Das Licht von Latoy - Sandra Busch - E-Book

Das Licht von Latoy E-Book

Sandra Busch

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Beschreibung

Als das "Licht von Latoy" gestohlen wird, macht sich eine bunt zusammengewürfelte Truppe auf, das Wahrzeichen des Planeten zu suchen. Dabei lernt der Speeder Cody den durghanischen Imperator Sandor kennen. Und ohne es zu ahnen wird aus der Suche nach dem Licht auch eine Suche nach der eigenen Identität und der Akzeptanz eines ganzen Sternensystems.

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Sandra Busch

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2014

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com/

Bildrechte:

© GooDAura – fotolia.com

© marusja – fotolia.com

1. Auflage

ISBN 978-3-944737-58-4 (print)

ISBN 978-3-944737-59-1 (epub)

Prolog

Sektor 4 des Sternensystems Chamos

Planet Latoy

Labor für Genexpression und Rekombination

Kurz außerhalb der geschäftigen Metropole Latoyanan befand sich auf einem Hügel ein besonders gesicherter Gebäudekomplex. Allein der aus reiner Energie bestehende Zaun mit seinen zahlreichen Kameras an den leise brummenden Generatorenpfosten und die vielen bewaffneten Wachposten, droidischer und terranischer Natur, schreckten ungebetene Besucher bereits im Vorfeld ab. Denn dieser Hochsicherheitstrakt war der sinnbildliche Uterus von Latoy, die Geburtsstätte eines jeden Einwohners dieses Planeten.

In dem Labor für Genexpression und Rekombination starrte die Technikerin seit geraumer Zeit mit gerunzelter Stirn auf ein Hologramm, das ihr eine Doppelhelix zeigte. Irgendetwas war an den Makromolekülen merkwürdig, sie bekam dieses Merkwürdige bloß nicht zu fassen. Zum vierten Mal überprüfte sie frustriert jeden einzelnen Schritt ihrer Arbeit. Wie üblich hatte sie die Einzelstränge von der Helikase getrennt und damit eine Replikationsgabel gebildet, einen Primer gesetzt, mit Ligasen Moleküle miteinander verknüpft und Polymerasen nach einer Matrize für die Transkription angeordnet. Mit schlichten Worten: Sie hatte einen vorhandenen DNA-Strang mit den gewünschten Erbinformationen gefüttert und damit eine neue, einzigartige DNA geschaffen. Eine Arbeit, die sie bereits seit achtzehn erfolgreichen Jahren erledigte. Inzwischen war diese Tätigkeit für sie zur reinen Routine geworden und ihre Erfolge hatten sie an die Spitze der Labortechniker katapultiert. Wie bei einem Puzzle setzte sie Teilchen für Teilchen zusammen und konstruierte damit ein wunderbares Bild aus Biomolekülen. Mehr noch: Sie erschuf einen Terraner. Einen atmenden, lebenden Terraner. Damit erhob sie sich ihrer blasphemischen Meinung nach über Gott, da sie anstelle einer Handvoll Lehm lediglich ein paar Chromosomen brauchte, um ihrer Schöpfung Atem einzuhauchen.

Du liebe Güte, dachte sie belustigt. Gleich wächst mir ein langer, weißer Bart.

Den würde sie sich sofort wieder abrasieren können, da heute irgendein Detail an diesem biomolekularen Bild falsch erschien.

„Gibt es Probleme, Sherman?“

Einer der langjährigen Kollegen tauchte an ihrer Seite auf und beugte sich interessiert über ihre Schulter.

„Ich bin mir nicht sicher“, gab sie ehrlich zu.

„Sportler?“, fragte Doktor Minau, der seltsamerweise immer wusste, für welche Projekte seine Kollegen eingeteilt wurden.

„Ja, genau. Der Senat wollte eine frische Generation von Speedern haben. Drei habe ich fertig, aber bei diesem hier kommt mir irgendetwas seltsam vor.“

„Ach?“ Doktor Minau beugte sich noch tiefer, sodass sein Kinn beinahe auf ihrer Schulter lag, und schaute sich das Projekt genauer an. „Ich kann auf dem ersten Blick nichts erkennen, Sherman. Du bist eine der Besten auf diesem Gebiet und ich habe dich bislang nie mit diesen Falten auf der Stirn angetroffen. Wo steckt denn das Problem?“

Ratlos zuckte Doktor Sherman mit den Schultern. „Wenn ich das wüsste. Ich habe jeden Schritt mittlerweile mehrfach geprüft. Es scheint alles korrekt zu sein. Selbst die unwichtigen Informationen: Rotes Haar, grüne Iriden …“

Ihr Kollege lachte. „Du hast ein Faible für grüne Augen“, sagte er freundlich neckend. Unwillkürlich musste sie schmunzeln.

„Dieser Speeder bekommt eine besondere Farbmischung. Ich habe ein bisschen experimentiert“, gestand sie ein wenig verlegen. „So soll das fertige Produkt später aussehen.“ Sie schaltete auf ein anderes Programm um und das dreidimensionale Gesicht eines Mannes erschien neben der Helix. Eine Weile sagte Doktor Minau gar nichts. Dann brachte er ein leises und beeindrucktes „Du meine Güte!“ hervor. Schließlich legte er ihr einen Arm um die Schulter.

„Du hast dir deinen Traummann gebastelt“, stellte er fest. Damit traf er den Nagel exakt auf den Kopf.

„Ja“, sagte sie mit fester Stimme. „Nur schade, dass ich eine alte Frau bin, wenn er erwachsen ist.“ Sie würde ihn nie bekommen, das war ihr schmerzlich bewusst. In diesem Labor konnte sie ihre Sehnsüchte Wirklichkeit werden lassen, allerdings würde sie nie von ihrer Arbeit profitieren. Und auch keine andere Frau. Sie lächelte bitter. Dieser Traumkerl würde sich nicht für Frauen interessieren. Sogar dies hatte sie als Grundstein in seine DNA eingepflanzt.

Hätte sie ihrem Kollegen sagen sollen, dass sie einen der sehr, sehr alten DNA-Stränge für die Erschaffung genommen hatte? Einen, der zu einer Zeit der qualvollen und blutigen Geburten entstanden war? Davon hatten sie viele, steril aufbewahrt und gänzlich vergessen in einem dunklen Winkel ihrer so genannten genetischen Vorratskammer. Wie alt genau diese DNA war, wusste sie selbst nicht. Es war strengstens untersagt, diese Stränge zu benutzen, weil sie als nicht mehr verwertbare Relikte galten, und trotzdem hatte sie es spontan, wie aus einem inneren Zwang heraus getan. Nein, sie würde Doktor Minau nichts von ihrem Fehltritt erzählen. Falls ihr Vergehen herauskam, würde sie dafür geradestehen. Doch Kollegen wollte sie in eine solche Angelegenheit, die sie möglicherweise ihren Job, ihr Vermögen und ihre Anerkennung kosten könnten, nicht mit hineinziehen.

