Das magische Schulschiff (Band 1) - Verbündete des Meeres - Anna Lisa Kiesel - E-Book
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Das magische Schulschiff (Band 1) - Verbündete des Meeres E-Book

Anna Lisa Kiesel

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Beschreibung

Als Marie eine geheimnisvolle Flaschenpost erhält, steht ihre Welt Kopf: Sie ist auserwählt, an Bord der "Wellenkron" zu kommen, denn sie hat wassermagische Fähigkeiten! Auf dem Schulschiff sehen nicht nur Sturmkunde und Korallenpflege auf dem Stundenplan – Marie und ihre neuen Freund*innen lernen vor allem, ihre Meeresmagie zu kontrollieren. Und schon bald müssen sie sich auch gegen dunkle Mächte behaupten, die auf den Weiten des Ozeans ihr Unwesen treiben.

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Inhalt

Die Wut der Wellen

Seltsame Ereignisse

Abschied und Ankunft

An Bord der Wellenkron

Leinen los!

Ein wackeliger Unterricht

Der Sprung ins Wasser

Eine seltsame Nachricht

Kurswechsel

Die Schildkröteninsel

Augen im Sturm

Die Rufe der Schildkröten

Vita Wasserkind

Gewaltige Kräfte

Heinrichs Geheimnis

Für meine Crew, Yuming und Yilin, und die Ärztinnen und Ärzte der Augenklinik Graz, die dafür sorgten, dass ich wieder sehen kann.

Die Wut der Wellen

Spiegelglatt lag der See vor ihnen. Die Sonnenstrahlen funkelten wie tanzende Edelsteine auf der Wasseroberfläche und machten den Tag damit noch heller, als er ohnehin schon war. Marie kniff die Augen geblendet zusammen und beobachtete ein paar Kinder, die lachend ins Wasser liefen.

„Bekommst du da nicht auch Lust zu schwimmen?“, fragte Helena.

Marie schüttelte den Kopf.

„Möchtest du nicht wenigstens das neue Paddelboard mit uns ausprobieren?“, hakte Linda nach. „Da kann nichts passieren, versprochen!“

Marie antwortete nicht. Sie wollte nicht schon wieder erklären, warum ihr allein der Anblick des Wassers die Kehle zuschnürte.

„Guckt mal! Dort drüben ist noch ein Platz frei“, sagte sie stattdessen und zeigte auf einen alten Baum, dessen weit ausladende Äste einen Schatten auf die Wiese warfen.

„Den schnappen wir uns“, jubelte Linda und lief los.

Während sich ihre beiden Freundinnen gleich daranmachten, das Paddelboard aufzupumpen, breitete Marie ihr Handtuch aus.

„Langweilst du dich denn nicht so ganz allein?“, sorgte sich Linda.

„Ach was! Ich gucke euch zu und lese mein Buch, und wenn ihr zurückkommt, essen wir Pommes und Eis.“

Diese Idee gefiel auch den anderen. Gemeinsam trugen die drei Mädchen das Paddelboard zum Ufer und setzten es auf der Wasseroberfläche ab. Es schwankte und wackelte, als Linda und Helena daraufkletterten. Marie schüttelte verständnislos den Kopf, aber Linda kicherte vor Vergnügen. „Ich glaube, ich bleibe erst mal sitzen, sonst werde ich gleich nass.“

„Ich auch. Im Stehen zu paddeln ist was für Profis“, stimmte Helena ihr zu.

„Schubst du uns an?“ Linda blickte Marie erwartungsvoll an.

