magd im Nacken und kniff derb zu. »Geh in den Keller, dummes Ding!« befahl er grob. »Und hole den Wein aus dem hinteren Regal. Du weißt schon, welchen.«
Er hob die Hand, um ihr Beine zu machen. Aber zu seiner Verblüffung trat der hochgewachsene Ritter zwischen ihn und seine Dienstmagd, dieses faule Luder, das er nur aus Gutmütigkeit aufgenommen hatte.
»Keine Not, die Maid unseretwegen zu drangsalieren, Herr Wirt. Wir können warten, bis die Reihe an uns ist«, sagte er. Und wagt es ja nicht, sie zu schlagen, drohte er mit jeder Faser seiner angespannten Haltung.
Bis zu ihrer letzten Stunde würde das Schankmädchen den verächtlichen Ausdruck in den funkelnden Augen des Fremden nicht vergessen, mit dem er den Wirt bedachte. Er war ein großer Herr, und doch erkannte sie in ihrer Einfalt an ihm etwas von ihrer eigenen Schwermut wieder, der täglichen Qual eines liebeleeren Lebens.
Während sie in den Keller eilte, hörte sie hinter sich die mürrischen Worte des Wirtes. »Wie Ihr meint, Sir. Ganz, wie Ihr sagt.« Er war zornig, das hörte sie an seiner Stimme. Trostlose Hilflosigkeit überkam sie. Wie gut und edel von dem großen Ritter, sich auf diese Weise für sie zu verwenden. Aber wo wäre er, wenn sie später bitter dafür bezahlen mußte?
Wie kann die dumme Gans mich auf diese Weise bloßstellen, wütete der Wirt innerlich. Nun, das würde ihr noch leid tun – sobald die drei gegangen waren. Und was brachte den Ritter bei allem guten Aussehen und seiner sicherlich edlen Herkunft auf den Gedanken, er sei etwas Besseres als andere Menschen? Woher nehmt Ihr die Unverfrorenheit, einem Mann zu verbieten, mit seiner Dienstmagd zu verfahren, wie es ihm beliebt, Sir Hochwohlgeboren, begehrte er unhörbar auf, während er laut und beflissen über die Lippen brachte: »Ich habe ein fettes Huhn im Topf und schmackhafte Sülze vorrätig. Was darf ich Euch servieren lassen, Ihr Herren?«
Der hochgewachsene Ritter schüttelte abwehrend den Kopf. »Mir ist nicht nach Essen zumute, Bors«, sagte er zum älteren der Brüder. »Aber du und Lionel, ihr bestellt, wonach es euch verlangt. Ich sehe nach den Pferden und leiste euch danach Gesellschaft.«
Sir Bors trat zur Seite und sah dem großen Ritter nach, der in der Dunkelheit verschwand. »Nun, Herr Wirt, mein Bruder und ich werden bei Euch essen«, wandte er sich an den Schankwirt. »Tafelt vom Besten auf, das Ihr habt.« Sein leutseliger Tonfall kaschierte die Sorge nicht, die er sich um den dritten Ritter zu machen schien. Und wieder durchzuckten bohrende Fragen das Hirn des Schankwirts. Wer ist dieser Mann? Warum diese große Fürsorge für ihn?
Aber zwei Vögel in der Hand ...
Hastig zog der Wirt seine neuen Gäste in den Schankraum und führte sie zu dem rohen Holztisch in der Ecke. Ein lauter Befehl ließ das Schankmädchen mit dem Wein heranhasten, und ein Knuff sorgte dafür, daß es nur wenig davon verschüttete und keinen einzigen Tropfen auf die Ritter verspritzte. Er wartete, bis sie einen Schluck getrunken hatten, um sich dann listig an das heranzupirschen, was er wissen wollte.
»Das ist ein köstlicher Wein«, begann er. »Der beste unter diesem Dach. Aus Frankreich. Wie Ihr auch, wenn mich meine Ohren nicht täuschen.« Er legte eine Kunstpause ein. »Ist da nicht der Hauch eines französischen Akzents Euren Stimmen zu entnehmen, Sirs?« lächelte er jovial.
Übler hätte es kaum kommen können, dachte Bors mißmutig. Ausgerechnet ein Speichellecker, Prahlhans und Schwachkopf muß heute Nacht unser Herbergsvater sein. Nun, das läßt sich nicht ändern. Wir sind nicht zu unserem Vergnügen unterwegs. Heute sind dieser Landtrottel und sein ungenießbarer Wein unser Unglück. Vielleicht wünschen wir uns morgen hierher zurück.
Er trank einen zweiten Schluck sauren Wein und schüttelte den Kopf. »Wir sind nicht aus Frankreich. Frankreich ist unser Nachbarreich und uns überlegen.«
Der jüngere Ritter lachte. »Wir sind aus Klein-Britannien, Söhne des Königreichs Benoic. Aber wir weilen hier seit unserer Knabenzeit. Wir sind jetzt Ritter dieses Eilandes.«
»Dann begebt Ihr Euch nach Camelot, um an dem Fest der Königin teilzunehmen«, mutmaßte der Wirt und machte eine Kopfbewegung durch den Raum. »Wie die meisten Gäste hier. Seit einer Woche und mehr verstopfen sie die Straßen.« Er gähnte. »Natürlich wird dieser Abschaum nicht mit den Rittern und Lords speisen. Aber die Königin trägt Sorge, daß genug für alle da ist, die kommen. Und sie nehmen die Königin, König Arthur und alle seine Ritter beim Turnier in Augenschein, um kreuzfidel wie Vögel in der Balz wieder heimzukehren.« Grinsend rieb sich der Wirt die Hände und ließ Reihen faulender Zähne sehen. »Seit zehn Jahren sitzen sie auf dem Thron und sind seit zehn Jahren vermählt. Das ist doch ein Grund zum Feiern, was, Ihr guten Herren? Zehn Jahre! Und Frieden und Wohlstand für uns alle.«
»Wohl bekomm’s, Herr.« Unaufgefordert stellte das Schankmädchen einen randvollen Krug in die Reichweite seines Herrn und Meisters. Wenn ihn das bei Laune hielt oder, besser noch, trunken machte, könnte es unter Umständen dem Los entgehen, das er gewöhnlich für seine Dienstmagd bereithielt, wenn er die Schenke geschlossen hatte und seine Frau schlief. Die Finger des Wirts schlossen sich um den Bierkrug, und er tat einen tiefen Zug, bevor er sich wieder seinem Thema widmete.
