0,99 €
Ein bekanntes Märchen, neu und gewaltfrei erzählt. durchaus für Kinder geeignet.
Warum muss der Wolf immer der Böse sein?
Ist Bauchaufschlitzen und Im-Brunnen-Ersäufen die richtige Lösung?
Ein glimpfliches Ende nimmt die Sache auch so.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Das Mädchen mit der grünen Kappe.
Ein Märchen, geklaut und neu geschrieben,
Von Peter Marquardt.
»So, meine kleine Prinzessin«, sagte die Mutti, »nun wird aber geschlafen.«
Sie drückte dem, blonden Mädchen, das sich tief in ihre Bettdecke gekuschelt hatte, einen Kuss auf die Nasenspitze.
Die eben noch so sanften Augen der Kleinen blitzten jetzt auf. »Erst eine Geschichte.«
Die Mutti schüttelte den Kopf. »Nein, keine Geschichte, es ist schon spät und du musst schlafen.«
»Du hast es versprochen«, die Stimme des Mädchens war nun schmollend.
Die Mutter seufzte, sie hatte es tatsächlich versprochen.
»Also gut«, lenkte sie ein, »aber nur eine ganz Kurze. Welche möchtest du hören?«
Das Mädchen in dem Bett stieß einen vergnügten Quietschton aus. »Die von Rotkäppchen, wie es vom Wolf gefressen wird und wie der Jäger ihm den Bauch aufschneidet.«
Die Mutter schloss für einen Moment die Augen. Wie von selbst fanden ihre Finger den kleinen Ring, den sie an einer goldenen Kette um den Hals trug. Zwei winzige Edelsteine waren darin eingelassen. Ein Grüner und ein Roter. Jetzt sah es aus, als leuchteten sie. »Warum sollte der Wolf so etwas tun«, fragte sie, »woher kennst du solche Geschichten?«
»Aus dem Kindergarten. Außerdem ist der Wolf böse. Die Großmutter hat er auch gefressen.«
Die Kleine zog sich die Bettdecke bis unter die Nase und tat, als hätte sie Angst.
»Ich denke nicht, das der Wolf böse ist, er ...«, ein Flugzeug flog über das Haus, so dass die weiteren Worte der Mutter im Dröhnen der Triebwerke untergingen. Dann wurde es wieder ruhig.
Sie wollte grade anfangen zu erzählen, wurde jedoch von der Kleinen gleich unterbrochen. »Ein richtiges Märchen fängt mit, es war einmal, an.«
Die Mutter lächelte ergeben. »Also schön. Es war einmal, vor gar nicht so sehr langer Zeit, da lebte in einem Kinderheim, hier in der Nähe, ein Mädchen Namens Jade.
Von allen Kleidungsstücken, die es besaß, trug es am liebsten, auf ihrem flachsblonden Haarschopf, eine grüne Kappe. Da es ohne die, niemals aus dem Haus ging, nannte sie alle bald nur noch Grünkäppchen.«
»Aber es war eine rote Kappe«, widersprach die Kleine in ihrem Bettchen und richtete sich vor Erregung steil auf, »und sie wurde Rotkäppchen genannt.«
Die Mutter drückte sie sanft auf das Kissen zurück und sagte mit einem listigen Lächeln: »Diese hier nicht, denn dies, ist meine Geschichte. Kann ich weiter erzählen?«
Das Mädchen nickte, sah aber auch ein wenig verwirrt aus.
Die Mutti fuhr fort. »Grünkäppchen war in dem Kinderheim, in dem sie seit einigen Jahren wohnen musste, nicht sonderlich glücklich. Aber wo sollte sie hin, es war ihr Zuhause. Ihre Mutter war bei der Geburt der Zwillinge gestorben. Der Vater hatte zwar wieder geheiratet, doch die neue Frau brachte den Mädchen nur wenig Zuneigung entgegen.
Kurze Zeit nach der Hochzeit starb auch der Vater und die beiden Kinder waren allein. Ja, Grünkäppchen hatte eine Schwester, Rosa. Allerdings hatte sie keine Ahnung, was aus ihr geworden war. Zu aufregend und zu traurig, war die Zeit nach dem Tod des Vaters, gewesen.
Eines Tages hatte die Stiefmutter, Jade ins Auto gesetzt und war mit ihr davongefahren. Direkt in jenes Weisenheim.
›Die Mutter ist tot, der Vater ist tot und ich habe, Gott ist mein Zeuge, Besseres zu tun, als mich um dieses Balg zu kümmern.‹