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»Nicht Hass ist das Gegenteil von Liebe. Es ist die Angst, jemanden in dein Herz zu lassen …« Celeste kann noch immer kaum fassen, dass Nathaniel zum nächsten König Sirions berufen wurde. Ausgerechnet der Mann, der weder an die Götter noch an die Verantwortung seines Amtes glaubte, soll ein ganzes Volk führen. Erst auf ihrer gemeinsamen Reise öffnet Celeste nicht nur Nathaniel die Augen für die Schönheit des Landes, sondern auch ihr eigenes Herz. Sie wollte niemandem vertrauen, aber der Sohn der Sonne schafft es, ihre Mauern immer mehr einzureißen. Doch noch während Celeste und Nathaniel mit ihren Gefühlen hadern, passiert im Königreich etwas vollkommen Unvorhergesehenes. Und es steht mehr auf dem Spiel, als die beiden ahnen können ... Ein mitreißender Fantasyroman in göttlichem Setting Francesca Peluso entführt ihre Leserinnen in der gefühlvollen Fantasy-Serie »Das Mal der Götter« in eine Welt, in der ein magisches Zeichen das Schicksal eines ganzen Landes bestimmt. Eine Geschichte voller überraschender Wendungen und großer Gefühle, die man nicht mehr aus der Hand zu legen vermag! //Dies ist der zweite Band der göttlich-gefühlvollen Buchserie »Das Mal der Götter«. Alle Romane der Fantasy-Liebesgeschichte: -- Band 1: Das Mal der Götter 1. Berufen -- Band 2: Das Mal der Götter 2. Erwacht -- Band 3: Das Mal der Götter 3. Betrogen -- Band 4: Das Mal der Götter 4. Erwählt -- Sammelband der göttlichen Fantasy-Reihe »Das Mal der Götter«// Diese Reihe ist abgeschlossen.
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Francesca Peluso
Das Mal der Götter 2: Erwacht
»Nicht Hass ist das Gegenteil von Liebe. Es ist die Angst, jemanden in dein Herz zu lassen …«Celeste kann noch immer kaum fassen, dass Nathaniel zum nächsten König Sirions berufen wurde. Ausgerechnet der Mann, der weder an die Götter noch an die Verantwortung seines Amtes glaubte, soll ein ganzes Volk führen. Erst auf ihrer gemeinsamen Reise öffnet Celeste nicht nur Nathaniel die Augen für die Schönheit des Landes, sondern auch ihr eigenes Herz. Sie wollte niemandem vertrauen, aber der Sohn der Sonne schafft es, ihre Mauern immer mehr einzureißen. Doch noch während Celeste und Nathaniel mit ihren Gefühlen hadern, passiert im Königreich etwas vollkommen Unvorhergesehenes. Und es steht mehr auf dem Spiel, als die beiden ahnen können …
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Vita
Danksagung
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© Tatjana Richter
Francesca Peluso wurde 1995 in Hessen geboren. Schon früh erwachte ihre Liebe zu Büchern, dem Lesen und Schreiben. Dabei hat sie eine Vorliebe für fantastische Welten, mutige Heldinnen und große Liebesgeschichten. Ihre Liebe für das gedruckte Wort veranlasste sie auch dazu, Buchwissenschaft im schönen Mainz zu studieren. Neben ihrem Studium ist sie begeisterte Tänzerin, Serienjunkie und Kaffeeliebhaberin.
Für Valentina.
Eine Schwester ist das Stück Kindheit, das für immer bleibt.
Celeste
Die Sonne war seit geraumer Zeit aufgegangen und Celeste hatte ihre priesterlichen Pflichten bereits erledigt. Sie hatte die Briefe ihrer Vertrauten aus Samara gelesen und ihnen weitere Anweisungen zukommen lassen. Auch wenn sie nicht in ihrer Heimat war, war es als Priesterin ihre Aufgabe, sich um ihr Volk zu kümmern. Gerade war sie auf dem Weg zu Nathaniels Gemächern, um mit ihm gemeinsam noch einige Dokumente durchzugehen. Sie klopfte an und erwartete ein genervtes »Herein«, stattdessen öffnete Yanis die Tür einen Spaltbreit. Den Zeigefinger auf den Lippen.
»Er schläft noch.« Yanis wirkte verunsichert, als Celeste ihn scharf ansah.
»Wie bitte? Er ist der zukünftige König. Er kann schlafen, wenn er tot ist. Jetzt aber liegen Aufgaben an, um die er sich kümmern muss.«
Celeste schob Yanis zur Seite und betrat den Raum. Die Vorhänge waren bereits geöffnet und auf dem Tisch war ein Frühstück angerichtet.
»Wieso hast du ihn nicht geweckt?«
Sie kam sich vor wie eine Mutter, die ihr Kind maßregelte. Offenbar ging es Yanis genauso. Er sah auf seine Füße und spielte mit seinen Fingern. Er war ganz offensichtlich nervös.
»Er schläft nun mal gern aus und kann es nicht leiden, geweckt zu werden.«
»Der Göttin sei Dank kümmert es mich nicht, was er gern mag und was nicht.« Mit diesen Worten rauschte Celeste an Yanis vorbei und stürmte auf die verschlossene Tür zu Nathaniels Schlafzimmer zu. Ohne zu Klopfen betrat sie jetzt den Raum. Es war dunkel und sie konnte Nathaniel nur schemenhaft in seinem Bett erahnen. Sie lief zu den Fenstern und zog die Vorhänge beiseite. Vom Bett aus war ein Grunzen zu hören. Celeste stellte sich davor und betrachtete skeptisch die Szene vor sich. Nathaniel lag auf dem Bauch. Die Decke war zerwühlt, seine dunkelblonden Haare zerzaust. Sein Oberkörper war unbedeckt und Celeste erwischte sich dabei, wie sie seinen Rücken betrachtete. Sie biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab.