Zögerlich schlüpfte Marie aus ihren Sandalen und sah auf das grünliche Wasser, das sich über den Steinchen am Ufer sanft kräuselte. Das Board war bestimmt schon einen Meter von ihr weggetrieben und sie würde fast bis zu den Knien im Wasser stehen müssen, um es zu erreichen. Sie zögerte. Es war, als hielte sie eine unsichtbare Kraft zurück. Eine Kraft, die sie vor der Unberechenbarkeit dieses Elements beschützen wollte. Marie holte tief Luft. Sie setzte den ersten Fuß ins Wasser. Angenehm kühl fühlte es sich auf ihrer von der Sonne erhitzten Haut an. Trotzdem schossen Marie unweigerlich die Bilder von früher durch den Kopf, als sie mit Mama und Papa am Meer Urlaub gemacht hatte. An jenem verhängnisvollen Tag war es auch so heiß gewesen. Zögerlich machte Marie einen weiteren Schritt in den See hinein. Damals war Marie voller Wut ins Wasser gelaufen, weil Mama ihr kein zweites Eis gekauft hatte. Sie hatte sich das bohrende Gefühl in ihrem Herzen fortwaschen wollen, doch da war plötzlich diese Welle aufgetaucht. Wie aus dem Nichts war sie herangerollt, war über ihr zusammengebrochen und hatte sie mit sich gerissen. Marie konnte sich an Papas entsetzten Schrei erinnern und an das Gefühl, nicht mehr zu wissen, wo oben und wo unten ist. Das Wasser hatte sie erfasst, sie umhergeschleudert und tiefer und tiefer nach unten gedrückt, bis sie den sandigen Meeresgrund gespürt hatte. Bei dieser Erinnerung lief ihr noch heute ein eisiger Schauer über den Rücken. Wäre Papa nicht gekommen und hätte sie aus dem Wasser gezogen – wer weiß, was dann passiert wäre … Seitdem war Marie nie wieder geschwommen. Nicht einmal in die Badewanne legte sie sich, weil sie schwören konnte, dass das Wasser sie nicht mochte. Wann auch immer Marie es nur berührte, schien es wütend zu werden.

„Kommst du?“, fragte Helena ungeduldig.

Marie blinzelte und rückte die verrutschte Brille auf ihrer Nase zurecht. Vorsichtig ging sie ein Stück weiter und beobachtete die Wasseroberfläche dabei haargenau. Nicht die kleinste Regung durfte ihr entgehen, schließlich wollte sie nie wieder so etwas erleben wie damals im Meer.

Endlich bekam Marie das Paddelboard zu fassen. Sie wollte ihm gerade einen kräftigen Schubs geben, da spürte sie eine starke Strömung um ihre Beine streichen. Marie erschrak und breitete die Arme weit aus, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Es kam ihr vor, als sei das Wasser um sie herum zum Leben erwacht und wollte sie umreißen, aber stattdessen erfasste der Sog das Paddelboard und trug es schwungvoll hinaus auf den See.

Linda quietschte vor Vergnügen. „Los geht’s!“

„Wahnsinn, Marie! Du bist ja irre stark!“, rief Helena.

Marie aber wunderte sich: Sie hatte das Paddelboard nicht einmal berührt! Hastig ballte sie die Hände zu Fäusten, um das aufgeregte Zittern ihrer Finger vor sich selbst zu verbergen. Irgendetwas stimmte hier nicht! Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geglaubt, das Wasser sei verhext. Hektisch sah Marie sich um, aber niemand außer ihr schien die Strömung bemerkt zu haben.

„Nichts wie raus aus dem Wasser“, dachte sie und war mit zwei Sätzen wieder am Ufer. Trotz der sommerlichen Hitze wurde ihr auf einmal ganz kalt und sie spürte, wie sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Wie angewurzelt stand sie da und wartete darauf, dass etwas Furchtbares geschah. Irgendetwas, womit kein Mensch rechnen würde.

„Huhu, Mariiieee!“, tönte stattdessen ein fröhlicher Ruf aus der Ferne und riss sie aus ihren Gedanken.

Marie winkte ihren Freundinnen zu.