»Ihr werdet Euch nicht erinnern, wie es zuvor aussah, junge Herren. Ihr seid weit entfernt in Frankreich aufgewachsen. Oh, es lebte sich im Sommerland gut und friedlich genug unter der Herrschaft der Königinnen, und wenn Ihr mich fragt, war Königin Guenevere die beste von allen. Aber nach dem Tod von König Uther verwahrloste das Mittlere Königreich. Kleinkönige haderten, Ritter kämpften miteinander ohne Ende. Dann kam König Arthur und beanspruchte das Reich für sich, und wir alle frohlockten, wieder einen Pendragon auf dem Thron zu sehen. Und als die Königin ihn heiratete und zu ihrem König machte, vereinten sie ihre beiden Reiche. O ja, Ihr Herren, es gibt vieles, wofür wir dankbar sein müssen.«
Die beiden Ritter tauschten Blicke aus. »Wir begeben uns nicht nach Camelot«, sagte Bors schließlich. »Wir wünschen dem König und der Königin alles Gute für ihren großen Tag, aber man verlangt nach uns anderswo. Mit dem ersten Boot brechen wir morgen nach Klein-Britannien auf.«
Verblüfft starrte der Wirt sie an. »Aber sie ernennen zu Pfingsten neue Ritter, neue Teilnehmer an der Tafelrunde. Im Rahmen einer großartigen Zeremonie. Die wollt Ihr doch gewiß nicht versäumen, junge Herren?«
Es sei denn ...
Ein düsteres Feuer begann in den Augen des Wirts zu glimmen. Es sei denn, sie hatten den Hof in Ungnade verlassen, waren mit Schimpf und Schande davongejagt und verbannt worden. Welchen Vergehens konnten sie sich schuldig gemacht haben? Zügelloser Trunkenheit, Lüsternheit? Hatten sie eine Lady in Unehre gebracht? Er griff nach einem Stuhl, um sich zu ihnen zu setzen. »Ihr habt Camelot also verlassen, Lords? Berichtet mir doch, was Euch dazu bewog ...«
Was für ein unverbesserlicher Tor er doch ist, dachte die junge Dienstmagd. Er behandelt die feinsten Ritter, die je unter seinem Dach weilten, wie seine Trinkkumpane und steckt seine Nase in Angelegenheiten, die ihn nichts angehen. Mit seiner Schnüffelei wird er sie vertreiben und es mich dann entgelten lassen.
Am Kamin brach ein heftiger Streit aus. Einer der Zecher, ein grobschlächtiger Einheimischer, bedrohte einen Reisenden, der gekleidet war wie ein Kaufmann. »Wen meint Ihr mit hirnlose Trottel?« schrie er. »In diesem Dorf gibt es ebenso helle Köpfe wie dort, woher Ihr kommt.«
»Entschuldigt mich einen Augenblick, Sirs.« Der Wirt eilte davon, um den Hader zu schlichten. Bors sah Lionel an und hob fragend die Brauen. Sein Bruder nickte kaum merklich.
Die beiden standen bereits, als der hochgewachsene Ritter den Schankraum betrat. »Wir brechen auf?« erkundigte er sich gelassen.
Bors nickte. »Ich halte es für besser weiterzuziehen«, sagte er leise. »Hier finden wir keine Ruhe.«
Lionel lächelte kläglich. »Lieber eine Nacht im Freien verbringen, unter den Sternen. Zu kalt wird es kaum sein und sehr viel angenehmer.«
»Wie ihr meint.« Der große Ritter erwiderte das Lächeln. »Wir haben oft genug draußen geschlafen, so daß wir uns davor nicht fürchten.«
Ängstlich kam die Schankmaid auf sie zugeflogen. »Oh, Ihr wollt wirklich gehen, Lords? Sagt ihm, daß es nicht meine Schuld ist, ich flehe Euch an. Und wäret Ihr so gut, ein wenig Geld für den Wein zurückzulassen?« Tränen traten in ihre Augen. »Sonst wird er ...«
Der hochgewachsene Ritter blickte sie freundlich an. »Mein Vetter wird genügend Silber für ein ganzes Faß Wein geben. Nicht wahr, Bors?«
Lächelnd nickte Sir Bors und griff nach seiner Geldbörse, als der große Ritter fortfuhr: »Und er wird auch Euch Gold geben. Ihr müßt diesen Mann verlassen, der Euch schlechter behandelt als einen Hund. Wir reiten zur Küste, um über das Meer zu fahren, sonst würden wir Euch selbst fortgeleiten. Aber hört auf mich. Geht nach Camelot und bittet die Königin, Euch in ihre Dienste zu nehmen. Sie ist die nobelste Lady der Welt. Sie wird Euch gut behandeln, darauf habt Ihr mein Wort.«
Er hob den Kopf und sah aus, als blicke er durch die Wand der Schenke in irgendein Paradies. »Dort am Hof ist Platz für Euch, in einer Welt voller Liebe und Würde, und Guenevere ist ihr Mittelpunkt. Richtet der Königin unsere ergebensten Wünsche für ihr Wohlergehen aus. Sagt ihr, daß wir bei ihr sind, wohin auch immer wir gehen.«
Das Mädchen nickte benommen, seine aufgesprungenen Lippen zitterten, als ringe es um Worte. »Ich danke Euch, Sir«, stammelte es schließlich.
Er lächelte verhalten. »Mögen die Himmlischen Euch begleiten. Und möge Sie, die Mutter von allen, Euch gnädig sein und Euer neues Leben segnen.«
Dann drehte er sich um und verließ die Schenke. Sir Lionel folgte ihm auf den Fersen. Als auch Sir Bors zur Tür ging, bemerkte das Mädchen, daß es ein Silberstück und eine große Goldmünze umklammerte.
