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Die Orks stehen an der Grenze zum Halland und drohen, in das Nordland einzufallen. Daher geht Prinz Cato eine kurzfristig arrangierte Ehe mit dem Königshaus Xanda ein, denn die Mitgift besteht aus den dringend benötigten Soldaten. Als Cato dann jedoch seiner Angetrauten gegenübersteht, glaubt er seinen eigenen Augen nicht zu trauen: Seine Braut ist männlich! Und alles andere als erfreut, dieses Zwangsbündnis eingehen zu müssen.
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Seitenzahl: 273
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Sandra Busch
Das Bündnis von Halland
© dead soft verlag, Mettingen 2013
http://www.deadsoft.de
© the author
Cover: M. Hanke
Coverbild: © Stephen Gibson – fotolia.com
1. Auflage
ISBN 978-3-943678-63-5 (print)
ISBN 978-3-943678-64-2 (epub)
Cato stampfte lautstark mit den Füßen, um sich den Schneematsch von den Stiefeln zu treten, bevor er die Tür zur Hallwacht-Feste aufstieß. Angenehm warme Luft strahlte ihm entgegen. Das Feuer in der Mitte des Saales war kräftig geschürt, ein Rudel zottiger Hunde lag schläfrig davor und einige Mägde streuten frische Binsen aus. Kaum hatte Cato seinen dicken Pelzmantel geöffnet, als eine aufgeregte Stimme ihn von der Seite ansprach:
„Was bin ich froh, dass ich Euch finde, mein Prinz. Euer Vater erwartet Euch in einer dringlichen Angelegenheit in seinen Gemächern.“
„Ist irgendwo eine Ente vom Himmel gefallen?“, brummte Cato halblaut vor sich hin, denn in den letzten Jahren war sein Vater dazu übergegangen ihn für alles und jedes nach seiner Meinung zu fragen und immer mehr Aufgaben vertrauensvoll an ihn abzutreten. Er drückte dem Mann seinen Mantel in die Hand.
„Wie meinen, mein Prinz?“, fragte der ratlos.
„Ich meine, dass ich eilen werde.“ Cato schenkte dem Dienstboten ein freches Grinsen und lief die Stiegen zu seinen eigenen Räumlichkeiten hinauf. Was es auch war, das sein Vater mit ihm bereden wollte, es musste warten, bis er sich wenigstens frische und vor allem trockene Kleidung angezogen hatte.
Der Winter war in diesem Jahr früh eingefallen. Viel zu früh, wenn man seine Meinung dazu hören wollte. Wenigstens war die Ernte ergiebig gewesen und der Viehbestand war gesichert, sodass nicht mit einer Hungerperiode zu rechnen war – es sei denn, der Winter würde sich auch übermäßig lang einnisten.
Einzig die Orks machten ihm Sorge. Dauernd trieben sich vereinzelte Banden in den Bergen und Hochebenen herum. Diese hässlichen Gestalten wurden von Tag zu Tag dreister und drangen mit jedem Vorstoß tiefer in Halland ein. Wie gut, dass sein Vater auf ihn gehört und Späher ausgeschickt hatte. Die hatten bereits nach kurzer Zeit gemeldet, dass sich die Orks in riesigen Lagern sammelten. Wieder einmal!
Cato seufzte. Der letzte Krieg gegen die schaurigen Bewohner der Kargen Öde lag erst sechs Jahre zurück. Sie hatten viele tapfere Männer und beinahe auch seinen Vater in dem erbitterten Grenzlandkrieg verloren, doch es war ihnen gelungen, die Orks in ihre Heimat zurückzujagen.
Jetzt verhandelte sein Vater widerwillig mit dem benachbarten südlichen Königreich Xanda. Widerwillig, weil zwischen ihren Reichen keine große Freundschaft bestand. Aber um Halland halten zu können und die Grenzen dauerhaft zu sichern brauchten sie dringend Soldaten, die Xanda ihnen bieten konnte. Dafür begehrte Xanda einen Anteil an den Bodenschätzen, die hallandische Minenarbeiter in schweißtreibender harter Arbeit den Bergen abtrotzten. Allerdings wäre eine Ehe nötig, damit ein dauerhaftes Bündnis zwischen den beiden Königreichen zustande kam und Halland sicher sein konnte, dass der xandanische König dieses Bündnis kein weiteres Mal brach. Ein erneutes Seufzen drang über seine Lippen. Da er das einzige Kind von König Tomke war, würde die Aufrüstung ihres Heeres auf seinen Schultern erfolgen.
Cato trat an den Spiegel und warf einen Blick hinein. Mit den Fingern glättete er sein langes, zotteliges Blondhaar, fuhr sich über den kurz gehaltenen Bart und schenkte sich ein schiefes Grinsen. Seine Zukünftige würde einen attraktiven Mann heiraten.
„Verdammt! Ich würde mich glatt selbst ficken.“ Er lachte, fand sich präsentabel genug und machte sich daher auf den Weg zu seinem Vater.
König Tomke stand vor dem Kamin, als Cato die privaten Gemächer seines Vaters betrat. Er rieb sich den Armstumpf, der ständig Schmerzen ausstrahlte, die ihm kein Heiler in ganz Halland nehmen konnte.
„Du wolltest mich sprechen?“
Langsam drehte sich Tomke um und verzog den Mund zu einem kleinen, wenngleich liebevollen Lächeln.