„Alles nur ein Zufall“, murmelte sie vor sich hin und setzte sich endlich in den Schatten des Baums, um ihr Buch zu lesen. Sie war so vertieft in die Geschichte, dass sie alles andere um sich herum beinahe völlig vergaß. Das Lachen und Johlen der spielenden Kinder unten am See schien wie aus einer anderen Welt zu kommen. Plötzlich drang ihr jedoch ein Geräusch ans Ohr, das ihre Aufmerksamkeit sofort auf sich zog: Ein spitzer Schrei schallte über das Wasser. So durchdringend und angsterfüllt, dass Marie ihren Blick beunruhigt über den See gleiten ließ. Sie entdeckte Linda und Helena – aber irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein. Zwei Jungs schwammen neben dem Paddelboard und rüttelten so wild daran, dass ihre Freundinnen fast den Halt verloren.

„Stopp!“, hörte Marie Linda rufen.

In diesem Moment glitt Helena das Paddel aus den Händen. Sofort schnappten die Jungs danach und stießen einen siegessicheren Jubel aus.

„Hört auf, das ist unser Board!“, schrie Helena und versuchte, nach den beiden Angreifern zu schlagen. Da versetzte einer der Jungs dem Board einen solch gewaltigen Tritt, dass es zur Seite kippte. Linda und Helena rutschten ab und fielen hilflos ins Wasser. Wütend lief Marie zum Ufer. Sie wollte ihren Freundinnen helfen, aber sie waren zu weit weg.

„Ihr gemeinen Idioten!“, brüllte Marie, so laut sie konnte.

Es war ihr völlig egal, dass alle Leute sich nach ihr umdrehten und sie verwundert anschauten. Doch die beiden Jungs ließen sich nicht beirren. Geschickt kletterten sie auf das Board und setzten es mit ein paar kräftigen Paddelschlägen in Bewegung. Linda und Helena schwammen ihnen hinterher, konnten aber unmöglich mithalten. Schon nach ein paar Metern mussten sie einsehen, dass die Verfolgung sinnlos war. Prustend drehten sie um und schwammen zurück in Richtung Ufer.

Marie war fassungslos. Irgendjemand musste doch etwas tun! Aber niemand schien sich für die beiden verzweifelten Mädchen zu interessieren. Die Badegäste waren viel zu sehr damit beschäftigt zu schwimmen, Eis zu schlecken und bunte Gummitiere aufzupusten. Marie kam sich so hilflos vor! Ohne weiter nachzudenken, hob sie einen Stein auf und brüllte aus Leibeskräften: „Das werdet ihr bereuen!“ Sie schleuderte den Stein, so weit es ihre Kräfte zuließen. Nur wenige Meter vom Ufer entfernt, plumpste er ins Wasser. Die Jungs, die sich zu Marie umgedreht hatten, brachen in schallendes Gelächter aus.

„Das war wohl nichts, Brillenschlange!“, rief der eine.

Marie presste zornig die Lippen aufeinander. Sie hasste es, wenn jemand sie so nannte, denn sie mochte ihre Brille. Die Gläser waren zwar sehr dick, aber ohne sie konnte Marie kaum etwas erkennen und deshalb war diese Brille das Wertvollste, das sie besaß. Vor Wut über die zwei Fieslinge und die Ungerechtigkeit hätte sie heulen können. In diesem Moment begann das Wasser an jener Stelle, an der gerade der Stein hineingefallen war, zu brodeln. Die aufsteigenden Luftblasen waren erst winzig klein, wurden aber immer größer. Marie starrte auf das blubbernde Wasser und wich einen Schritt zurück. Nach wenigen Augenblicken formte sich aus den vielen Blasen eine kleine Welle, die sich in Bewegung setzte. Je weiter sie lief, desto höher wurde sie. Ungläubig riss Marie die Augen auf. Hatte der Stein das Wasser etwa zum Leben erweckt? Zielsicher steuerte die Welle auf das Paddelboard zu. Mit jedem Meter, den sie sich den Jungs näherte, wurde sie schneller. Erst jetzt bemerkten die beiden die anrollende Gefahr und beschleunigten ihre Paddelschläge. Die Welle ließ sich davon allerdings nicht beirren und wurde ebenfalls schneller. Im nächsten Augenblick passierte es: Mit voller Wucht erfasste die Welle das Paddelboard und riss es senkrecht in die Höhe. Der Anblick erinnerte Marie an ein bockiges Pferd, das seinen Reiter abwirft, und wäre sie nicht so gefesselt von diesem Geschehen gewesen, hätte sie laut aufgelacht. Die Jungs, deren Köpfe wieder aus dem Wasser auftauchten, schwammen fluchend zu dem Board. Doch gerade als sie danach greifen wollten, machte die Welle urplötzlich kehrt. Marie traute ihren Augen nicht. „Das gibt’s nicht!“