An dem Strang konnte es jedenfalls nicht liegen. DNA war DNA. Ob es ein Relikt war oder nicht. Außerdem hatte sie diese verändert. Trotzdem war da irgendwo ein Fehler. Erneut starrte sie auf die Doppelhelix.

„Hast du das Kontrollprogramm darüber laufen lassen?“, fragte Doktor Minau.

„Natürlich.“

„Und?“

„Es gibt grünes Licht.“

„In diesem Fall kann kein Fehler vorliegen. Vielleicht bist du bei deinem Traummann einfach bloß zu pingelig? Bei meinen Landarbeitern hättest du dir bestimmt nicht derartig viele Gedanken gemacht.“

Sie lachte auf. Das mochte eine Erklärung sein. Ja, sicherlich war sie bei diesem Kunstwerk besonders kritisch. Einen Traummann zu erschaffen, bedeutete perfekt zu arbeiten. Das sollte allerdings nicht heißen, dass andere Latoyer mit weniger Umsicht oder Individualität entstanden.

„Magst du ihm einen Namen geben?“

Überrascht sah sie Doktor Minau an. „Darf ich das?“

„Aus dem Ministerium ist mir jemand einen Gefallen schuldig. Das bekomme ich bestimmt genehmigt. Und ich finde, dass man seinem erschaffenen Traum auch selbst einen Namen verpassen sollte. Also?“

Hastig griff sie nach einem Etikett und schrieb einen Namen darauf, den sie sorgfältig auf das Projekt klebte.

„Cody?“

„Ich kannte da mal jemanden …“, murmelte sie eine vage Erklärung und strich mit dem behandschuhten Finger sanft über das Glas, das ihr ganz spezielles Werk enthielt.

„Gehen wir nach der Arbeit einen auf deinen Traummann trinken?“

Sie fuhr aus ihren Gedanken, die seltsam melancholische Wege eingeschlagen hatten.

„Ja, gerne.“

„Dann bis später.“ Doktor Minau kehrte an seinen Platz und zu seinen Landarbeitern zurück.

Doktor Sherman musterte versonnen das Hologramm, das das Gesicht ihrer neuesten Kreation zeigte. Schon immer war es ihr ein großes Vergnügen gewesen, Latoyer zu erschaffen und ihnen spezielle Fähigkeiten einzupflanzen, die es ihnen ermöglichten, in gewissen Berufsgruppen außergewöhnlich erfolgreich zu sein. Die fertigen Produkte bekamen von einer Verwaltungsstelle einen Vor- und Zunamen zwecks Registrierung zugeteilt, damit die Latoyer etwas Persönliches mit auf den Weg bekamen. Später wurden die jungen Latoyer bereits in der Schule in extra zugeschnittenen Kursen auf ihre zukünftige Arbeit vorbereitet. Sollte jemand dennoch den Hang zu einer anderen Tätigkeit als geplant entwickeln, wurde er trotzdem vom Staat gefördert. Die Regierung wollte Latoy optimieren und nicht unterjochen. Jede Berufsgruppe war für das Überleben und die kulturelle Entwicklung der Latoyer von Bedeutung. Dies war eine der ersten Lektionen, die ein Kind erlernte. Nur auf diese Weise war es ihnen vor Ewigkeiten gelungen, den Planeten innerhalb kurzer Zeit bewohnbar zu machen.

Doktor Sherman ergriff behutsam ihr zerbrechliches Behältnis und stellte es in einen der elektronisch gesicherten Brutschränke. Wieder hatte sie ein Leben geschaffen. Ein wirklich besonderes.

Kapitel 1

Sektor 4 des Sternensystems Chamos

Planet Latoy

Hauptstadt Latoyanan

Es klingelte an der Tür der luxuriös gelegenen Wohneinheit. Martyn sah nicht einmal von seiner Arbeit auf. Seine Berechnungen waren ihm wichtiger als unangemeldeter Besuch. Außerdem war sein Lebensgefährte ebenfalls zu Hause. Sollte halt Alexander dem hartnäckigen Klingler öffnen, der mittlerweile ein viertes Mal schellte.

Martyn trug eine Datenbrille, die mit seinem Hauptrechner verbunden war. Sie machte einen Monitor oder eine mit Hilfe einer Holocam in den Raum projizierte dreidimensionale Darstellung überflüssig, indem sie die Daten und Bilder direkt in sein Hirn schaltete. Die Brille ließ ihn blind gegenüber seiner Umwelt werden und anfangs hatte sie für Schwindel gesorgt, bis sich Martyn daran gewöhnt hatte, etwas anderes zu sehen als sein Körper fühlte.

Während seine Finger über das Eingabemodul seines Hauptrechners flogen, hörte er Alexander tatsächlich zur Tür gehen. Gleich darauf stand sein Lebensgefährte neben ihm.

„Martyn?“

Mit einem Seufzen nahm er die Brille ab. Er hasste es, während seiner Arbeit gestört zu werden. Alexander wusste das, daher musste es einen triftigen Grund für die Störung geben.

„Ein Bote vom Senat für dich“, sagte Alexander und zwinkerte ihm zu. „Sie sind wohl endlich auf deine Arbeit aufmerksam geworden.“

Das konnte sich Martyn kaum vorstellen, obwohl … Er hatte einen Antrag auf Fördermittel gestellt. Ob der Bote deswegen hier war? Mit einem hoffnungsträchtigen Lächeln eilte er zur Tür, wo einer der kleinen Botendroiden auf Augenhöhe schwebte. Diese Nachrichtenüberbringer gehörten zu der einfachen Generation von Droiden und bestanden aus einem grob terranischen Oberkörper mit einem röhrenförmigen Kopf. Diese Konstruktion saß auf einem tellerartigen Antrieb, den er bereits vor Jahren in einem Studiumsprojekt perfektioniert hatte. Auf eine künstliche Haut, wie zum Beispiel Hausdroiden trugen, hatten die Hersteller bei diesem Modell verzichtet.

„Doktor Martyn Faas?“, erkundigte sich der Bote mit leicht blecherner Stimme.