„Nimm dir einen heißen Trank, mein Sohn, und sag mir, ob du erfolgreich warst.“
„Wir haben den Bären zur Strecke gebracht. Es war ein altes krankes Tier, das zu schwach für einen frühen Winterschlaf war. Die umliegenden Höfe sind wieder sicher.“ Cato verzog das Gesicht. Das war keine Jagd gewesen, auf die ein Mann stolz sein konnte.
„Wenigstens die Bären haben wir im Griff“, murmelte Tomke und nickte zufrieden, als sich Cato mit Met versorgte.
„Du wolltest etwas Wichtiges mit mir bereden?“ Cato ließ sich in einen Sessel fallen und streckte die langen Beine in Richtung des gemütlichen Feuers aus.
„Gad hat einen Herold geschickt.“
Das bedeutete, die Entscheidung über ein Bündnis mit Xanda war gefallen. Cato wartete gespannt, dass sein Vater fortfuhr.
„Willst du wirklich die Tochter dieses Ziegenbartes ehelichen? Ich habe dir stets Liebe versprochen. Und noch sind keine Verträge unterzeichnet worden …“
Und dafür verehrte Cato seinen Vater. Nicht vielen Prinzen stand die Freiheit zu, sich selbst eine Braut zu suchen. Doch sein Vater hatte den Boden angebetet, über den seine Mutter gewandelt war, ehe ein scheuendes Pferd ihr zum Verhängnis wurde. Sein größter Wunsch war es daher, dass auch Cato mit seiner zukünftigen Braut glücklich werden würde.
„Hat Gad zugestimmt?“, erkundigte sich Cato und ließ die heiße Flüssigkeit in seinem Becher kreisen.
„Er hat. Der alte Knochen ist so gierig auf die Schürfanteile, dass er eine sofortige Vermählung verlangt. Der Herold soll bereits morgen stellvertretend die Rolle der Braut annehmen.“
„Morgen also schon.“ Cato fing den Blick seines Vaters auf und zuckte mit den Schultern. „Ein paar Wochen früher oder später macht mir nichts aus. Umso schneller werden die Soldaten hier sein.“
„Und über deine Braut willst du gar nichts wissen? Das Mädchen heißt Arel.“
„Arel …“ Cato ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. „Das klingt hübsch.“
„Ich hoffe für dich, dass sie von gefälliger Gestalt ist und nach ihrer Mutter schlägt.“
Cato grinste. Innerlich wurde es ihm allerdings ein wenig flau im Magen. Jemanden zu heiraten, den man nicht liebte, war eine Sache. Aber eine Ehe einzugehen, ohne die Braut wenigstens einmal gesehen zu haben …
„Und wann werde ich mein holdes Weib in die Arme schließen können?“
„In etwa einer Woche werden sie hier sein. Gad wird sie zusammen mit seiner Gemahlin und einer ersten Hundertschaft begleiten.“
„Er bringt Königin Idaline mit?“ Nun war Cato doch überrascht. Idaline war Gads dritte Frau, die sich wegen ihrer zerbrechlichen Natur selten in der Öffentlichkeit zeigte. In Halland wurde gemunkelt, dass sie von großer Schönheit war und Gad sie deswegen wie ein Kleinod unter Verschluss hielt. Da Gad selbst als arroganter Despot bekannt war und Eifersucht genau in das Bild passte, das Cato von ihm hatte, war er geneigt, diesen Gerüchten Glauben zu schenken. Von ihrem einzigen gemeinsamen Kind hatte sein Vater jetzt immerhin den Namen in Erfahrung bringen können. Die Kontakte zwischen ihren beiden Reichen waren eher als gering einzustufen, daher wusste er selbst nur das Notwendigste über das xandanische Königshaus. Gads wiederholte Verstöße gegen getroffene Handelsabkommen mit Halland hatten zu politischen Zwistigkeiten geführt und eine nähere Berührung zwischen den Monarchen unterbunden. Ihm war lediglich geläufig, dass König Gad eine ganze Handvoll Kinder hatte, darunter zwei Mädchen, von denen nun eine seine Braut werden würde.
Auch dieser Handelskrieg wird mit meiner Ehe ein Ende finden, tröstete sich Cato.
„Sicherlich braucht deine Zukünftige ein wenig mütterlichen Beistand. Sie wird bestimmt ein bisschen einfältig sein, wenn sie mit neunzehn Lenzen noch ohne einen Gatten ist. Auch du hättest mir längst einen Enkel aufs Knie setzen können.“
„Solange Arel ein freundliches Wesen hat, werde ich es mit ihr aushalten.“ Das hoffte Cato jedenfalls.
Der Dienstbotentratsch informierte ihn zuvorkommend über die Person, die er stellvertretend heiraten sollte. Der Herold war sternhagelvoll aus dem Reiseschlitten gefallen, Ihrer Majestät direkt vor die Füße. Drei starke Männer hatten den schwankenden Besuch mit dem Wohlstandsbauch anschließend in ein Gästezimmer geschleppt, wo der Herold lautstark nach Wein gerufen hatte. Was sich König Gad dabei gedacht hatte, einen solchen Trunkenbold zu schicken, erschloss sich niemandem. Die Dienstboten waren sich jedoch einig, dass dies einen offenen Affront gegen Halland darstellte.