Das Wasser klatschte den zwei Jungs wie eine schallende Ohrfeige ins Gesicht und spülte das Paddelboard zu Linda und Helena. Die nutzten die Gelegenheit und robbten blitzschnell auf das Board. Verdutzt sahen die Jungs einander an. Der Überfall der Welle hatte den beiden Großmäulern die Sprache verschlagen.

„Das wollen wir auch zurückhaben!“ Helena deutete auf das Paddel, das noch im Wasser trieb. Ohne Widerrede versetzte einer der Jungs dem Paddel einen Stoß und Helena zog es mit dem Fuß zu sich.

Als Linda und Helena kurze Zeit später das Ufer erreichten, war ihnen die Aufregung ins Gesicht geschrieben.

„Das war vielleicht ein Glück“, stieß Helena lachend aus.

„Hast du gesehen, wie hoch die Welle die Jungs in die Luft geschleudert hat?“, fragte Linda fassungslos.

Marie antwortete nicht.

„Warum machst du so ein finsteres Gesicht?“, hakte Linda nach und puffte ihrer Freundin den Ellbogen in die Seite.

„Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu.“ Marie starrte auf den See, der wieder spiegelglatt vor ihnen lag.

„Wie meinst du das?“ Helena sah ihre Freundin verwundert an.

Marie breitete die Arme aus und deutete auf das Wasser. „Siehst du hier irgendwo eine Welle? Nur eine klitzekleine? Ich nicht! Und eine so große schon gar nicht. Also woher kam die so plötzlich?“

Linda zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich von einem Windstoß.“

Marie stieß ein ungläubiges Schnauben aus. „Es ist doch total windstill. Nicht das kleinste Lüftchen ist zu spüren …“

„Warum regst du dich so über die Welle auf?“, unterbrach Linda sie. „Ärgere dich lieber über diese gemeinen Kerle. Die hätten uns fast das Paddelboard geklaut.“

Marie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich rege mich so auf, weil ich wissen will, wer oder was für diese Welle verantwortlich ist. Immerhin hat sie das Paddelboard gerettet.“

Linda und Helena mussten nichts weiter sagen. Marie konnte in ihren Gesichtern erkennen, was in ihren Köpfen vorging.

„Was?“, fragte sie beleidigt.

Linda sah Marie eindringlich an. „Es war eine Welle, Marie. Nur eine Welle. Und die Jungs waren einfach zu ungeschickt, um sich auf dem Board zu halten.“

Marie wollte protestieren und ihren Freundinnen klarmachen, dass irgendetwas an dieser Welle faul gewesen war. Aber sie schüttelte bloß den Kopf und sagte nichts mehr. Linda und Helena sollten sie schließlich nicht für völlig durchgeknallt halten. Es war schon schwierig genug, ihre Angst vor dem Wasser zu erklären. Wie sollten ihre Freundinnen da auch noch begreifen, dass dieses Element manchmal irgendwie zum Leben erwachte, wenn Marie in der Nähe war?

Den restlichen Nachmittag verloren die drei Mädchen kein Wort mehr über den Vorfall. Sie aßen Eis und Pommes, spielten Tischtennis, und als am Horizont dunkle Wolken aufzogen, machten sie sich auf den Heimweg.