Er gehört neu eingestellt, dachte Martyn unwillkürlich, unterdrückte das verlangende Zucken seiner eifrigen Hände und nickte als Antwort.

„Ich habe eine Depesche vom Senat für Sie.“ Der Droide hielt ihm seine metallene Handfläche mit dem integrierten Scanner entgegen. Martyn legte kurz seinen Zeigefinger darauf. Mit einem raschen Aufblenden eines gelblichen Lichtes wurden seine biometrischen Merkmale erfasst, seine Identität überprüft und die Annahme der Botschaft bestätigt. Gleich darauf bekam er einen Nachrichtenwürfel ausgehändigt. Ein bisschen wunderte es ihn schon, dass der Senat die Botschaft nicht über den Hauptrechner schickte, sondern aus der Nachricht ein Geheimnis machte. Von so enormer Bedeutung war seine Arbeit an den Antriebssteinen nun auch nicht.

„Möge das Licht Ihnen leuchten“, verabschiedete sich der Droide höflich.

„Danke, dir auch“, murmelte Martyn und schloss die Tür. Mit gemischten Gefühlen starrte er auf den Würfel und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück, wo Alexander auf ihn wartete.

„Bestimmt sind deine Fördermittel genehmigt worden. Oder sie wollen dich als Repräsentant für eine Fachtagung.“

„Und dafür schickt der Senator einen Botendroiden?“

„Na ja, was sollte es sonst sein? Martyn, jetzt hör dir die Botschaft endlich an.“ Wie immer war Alexander derjenige, der am meisten zappelte. Allerdings konnte Martyn nicht leugnen, dass er ebenso neugierig war. Daher aktivierte er den Würfel, woraufhin das lebensgroße Hologramm eines älteren Mannes neben ihnen in den Raum übertragen wurde.

„Mein Name ist Hugh Baisley und ich möchte Ihnen, Doktor Faas, eine Einladung in die Kuppel aussprechen. Ich würde mich freuen, Sie morgen um 19:00 Uhr begrüßen zu dürfen. Möge das Licht Ihnen leuchten.“

Damit endete die Nachricht.

„Das ist alles?“ Martyn fühlte sich wegen der dürftigen Mitteilung ein wenig enttäuscht. Diese Botschaft klang nicht nach einer Bewilligung von Fördermitteln, sondern eher nach etlichen langweiligen Stunden politischen Palavers. Alexander schlang einen Arm um seine Mitte.

„Vielleicht haben sie von deiner neuesten Studie über die Antriebssteine gehört und laden dich deswegen ein“, sagte er. „Und wenn du ganz großes Glück hast, bekommst du die Gelegenheit einen Prototypen zu bauen.“

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es bei dem Gespräch nicht unbedingt um Antriebssteine gehen wird“, murmelte Martyn. „19:00 Uhr ist eine seltsame Zeit für ein Gespräch beim Senat.“

„Weswegen sollten sie dich denn sonst einladen? Wegen deines guten Aussehens?“ Alexander lachte und fuhr ihm durch die blonden, stoppeligen Haare. „Möglicherweise sind sie auf dich aufmerksam geworden, weil du ein Wissenschaftler ohne Schmerbauch und Vollbart bist. Und nun laden sie dich für eine Runde betörenden Cybersex ein.“

„Reizende Vorstellung“, brummte Martyn.

+++

Schräge Musik wummerte durch den Club und trieb die Tanzenden zu ekstatischen Höchstleistungen an. Noah saß vor seinem fünften giftgrünen Longdrink und betrachtete den Grundriss des Museums der Tausend Künste auf seinem DataScreen. Zurzeit war das Museum voll mit neuen Exponaten eines besonders exotischen Planeten, die sich garantiert gut an den einen oder anderen Sammler verkaufen ließen. Er sollte sich daher entscheiden, welche Stücke er problemlos transportieren konnte und einem Käufer Anreiz boten.

„Noah DeBray? Ich habe eine Nachricht für Sie.“

„Verpiss dich“, knurrte er, ohne sich umzuschauen.

„Die Nachricht ist vom Senat.“

Langsam drehte sich Noah zu einem schwebenden Droiden um, der geduldig wartete.

„Du sollst dich verpissen, du dämlicher Blechheini.“

Der Droide näherte sich ein Stückchen, stellte einen Datenwürfel vor ihm ab und streckte ihm die Handfläche zum Scan entgegen.

„Bitte quittieren Sie den Empfang.“

Noah starrte mit schmalen Augen auf den Würfel. Was mochte der Senat wollen? Und wie hatte man ihn hier überhaupt finden können?

„Empfang verweigert.“

„Im Falle einer Empfangsverweigerung habe ich Order, die Gesetzeshüter zu rufen. Dem Senat ist bekannt, dass mehrere Haftbefehle gegen Sie offen sind.“

Wütend fuhr Noah auf: „Das ist Erpressung.“

„Ganz recht, Sir.“

Eine Sekunde lang starrte er dem Droiden in das metallene Gesicht. Natürlich blieb es gleichgültig und gefühllos. Dann legte er fluchend den Finger auf den Scan. Auf Gesetzeshüter hatte er wirklich keine Lust. Außerdem bekam man in der Sicherheitsverwahrung keine Cocktails serviert.

„Vielen Dank, Sir. Möge das Licht Ihnen leuchten.“

„Möge der Rost dich fressen“, grollte Noah und leerte sein Glas. Mit einer Geste orderte er Nachschub und schob den Würfel unentschlossen hin und her. Der Droide hinter der Bar reichte ihm einen weiteren Donginischen Kometen. Mit dem Drink in der Hand drehte sich Noah auf dem Hocker um und beobachtete eine Zeitlang die Tanzenden. Dabei nippte er an seinem Longdrink. Der Würfel lag hinter ihm auf dem Tresen und schien ihm ein Loch in den Rücken zu brennen. Noah bemühte sich, ihn zu ignorieren. Er könnte aufstehen, gehen und den Nachrichtenwürfel einfach in diesem Club vergessen.

Oder sich die Botschaft anhören.

Es musste wichtig sein, wenn sich der Senat solche Mühe gab, ihn zu finden. Normalerweise war er für Behörden nicht so leicht aufzustöbern, wie die ausstehenden Haftbefehle bewiesen. Mit einem neuerlichen Fluch wandte er sich wieder zum Würfel um und aktivierte ihn. Ein Hologramm erschien.