Als sich Cato nun sorgfältig hergerichtet an die Seite des Herolds stellte, der für die abwesende Braut sprechen sollte, war er geneigt dieser Meinung beizupflichten. Der taumelnde Mann war so betrunken, dass er kaum stehen konnte. Ein Novize der Priesterschaft musste ihn unter Aufbietung aller Kräfte am Ellenbogen stützen.
Hoffentlich ist Arel bei unserer ersten Begegnung nicht ebenfalls trunken, dachte Cato wütend. Auch bei einem stellvertretenden Gelöbnis hätte er ein wenig Anstand erwartet. Offenbar war der feiste Mann schon lange der Trunksucht verfallen, denn auf der Nase in dem aufgeschwemmten Gesicht zeigten sich deutlich die roten Äderchen eines Säufers. Selbst wenn die Xandaner sie tausend Mal als Barbaren bezeichneten, war es eine Frechheit, ihnen als stellvertretende Braut einen Mann zu schicken, dessen Kleidung Weinflecken aufwies und der kaum mitbekam, wo er sich gerade befand.
Der Herold rülpste, starrte ihn aus trüben Augen an und lallte:
„ … Schtell…ffffertreter?“
Cato bemühte sich um Beherrschung. „Ganz recht. Ihr seid der Stellvertreter meiner Braut.“
Als der Herold albern zu kichern begann, gab Tomke dem Priester einen Wink, mit der Zeremonie zu beginnen. Salbungsvoll begann der ehrwürdige Mann:
„Im Namen der fünf Götter und der fünf heiligen Elemente sprechen wir das Ehegelöbnis zwischen …“
Es fiel Cato sogleich auf, dass der Priester die Trauung nicht mit den traditionellen Worten Gesegnet durch die Götter begann. Warum seine Ehe mit einer anderen Wortwahl als üblich begann, entzog sich jedoch seiner Kenntnis. Aber er hielt diese Änderung auch nicht für bedeutsam.
Ob so oder so, verheiratet ist verheiratet, dachte er bei sich.
Dem großen Reichsbund gehörten fünf Königreiche an. Diese Reiche – Stolisan, Pali, Xanda, Halland und Ogonda – verehrten wiederum fünf Götter, symbolisiert durch die verschiedenen heiligen Elemente. Natürlich rief jedes Reich bevorzugt die von ihm vertretene Gottheit an.
Stolisan verfügte über endlose Wälder und stand damit für die Gottheit Stomar und das Element Holz.
Das Königreich Plyor wurde von etlichen Flüssen, Seen und Bächen durchzogen. Die Bewohner lebten zumeist auf Hausbooten oder selbst erbauten schwimmenden Inseln. Plyor verehrte daher das Wasserelement mit seinem Gott Tytin.
In Xanda war die Feuergöttin Xeliri zu Hause. König Gads Reich hatte mehrere aktive Vulkane. Cato wusste, dass der letzte verheerende Ausbruch eines dieser Feuer speienden Berge inzwischen drei Regierungszeiten zurücklag und es damals viele Todesopfer gegeben hatte. Dennoch hatte sich Xanda schnell von dieser Katastrophe erholt.
Oganda besaß fruchtbares Ackerland, daher wurde dort die Erdgöttin Undani verehrt und in Halland war es der Gott des Metalls, Onrad.
Eine Ehe im Namen all dieser Götter hatte daher ein höheres Gewicht, als wenn sie lediglich im Namen Xeliris und Onrads geschlossen wurde. Allerdings war er ein Prinz und es war seine erste Vermählung. Sicherlich waren die Worte des Priesters in diesem Fall so üblich.
Die weitere langatmige Rede des Priesters begann Cato nach einer Weile zu langweilen, deswegen schweiften seine Gedanken schon wieder ab. Er stellte sich ein hübsches, lachendes Mädchen an seiner Seite vor. Aus strahlenden Augen himmelte sie ihn an, Blumenkinder streuten Rosenblüten, Musiker spielten auf und zahllose weiße Tauben flatterten ins wolkenlose Blau. Und nach einer angemessenen Zeit empfahlen sie sich unter den freundlichen Neckereien der Anwesenden von der reichlich bestückten Tafel.
„Mein Prinz?“
Cato wurde aus seinen angenehmen Tagträumereien gerissen. Verwirrt schaute er den Priester an, der offenbar auf eine Antwort wartete.
„Bitte?“, fragte Cato.
„Wollt Ihr Arel von Xanda zu Eurem Weibe nehmen, ihr treu sein, sie achten …“
„Ja, ich will“, unterbrach er die Wiederholung des Priesters. Der Herold neben ihm schien bereits im Stehen zu schlafen. Was für eine Unverschämtheit! Cato war versucht, diese Missachtung seiner Person und der Zeremonie mit einem Faustschlag zu erwidern. Auf ein Zeichen des Priesters hin trat er vor und unterzeichnete den Ehevertrag, der bereits das Siegel und die Signatur König Gads trug. Damit war er verheiratet. Und noch immer ohne Braut.
Mit einer Verbeugung verabschiedete sich der Priester mit den wenigen Anwesenden, damit diese an einem ruhigen Ort die Ehe schriftlich bezeugen konnten. Den besoffenen Herold zerrten sie mit sich. Er würde solange als Gast in der Hallwacht-Feste bleiben, bis die xandanische Königsfamilie eintraf und ihm offiziell sein Weib übergab.
