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Ein Mitschüler macht Johannes arg zu schaffen. Er ist unheimlich und scheinbar nicht zu besiegen. Johannes lernt den König der Mäuse kennen, der im rät, sich an seine Freunde zu wenden. Welche Freunde?
Wieder gelangt der Junge zu Pygman, in den Wald der Träume. Aber auch der Gnom hat seine Probleme. Die Dame des Waldes hat begonnen, scheinbar wahllos, die Magus Silvicola zu töten. Johannes ist, wenn auch wider Willen, ihr König
Eine Jagd um die Rettung des Traumwalds und um Johannes' Leben beginnt.
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Ein glücklicher Anfang
Der Montag zeigte sich so verregnet, wie es schon der Sonntag gewesen war und der Samstag davor ebenso.
Der nunmehr Zehnjährige Johannes Klein störte sich nicht daran. Er hatte es bei seinen Abenteuern in Heierland gelernt, jedem Wetter die schönen Seiten abzugewinnen. Bei dem Gedanken an Heierland fragte er sich allerdings immer wieder, ob er das alles nicht nur geträumt hatte, aber er war auf dem Weg zur Schule und sein Freund, der große zottige schwarze Hund, begleitete ihn.
Man hatte dem gelähmten Jungen, vor zwei Wochen, einen elektrischen Rollstuhl gegeben. Für den Jungen zu groß und viel zu schwer. Wenigstens konnte er seitdem allein zur Schule fahren und brauchte Siebenundvierzig, seine Pflegerin, für diesen Weg nicht mehr. Schon dafür mochte er das Monstrum, das über die Hälfte einer Schulbank einnahm. Johannes hatte noch immer keine Ahnung, wer diese Pflegerin war und es interessierte ihn auch nicht.
Nach dem grausigen Unfall, der ihn, in unterschiedlichen Varianten, in vielen Träumen verfolgte, stand sie eines Tages an seinem Krankenbett. Ein Mann von irgendeinem Amt war neben ihr und stellte sie ihm vor. Den Namen hatte er nicht verstanden. Vielleicht hatte der Mann vom Amt zu sehr genuschelt, aber er sagte: »... sie ist siebenundvierzig und wird künftig für dich da sein. So, wie es deine Mutter bisher war.«
Sofort mochte er sie nicht, nein er hasste sie regelrecht und nannte sie nur Siebenundvierzig, obwohl sie in der Zwischenzeit schon ein Jahr älter sein musste.
»Wie meine Mutter«, hatte er gedacht, sich die Bettdecke über den Kopf gezogen und lautlos geweint. Er weinte seitdem oft. Vor allem nachts.
Obwohl der große zottige schwarze Hund schon total durchnässt war, kläffte er unentwegt freudig. Er umrundete mit komischen Sprüngen, den über seine Späße lachenden Johannes. Grade so, als wollte er den ansonsten stets ernst dreinblickenden Jungen aufheitern.
Manchmal lief er voraus, blieb dann stehen und schüttelte sich kräftig. Die Wassertropfen aus seinem Fell spritzten dabei bis weit auf die Straße und an die Wände der Häuser.
Einige Fußgänger beschwerten sich ob solcher Dusche, aber das störte die beiden nicht. Sie spielten lachend weiter, als wäre dies der schönste und sonnigste Tag der Welt.
Niemand sah in diesem Augenblick die Trauer, die in Johannes wohnte.
Genau genommen war er in solchen Momenten sogar glücklich.
Das sollte sich am heutigen Morgen, als ihm Arnikus Hein zum ersten Mal begegnen würde, gründlich ändern.
Panzer
Mitten im Spiel mit dem großen zottigen schwarzen Hund wurde Johannes jäh in seinem Lauf von einer vorgestreckten Hand gestoppt. Es war, als würde der Rollstuhl gegen eine unsichtbare Wand fahren. Der Motor machte ein summendes Geräusch, bewegte sich aber keinen Millimeter.
Diese Hand, von der eine solche Kraft ausging und das tat sie, ohne Johannes zu berühren, gehörte zu einem Jungen, mit langen schwarzen Haaren, die ihm bis auf die Schulter reichten. Er hatte eine Hakennase und größere Ohren als Johannes.
»So, das ist also der berühmte Schlummerjahn, dem nicht einmal eine Lokomotive etwas anhaben kann«, höhnte er, »aber ich kann es. Wollen wir wetten?« Gleichzeitig holte er zu einer kräftigen Ohrfeige aus.