»Aber Sir!« keuchte das Mädchen. »Was soll ich der Königin sagen, wer mich schickt?«
Bors’ Lächeln enthielt alle Traurigkeit der Welt. »Sagt ihr einfach, Ihr wäret Lancelot begegnet.«
Tief am Horizont ging der Stern der Liebenden auf. Guenevere trat ans Fenster und entzündete behutsam die große Kerze, die dort stand. Sie verharrte einen Moment, bis die winzige Flamme richtig brannte und ihre Botschaft in die Nacht schickte. Vom Fenster ihrer Turmkammer aus wäre das Licht über Meilen hinweg zu sehen. Lächelnd hob sie ihren Blick zum Vollmond auf. »Göttin, Mutter«, betete sie, »beschütze meine Liebe ...«
Sobald die Kerze stetig brannte, erwärmte ihr Honigduft die Luft. Guenevere hörte, wie hinter ihr die Tür geöffnet wurde, dann die vertrauten Schritte ihrer Zofe. »Nun, Ina«, fragte sie mit bebenden Lippen, »was gibt es Neues?«
Das Gewand der Zofe raschelte, als sie in einem Knicks versank. »König Arthur läßt seine Grüße überbringen, my Lady, und bittet Euch zu sich in die Empfangskammer. König Ursien von Gore ist eingetroffen.«
Wohl wissend, wie er nach der wochenlangen Reise roch, stand König Ursien in der niedrigen, holzverschalten Kammer und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Warum wünscht uns die Königin sofort nach unserer Ankunft zu sehen?« fragte er seinen Ritter mißmutig.
Das wißt Ihr sehr wohl, hoher Herr, entgegnete der besorgte Blick des jungen Mannes.
Ursien machte eine abwehrende Handbewegung. »Für derlei bin ich zu alt!« stöhnte er auf. »Die Götter wissen, daß ich nicht mit Federbetten und Glühwein empfangen werden muß. Aber nach einer auszehrenden Reise brauche ich meine Ruhe und kann mit der Königin keine Spielchen spielen.« Er setzte seinen Helm ab und fuhr sich mit der Hand durch das graue Haar. »Ich kann ihr nicht geben, wonach es sie verlangt, Accolon!«
Der junge Ritter biß sich auf die Lippe und senkte den Blick. Ihr Götter da oben, fluchte Ursien innerlich, was ist nun wieder mit Accolon los? Unerklärliche Stimmungsschwankungen und Zornesausbrüche hatten jeden Schritt ihrer langen Reise nach Süden begleitet. Was hatte das zu bedeuten? In seiner Jugend benahmen sich Ritter nicht wie liebeskranke Jungfrauen. Aber finde dich damit ab, Ursien, riet er sich düster, jeder alte Recke, der die Kämpfe seiner Jugend übersteht, von den Turnieren seiner besten Mannesjahre ganz zu schweigen, ist dazu verdammt, weniger glorreiche, trübere Tage zu durchleben.
Immerhin würde es jeden jungen Ritter bedrücken, wenn sich die Königin von Gore ausgerechnet dann in Luft auflöste, als er, Accolon, für ihren Schutz verantwortlich war. Selbstverständlich fühlte sich Accolon schuldig, das war nur natürlich. Und nicht nur Accolon, sondern alle seine Ritter. Darüber hinaus konnte es ihrem Vertrauen in ihren Herrn kaum förderlich sein, daß er seine Frau nicht im Griff hatte. Faß dir an die eigene Nase, Ursien, dachte er, bevor du anderen Vorwürfe machst.
Nun, er hatte gefehlt. Ursien straffte die müden Schultern und atmete tief durch. Gegenüber einem Hochkönig bedeutete Verfehlung für gewöhnlich den Tod. Den Göttern sei Lob und Dank, daß Arthur dafür zu großherzig war. Und weiß Gott, er kannte diese Frau. Sie mußte vom Hof verbannt werden, und dafür hatte Arthur sich Gore erwählt. Und Ursien konnte die Ehre einer Vermählung mit der Schwester des Königs natürlich nicht zurückweisen.
Des Königs Schwester.
Morgan le Fay.
Bei allen Göttern, war das eine Frau! In der Erinnerung verspürte Ursien wieder dieses unbändige Verlangen, eine Lust, die sein Verderben geworden war. Aber mit ihrem geschmeidigen Körper, dem schneeweißen Gesicht und pechschwarzen Haar, ihren bestrickenden Augen und üppigen Lippen hätte sie wohl in den Lenden jedes Mannes Lust aufkommen lassen. Als erprobter alter Kämpe fand Ursien besonderen Gefallen an der Vorstellung, seine Manneskraft auf tückisch-vertracktem Gebiet zu beweisen, der geheimsten Blöße dieser Teufelin.
Nun, diese Wonne war ihm nie vergönnt. Mit bitterem Lächeln erinnerte er sich daran, daß er seine Frau zwar über die Maßen begehrt, aber nie besessen hatte.
Und er war sich seines Vorteils so sicher gewesen. Er hatte gewußt, daß es einen Grund für Arthurs dringende Botschaft geben mußte, die ihn in den Süden rief. Sofort nach seiner Ankunft waren ihm die Gerüchte zu Ohren gekommen, aber niemals hätte er Arthur eines solchen Vergehens für fähig gehalten. Doch als er die Schwester oder Halbschwester erblickte, war ihm alles klar.
Unverzüglich mutmaßte er, daß es da mehr zu verbergen galt als eine verbotene Liebe, wie schamvoll die auch immer war. Mit eigenen Söhnen gesegnet, verspürte Ursien kein Verlangen, den Bastard eines anderen Mannes aufzuziehen, selbst wenn der andere ein König war. Und so umgab er sie nach der Vermählung, als er mit ihr nach Gore zurückgekehrt war, in ihrer abgeschiedenen Kammer Tag und Nacht mit ihren Frauen – für den Fall, daß sie Arthurs Kind in sich trug.
Nach kurzer Zeit bestätigten die Frauen seinen Verdacht, und damit war alles Weitere klar. Sobald Morgan Arthurs Kind zur Welt gebracht haben würde, sagte er sich, bliebe ausreichend Zeit für die Ausübung seiner ehelichen Rechte.
Nun, da irrte er. Stattdessen war sie verschwunden und der Knabe, den sie geboren hatte, mit ihr. War aus der Burg geflohen, obwohl er ihre Tür fest verschlossen hielt. Ursien lächelte bitter. Jetzt war er vermählt und doch nicht vermählt, ein Gemahl ohne Gemahlin. Nach Dirnen verspürte er kein Verlangen, noch würde er sich jemals eine Konkubine nehmen. Er wollte seine Frau, doch die wollte ihn nicht. Morgan hatte sich mit ihnen allen ein Spielchen erlaubt.