„Tja, mein Sohn, nun bist du verheiratet.“ Sein Vater rückte sich den pelzgefütterten Umhang zurecht. Angesichts dieser trostlosen Zeremonie gratulierte er seinem Sohn nicht und Cato war froh darüber. Wären sie nicht so verzweifelt gewesen, dann wäre dieses Bündnis mit Xanda niemals zustande gekommen. Außerdem brauchte er persönlich eine aus Not arrangierte Hochzeit nicht zu feiern, zumal die Braut ohnehin abwesend war. Tomke legte ihm den Arm um die Schultern.
„Ich bin sehr stolz auf dich“, sagte er mit feuchten Augen.
„Ich weiß, Vater.“ Cato raffte sich zu einem Lächeln auf. „Es wird schon nicht so schlimm werden. Schließlich habe ich nicht den alten Ziegenbock, sondern seine Tochter geheiratet.“
Hälse wurden gereckt, das Getuschel unter dem versammelten Gesinde wurde lauter, jemand drängelte und ein anderer geriet ins Stolpern, als der prunkvolle Reiseschlitten im Hof der Feste hielt. Wie herbeigezaubert tummelten sich plötzlich Soldaten, Knechte, Lastschlitten und Pferde zum Hundegebell vor der Freitreppe. Mit steifen Gliedern stieg ein protzig gekleideter alter Mann von einem sichtlich müden Pferd und schritt feierlich auf Catos Vater zu. Der lange dünne Kinnbart und der Goldreif in seinem weißen Haar ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass König Gad von Xanda sich die Ehre gab. Kühl wechselten die beiden Herrscher die üblichen Höflichkeitsfloskeln, während sich Cato mit wild klopfendem Herzen dem Reiseschlitten näherte, dessen Verschlag nun geöffnet wurde. Ein junger Mann stieg aus und verzog kurz das Gesicht, als sein Fuß in einer Pfütze Eiswasser versank. Er war nach höfischer Mode vornehm gekleidet, aber selbst der pelzverbrämte Mantel konnte nicht verbergen, dass er von schmaler Gestalt war. Von der Größe her reichte er nicht an einen Hallander heran, die von den anderen Königreichen auch gerne als Riesen des Nordens betitelt wurden.
Kurz sah sich der junge Edelmann auf dem Hof der Feste um, als wollte er alle Einzelheiten in sich aufsaugen. Dann reichte er mit einer eleganten Geste seine Hand der zierlichen Person, die sich ebenfalls in dem Schlitten befand. Behutsam half er einer blassen graziösen Frau aus dem Gefährt, in deren braunem Haar sich die ersten grauen Strähnen zeigten. Das musste Königin Idaline sein. Im nächsten Moment ruckte der Schlitten an und fuhr davon, um Platz für die Lastschlitten zu schaffen, die sogleich von den Knechten entladen wurden. Irritiert sah sich Cato nach einer weiteren weiblichen Reisenden um. Hatte er etwa einen anderen Schlitten übersehen?
„Arel, komm her und lass dir deine Braut zeigen!“, tönte König Gads Stimme über den Hof.
Cato zog die Brauen zusammen. Hatte er gerade richtig gehört? Er beobachtete, wie der junge Adlige Königin Idaline an die Seite ihres Gemahls führte und sich höflich vor Tomke verbeugte. Gleich darauf suchte sein Vater über die Menge hinweg hilflos seinen Blick. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Grob bahnte sich Cato einen Weg durch die Umstehenden und gesellte sich an die Seite seines Vaters. Wo, bei allen Yakkie, war seine Braut?
„Darf ich vorstellen?“, sagte sein Vater mit grimmigem Gesicht. „Mein Sohn Cato.“
Gads Miene blieb unbewegt und kühl wie eine Maske aus Eis. Er winkte den jungen Edelmann nach vorn und erklärte mit einer theatralischen Geste: „Mein fünfter Sohn Arel.“
Auf dem Hof wurde es mucksmäuschenstill. Cato starrte in die dunklen Augen seines Gegenübers, in denen der Ausdruck eines gequälten Kaninchens lag.
„Vater“, sagte er langsam in die unangenehme Stille hinein, „meine Braut ist ein Kerl.“
„Was für eine prekäre Überraschung“, sagte Gad mit einer Kälte in der Stimme, die den Wintern in Halland in nichts nachstand. Trotz der typisch weichen Aussprache eines Xandaners klangen König Gads Worte scharf wie Messer. Arel musste diese Tonart bereits zu Genüge kennen, denn er zuckte nicht einmal zusammen. Beharrlich hielt er den Blick auf die Spitzen seiner leichten Stiefel gerichtet, die dem Schnee außerhalb der Feste keine zehn Meter weit standhalten würden.
Königin Idaline hatte sich wohlweislich in die für sie bereitstehenden Gemächer zurückgezogen.
„Wie könnt Ihr mir eine Färse versprechen und mir dann einen Bullen präsentieren?“, erkundigte sich Gad leise. In seinen Worten schwang deutlich eine unterschwellige Drohung mit.
Wenigstens hat er nicht Ochse gesagt, dachte Cato verärgert, der neben seiner sehr schweigsamen Braut stand. Arels Wangen glühten während der Tirade seines Vaters, aber er hielt den Kopf gesenkt.