Johannes sah die Hand kommen, blockte sie zwar mit dem Arm ab, dennoch traf sie ihn mit einer solchen Wucht, dass ihm Sterne vor den Augen tanzten. Einige Jungs, die er im Gefolge hatte, lachten. »Gib´s ihm Panzer, mach den Krüppel fertig«, grölten sie.
Der, den sie Panzer nannten, fasste an die Griffe des Rollstuhls und kippte das schwere Teil mühelos nach hinten, sodass Johannes wehrlos auf dem Rücken lag wie eine Schildkröte. Nur konnte er nicht einmal, wie eine solche, mit den Beinen in der Luft zappeln.
»Hörst du das du kleiner Scheißer, man nennt mich Panzer und ich werde dir noch zeigen, warum.«
Johannes musste husten, doch es ging nicht, weil ihm vor Schreck und Angst die Luft fehlte. »Was willst du von mir?«, krächzte er tonlos.
»Mein Name ist Arnikus Hein und du hast etwas, das mir gehört und das ich wiederhaben will; unbedingt, verstehst du?« Er hatte sich tief zu ihm herunter gebeugt, so dass nur er ihn hören konnte. Johannes hatte das Gefühl, als würde sein Herz stehen bleiben. Er sah, wie sich die Augen des größeren Jungen glühend rot verfärbten und Funken zu sprühen schienen. Die Welt begann sich um ihn zu drehen, und dann war es plötzlich vorbei. Einfach so.
Wie von einer Pumpe angetrieben schoss wieder Luft in seine Lungen und füllte sie zum Bersten. Er stieß sie heraus und sog Neue ein, immer und immer wieder. Entweder hatte er vergessen zu atmen, oder etwas hatte ihm die Luft genommen. Schwindel erfasste ihn, er drehte den Kopf und kotzte auf das Pflaster.
Ein Polizist hatte Arnikus Hein von ihm heruntergezerrt und hielt ihn nun am Kragen gepackt. Einen Moment lang sah es so aus, als wolle dieser sich auf den Gesetzeshüter stürzen, besann sich dann scheinbar eines Besseren und hob abwehrend beide Hände. »Schon gut, schon gut«, stieß er hervor, »ist ja nichts passiert.«
»Das will ich hoffen«, grunzte der Polizist und ließ ihn los. Anschließend hob er den Rollstuhl, mit dem schwer atmenden Johannes, unter enormen Anstrengungen, auf die Räder und sagte: »Es ist wohl klüger, du trollst dich und lässt dich nicht wieder mit den Großen ein.«
Johannes keuchte ein: »Danke, geht klar«, und fuhr mit gesenktem Kopf weiter in Richtung Schule.
Heute würde er zu spät kommen. Wo war eigentlich der große zottige schwarze Hund?
Die Jungen hinter ihm lachten grölend.
Den gesamten Rest des Tages zermarterte sich Johannes den Kopf, was dieser Panzer gemeint haben könnte, als er sagte: »... du hast etwas das mir gehört und das ich wiederhaben will.«
»Was, verdammt noch mal, sollte das sein?«
Er besaß nichts von Bedeutung.
Der große zottige schwarze Hund war am späten Nachmittag wieder da und kratzte an der Tür. Als Siebenundvierzig öffnete, verkroch er sich mit vor Angst eingezogener Rute unter dem Bett und war von dort, den ganzen Abend, nicht mehr hervorzulocken.
Johannes erledigte recht unkonzentriert einige Hausaufgaben und legte sich dann ebenfalls zum Schlafen nieder.
Mit einem unangenehm mulmigen Gefühl in der Brust und immer noch schmerzendem Hals fuhr er am folgenden Morgen den Weg zur Schule.
Der große zottige schwarze Hund, der ihn sonst stets begleitete, hatte sich schlichtweg geweigert, ihn zu begleiten.
Johannes nahm die Abkürzung durch den Park, weil er schon recht spät dran war, und merkte alsbald, dass dies ein Fehler war. Wie aus dem Boden gestampft, stand Panzer vor ihm.
»Wo war der Kerl bloß hergekommen?«
»Hallo Kleiner«, sagte er mit einem gemeinen Grinsen im Gesicht. Gleichzeitig entriss er Johannes den Schulrucksack.