»Spielchen«, wiederholte er laut und trat rastlos ans Fenster. Gegenüber, auf der anderen Seite des Burghofes, schimmerte die Kapelle in der Abenddämmerung. Mönche liefen auf und ab, die Hände in den Ärmeln, die gesenkten Köpfe in den Kapuzen ihrer Kutten verborgen. Fetzen gregorianischer Gesänge erfüllten die Luft. Durch das hohe Fenster konnte Ursien die Ewige Flamme sehen, glutrot wie das Auge eines Drachen. »Ihr Götter, gibt es denn nicht schon genug Elend in der Welt?« stöhnte er auf.
»Sir?« Accolon trat neben ihn und folgte seinem Blick.
Ursien hob die Hand. »Da.«
Fast konnte er den Weihrauch in der Kapelle riechen, den feuchten Steinboden, den Schimmel an den Wänden, den Schweiß der Gepeinigten. »Zu meiner Zeit wurden Ritter ernannt, ohne sich dieser Folter unterziehen zu müssen. Aber seit die Christen auch dabei das Sagen haben, muß ich mit ansehen, wie junge Männer im Namen des Glaubens gequält werden. Und kein einziges Mal habe ich erlebt, daß sie dadurch bessere Ritter geworden wären.«
Abrupt drehte er sich zu Accolon um. »Ihr natürlich nicht. Ihr seid Arthurs Ritter gewesen, bevor Ihr in meine Dienste tratet.«
Accolon verneigte sich. »So war es, Herr.« Flüchtig zuckte der Ausdruck verdrießlichen Bedauerns über seine Züge. »Wäre ich doch nur bei König Arthur ...«
»Unsinn, Accolon«, schnitt ihm Ursien das Wort ab. »Ihr hattet keine Wahl, vergeßt das nicht. Der König hat Euch nach Gore geschickt, damit Ihr über Königin Morgan wacht, ihr Ritter werdet. Er weiß, daß sein Vertrauen in Euch berechtigt war. Euch trifft keine Schuld an den Vorkommnissen. Nicht die geringste!«
Schweißperlen traten auf Accolons Stirn. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Sir ...«
»Genug davon! Reißt Euch zusammen, Mann. Ihr seid nicht der einzige, der dem König und der Königin Rede und Antwort stehen muß.« Rauh auflachend wandte sich Ursien wieder dem Fenster zu. »Und es könnte ärger sein. Ihr könntet jetzt da unten auf Euren Knien liegen, um Eure Ergebenheit zu beweisen.«
Er spähte durch die grünliche unebene Fensterscheibe. Vor der Kapelle stützte sich ein Ritter in voller Rüstung auf sein Schwert. Er wandte der Tür den Rücken zu und überblickte wachsam den Burghof.
»Das ist Gawain.« Ursien drückte sein Gesicht näher an die Scheibe und winkte Accolon zu sich heran. »Wahrscheinlich hält er Wache für seine drei Brüder. Mir war bewußt, daß sie in Le Val Sans Retour ihre Sporen verdient haben, hatte aber vergessen, daß sie zu Pfingsten zu Rittern geschlagen werden.«
Accolon nickte grämlich. »Sie werden sich bestimmt als Ritter bewähren.«
Nachdenklich fuhr sich Ursien mit den Fingern durch den ergrauten Bart. »Die beiden jüngeren vielleicht«, sagte er schließlich. »Aber Agravain ...«
»My Lord!« Accolon spitzte die Ohren. »Die Königin.«
Schritte, Bewegung, der Türsteher ließ die königliche Fanfare ertönen. Die schweren Eichentüren schwangen auf, und beide Männer fielen auf die Knie. Als Ursien den Kopf hob, sah er, daß König Arthur Guenevere den Vortritt ließ.
Sie trug eine lange Robe aus cremefarbener Seide, deren hermelinbesetzte Ärmel bis auf den Boden hinabfielen. Ihre Taille umschlang ein goldener Gürtel, und bei jedem Schritt wogte ein goldener Umhang um ihre Schultern. Goldene Ketten und Armreifen funkelten an ihrem Hals und ihren Handgelenken, Mondsteine und Kristalle blitzten an ihren langen, schmalen Fingern. Auf ihrem Haupt hielt der uralte Krönungsreif der Königinnen des Sommerlandes die Fülle ihrer goldblonden Haare zusammen. Der große Mondsteinanhänger schimmerte auf ihrer Stirn.
Hinter ihr betrat Arthur das Gemach. Er trug einen Rock aus feiner roter Wolle und einen dunkelblauen goldbepaspelten Seidenumhang. An seinem breiten Goldgürtel hingen ein prächtiges Schwert und ein silberner Dolch in Form zweier im Kampf miteinander verschlungener Drachen. Auf seinen dichten blonden Haaren saß eine goldene Krone, breite Goldarmbänder schmückten seine Handgelenke.
Voller Verehrung starrte Ursien Guenevere an. Sein ganzes Leben lang hatte er Frauen kommen und gehen gesehen, Königinnen und Troßhuren, junge und alte, blonde und dunkelhaarige, dicke und dünne. Aber die Königin war anders, stellte sie alle in den Schatten. Wie alt ist sie, fragte er sich. Dreißig Jahre alt, fünfunddreißig? Ihre hochgewachsene, wohlgeformte Gestalt verriet nicht, daß sie ein Kind geboren hatte, nichts von ihrem Leid. Und Leid hatte sie weiß Gott genug erfahren. Jede andere Frau wäre dem Wahnsinn verfallen, hätte sie ihren Sohn auf ähnliche Weise verloren wie Guenevere. Aber ihr liebreizendes Gesicht, ihr strahlendes Lächeln waren noch genauso, wie er es vom Tag ihrer Vermählung in Erinnerung hatte.
Während Arthur ...
Wie lange ist es her, fragte sich Ursien, daß Merlin nach Gore kam und ihn bat, den Jungen unbekannter Herkunft aufzunehmen? Das Kind, das sich später als einziger Sohn von Uther Pendragon herausstellte, seinerzeit König des Mittleren Königreiches und Hochkönig aller Inselstämme?
Innerlich aufstöhnend machte sich Ursien sein eigenes Alter bewußt. Es mußte vor fünfunddreißig Jahren oder mehr gewesen sein, daß er das Kind aufnahm und seinem vertrauenswürdigen Ritter Sir Ector zur Pflege übergab. Fünfunddreißig Jahre! Er mußte zugeben, daß Arthur jedes einzelne Jahr anzusehen war. Seine dichte, sandfarbene Haarmähne zeigte zwar kaum graue Strähnen, aber die machtvolle Gestalt beugte sich unter der Last der Sorge, und tiefe Falten zogen sich von der Nase zum Kinn. Ja, er trauerte noch immer um Morgan, dachte Ursien bekümmert. So wie auch er.