Seltsame Ereignisse

Marie wurde das eigenartige Gefühl nicht los. Dieses Gefühl, dass die Welle irgendetwas mit ihr zu tun gehabt hatte.

„Hast du keinen Hunger?“, fragte ihre Mama beim Abendessen.

„Nein.“ Lustlos stocherte Marie in ihrem Essen herum.

Mama tastete nach der Hand ihrer Tochter. „Vielleicht könntest du dich auf die Suche nach meinem Stock machen. Ich habe ihn heute Nachmittag wohl im Garten vergessen, als der Regen kam.“

„Klar.“

„Nimm Bobby mit“, rief Papa ihr nach.

Marie stieß einen hellen Pfiff aus, um den Hund zu wecken, der es sich in seinem Körbchen gemütlich gemacht hatte. Bobby, der schwarze Königspudel, kam sofort freudig angetrabt und flitzte an ihr vorbei in den Garten. Marie musste nicht lange suchen, denn der Blindenstock lehnte an der großen Eiche, unter der Mama heute Nachmittag vermutlich ein Buch gelesen hatte. Marie dachte an die Zeit im Kindergarten, als sie allen anderen erzählt hatte, ihre Mama habe eine Superkraft: Sie könne mit den Fingern lesen. Behutsam nahm Marie den Stock und stellte ihn unter das Vordach neben der Tür. Dort würde Mama ihn bestimmt finden, wenn sie danach tastete. Für sie war der Blindenstock genauso kostbar, wie es für Marie ihre Brille war.

„Bobby“, rief Marie ihren Hund. „Hierher!“

Der Königspudel ließ sich nicht blicken. Er genoss die freie Zeit, denn selbst der fleißigste Blindenhund braucht mal eine Pause. Also widmete sich Marie den kleinen Fröschen, die über die nasse Wiese hüpften. Das Gewitter hatte nicht nur ihren Ausflug zum See abrupt beendet, sondern auch die Hitze des Tages weggespült und eine angenehme Kühle hinterlassen.

„Hallo, kleiner Kerl“, sagte Marie und musterte den braunen Frosch, der auf ihre Handfläche gesprungen war. „Du hättest diese Welle bestimmt genauso seltsam gefunden wie ich, nicht wahr?“

Der Frosch quakte wie zur Bestätigung und hüpfte mit einem Sprung von ihrer Hand und weiter in Richtung Garagentor. Dort hatte sich, wie bei jedem starken Regenguss, eine große Pfütze gebildet. Das Wasser wirkte im fahlen Licht des sich zu Ende neigenden Tages beinahe schwarz und der Frosch war kaum mehr zu erkennen, als er darin landete. Nur die Wellen, die sich in immer größer werdenden Kreisen um ihn herum ausbreiteten, zeigten Marie, wo er saß.

„Die Pfütze sieht beinahe aus wie ein See“, murmelte sie und hatte plötzlich einen Einfall. Sollte es tatsächlich der Stein gewesen sein, der die Welle heute Nachmittag ausgelöst hatte, dann müsste das doch noch einmal klappen. Marie konnte nicht länger leugnen, dass das Wasser zum Leben erwachte, wenn sie sich ihm näherte. Nie zuvor hatte Marie es gewagt, diesen Gedanken auszusprechen. Sie schien das Wasser dazu zu bringen, zu brodeln, sich aufzutürmen und unberechenbare Dinge zu tun. Sie hockte sich neben die Pfütze und hob ein paar Kieselsteine auf, die in der Einfahrt lagen. Platsch! Der erste landete im Wasser. Der Frosch aber ließ sich bei seinem abendlichen Bad nicht stören. Auch sonst tat sich in der Pfütze nicht viel. Marie warf einen weiteren Stein hinein, doch auch diesmal verebbten die kreisförmigen Wellen sofort wieder.