„Mein Name ist …“

„Wichser!“

„Hugh Baisley. Ich arbeite für den Senat von Latoy …“

Noah hörte sich den Rest der kurzen Botschaft an, bevor er einen neuen Donginischen Kometen bestellte.

„Sir, ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie nicht mehr flugtüchtig sind, falls Sie mit einem Gleiter hier sind.“

Irgendwie gingen ihm die Droiden heute mächtig auf die Nerven.

„Leck mich am Arsch!“

„Bedaure, Sir. Darauf bin ich nicht programmiert.“

+++

Der Turbobooster legte sich schnittig in die Kurve und sauste zwischen den leeren Zuschauertribünen entlang.

„Du fliegst heute wie eine lahme Ente“, drang eine Stimme mit einem leicht lispelnden Akzent über den Kommunikator an sein Ohr. Cody grinste vergnügt.

„Warte es ab, Brennan. Du wirst gleich an meinem Heck schnüffeln.“ Er gab seinem Booster mehr Schub und überholte seinen Konkurrenten. In einem gewagten Manöver setzte er den Renngleiter direkt vor den Brennans.

„Hey, du Verrückter!“ Sein Mitstreiter versuchte hartnäckig die Führung zurückzuerobern, was Cody durch weiteres Beschleunigen verhinderte. Hochkonzentriert blickte er nach vorne, um den absolut besten Winkel zum Einfliegen in die Caves abzupassen. Die Caves waren ein Labyrinth aus Felssäulen inmitten einer finsteren Höhle, die es zu passieren galt. Ein tückisches Hindernis auf dieser Rennstrecke.

„Cody, du bist zu schnell“, ertönte Brennans besorgte Stimme. Das wusste Cody selbst, aber der Pilot in ihm flüsterte eindringlich, dass er es schaffen konnte.

„Cody, nimm sofort das Tempo zurück!“

Der scharfe Kommandoton ärgerte ihn. Brennan hatte ihm nichts zu sagen.

„Verdammt! Willst du dich umbringen?“

Cody versuchte Brennans lauter und schriller werdende Stimme auszublenden und erhöhte aus reinem Trotz nochmals die Geschwindigkeit. Der Renngleiter schoss in die Caves hinein und die Anzeigen schalteten unverzüglich auf Nachtsicht um. Die ersten Felssäulen tauchten wie düstere Schatten vor ihm auf. Sein Gleiter schrammte mit der Außenhaut funkensprühend an dem rauen Fels entlang, ehe er ihn herumreißen konnte, nur um gleich darauf der nächsten Säule auszuweichen.

„Cody!“

Er lachte wild, genoss den ungeheuren Adrenalinschub und sauste zwischen den Felsformationen hindurch. Erneut erklang ein hässliches Geräusch als sein Booster über Felsen schürfte. Obwohl Cody dieses Mal ins Schlingern geriet, brachte er seinen Gleiter mit kaltschnäuziger Ruhe auf den Kurs zurück. Gerade rechtzeitig, um nicht an dem nächsten Hindernis zu zerschellen. Wenige Sekunden später war er aus den Caves heraus und jagte johlend die Zielgerade entlang. Weit abgeschlagen hinter ihm folgte Brennan. Ungehindert passierte Cody die Ziellinie und lenkte langsamer werdend den Booster in die Wartungsbox, wo Mechaniker und sein Trainer Roland mit dem Zeitmesser in der Hand bereits auf ihn warteten. Mit dem typischen Zischen landete der kleine Gleiter und die Pilotenkapsel öffnete sich.

„Cody! Das war eine Wahnsinnszeit. Ein neuer Rekord! Ich verstehe gar nicht, wie du Zauberer das Kunststück vollbracht hast.“

Cody kletterte aus seinem Gleiter, nahm den Helm ab und strich sich die feuchten Haare aus dem Gesicht. Die Mechaniker, zu Cyborgs veränderte Latoyer, die sich ihre Werkzeuge hatten implantieren lassen, machten sich unverzüglich über seinen Booster her. Cody ignorierte sie und eilte leichtfüßig zu seinem Trainer. Gespannt schaute er Roland über die Schulter, um ebenfalls einen Blick auf das kleine Gerät in dessen Hand zu werfen. Die Zeit war wirklich phantastisch. Zufrieden grinste er. Neben ihnen flog Brennan seinen eigenen dröhnenden Renngleiter in die Box. Gleich darauf kam er mit langen Schritten auf sie zu und zog sich dabei seinen Helm ab, den er achtlos zu Boden schleuderte.

„Bist du verrückt?“, brüllte er zornig.

„Da ärgert sich jemand, weil er verloren hat.“ Cody feixte.

„Bist du total irre?“ Brennan packte ihn am Kragen seines weißen, hautengen Rennanzugs und beutelte ihn.

„He, he! Was soll denn das?“ Roland versuchte dazwischen zu gehen und Brennan zur Seite zu schieben. Cody wurde so abrupt losgelassen, dass er ein paar Schritte zurücktaumelte.

„Der Idiot ist ungebremst durch die Caves, Roland. Hast du das gewusst?“

Mit einem fassungslosen Gesicht drehte sich Roland zu Cody um.

„Du bist was?“, fragte er plötzlich heiser. „Junge, wolltest du Selbstmord verüben?“

„Nun hört schon auf. Ihr seht ja, dass ich es kann. Und, Roland, denk an diese Traumzeit …“

„Was nützt uns die Zeit, wenn du in einem Feuerball auf …“

„Cody Mawhiney?“, fragte eine etwas blecherne Stimme dazwischen. Cody entdeckte einen Botendroiden, als er sich umdrehte.

„Ja, das bin ich“, antwortete er, erleichtert darüber, dass ihr Streit unterbrochen wurde.

„Ich habe Ihnen eine Nachricht vom Senat zu übermitteln. Bitte quittieren Sie den Empfang.“

Cody nahm einen Würfel an sich und drückte seinen Finger in die Handfläche des Droiden.

„Möge das Licht Ihnen leuchten.“

„Danke sehr. Dir auch.“

Verwundert drehte Cody den Würfel in seinen Händen.

„Was will bloß der Senat von dir?“, fragte Roland und vergaß dabei für einen Moment seinen Leichtsinn.

„Vielleicht sind sie an einem neuen Trainingsrekord interessiert und wollen Freikarten für das Super Race in der nächsten Woche.“

Roland schnaufte und Brennan drohte ihm mit dem Finger.

„Dieses Mal stehe ich ganz oben auf dem Siegertreppchen.“

Cody lachte und entgegnete: „Träum weiter.“

Zu Rolands Kopfschütteln aktivierte er den Nachrichtenwürfel.