»Sire ...« begann er unbehaglich.
Guenevere kam auf Ursien zugeeilt und ergriff seine Hände. »Willkommen, my Lord!« rief sie herzlich und zog ihn auf die Füße. Sie warf ihrem Gemahl einen flehenden Blick zu. Arthur, Arthur, heiße unseren alten Freund Ursien willkommen. Nach allem, was geschehen ist, braucht er unsere Zuneigung. Ihn trifft keine Schuld, es ist ihm nichts vorzuwerfen.
Arthurs Miene blieb unbewegt. »Kommt, Guenevere!« rief er, und sein Tonfall sagte Ursien alles.
Arthur stellte sich vor den leeren Kamin und zog Guenevere an seine Seite. Sie erschauerte unwillkürlich. Wie kalt er ist, dachte sie, als sie die verschlossene Miene ihres Gemahls bemerkte. Es war kühl in der Kammer, und ein unangenehmer Wind rüttelte am Fensterflügel. Guenevere hüllte sich enger in ihren Umhang. Wie kalt es ist, dachte sie. Wir hätten ein Feuer entzünden sollen.
Mit einer knappen Handbewegung forderte Arthur Ursien und Accolon zum Nähertreten auf. »Also, Ursien, was gibt es Neues zu berichten?«
Ergeben richtete Ursien den Blick zur Kammerdecke. »Es gibt keine Neuigkeiten, Sire. Nicht die geringsten.«
Arthur verspannte sich. »Sie kann doch nicht verschwunden sein!«
Guenevere verkrampfte die Hände und zwang sich zur Ruhe. Du weißt, daß sie es kann, Arthur.
»Und der Knabe?« wollte Arthur wissen.
Als sie sah, wie Arthurs Gesicht die Farbe wechselte, unterdrückte Guenevere ein Aufstöhnen. Warum willst du das wissen, Arthur? Warum quälst du dich selbst? Er ist bei ihr, wo immer sie auch sein mag. Dessen können wir gewiß sein.
»Wir haben das Land von unseren Grenzen bis zum Meer erkundet«, fuhr Ursien fort, »unsere Suche auf die walisischen Lande ausgedehnt und bis an die Gestade gegenüber der Insel der Druiden.« Er lachte rauh auf. »Ohne Erfolg. Überall auf diesen Inseln kann sich Morgan le Fay versteckt halten.«
Die Erwähnung des Namens ließ Arthur zusammenzucken. »Spart Euch die Hinweise, Ursien! Meint Ihr, ich könnte jemals vergessen, wozu sie fähig ist? Was sie uns bereits angetan hat?« Mit zuckendem Gesicht wandte er sich Guenevere zu und nahm ihre Hand. »Oh, meine Liebe ...« Er brach ab und rang verzweifelt um Beherrschung. »Ich ... ich ...« Er schüttelte den Kopf. »Entschuldigt mich, Ursien.« Das Gesicht mit den Händen bedeckend, verließ er abrupt das Gemach.
»My Lady«, fragte Ursien bestürzt, »habe ich den König gekränkt?«
Guenevere trat auf Ursien zu und ergriff seine Hand. »Plagt Euch nicht selbst mit Schuldzuweisungen. Ihr habt den König gehört. Er hat sich nie verziehen, Euch in diese Angelegenheit hineingezogen zu haben.« Sie schwieg einen Moment lang. »Obwohl er wußte, obwohl wir alle wußten, wozu Morgan fähig ist ...«
»Tröstet Euch, Madam, mir ging es nicht anders. Ich war fest überzeugt, dieser Zauberin gewachsen zu sein.« Unbeherrscht lachte er auf. »Nie habe ich mehr geirrt.«
Guenevere schüttelte den Kopf. »Der König wirft Euch nichts vor. Ihm ist bewußt, daß Ihr Euer Bestes getan habt, sie füglich zu bewachen.«
»Eine Zauberin und Hure kann man nicht bewachen!« brach es aus Ursien heraus. »Ein Geschöpf des Bösen, das Männern die Seele aussaugt! Der König muß sich wünschen, sie auf dem Markt auspeitschen und dann aufs Rad flechten zu lassen, damit ihr Stück für Stück die Glieder gebrochen werden. Nicht nur als Vergeltung für all die Männer, die sie verhext hat, sondern auch wegen Amir.«
Ein leiser Laut entfuhr Guenevere. Sie erstarrte.
Amir.
In letzter Zeit hatte sie kaum noch seinen Namen gehört. Sein Klang hallte in ihr wider. Dann trübten sich ihre Augen, und sie sah, wie er mit ausgestreckten Armen auf sie zugelaufen kam. Seine blonden Haare leuchteten wie Arthurs in der Sonne, er drängte sich an sie, um geküßt zu werden. Wie warm sich sein kleiner, stämmiger Körper anfühlte ...
Amir.
Sie hatte ihn verloren, vor Jahren schon.
Guenevere erschauerte heftig und kam wieder zu sich. Sie wußte nichts von den Tränen, die in ihren Augen standen.
»Fürchtet nichts, König Ursien«, sagte sie leise und legte eine Hand auf seinen Arm. »Mein Sohn braucht eine solche Vergeltung nicht. Und befürchtet auch nicht, daß König Arthur jemals einer Frau das Leben nehmen könnte, schon gar nicht das einer Königin, Eurer Gemahlin. Sie ist noch immer seine Schwester, sein eigen Fleisch und Blut. Wir hoffen beide, daß sie uns nicht mehr schaden wird. Jeden Tag betet der König, sie möge uns niemals wieder unter die Augen kommen.« Sie machte eine kurze Pause, zwang sich dazu, den Namen auszusprechen. »Aber falls Morgan le Fay gefunden werden sollte, schwöre ich Euch, daß sich der König von Vernunft leiten läßt und nicht von Rachedurst.«
Könnte sich irgendeine andere Frau so großmütig gegenüber einer Rivalin erweisen, die ihren Gemahl verführt und Ränke geschmiedet hatte, ihren Platz einzunehmen? Nachdenklich nagte Ursien an seiner Unterlippe. Guenevere konnte es. Es waren bereits zu viele gegen ihren Willen gestorben. Sie würde diesen Marsch des Todes beenden. Mit neuem Respekt sah er die Königin an.