„Ich habe Euch kein Vieh versprochen, Gad. Vielmehr suchte ich eine Braut und man berichtete mir, Ihr hättet zwei Töchter.“
„Da wurdet Ihr korrekt informiert. Diese beiden sind jedoch längst verheiratet. Alle meine Kinder sind verheiratet. Jedes Einzelne! Bis auf Arel, meinen Jüngsten. Und ich war sehr glücklich über Euer Angebot eines Eheversprechens, denn ich kann unmöglich mein Reich unter fünf Söhnen aufteilen. Wie stellt Ihr Euch das vor? Ich hatte mich nunmehr darauf eingerichtet, dass mein Spross aus Mangel an männlichen Erben Eurerseits zukünftig über Halland herrschen würde. Allein aus diesem Grund habe ich Eurem Gesuch zugestimmt, dass er Xanda und seinen heimatlichen Palast verlässt. Und heute beleidigt Ihr mich, indem Ihr mir einen Schwiegersohn offeriert.“
„Wenn, dann ist die Beleidigung auf beiden Seiten. Ihr hättet mir sagen müssen, dass Arel Euer Sohn ist“, sagte Tomke bemüht ruhig.
„Und Ihr hättet erwähnen können, dass Eure Tochter knapp zwei Meter groß ist und zum Bartwuchs neigt.“ Die beiden Kontrahenten sahen einander wütend an.
„Wir lassen die Ehe einfach annullieren“, schlug Cato in diesem Moment der Stille vor. Gad wirbelte zu ihm herum.
„Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, ich nehme diesen … Arel wieder bei mir auf?“, zischte es ihm giftig entgegen.
„Mein Prinz, mit Verlaub, eine Annullierung ist nicht möglich. Ihr seid im Namen der fünf Götter vermählt worden. Die Ehe kann weder geschieden noch aufgehoben werden“, mischte sich da der Priester ein. „In keinem der fünf Königreiche.“
Erst jetzt sah Arel auf.
„Im Namen der fünf Götter?“, wiederholte er ungläubig, während sein Vater wenig überrascht seine gefältelte Manschette zurechtzupfte.
„Euer Vater bestand darauf“, erklärte der Priester zögernd. „Und da die Götter diesen Bund gesegnet haben, besteht keine Möglichkeit …“
„Ihr!“, fauchte Arel seinen Vater an. „Ihr mit Eurer maßlosen Gier nach den Schätzen dieses Landes.“
In Gads Mauer aus kühler Beherrschtheit erschien ein Riss. Er holte aus und schlug seinem Sohn vor allen Augen wuchtig ins Gesicht. Xandas König mochte ein alter Mann sein, aber er war noch gut bei Kräften. Arel taumelte unter dem Hieb zurück und hob die Hand zu seiner blutenden Nase. Aufgebracht und bestürzt trat Cato zwischen seinen Was-auch-immer und seinen Schwiegervater und knurrte: „Solange ich mit Eurem Sohn vermählt bin, werdet Ihr kein zweites Mal die Hand gegen ihn erheben. Ist das klar?“
König Gad zog eine buschige Augenbraue in die Höhe und wandte sich zu Catos Vater um.
„Meinen aufrichtigsten Respekt, Tomke, Euer Sohn hat Biss. Das imponiert mir.“
„Wir sollten eine Lösung für unser Problem finden“, sagte Tomke müde und ließ sich in einen Sessel sinken. Cato bemerkte, wie er sich verstohlen den Stumpf rieb.
Verfluchte Orks, dachte er betroffen. Es tat weh, seinen Vater unter dieser Verletzung leiden zu sehen.
„Diese Hochzeit ist für das Volk ein einziger großer Witz.“ Tomke warf ihm einen betroffenen Blick zu. „Und nicht nur für das Volk.“
„Witz hin oder her“, sagte Gad. „Die Ehe ist legitim. Euer Priester hat dies ganz deutlich erklärt.“
„Unsere Söhne können unmöglich eine Ehe führen.“
„Welcher Grund spräche denn Eurer Meinung nach dagegen?“
Cato starrte Gad entgeistert an. „Wisst Ihr eigentlich, was Ihr da sagt?“
König Gad winkte seinen Sohn näher. „Arel!“
Der schroffe Kommandoton ärgerte Cato, Arel dagegen schien sich nur noch mehr zu ducken.
„Ich gehorche, Vater“, sagte er leise.
Fassungslos schüttelte Cato den Kopf. Eine Ohrfeige und dieser Bursche gab klein bei? Blut lief in einem dünnen Rinnsal aus Arels Nase, was der mit einem blütenweißen Tüchlein zu stillen versuchte.
„Gibt es wirklich keinen Ausweg aus dieser Situation?“, fragte Tomke den Priester.
„Nein, Eure Majestät. Nicht, wenn die Ehe im Namen der fünf Götter geschlossen worden ist. Außerdem hat es bereits in der Vergangenheit eine solche Konstellation der Vermählung ge…“
„Ah“, unterbrach ihn Gad mit einem breiten Lächeln voll falscher Freundlichkeit. „Seht Ihr, Tomke? Euer Priester bietet uns sogar einen Präzedenzfall.“
Cato stellte fest, dass Arel seinem Vater einen hasserfüllten Blick zuwarf. Seine Nase blutete noch immer und auch sein Auge schien anzuschwellen.