„Mein Name ist …“

+++

„… Hugh Baisley und ich freue mich, Sie alle hier in der Kuppel begrüßen zu dürfen.“ Hugh registrierte ausnahmslos neugierige Gesichter, auch wenn sich einer der drei eingeladenen Männer alle Mühe gab, gelangweilt zu tun – Noah DeBray. Wie jeder auf Latoy trug Noah ein dunkelgraues Gewand. Einzig an den mehr oder weniger kunstvoll gestalteten Gürteln konnte man Rückschlüsse auf Stand und Reichtum eines Latoyers schließen. Noahs Gürtel bestand aus Silber. Einige der Schmucksteine schienen wertlos zu sein, Hugh war sich allerdings nicht sicher. Noah war ein Meisterdieb. Da er jedoch nebenbei spielte, soff und bestimmt in sämtlichen Cybersex-Clubs dieses Planeten zu Hause war, mochten einige der Steine bis zu seinem nächsten Coup durch billige Kopien ersetzt worden sein. Die langen blonden Dreadlocks hatte Noah heute im Nacken zusammengefasst. Hugh konnte das wachsame Misstrauen in den Augen des Diebes erkennen, der steif und ablehnend mit verschränkten Armen vor ihm stand.

Dagegen zappelte Doktor Martyn Faas vor Ungeduld, war sich schon mehrere Male durch das kurze weißblonde Haar gefahren. Sein Gürtel bestand aus schmucklosen Platinplättchen, die wie Schlangenschuppen aneinander gereiht waren und verriet einen schlichten, aber guten Geschmack. Der Blick des Doktors wanderte ständig aufgeregt von einem zum anderen. Es fehlte lediglich, dass er mit den Füßen scharrte.

Cody Mawhiney, der dritte und jüngste Gast, mit schlichten silbernen Ringen als Gürtel, die seinen wahren Stand verschleierten, wartete im Gegensatz zu dem Doktor ruhig darauf, dass Hugh ihnen eine Erklärung für den Grund der Einladung lieferte. Sein flammendrotes Haar war zu einer modischen Tolle frisiert, die ein spitzbübisches Gesicht freiließ, in dem die ungewöhnlich grünen Iriden auffällig hervorstachen. Kein Wunder, dass er unzählige Fans hatte. Hugh hätte seinen eigenen kostbaren Gürtel verwettet, dass die wenigsten Groupies ausschließlich wegen Mawhineys Erfolg als Speeder hinter ihm her waren.

Versammelt hatten sie sich in der Kuppel des Senats, dem offiziellen Ort für Beratungen und wichtige Entscheidungen. Die Kuppel ragte hoch über Latoyanan auf und gewährte einen Rundumblick über die geschäftige Stadt mit ihren imposanten Bauten, Türmen und sorgfältig angelegten grünen Erholungsinseln. Normalerweise trafen in diesem Raum Würdenträger, Diplomaten und Militärs zusammen. Der heutige Tag war eine besondere Ausnahme.

„Und?“, knurrte DeBray, dem das Schweigen inzwischen zu lange dauerte.

„Sie sind hier, weil der Senat Ihre Hilfe in einer äußerst heiklen Angelegenheit benötigt.“ Damit hatte Hugh ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Dann habt ihr mich wohl aus Versehen herbestellt?“ DeBray musterte ihn scharf und ließ wie erwartet jeglichen Respekt vor seinem Rang als Senator vermissen. Amüsiert strich sich Hugh über den kurzen Vollbart.

„Mitnichten, Mr. DeBray. Sie sind alle drei für dieses Treffen auserwählt worden, weil unser Computer Sie als das bestmöglichste Team ausgesucht hat.“

„Komm zum Punkt“, verlangte DeBray unhöflich.

„Was für ein Team?“, erkundigte sich Doktor Faas. Statt einer Antwort trat Hugh an ein Pult und drückte zwei Tasten. Daraufhin erschien ein Hologramm in ihrer Mitte. Es zeigte ihnen das Wahrzeichen von Latoy: ein Kristall von circa einem halben Meter Länge, der von innen heraus in einem derart warmen Orange leuchtete, dass man unwillkürlich die Hände danach ausstrecken wollte, um ihn zu berühren. Ansonsten sah der Kristall nicht sonderlich spektakulär aus. Trotzdem war er das Wertvollste, was dieser Planet zu bieten hatte.

„Das Licht von Latoy“, erklärte Hugh den Versammelten, „ist, wie Sie alle wissen, mehr als ein hübsches Erkennungszeichen für unseren Planeten. Wie Ihnen bekannt ist, stehen unsere atmosphärischen Gase in einem völlig chaotischen Verhältnis zueinander und allein durch die Strahlung des Kristalls werden sie auf eine Weise beeinflusst, dass Latoy über ein Klima verfügt, das Leben ermöglicht. Von diesem einen Kristall hängt damit – grob gesagt – das Wetter Latoys und infolgedessen die komplette Wirtschaft ab. Dieser kleine Kristall mit seiner einzigartigen, für Terraner und Tiere ungefährlichen Strahlung, ist verantwortlich für Sonne, Regen, das Wachstum unserer Flora, die Temperaturen …“

„Ja, ja“, unterbrach ihn DeBray in genervtem Ton. „Wird das etwa eine Touristenführung?“

„Wir kennen alle die Bedeutung unseres Wahrzeichens, Mr. Baisley. Weshalb sind wir hier? Sollen wir über das Licht Forschungen betreiben? Ich dachte, das wäre bereits ausgiebig geschehen“, sagte Doktor Faas.

„Dafür werde ich gewiss nicht gebraucht“, warf Mawhiney ein.

Hugh ließ das Hologramm verschwinden und setzte erneut an: „Meine Herren, Sie befinden sich in der Kuppel, weil das Licht von Latoy gestohlen wurde.“

Seine Worte riefen fassungsloses Schweigen hervor. Dann begann DeBray zu lachen.

„Das … das ist ja eine Katastrophe“, stammelte Doktor Faas und Mawhiney sagte:

„Ich dachte immer, das Licht würde einem besonderen Überwachungsstandard unterliegen. Das kann man gar nicht stehlen.“

„Ein guter Dieb kann alles mitgehen lassen.“ Selbstgefällig zuckte DeBray mit den Schultern.

„Es gab tatsächlich Sicherheitslücken während einer Wartung, an denen wir inzwischen arbeiten“, gab Hugh ungerührt zu und öffnete ein weiteres Hologramm. Es zeigte einen dicklichen Mann mit einem fliehenden Kinn und schütterem Haar.