»Und bis es soweit ist, laßt uns so unbeschwert wie möglich sein.« Tapfer bemühte sie sich um ein Lächeln. »Morgen feiern wir die zehn Jahre unserer Ehe und unserer Herrschaft. Ihr müßt mit uns das Glas erheben, my Lords, und auf das Wohl unserer neuen Ritter trinken.«
Ungeweinte Tränen schimmerten in ihren Augen. Überrascht spürte Ursien, daß auch seine alten Augen feucht wurden. Wie schön sie war, wie traurig, wie einsam. Was hatte er doch gleich über Lancelot gehört? Nun, das hatte Zeit.
Mit einer anmutigen Handbewegung deutete Guenevere auf das Fenster und die dahinterliegende Welt. Inzwischen hatte sich die purpurfarbene Dämmerung auf die sanften Hügel und grünen Weiden des Sommerlandes gelegt, auf seine dichten Wälder. Am Horizont funkelte die Venus, der Stern der Liebenden. Guenevere lächelte.
»Der Himmel ist klar, morgen wird ein schöner Tag werden. Meine Druiden sagen mir, daß die Götter zu Ehren unserer Festlichkeiten die Sonne scheinen lassen werden.« Sie trat zwischen Ursien und Accolon, umfaßte ihre Arme. »Und nach dem Fest, wenn alle Gäste fort sind ... Werdet Ihr dann mit dem König auf die Jagd gehen, Ihr guten Lords? Werdet Ihr irgendwohin reiten, wo es angenehm und erholsam ist?«
Ursien machte eine Kopfbewegung zu seinem Ritter hin. »Das hat Sir Accolon gleichfalls vorgeschlagen.«
Guenevere drückte seinen Arm. »Also seid Ihr bereit, mit Arthur auszureiten, alter Freund, und ihm dabei zu helfen, seine Kümmernisse zu vergessen?«
Ursien seufzte, aber es klang wie ein Stöhnen. »Wenn es uns möglich ist, my Lady«, sagte er bedrückt. »Wenn es uns möglich ist.«
Träumte ihm, oder zog die Morgendämmerung herauf? Gawain zwinkerte müde und verspürte einen scharfen Schmerz im Rücken, als er sich von seinem Schwert aufrichtete. Behutsam streckte er seine schweren Glieder. Jedes einzelne Gelenk tat ihm weh.
»Bei allen Göttern«, fluchte er leise, »nimmt diese lange Nacht denn nie ein Ende?« Auf dem Burghof war es so feucht und kalt wie im Grab. Das Gewicht seiner Rüstung drückte sich in sein Fleisch, sein Mund fühlte sich an, als wäre er voller Sand, und während der ganzen dunklen Nacht hatten ihn seltsame Erscheinungen und Geräusche beunruhigt. Was hatte ihn nur zu dem Schwur bewogen, Stunde um Stunde mit seinen Brüdern zu wachen?
Mißmutig stöhnte er auf. Was anderes als ein deftiger Rausch und Gefühlsseligkeit? Er machte sich keine Sorgen um die drei, nicht einmal um Gareth, den jüngsten. Der jüngste? Leise lachte er in sich hinein. Gareth war der jüngste und größte der Söhne von König Lot, und das wollte viel heißen. Sie waren alle starke, kräftige Burschen, groß und zäh wie ihr Vater, dafür hatte König Lot gesorgt. Aber nach Lots Tod war Gawain das Oberhaupt der Familie und für alle verantwortlich.
Die Familie ...
Der hochgewachsene Ritter verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und machte sich bewußt, daß mit diesem schlichten Wort den Verwicklungen seiner Sippe nicht einmal annähernd Genüge getan wurde. Natürlich war Uther Pendragon kein gewöhnlicher Mann gewesen, sondern ein Held und geliebt von den Göttern. Aber sein Sehnen und Trachten galt einer Königin, die bereits einen Gemahl hatte, Kinder und ein eigenes Reich. Und das alles hatte Uther ihr genommen, um sie zu der Seinen zu machen ... Nicht unbedingt ritterlich, wenn man es recht betrachtete.
Aber wer bin ich, darüber zu richten, dachte Gawain unbehaglich. Könige konnten nun einmal nicht am Verhalten gewöhnlicher Menschen gemessen werden. Und Uthers Missetaten hatten immerhin zu einem guten Ende geführt. Hätte er sich nicht mit Königin Igraine vermählt, wäre Arthur nie geboren worden. Und daß sie ihren Gemahl dadurch verlor, daß zwei Männer um ihre Liebe rangen? Nun, das waren die Wechselfälle des Kampfes. Und wäre ihre Tochter Morgause nicht König Lot zur Gemahlin gegeben worden, hätten weder er noch seine Brüder das Licht der Welt erblickt.
Na also! Gawains Sorgenfalten schwanden, sein mächtiger Körper entspannte sich. Hinter allem Leid steckte eben ein tiefer Sinn. Das Schicksal der Menschen stand in den Sternen geschrieben, und selbst aus Grausamkeiten konnte etwas Gutes erwachsen, wenn die Götter es so wollten. Gewiß, es traf zu, daß König Uther Igraine von ihren Töchtern trennte, um die Königin ganz für sich zu haben. Aber die Maid, die auf die fernen Orkney-Inseln geschickt wurde, hatte vier Söhne geboren, die nun die ergebensten Ritter von Uthers Sohn waren.
Ja, Uthers Sohn. Gawain seufzte. Es erfüllte ihn mit unbändigem Stolz, daß er der erste Ritter war, der Arthur Treue gelobte, nachdem der das Schwert aus dem Stein gezogen hatte. Als erster Ritter Arthurs hatte er geschworen, auch sein letzter zu sein. Und jetzt wurden seine drei Brüder gleichfalls zu Rittern geschlagen. Zu ihrer großen Freude war ihre Mutter von den Orkney-Inseln gekommen, um den Festlichkeiten beizuwohnen. Das bewies doch, welch gutes Ende das Böse gefunden hatte.