„Hm.“

Nachdenklich blickte Marie auf die restlichen Kiesel. Vielleicht hatten Linda und Helena recht und all das war nur ein dummer Zufall gewesen. Nur einmal wollte Marie es noch probieren, da stürmte Bobby mit fürchterlichem Gebell ums Eck und jagte der Nachbarkatze hinterher. Panisch flitzte die Katze an Marie vorbei, rannte über die Wiese und rettete sich gerade noch rechtzeitig über den Zaun. Bobby konnte nicht mehr abbremsen und knallte gegen die Holzlatten. Er sprang daran hoch und kratzte wie verrückt mit seinen Krallen über das Holz.

„Bobby!“, rief Marie streng. „Lass das!“ Ihr Herz klopfte vor Schreck ganz schnell und sie schüttelte genervt den Kopf. „Wenn du mit Mama im Garten bist, führst du dich auch nicht so auf!“

Bobby sprang weiter auf und ab und kläffte laut.

„Hör jetzt sofort auf!“

Marie schlug sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. Da endlich sah Bobby seine Niederlage ein und trollte sich mit hängendem Kopf hinters Haus.

In Maries Ohren rauschte das Blut immer noch wie ein tosender Fluss und sie ärgerte sich über den Hund, der sie so entsetzlich erschreckt hatte. Achtlos warf Marie den letzten Stein, den sie noch in ihrer Hand hielt, in die Pfütze. Sie wollte gerade aufstehen und ins Haus gehen, da bemerkte sie aus den Augenwinkeln ein Blubbern. Im ersten Moment glaubte sie, der Frosch sei untergetaucht, um sich vor dem Tumult zu verstecken, aber die aufsteigenden Luftblasen wurden größer und größer. Marie hockte sich neben die Pfütze, um das Geschehen genauer zu beobachten, und da passierte es: Dort, wo das Wasser gerade noch gebrodelt hatte, türmte sich jetzt eine Welle auf. Höher und höher wurde sie, während sie sich ihren Weg durch die Pfütze bahnte. Mit einem Quaken sprang der Frosch aus dem Wasser und brachte sich in einem Busch in Sicherheit. Die Welle schien sich durch nichts aufhalten zu lassen. Sie schwappte über den Rand der Pfütze und rollte die Einfahrt hinunter, um dort mit einem lauten Platsch! gegen das Tor zu schlagen. Marie rieb sich die Augen. „Das gibt’s nicht!“ Aber der dunkle Fleck, den das Wasser auf dem hellgrünen Gartentor hinterlassen hatte, war Beweis genug. Warum hatte das jetzt auf einmal geklappt und nicht schon bei Maries ersten Versuchen? Irgendetwas musste anders gewesen sein, als sie das letzte Steinchen geworfen hatte. In diesem Moment tauchte Bobby auf. Er trug seinen Lieblingsball im Maul und hüpfte vor Marie auf und ab.

„Nicht jetzt, Bobby“, sagte Marie genervt.

Bobby aber ließ nicht locker. Er legte den Ball auf den Boden und stupste ihn mit der Nase an.

„Wuff!“

„Ach, Bobby. Es ist schon viel zu spät zum Spielen. Du weißt doch, wie ärgerlich die Nachbarn werden, wenn du abends…“ Sie brach ab und starrte Bobby an. „Ärgerlich …“ Sie überlegte fieberhaft. „Ich war total verärgert, weil du mich mit deinem Gebell so erschreckt hast, und ich fand es ungerecht, dass du nur bei mir so schlimm bist.“ Ihre Gedanken überschlugen sich. Langsam begann sie, den Zusammenhang zwischen der Unruhe des Wassers und ihren eigenen Gefühlen zu verstehen. Heute Nachmittag am See war sie extrem wütend gewesen und damals im Urlaub, als das Meer sie so kraftvoll bis zum Grund gedrückt hatte, war sie ebenfalls zornig gewesen.