„Das ist der Verbrecher. Sein Name ist Cahrl Wontec.“ Hugh bemühte sich um Geduld, als sich DeBray in einem weiteren Heiterkeitsausbruch erging.

„Was ist daran dermaßen lustig?“, fragte Doktor Faas säuerlich.

„Der Dummkopf …“ DeBray deutete auf das Hologramm. „Ich kenne den Mann. Er ist ein durchschnittlicher Dieb und nicht besonders helle. Aber es passt. Lediglich ein Dummkopf klaut etwas wie das Licht von Latoy.“

„So dumm kann er gar nicht sein, wenn er es durch die Sicherheitsvorkehrungen geschafft hat“, sagte Doktor Faas.

„Etwas mitgehen lassen kann jeder“, belehrte ihn DeBray. „Nur, an wen soll er das Licht denn verkaufen? Einen Sammler, der sich privat an diesem Kristall erfreut, wird er kaum finden, da niemand das Risiko eingehen würde, dass das Ding auf Dauer das Wetter über seinem eigenen Dach beeinflusst. Und eine Erpressung können wir ebenfalls streichen, da Wontec damit rechnen muss, es niemals durch eine Geldübergabe zu schaffen. Er bleibt also auf dem Licht sitzen, weil er es nicht loswerden kann, ohne in den Bau zu wandern. Zudem kann er sich an einer Hand abzählen, dass ein ganzer Planet wie wild hinter ihm her sein wird. Er wird der meistgesuchteste Mann dieses Sonnensystems sein. Der übrigen Sonnensysteme wahrscheinlich auch.“

„Mr. DeBray hat mit seiner Ausführung recht. Wontec ist tatsächlich von Latoy geflohen. Wir haben herausgefunden, dass er Kurs auf Belveer genommen hat.“ Hugh schaltete auf ein drittes Hologramm um, das seinen Gästen einen eisbedeckten Planeten zeigte. „Belveer ist ein Outlaw-Planet. Ziemlich unwirtlich und von unberechenbaren Stürmen heimgesucht. Inmitten der Schnee- und Eiswüste haben die Outlaws eine kleine Stadt gegründet, die sie Belveer-City nennen. Dort treffen sich die Verbrecher, wenn sie sich vor den Raumpatrouillen verbergen wollen oder um Hehlerware auszutauschen.“

„Und hier komme ich ins Spiel.“ DeBray nickte verstehend.

„Dem Senat ist bekannt, dass Sie bereits öfters auf Belveer waren. Sie als Meisterdieb können sich in Belveer-City frei bewegen und Wontecs Spur aufnehmen. Außerdem können Sie sich in den Mann hineindenken und seine nächsten Schritte vorhersehen.“

„Das heißt jedoch nicht, dass es für mich auf diesem Outlaw-Planeten sicher ist.“

„Natürlich nicht. Was Ihren Schutz angeht, dazu komme ich gleich.“

„Moment mal!“ Doktor Faas trat einen Schritt vor. „Ich bin eben bei Ihrem Meisterdieb hängen geblieben.“

Auch Mawhiney schaute DeBray stirnrunzelnd an, wie Hugh feststellte.

„Wir sollen mit einem Dieb gegen einen Dieb arbeiten?“, fragte der junge Speeder.

„Ist eigentlich gar nicht dumm gedacht“, sagte DeBray achselzuckend.

„Mr. DeBray besitzt einige … nennen wir sie mal Talente, auf die wir ungern verzichten würden.“ Hugh lächelte den Anwesenden entwaffnend zu.

„Warum macht eigentlich nicht die Raumpatrouille Jagd auf Cahrl Wontec?“, fragte Mawhiney. „Wenn Sie ohnehin eine Ahnung haben, wohin der Mann flüchtet.“

Hugh hatte mit dieser Frage gerechnet. „Wir wollen die Latoyer erst einmal in dem Glauben lassen, dass sich das Licht weiterhin an Ort und Stelle befindet. Es könnte ansonsten zu Unruhen oder – im schlimmsten Fall – zu einer Panik unter der Bevölkerung kommen. Daher haben wir den Kristall durch eine Imitation ersetzt. Wenn wir die Raumpatrouille hinter dem Dieb herschicken, wird mit Sicherheit etwas an die Bevölkerung durchsickern. Lediglich zwei hochrangige Generäle der Raumpatrouille wissen über den Diebstahl Bescheid. Für den Fall, dass Sie auf die Hilfe dieser Leute angewiesen sind, bekommen Sie von mir ein Codewort, mit dem Sie direkt ohne irgendwelche Fragen an einen dieser Generäle weitergeleitet werden. Dem Senat ist es lieber, wenn diese Aktion so verschwiegen wie möglich durchgeführt wird. Wenn sich jemand nach Ihrer Mission erkundigt, dann sollen Sie behaupten, einen Testflug mit einer neuen Raumschiff-Generation zu absolvieren.“

„Sie haben an alles gedacht“, murmelte Doktor Faas und Hugh nickte dazu.

„Warum wir?“, wollte DeBray wissen.

„Nun, warum wir Sie dabei haben wollen, habe ich eben erläutert. Mr. Mawhiney soll als Ihr Pilot fungieren. Er hat bei etlichen Rennen gezeigt, dass er einen Gleiter meisterhaft fliegen und in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf bewahren kann. Ich habe übrigens von Ihrem gestrigen Bahnrekord gehört, Mr. Mawhiney. Meinen Glückwunsch dazu.“

Stolz zeigte sich in dem Gesicht des jungen Speeders und er nahm das Lob mit einem Lächeln entgegen.

„Doktor Faas beschäftigt sich seit Jahren mit den Antrieben von Gleitern und ist mit der Mechanik besser vertraut als manch ein Hersteller von Raumschiffen. Sollte es einen Defekt geben, bin ich sicher, dass Doktor Faas ihn beheben oder zumindest notdürftig reparieren kann. Genügend Werkzeug befindet sich an Bord Ihres Schiffes. Außerdem hat Doktor Faas im Rahmen seiner Forschungen viele Planeten bereist. Wir wissen, dass Sie mehrere Sprachen beherrschen, Doktor, und sich in den verschiedensten Kulturen auskennen. Auch das mag Ihrer Mission nützlich sein.