Stöhnend streckte Gawain seine schmerzenden Glieder. Während ihrer Ehe mit König Lot war seine Mutter vielleicht nicht die glücklichste aller Frauen gewesen, aber nach seinem Tod herrschte Morgause als Königin über die Orkneys – nicht anders, als wenn sie zu Hause geblieben und ihrer Mutter auf den Thron gefolgt wäre. Jetzt war sie frei von König Uther, frei von König Lot und wieder eine eigenständige Frau. Und ihm, als ältestem Sohn von König Lot, oblag es, die Leitung über die Familie zu übernehmen.
Die Leitung?
Wohl kaum.
Gawain knurrte mißmutig. Niemand, nicht einmal König Lot, konnte ihrer Mutter Königin Morgause etwas befehlen. Oh, wenn ihr schwarzbärtiger Gemahl in der Nähe war, hielt sie sich zurück. Sie alle hielten den Mund, denn König Lot löste Furcht aus, keine Liebe. Aber nie hatte er gehört, daß seine Mutter trotz des beleidigenden Verhaltens des Königs ihre Stimme erhoben oder auch nur einen zornigen Blick in seine Richtung geworfen hätte.
Aber Morgause hatte auf Tintagel das Licht der Welt erblickt, und in Cornwall galt noch immer die weibliche Thronfolge. Sie war in einem Land aufgewachsen, in dem man sich an das Mutterrecht hielt, in dem die Verehrung der Großen Göttin Liebe verbreitete, keine Furcht. Sie ging Lot bewußt aus dem Weg, denn Lot betete vor den Altären noch älterer Götter, den Göttern des Blutvergießens und Mordens, und er liebte das Töten. Aber niemals hatte sie sich ihm unterworfen. Nur dort, wo Christen herrschten, waren Frauen gezwungen, sich den Männern zu beugen. Einer Frau der alten Welt sagte niemand, was sie zu tun hatte.
Und ebensowenig wie die Königin ließen sich die drei Prinzen der Orkney-Inseln etwas von ihm sagen, auch wenn er ihr älterer Bruder war. Gawain rieb sich den schmerzenden Nacken und erinnerte sich schmunzelnd an die erbitterten Kämpfe ihrer Kindheit, bei denen keiner der vier Jungen nachgeben wollte, bevor nicht eine Nase blutete, eine Lippe gespalten, ein Schädel aufgeschlagen war. Selbst Gareth hatte bereits als kleines Kind seinen eigenen Willen. Auch Gaheris, der zweitjüngste, besaß trotz seiner stillen Art, seiner himmelblauen Augen und milchweißen Haut ein eisernes Rückgrat. Und Agravain ...
Agravain.
Gawain seufzte tief auf. Nun, über Agravain würde er sich ein anderes Mal den Kopf zerbrechen.
Er reckte sich und blickte gen Osten. Wie entzündete Adern zogen sich purpurfarbene Streifen über den Himmel, und ein dumpfes Leuchten glomm in der Ferne, als stünde der ganze Horizont in Flammen. Verhieß das Wolken und Regen, obwohl die Sterndeuter der Königin gutes Wetter für das Fest versprochen hatten? Gleichgültig, ob gut oder schlecht, frohlockte Gawain, die Nacht ist endlich vorüber.
Und damit auch die Qual der in der Kapelle Eingeschlossenen. Er drehte sich zur tief im Schatten des Säulengangs liegenden Kapellentür um, und ein Geräusch erregte seine Aufmerksamkeit.
»Wer da?« Er hob sein Schwert und richtete es auf die Tür. Eine kaum wahrnehmbare Bewegung in der Dunkelheit, dann eine Waliser Stimme. »Gawain?«
»Bedivere!«
Ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit sanften braunen Augen trat aus dem Schatten, gefolgt von einer kleineren Gestalt, die Anzeichen von Erschöpfung zeigte, aber auch nach einer im Freien verbrachten Nacht wirkte wie aus dem Ei gepellt.
Gawain lachte schallend. »Und Kay. Bei allem, was wunderbar ist ...«
»Was hast du denn gedacht?« fragte Kay spitz und hinkte aus dem Dunkel heraus. »Meintest du etwa, wir würden dich bei dieser unsinnigen Nachtwache allein lassen?«
Gawain grinste beglückt. »Also habt ihr beiden die ganze Nacht da neben der Tür verbracht?«
Bedivere lächelte müde. »Du hast für deine Brüder und wir haben für dich gewacht.«
»Dabei haben wir ganz umsonst auf unseren Schlaf verzichtet!« murrte Kay. »Deine bärenstarken Brüder werden die Prüfung mit Glanz und Gloria bestehen, dessen bin ich mir gewiß. Ob wir die Nacht überleben, muß sich erst noch zeigen.«
Gawain warf ihm einen liebevollen Blick zu. Seit ihm ein bösartiger Zwerg die Hüfte durchstochen hatte, war Kay nicht mehr der alte. Er hatte Schmerzen, das konnte man seinem verzerrten Gesicht ansehen, und das würde sich auch nicht ändern, bis abends die Weinhumpen kreisten. Gawain hütete sich, auch nur ein Wort zu verlieren. Kay war die Empfindsamkeit kleiner Menschen eigen, und er würde sein Mitgefühl als Beleidigung betrachten.
»Also hatte ich euch Schufte die ganze Zeit um mich?« scherzte Gawain. »Nun, wir haben die Nacht hinter uns. Laßt uns hoffen, daß die da drinnen sie auch überstanden haben.«
Noch während er sprach, hörten sie, daß sich die Tür hinter ihnen quietschend in den eisernen Angeln drehte, um sich dem neuen Tag zu öffnen. Im Innern der Kapelle erhob sich eine gespenstische Gruppe schwankender Gestalten. Als erster trat Jung-Mador mit seinem Bruder Patrise durch den Torbogen in den Schein der aufgehenden Sonne. Madors wachsbleiches Gesicht verriet seine Erschöpfung, aber in seinen Augen stand das reine Entzücken.
Er stützte seinen Bruder, um ihn am Straucheln und Stürzen zu hindern. »Achte auf deine Schritte, Bruder. Langsam, ganz langsam.« Freudig zog er seinen Bruder an sich und flüsterte ihm zu: »Nur Mut, es ist geschafft. Wir haben die Prüfung bestanden, teurer Patrise!«
Die drei Ritter sahen ihnen nach, wie sie den Burghof überquerten und in Richtung der Klosterzellen verschwanden. Inzwischen verließen auch die anderen Ritteranwärter zu zweit oder zu dritt die Kapelle. Zum Schluß tauchten drei hünenhafte Gestalten auf. Schnell lief Gawain ihnen entgegen. »Wie fühlt ihr euch, Brüder? Wie war die Nacht?«
»Was meinst du?« knurrte Agravain.