„Genau, Eure Majestät. Vor über zweihundert Jahren schloss Oganda nach einer langen Dürre aus Gründen der Not ein ähnliches Bündnis mit Pylor. Die Ehe fand zwischen den jüngsten Söhnen beider Königshäuser statt“, fuhr der Priester in seiner Erklärung fort. „Und niemand zweifelte diese Verbindung an.“
„Wir scheinen uns wirklich mit dieser Situation arrangieren zu müssen.“ Tomke seufzte, und auch Cato nickte langsam.
„Sie werden wie Frau und Mann zusammenleben“, forderte Gad unerbittlich und fuhr sich mit der Hand über seinen langen, dünnen Kinnbart. „Wie es vertraglich festgelegt wurde.“
Cato unterdrückte ein Stöhnen. Also sollte er auch seine Gemächer mit Arel teilen. Gut, sie würden sicher einen Kompromiss finden.
„Und ich verlange den Vollzug der Ehe unter Zeugen. Ich will nicht, dass vielleicht doch von irgendjemandem Bedenken an der Gültigkeit dieser Vermählung geäußert wird.“
„Vater!“ Dieses Mal konnte Arel einen aufgebrachten Aufschrei nicht unterdrücken.
Cato bemerkte, dass seinem eigenen Vater angesichts dieser Forderung die Worte fehlten. Er selbst glaubte sich verhört zu haben.
„Wie stellt Ihr Euch das vor?“, fragte er ärgerlich. „Euer Sohn ist nun einmal ein Mann.“
„Du wirst garantiert eine Öffnung finden, mit der du dich vergnügen kannst.“ Die herablassende Art seines Schwiegervaters machte Cato weitaus wütender als seine Worte. Neben ihm hatte Arel jegliche Gesichtsfarbe verloren.
Soldaten, ermahnte sich Cato. Wir brauchen die Soldaten. Sonst gibt es bald das Halland nicht mehr und wir sind alle die Knechte der Orks. Oder tot. Also nickte er knapp.
„Wird Euer Sohn seinen Mann stehen können?“, fragte Gad seinen Vater. Der rieb heftig an seinen Armstumpf, was Cato zeigte, wie aufgewühlt er war.
„Was ist mit Eurem Sohn?“, fragte Tomke zurück.
„Arel wird tun, was ich ihm befehle. Und ich will Eurem Sohn angesichts seiner enttäuschenden Braut ein Zugeständnis machen: Er wird in dieser Ehe das Sagen haben und Arel wird gehorchen. Ich überlasse Eurem Sohn damit den höheren Rang, Tomke.“
„Wie großzügig“, murmelte sein Vater.
Cato dagegen sah seinen Angetrauten zweifelnd an. Arel zitterte vor unterdrückter Wut. König Gad schien das nicht zu entgehen.
„Arel, du hast meine Worte gehört, nicht wahr? Denk an deine schwache Mutter …“
Nun zuckte Arel doch zurück.
„Wie Ihr befehlt, Vater“, flüsterte er mit matter Stimme.
„Wie schön, dass wir uns alle einig sind.“ Auch Gad setzte sich endlich und ließ sich von einem jungen Diener Met reichen.
„Cato, warum gehst du nicht mit Arel und zeigst ihm eure Räumlichkeiten. Sicherlich möchte sich dein … Gatte nach dieser anstrengenden Reise etwas frisch machen.“
Cato hätte seinen Vater umarmen können. Er wollte nichts lieber als aus dem Staatszimmer fliehen, fort von diesem grauenhaften Despoten aus Xanda, ehe er in Versuchung geriet, diesen kaltherzigen Menschen zu erwürgen. Und Arel erhielt damit die Gelegenheit, sich um sein zerschundenes Gesicht zu kümmern. Sollte er seinem Ehegespons den Arm bieten? Lieber nicht. Arel wirkte nicht, als würde er im Moment einen Spaß verstehen.
„Mit Verlaub gehe ich voran“, sagte er, die entsetzliche xandanische Höflichkeit nachahmend.
„Ich bitte darum“, entgegnete Arel genauso steif. Das konnte ja noch heiter werden!
Arel hatte lediglich einen raschen Blick für die Räumlichkeiten übrig, die er fortan mit Cato teilen sollte. Der Waschtisch zog ihn an, und er stürzte sich förmlich auf den Wasserkrug. Seine Wange brannte, aber noch mehr schmerzte die erlittene Demütigung. Das Antlitz in den nassen Händen seufzte er still. Eigentlich sollte er sich an die Gehässigkeiten seines Vaters gewöhnt haben. Doch selbst hier, in den Grenzlanden, schien er sich kein neues friedliches Leben aufbauen zu dürfen. Es kam vielmehr schlimmer: Er sollte die Rolle eines Mädchens übernehmen. Was für eine Schmach!
„Arel?“ Seine bärtige Überraschung klang besorgt. Hoffentlich kam Cato nicht noch auf die Idee, ihn mit Samthandschuhen anfassen zu wollen. Hastig wusch sich Arel das restliche Blut aus dem Gesicht und griff nach einem Tuch, um sich abzutrocknen. Dann wandte er sich um.
„Mein Prinz?“ Er mied Catos Augen und senkte den Blick, wie er es schon in frühester Kindheit gelernt hatte. Sein Gemahl – wie lächerlich das klang – trat näher und legte ihm einen Finger unter das Kinn, um es anzuheben. Widerstrebend sah Arel auf. Zum Glück ließ Cato sein misshandeltes Gesicht unkommentiert, auch wenn er es sich genau betrachtete.