Und Sie sollen das Unternehmen nicht allein aus Heimatliebe antreten. Der Senat bietet jedem von Ihnen eine Million Bat als Aufwandsentschädigung. Unversteuert, versteht sich.“

„Eine Million!“ DeBray schnappte hörbar nach Luft. Damit hatte Hugh gerechnet. Sogar für einen Meisterdieb stellte das eine enorme Summe dar. Selbst Doktor Faas schien von diesem Betrag beeindruckt zu sein und Hugh glaubte aus seiner Miene ablesen zu können, dass er bereits überlegte, welche Forschungen er von dieser Million finanzieren konnte. Den jungen Speeder konnte er mit Geld nicht locken, soviel war ihm ebenfalls klar. Allerdings hatte er für ihn ein besonderes Bonbon parat.

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Codys Gedanken wirbelten im Kreis: Er sollte einen Dieb jagen. Seine Fähigkeiten als Pilot waren sogar vom Senat anerkannt worden. Das Rennen in Urnais würde er verpassen … Eines der wichtigsten Rennen in dieser Saison. Roland würde toben. Aber er könnte etwas wirklich Wichtiges tun.

Hugh Baisleys Angebot, für den Einsatz eine Million Bat einzukassieren, reizte ihn dagegen gar nicht. Dank seines Erfolgs als Speeder hatte er mittlerweile für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Was ihn kitzelte, war das Abenteuer. Doktor Faas und diesen Dieb schien eher das Geld zu interessieren.

„Was habe ich von der Million, wenn mich ein Gangster niederschießt?“, erkundigte sich der Doktor genau in diesem Moment. Eine gute Frage. Cody spitzte aufmerksam die Ohren.

„Natürlich liegt uns Ihre Sicherheit am Herzen. So, wie Sie hier stehen, ist Ihr Team noch nicht vollständig. Darf ich Ihnen das vierte Mitglied Ihrer Gruppe vorstellen?“

Wie auf ein Stichwort hin glitten die Türen des Kuppelsaales auseinander und ein Mann mit zotteligen dunkelbraunen Haaren trat ein. Er schien etwas älter als Cody zu sein und war vollkommen in schwarzes Leder gekleidet, lediglich ein Wollmantel, der ihm lässig über die Schultern hing, war mit dem Pelz eines fremdartigen Tieres verbrämt. In seinem Gürtel trug er ganz offen einen Phaser und mehrere Messer unterschiedlichster Länge. Hocherhobenen Kopfes und mit einer greifbaren Arroganz trat der Fremde näher. Was Codys Aufmerksamkeit jedoch vorrangig anzog, war das riesige muskelbepackte Tier, das lautlos hinter dem Krieger herschlich. Cody mochte mit seinen 1,80 m gerade bis zur Schulter dieser unheimlichen Mischung aus Wolf und Ratte reichen. Der dunkelgraue, struppige Wolfskörper mit den viel zu intelligenten Augen ging in einen geschuppten Rattenleib über, der ein helleres Grau mit einer Art Perlmuttschimmer aufwies. Ein Stachelkranz ragte im Nacken dieses Wesens auf und es war mit schrecklichen Klauen und Zähnen bewaffnet. An seinem langen, sehr agilen Schwanz befand sich ein todbringender Stachel. Cody hatte von diesen Tieren gehört: Gnarks! Sie ließen sich nicht zähmen, sondern suchten sich selbst einen Herrn aus. Und es gab sie ausschließlich auf einem einzigen Planeten: Durgha. Dies ließ darauf schließen, dass der selbstbewusste Fremde einer der legendären Elitekrieger war, die man für viel, extrem viel Geld zu Söldnerzwecken anheuern konnte.

Cody runzelte besorgt die Stirn. Der Senat ließ sich ihre Sicherheit wirklich etwas kosten. Oder um es mit anderen Worten auszudrücken: Man befürchtete, dass sie tatsächlich in Lebensgefahr gerieten.

Der Krieger schritt an Doktor Faas vorbei und senkte nur kurz um eine Winzigkeit seine Lider, als er DeBray passierte. Diesem stand deutlich Überraschung ins Gesicht geschrieben. War es möglich, dass sich die beiden kannten? Auf seiner Höhe stockte der Schritt des Fremden und Cody bekam einen längeren Blick geschenkt, gepaart mit dem Hochziehen einer Braue und einem darauf folgenden minimalen Lächeln. Was hatte das zu bedeuten? Cody fühlte sich irritiert. Gelassen stellte sich der Krieger schließlich neben den Senator, der sich sichtlich an den verwunderten Reaktionen seiner Gäste erfreute.

„Sie alle wissen um die außerordentlichen Fähigkeiten eines Durgha-Kriegers. Sandor ap Tel’lah besitzt die Freundlichkeit, Sie auf Ihrer Mission zu begleiten“, erklärte Baisley. „Er wird Ihr Beschützer und Ihr Anführer sein.“

„Und … und dieses … wird ebenfalls mitkommen?“ Doktor Faas’ Stimme klang wacklig, weil der Gnark um sie herumschlich und ihre Witterung aufnahm. Die gefährliche Schnauze kam Cody ganz nahe, stupste ihn sogar einmal so heftig an, dass er zwei Schritte zurücktaumelte, ehe er sein Gleichgewicht wiederfand. Unsicher schaute er zu dem Durghaner hinüber, der sie scharf beobachtete und etwas verspätet die Frage des Doktors beantwortete:

„Go’dah ist mein Schatten. Halten Sie sich ruhig und versuchen Sie nicht ihn anzufassen. Dann wird Ihnen nichts geschehen.“

Hastig zog Cody seine Hand zurück, mit der er den Gnark hatte berühren wollen. Das Tier schnüffelte weiterhin um ihn herum, bis es anscheinend von ihm genug hatte und zu dem Durghaner tappte.

„Meine Herren, sind Sie bereit, diese Mission anzunehmen?“, fragte Baisley.

„Ich würde das gerne einen Tag überschlafen und …“

„Ich bedaure, Doktor Faas, dass ich Ihnen diese Frist nicht zugestehen kann. Sie müssen sich gleich entscheiden und die Reise sofort antreten. Sollten Sie ablehnen, muss sich der Senat unverzüglich mit den Ersatzpersonen in Verbindung setzen. Jemand, der etwas derartig Bedeutsames wie das Licht von Latoy stiehlt, hat Spione, die seine Flucht im Auge behalten und ihm einen möglichst großen Vorsprung verschaffen wollen. Und wir müssen eventuell in Betracht ziehen, dass der Diebstahl im Auftrag einer dritten Person durchgeführt wurde und Wontec in Kürze Anweisungen bekommt, wohin er den Kristall bringen soll. Für unseren Planeten hat die Rückkehr des Lichtes oberste Priorität. Wir müssen den Kristall so schnell es geht zurückerlangen.“

„Wir sollen sofort starten? Was heißt das genau?“ Der Doktor starrte den Senator verblüfft an.