Mit finsterer Miene drängte er sich an Gawain vorbei. Er war so groß wie Gawain, aber sehr viel schlanker und so dunkel wie seine Brüder blond. Von den vier Söhnen Lots hatte nur Agravain die Haarfarbe seines Vaters geerbt – bedauerlicherweise auch Lots aufbrausendes Temperament. Selbst in der weißen Robe eines Ritteranwärters und beschienen von der aufgehenden Sonne, verbreitete Agravain seine eigene Düsternis. Mit mürrischem Blick und gereiztem Kopfschütteln marschierte er steifbeinig über den Burghof auf seinen wartenden Pagen zu.
»Was bekümmert Agravain?« fragte Gawain seine Brüder leise.
Gaheris warf Kay und Bedivere einen schnellen Blick zu. Familienangelegenheiten, schien sein verlegenes Schweigen zu sagen. Hilflos hob er die Schultern.
Gawain nickte grimmig. Er brauchte keine weitere Erklärung. Als zweiter Sohn geboren zu werden ist ein hartes Los. Seit seiner Kindheit hatte Agravain gegen diese Laune der Götter aufbegehrt. Es war ein ähnlich arges Schicksal, wie im Sommerland als Mann geboren zu werden, in dem Frauen das Sagen hatten. Nur der plötzliche Glücksfall, sich als Oberhaupt der Familie wiederzufinden, könnte Agravains Groll besänftigen. Aber Gawain hatte nicht die Absicht zu sterben, um seinen Bruder von seinen Seelenqualen zu erlösen.
Und doch ...
»Ist das alles?« Abrupt wandte sich Gawain Gareth zu, dessen offenes Gesicht jeden seiner Gedanken verriet.
Errötend streckte Gareth die Hände von sich. »Bruder ...« begann er hilflos und verstummte wieder.
Kay erfaßte die Situation mit einem Blick. »Komm, Bedivere, wir wollen uns aufs Ohr legen.« Er versetzte Gawain einen freundlichen Schlag auf den Rücken und zog Bedivere mit sich fort. »Wir treffen uns zur Mittagsstunde wieder, rechtzeitig vor der Zeremonie«, rief er über die Schulter zurück.
Schweigend sahen die Brüder den beiden nach.
»Nun?« fragte Gawain drohend.
Gequält sah Gareth erst Gawain, dann Gaheris an.
»Erzähle es ihm«, sagte Gaheris leise.
Gareth holte tief Luft. »Agravain bekümmert das Auftreten unserer Mutter ...« Er verstummte verlegen. »Daß sie sich nur für einen Begleiter entschieden hat, während sie sich eigentlich mit all ihren Rittern umgeben sollte.«
»Ha!« Gawains Miene verriet, daß ihn das nicht sonderlich überraschte. »Sie ist eine Königin«, stellte er fest, »eine große Königin. Sie ist die Alleinherrscherin unseres gesamten Reiches von Lothian bis zu den fernen Orkney-Inseln. Und eine Mutter hat doch wohl das Recht, an der Festlichkeit teilzunehmen, die ihre Söhne zu Rittern macht, oder?« Er machte eine kleine Pause und setzte dann sehr betont hinzu: »Mit dem Begleiter, den sie für geeignet hält.«
»Alleinherrscherin, Bruder?« Gaheris runzelte die Stirn. »Wenn wir dessen nur sicher sein könnten ... Agravain glaubt, ihr Ritter übe einen zu großen Einfluß aus. Sir Lamorak weicht keine Minute von ihrer Seite ...«
»Bei allen Göttern!« explodierte Gawain. »Das ist Agravains haderstiftende Redeweise, nicht eure eigene Überzeugung. Ich will nichts mehr davon hören!«
Gaheris errötete. »Es trifft zu, daß Agravain besorgt ist. Er befürchtet, unsere Mutter ...«
»Was er befürchtet, soll er mir ins Gesicht sagen. Aber für dich – und für dich ebenso, Gareth«, wandte er sich finster an seinen jüngsten Bruder, »hat es damit sein Bewenden. Habt ihr gehört? Sie ist die Schwester König Arthurs, die Tochter einer Königin, selbst eine große Königin, unsere Herrscherin und Mutter. Eine Königin muß Ritter haben«, fügte er hinzu.
»Ritter schon, Bruder«, wandte Gareth kläglich ein. »Aber nur einen?«
»Jede Königin hat ihren Ersten und Erwählten Ritter.« Energisch schob Gawain das Kinn vor. »Genug davon, Gareth, oder es kommt zwischen uns zu Handgreiflichkeiten. Und Agravain kannst du bestellen, daß für ihn das gleiche gilt, wenn mir auch nur ein einziges weiteres Wort zu Ohren kommt.«
Pendragon.
Jetzt herrschte Arthur, vor ihm Uther, davor Gawther, davor war der alte Mauther hundert Jahre lang Hochkönig. Schon Ewigkeiten vor ihm hatte es Pendragons gegeben, und niemand wußte, ob sie Menschen oder Götter gewesen waren.
Seufzend ließ Merlin seine alten Knöchel knacken. Menschen, Götter oder beides?
Aber was machte das schon aus? Ein Wimpernschlag, und es gab sie nicht mehr. Merlins Augen verdüsterten sich. Wie viele kühne, furchtlose rotblonde Männer hatte er nicht schon in die Welt zwischen den Welten eingehen sehen?
Nur der alte Merlin war geblieben, um das Geschlecht zu erhalten. Nun, gut so. Der Zauberer machte es sich im Sattel bequem und atmete die Sommerluft tief ein. Über ihm bildeten die Äste der Bäume einen vollkommenen Bogen, ihr Laub warf einen grünlichen Schimmer auf den Weg. Der schmale Saumpfad zog sich zwischen hohen Grasböschungen hin, und die Welt um ihn herum war frisch und neu. Mühelos trabte sein geduldiges Maultier dahin, jeder Hufschlag im Einklang mit Merlins Gedanken.
Pendragon.
Die Suche nach dem Nachfolger hatte begonnen.
Sie würde lange dauern. Aber für einen Lord des Lichts verlief Zeit in Bahnen, von denen andere Menschen nichts wußten.
Bedächtig sann er weiter.
Gore.
Dort hieß es zu beginnen.