„Möchtest du einen Schluck Met?“, fragte er, als er ihn nach der Musterung losließ.
„Gerne, mein Prinz.“
„Lass das, Arel.“ Cato lachte freudlos und schenkte ihm goldene Flüssigkeit in einen Becher ein. „In Halland sind wir nicht so förmlich. Und zwischen uns beiden muss es erst recht nicht so sein.“
„Wie du wünschst.“ Arel nippte an dem Met. Das Getränk war ihm unbekannt, doch es schmeckte süß nach Honig und war unerwartet stark. Erst jetzt schaute er sich um. Der Einrichtung fehlte es an den zarten Farben und feinen Stoffen, die er von Xanda her gewohnt war. Die Möbel wirkten erschreckend plump, wuchtig und erdrückend. Nichts hatte hier die entfernteste Ähnlichkeit mit der Leichtigkeit des Südens. Am wenigstens dieser zottelhaarige Riese, der mit seiner Präsenz den ganzen Raum ausfüllte. Arel wusste, dass er sich anpassen musste und das möglichst schnell. Aber schon in diesem Moment fehlten ihm das Meer, die Sonne und das Gekreische der Möwen. Er war noch nie zuvor in den Bergen gewesen. Die gewaltigen schneebedeckten Gipfel und die erdrückende Ruhe, die sie ausstrahlten, jagten ihm einen Heidenrespekt ein. Dazu kam die absurde Situation, in der er sich nun dank seines Vaters befand. Ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen geben würde.
In einer Zimmerecke entdeckte er die Truhen und Kisten mit seiner Habe. Viel hatte er nicht mitnehmen können. Die Kleidung des Südens war für die hiesigen Witterungsverhältnisse unpraktisch, an Mobiliar hatte er nicht gehangen und ein Transport auf den Schlitten wäre auch sehr umständlich ausgefallen. An Kunstgegenständen war er nicht interessiert und ohnehin hatte er in Xanda nicht viel besessen. Eine frühe Lektion seines Vaters war gewesen, dass man mit Besitz angreifbar war. Also hatte er lediglich ein paar Bücher, seine Waffen und die notwendigsten Kleidungsstücke eingepackt. Vielleicht war es ohnehin besser, wenn er sich nicht mit zu vielen Dingen umgab, die ihn an Xanda erinnern würden.
„In was für eine skurrile Situation sind wir da hineingeraten?“, unterbrach Cato seine Gedanken.
Arel schwieg dazu. Was hätte er denn sagen sollen? Dass er nicht nur diese Ehe skurril fand, sondern auch diesen Nordländer, der roh und unzivilisiert wirkte? Er wollte noch einen Schluck von dem Met trinken und stellte fest, dass er den Becher bereits geleert hatte. War ihm deswegen so seltsam leicht im Kopf?
„Ich verstehe nicht, wie das passieren konnte“, fuhr Cato fort.
„Es war geplant.“ Das rutschte ihm ungewollt heraus. Rasch stellte er den Becher ab und nahm sich vor, lieber die Finger von dem Honigtrank zu lassen.
„Was willst du damit sagen?“
Natürlich bohrte Cato nun nach. Beim Feuer!
„Arel, erkläre dich bitte.“ Cato baute sich vor ihm auf. Der Hallander war von beeindruckender Figur, groß gewachsen, mit breiten Schultern und kräftigen Muskeln. Beinahe wirkte er auf Arel bedrohlich. Auf jeden Fall sollte er ihn mit Vorsicht genießen.
„Ich glaube nicht, dass es ein Zufall war“, sagte er leise. „Dazu ist mein Vater einfach zu gerissen. Er wird absichtlich verschleiert haben, dass ich kein Mädchen bin. Darauf bin ich gekommen, als der Priester erwähnte, dass diese Vermählung im Namen der fünf Götter stattgefunden hat. Und sicherlich hat Vater auch von dem Präzedenzfall gewusst. Er ist sehr genau, wenn er seine Ränke schmiedet.“
„Warum, um alles in der Welt, sollte er das tun?“ Entgeistert sah ihn Cato an.
„Einzig und allein um mich zu erniedrigen und seine Geldgier zu befriedigen. Um meine Mutter zu quälen …“
„Warum sollte er deine Mutter quälen?“, frage Cato verwundert.
„Weil sie allein Schuld daran trägt, dass ich kein Mädchen bin“, erklärte Arel. „Als Stolisans Erbe geboren wurde, beschloss Vater unsere Königreiche durch eine Heirat zu verbinden. Ich nehme an, er hatte Pläne bezüglich des Holzhandels. Jedenfalls heiratete er nochmals und seine Wahl fiel dabei auf meine Mutter, da in ihrer Familie viele Mädchen gezeugt wurden. Zu seiner größten Enttäuschung habe ich seine großartigen Pläne durchkreuzt. Es wird erzählt, dass er am Tag meiner Geburt einen schlimmen Tobsuchtsanfall bekommen hat, allein aus dem Grund, dass ich das falsche Geschlecht habe. Statt eine Tochter als zukünftige Königin in Stolisans Palast zu schicken, bekam er einen weiteren Sohn, dem er eigentlich ein Stück Land hätte überlassen müssen. Und daran gibt er Mutter die Schuld. Ein späteres Bündnis mit Stolisan kam später auch nicht mehr in Betracht, da es dann bereits ein Eheversprechen gab. Euer Antrag muss ihm daher wie ein wahres Geschenk vorgekommen sein. Die Erze, die Halland zu bieten hat, sind für ihn weit reizvoller als Holz. Außerdem erhält er nun die Möglichkeit, meine Mutter und mich mit seinem grausamen Tun zu demütigen und Halland gleichzeitig eins auszuwischen. Und mich wird er obendrein los. Wie wird er sich insgeheim belustigen …“ Alle Kraft schien ihn zu verlassen. Arel sah sich nach einem Stuhl um und ließ sich schließlich in einem Sessel nieder, der vor dem Kamin stand.