„In der nächsten halben Stunde, Doktor Faas.“

„Aber ich muss mich zuvor mit meinem Lebensgefährten in Verbindung setzen und bin mir sicher, dass auch Mr. Mawhiney Termine zu regeln hat …“

„Das können Sie alles vom Bord der Eagle 74K, die uns die Raumpatrouille freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, aus erledigen. Notwendige Dinge für die Reise wie Proviant, Medikamente und Kleidung für die unterschiedlichsten Witterungen hat der Senat bereits für sie zur Verfügung gestellt.“

Codys Herz begann regelrecht zu hüpfen. Die Eagle gehörte zu den schnellsten Raumgleitern ihres Sternensystems und die 74K stellte das neueste Modell dar. Schon immer hatte er eines dieser Wahnsinns-Geschosse fliegen wollen. Da es sich bei diesen Schiffen um militärische Gleiter handelte, hatte er bislang immer geglaubt, dass sein Wunsch ein Traum bleiben würde. Bei diesem Lockmittel war seine Entscheidung gefallen. Sollte ruhig Brennan den Sieg in Urnais erringen. Er gönnte es seinem Kollegen. Doch das hier war Tausend Mal besser. Eine Eagle! Was konnte phantastischer sein?

Roland würde sicherlich enttäuscht sein, dass er sich das Super Race entgehen ließ, würde ihn allerdings verstehen, wenn er ihm von der Eagle berichtete. Das hoffe er zumindest.

„Ich bin dabei“, sagte er daher rasch. Vielleicht zu rasch? Dem Durgha-Krieger war die spöttische Belustigung vom Gesicht abzulesen.

„Das freut mich sehr“, erwiderte der Senator mit einem Lächeln.

Cody wandte sich an die anderen: „Was ist mit Ihnen?“

DeBray kaute an seiner Unterlippe und schien Für und Wider gegeneinander abzuwägen.

„Eine Million Bat“, hörte Cody ihn murmeln. Endlich gab sich der Meisterdieb einen Ruck: „Ich bin ebenfalls mit dabei, wenn meine Haftbefehle als zusätzlicher Bonus verschwinden.“

Der Senator zeigte nickend sein Einverständnis. Einzig Doktor Faas zögerte noch. Dabei hätte Cody ihn gerne mit in ihrer Truppe gehabt. DeBray war ihm nicht nur zu arrogant, er erschien ihm zudem wenig vertrauenswürdig. Und der Elitekrieger war ihm unheimlich. Doktor Faas dagegen wirkte trotz seines Titels wie ein normaler Mensch, obwohl er einiges auf dem Kasten haben musste. Selbst Cody, der sich nicht unbedingt für Wissenschaft interessierte, war sein Name ein Begriff. Und der Doktor schien gerade mal Anfang Dreißig zu sein.

„Kommen Sie, Doktor Faas. Mit Ihren Sprachkenntnissen und Ihrer Ahnung über Antriebswerke werden Sie uns von großem Nutzen sein“, versuchte er den Mann zu überreden. Der atmete tief durch.

„Ich heiße Martyn. Wenn wir die nächste Zeit auf engstem Raum zusammenleben werden, sollten wir auf Formalitäten verzichten.“

Mit einem breiten Grinsen wandte sich Cody an den Senator: „Sie haben Ihr Team.“

„Ja.“ Der Senator wirkte erleichtert. „Das ist überaus erfreulich. Ich bin Ihnen zutiefst dankbar. Doktor Faas, würden Sie es übernehmen, mich während Ihrer Reise täglich über den Stand der Dinge zu informieren?“

Der Doktor nickte. „Kein Problem.“

„Nun hätten wir ja alles Wichtige geklärt. Wenn Sie mir bitte zu Ihrem Raumgleiter folgen wollen?“

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„Womit habe ich Sie überzeugen können, Mr. Mawhiney?“, fragte Baisley, als sie sich gemeinsam auf den Weg zum Hangar machten. Die Hände hatte er locker auf dem Rücken verschränkt, während er beinahe gemütlich neben Cody dahinschlenderte. Dagegen wäre er am liebsten vor Begeisterung wie ein kleiner Junge gerannt.

„Das Geld hat Sie sicherlich nicht gelockt. Und einen Pokal, ein Siegertreppchen und den Jubel wie nach einem Sieg beim Super Race in Urnais kann ich Ihnen nicht bieten.“

„Die Eagle“, antwortete Cody schlicht, obwohl er vor Aufregung beinahe platzte. „Es ist die Eagle. Nicht jeder bekommt die Möglichkeit ein solches Schiff zu fliegen.“

„Wir haben also den richtigen Köder gelegt?“

Ja, das hatte der Senat. Und er hatte wie ein hungriger Fisch zugeschnappt und hing an der sprichwörtlichen Angel.

„Einen besseren hätten Sie nicht finden können, Senator Baisley.“

„Es gibt übrigens lediglich zwei große Schlafkabinen an Bord. Sie werden sich die Räumlichkeiten teilen müssen“, wandte sich der Senator nun an alle. „Dazu kommt eine Bordküche, die auch als Aufenthaltsraum dient. Wir haben uns bemüht, Ihnen soviel Bequemlichkeit wie möglich einzuräumen, allerdings wissen Sie bestimmt, dass eine Eagle für schnelle und gefährliche Reisen gebaut wird. Daher wird alles Überflüssige weggelassen, das das Schiff unnötig beschweren würde. Entsprechend ihrer Einsätze ist die Eagle mit Feuerkraft ausgestattet. Mr. ap Tel’lah ist mit der Bedienung der Bordwaffen vertraut.“

Der Krieger schob sich plötzlich neben Cody und sagte mit einem eindringlichen Blick in seine Richtung: „Wir beide werden uns eine Kabine teilen, Cho-di.“

„Mein Name ist Cody.“

„Das ist mir bewusst.“

Ehe Cody darauf reagieren konnte, hatte Sandor seinen Schritt beschleunigt und lief ihnen mit dem Gnark Go’dah voraus. Eine Hand schlug Cody von hinten auf die Schulter, sodass er erschrocken zusammenzuckte, und er hörte Noah lachend sagen:

„Na, Kleiner, da hast du aber jemanden mächtig beeindruckt.“