Panzer öffnete ihn, ohne sich um den vor Wut schnaubenden Johannes zu kümmern, und wühlte in dessen Heften. Zwei zog er heraus. Grinsend hielt er sie dem Jungen im Rollstuhl hin. Mit einer schnellen Bewegung griff der danach und riss sie dem Anderen aus der Hand. Das war aber kein Sieg, denn mit einem dumpfen Plopp gingen alle Seiten gleichzeitig in Flammen auf.
Mit einem Aufschrei ließ Johannes die beiden brennenden Hefte fallen. Er musste zusehen, wie sie auf der Erde zu Asche verbrannten.
Es waren die Hausaufgaben, die er am Abend zuvor erledigt hatte. Er kam also wieder zu spät und diesmal zu allem Verdruss, auch noch ohne Hausaufgaben.
Von jenem Tag an, erwartete Arnikus Hein, genannt Panzer, ihn allmorgendlich auf dem Weg zur Schule. Jeden Morgen verbrannten die Hefte mit den Hausaufgaben und jeden Morgen kam er zu spät.
Egal, wie verborgen die Schleichwege waren, die Johannes sich ersann, der Andere schien sie alle zu kennen und er wusste immer im Voraus, welchen er benutzen würde.
In den Pausen zettelte Panzer für ihn hin und wieder Streitereien an. Hauptsächlich dann, wenn sich ein Lehrer in der Nähe befand. Es war wie verhext, Johannes wurde immer als der Schuldige erwischt.
Der Junge war wie in einem Ausnahmezustand. Grad so, als hätte er Fieber. Zu seinem übergroßen Verdruss, war sein Freund, der große zottige schwarze Hund, wie vom Erdboden verschluckt. Johannes vermisste ihn.
Eines Morgens, er dachte schon, dass er seinem Widersacher endlich mal entwischt wäre, weil er diesmal ungehindert in die Schule gekommen war, erwartete ihn Panzer auf dem Weg zum Mathematikunterricht, in der obersten Etage. Grade, als er den Fahrstuhl verlassen wollte, sah er den Fiesling im Flur stehen. Er hatte die Arme über der Brust verschränkt und grinste ihn schadenfroh an.
Hastig drückte Johannes auf den Knopf zum Schließen der Türen und fuhr nach oben.
Oben, das war in diesem Fall der Dachboden. Den Schülern war es nicht gestattet, sich hier aufzuhalten. Trotzdem verließ er den Fahrstuhl und rollte auf eine der beiden eisernen Türen zu. Er wollte ein Zusammentreffen mit Panzer auf jeden Fall vermeiden. Die Tür ließ sich nur schwer öffnen. Als er es dennoch geschafft hatte und hindurch rollte, schlug ihm ein abgestandener muffiger Geruch entgegen. Jetzt fand er seine Idee, sich hier, bis zum Beginn des Unterrichts zu verstecken, gar nicht mehr so gut.
Er wollte umdrehen und zurückfahren, dabei vernahm er im Türschloss ein Knacken. Hastig rüttelte er an der Klinke. Die Tür war verschlossen und er selbst gefangen in einem fahlen Halbdunkel. Die einzige Lichtquelle, eine verdreckte Dachluke.
Resigniert gab er einen klagenden Laut von sich.
Einige Mäuse liefen auf flinken, Beinchen geschäftig hin und her. Der Junge beugte ein wenig den Oberkörper vor und sah ihnen zu. Das auf dem ersten Blick planlose Hin und Her der Nager, bekam mit einmal etwas Systematisches, stellte er fest. Eine Ordnung, die er mehr vermutete, als dass er sie erkannte. Dann aber dämmerte es ihm.
Die Mäuse machten mit ihren langen Schwänzen, den Boden zu seien Füßen sauber. Sie befreiten tatsächlich einen schmalen Pfad, der in der Dunkelheit des Dachbodens verschwand, vom Jahrzehnte alten Staub.
Kaum waren sie aus seinem Blickfeld verschwunden, tauchte eine Handvoll der Nager auf und entrollte ein fein aufgewickeltes, etwa fünf Zentimeter breites, rotes Seidenband.
Direkt vor seinem Rollstuhl endete das Band. Die Mäuse machten kehrt und verschwanden in der Dunkelheit, wobei sie peinlichst genau darauf zu achten schienen, nicht das rote Band zu betreten.
Ungläubig betrachtete Johannes den Streifen Seidenband, der ihn an einen Ehrenteppich erinnerte, nur dass der hier um einiges kleiner war. Er folgte dessen Lauf mit seinem Blick soweit es ihm, wegen der Dunkelheit im hinteren Teil des Dachbodens, möglich war.