In entgeistertem Schweigen stand Cato da. In seinem markanten Gesicht arbeitete es deutlich.
„Das kann ich nicht glauben“, sagte er endlich.
Das verstand Arel nur allzu gut. Niemand konnte das Ausmaß der Schlechtigkeiten seines Vaters ermessen. Sein Erzeuger hatte immer darauf geachtet, dass er bloß Arel einen Blick in den Abgrund seiner schwarzen Seele gewährte. Aus reiner Boshaftigkeit natürlich.
„Ich wollte meinen Hund mit hierher nehmen“, sagte er und merkte, wie seltsam tonlos seine Stimme klang. „Es war ein alter, ausgedienter Jagdhund. Ich hatte ihn schon sehr lange. Er war mein steter Begleiter, mein einzig wahrer Freund gewesen.“
„Warum hast du ihn nicht mitgebracht?“
„Vater hat ihn vergiftet, damit ich lerne, Liebgewonnenes loszulassen.“ Arel blinzelte. Er hatte vor einer Woche nicht um seinen Hund geweint, er würde es auch jetzt nicht tun. Diesen Sieg gönnte er seinem Vater nicht.
„Du siehst, ich bin mit keinerlei persönlicher Habe zu meiner Braut gekommen. Und nun finde ich mich selbst in der Position eines Mädchens wieder.“
„Arel, es tut mir leid …“
„Ich will dein Mitleid nicht.“
Cato stieß ein tiefes Seufzen hervor. „Wir werden uns schon zusammenraufen. Schließlich sind wir keine kleinen Jungs mehr. Wir werden eine Möglichkeit finden, um miteinander auszukommen.“
„Würdest du das ebenfalls sagen, befändest du dich an meiner Stelle? Gib dir keine Mühe, Cato. Mein Vater hat dir den Weg zu meinem Gehorsam gezeigt. Du brauchst ihm bloß eine Nachricht schicken, dass ich deine Befehle missachte und er wird meine Mutter in den Turm verbannen und sie dort verrotten lassen. Der alte Mistkerl weiß genau, dass ich das niemals riskieren würde.“
„Ich denke, du übertreibst …“
„Eher untertreibe ich. Oder glaubst du, ich hätte ansonsten zugestimmt, mich von dir ficken zu lassen?“
„Wie ordinär sich mein Weib ausdrückt.“
„So ordinär, wie ich diese Situation empfinde.“ Arel zuckte zusammen, als sich Cato abrupt bewegte. Trotz seiner Größe war der Hallander schnell. Mit ausgreifenden Schritten eilte er quer durch den Raum und riss den Deckel einer Truhe auf.
„Ich lasse mich von dem Ziegenbart nicht demütigen, Arel“, erklärte er und holte ein Festtagsgewand hervor.
„Was hast du vor?“
„Wir sind miteinander vermählt. Und wir sind damit zufrieden. Halland hat seine Soldaten und Xanda seine Schätze. Jeder hat bekommen, was er eigentlich wollte. Daher gibt es für uns keinen Grund, deinem Vater zu zeigen, wie sehr uns diese kuriose Ehe anstinkt. Komm schon, Arel, und mach dich für das Bankett hübsch. Rüsch dich richtig auf. Dein Vater will eine Braut und einen Bräutigam? Die soll er haben. Wir werden ihm nicht die Genugtuung schenken, uns mit betroffenen Mienen zu sehen.“
„Und du glaubst, wir halten diese Farce durch, bis er abreist?“ Arel zeigte sich skeptisch.
„Solange du nicht vor unserer Hochzeitsnacht kneifst.“
Cato war bereits fertig umgezogen, als sich Arel gerade erst entkleidete. Sittsam drehte ihm der Xandaner dabei den Rücken zu.
Was für eine Prüderie, dafür, dass wir Eheleute sind, dachte Cato belustigt. Doch dann bemerkte er die kaum verheilten Striemen kreuz und quer auf Arels Rücken. Leise trat er näher und begutachtete die Verletzungen, ohne dass Arel etwas davon bemerkte, denn der hantierte weiter an den Schnüren und Schnallen seiner Kleidung herum. Jemand hatte ihn geprügelt und offenbar war dies nicht einmalig geschehen, denn Arel war auch von Narben gezeichnet. Cato spürte Wut in sich aufsteigen.
„Wer hat dich so geschlagen?“, fragte er. Vor Schreck machte Arel einen Satz und fuhr zu ihm herum. Dabei geriet er ins Stolpern und wäre beinahe gefallen, hätte er ihn nicht geistesgegenwärtig aufgefangen.
„War das ebenfalls dein Vater?“