»Hast du noch nie was von Anklopfen gehört?«
Nathaniels Stimme klang rau vom Schlaf. Er öffnete missmutig die Augen, blinzelte kurz, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen, und starrte Celeste dann finster an.
»Selbstverständlich habe ich davon gehört. So nennt man die Bewegung, wenn eine Faust mehrmals gegen eine Tür schlägt.«
Sie versuchte erst gar nicht, die Ironie in ihrer Stimme zu verbergen.
»Und jetzt steh auf, du hast einiges zu tun!«
Nathaniel drehte sich stöhnend auf den Rücken und verbarg sein Gesicht mit den Armen.
»Kein Interesse.«
Celeste verschränkte genervt die Arme vor der Brust. Sie hatte sich den Morgen wirklich anders vorgestellt. Nathaniel warf ihre gesamte Planung über den Haufen. So wie immer.
Seit fünf Wochen waren sie nun schon gemeinsam unterwegs, um die Königreiche der Priesterinnen zu besuchen, davon seit zwanzig Tagen zu Gast am Hof von Silvina, der Heimat von Linnéa, Tochter des Waldes. Es war ein schöner Juni, aber Celeste hätte das sommerliche Wetter weit mehr genießen können, wenn Nathaniel ihr nicht den Morgen erschweren würde.
»Wieso musst du schon wieder mit mir diskutieren? Kannst du nicht einmal das tun, was von dir verlangt wird? Immerhin bist du der Prinz dieses Landes.«
Nate nahm die Arme von seinem Gesicht, setzte sich im Bett auf und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ein amüsiertes Funkeln trat in seine grünen Augen.
»Und diese Worte kommen ausgerechnet von dir. Dabei bist du diejenige, die nicht dazulernt. Was auch der Grund dafür ist, dass wir nichts anderes tun, als miteinander zu diskutieren.«
Sie bedachte ihn mit einem finsteren Blick, den er erwiderte. Ihr »Duell« wurde von einem Räuspern unterbrochen. Beide blickten gleichzeitig zu Yanis, der unsicher in der Tür stand.
»Lord Chalid war eben hier. Wie es scheint, habt Ihr Besuch von Lady Lilian.«
»Wer ist Lilian?«, fragte Nathaniel nach.
»Die ehemalige Priesterin von Silvina. Das solltest du eigentlich wissen.« Celeste sah Nathaniel kopfschüttelnd an.
»Könntet Ihr Euch jetzt bitte ankleiden? Die anderen beiden Priesterinnen warten ebenfalls auf Euch.« Yanis deutete motivierend mit dem Kopf auf den Paravent, der in der Zimmerecke stand und hinter dem Nathaniels Kammerdiener bereits Kleidung für den Tag bereitgelegt hatte. Mürrisch schlug Nathaniel die Decke zurück und stand auf. Celeste sah ihn empört an.
»Wie kommt es, dass du nicht auf mich hörst, aber auf ihn?«
»Das könnte vielleicht daran liegen, dass er mich höflich gebeten hat. Du solltest wirklich lernen, freundlicher zu sein, wenn du etwas von mir willst.«
Celeste knirschte mit den Zähnen, während Nathaniel sie schelmisch ansah. Er verschwand hinter dem Raumteiler. Celeste hörte das Rascheln von Stoff und anschließend die Tür, die zum Badezimmer führte. Die Priesterin blickte aus dem Fenster. Auf Nathaniels Balkon blühte kein Blauregen wie auf ihrem, sondern rankte Efeu.
Durchaus auch giftig, dachte Celeste nachdenklich. Nur nicht so sehr wie Blauregen. Sie durfte niemals vergessen, dass in Silvina offenbar nicht alles so war, wie es schien. Wer weiß, was sich alles hinter der farbenfrohen, anscheinend lieblichen Fassade verbarg?
»Kommst du, Kätzchen? Wie es scheint, werden wir erwartet.«
Celeste unterdrückte ein Knurren. Irgendwann würde sie es Nathaniel heimzahlen, dass er sie bei diesem von ihm gewählten Spitznamen nannte. Das schwor sie sich.
***
Nathaniel
Nathaniel und Celeste folgten Yanis durch den Palast in einen der Salons. Mehrere cremefarbene Sofas standen um einen hölzernen Tisch herum, auf dem eine Teekanne, Tassen und Gebäck standen. Auf den Sofas hatten es sich Malia, Linnéa, Lord Chalid und eine Unbekannte gemütlich gemacht. Sie hörten ihre Stimmen und ihr Gelächter. Nathaniel entdeckte die fremde Frau sofort. Sie saß neben Lord Chalid und strich sich gerade lachend eine der weißblonden Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die ehemalige Priesterin trug ein beigefarbenes Kleid mit Blumenstickereien. Ihre schulterlangen Haare trug sie offen. Nathaniel begegnete ihrem warmen Blick.
»Darf ich vorstellen? Lady Celeste und Ihre Hoheit Nathaniel.« Yanis neigte demutsvoll den Kopf vor der älteren Frau. »Die ehemalige Priesterin des Landes, Lady Lilian.«
Lilian lächelte die Neuankömmlinge freundlich an, während sie anmutig knickste.
»Es ist mir eine Ehre, den neuen Sohn der Sonne kennenzulernen. Und es freut mich ebenfalls, endlich die berühmte Tochter des Himmels zu treffen.«
Nate nickte, Celeste neben ihm knickste ebenfalls.
»Die Ehre ist auf unserer Seite, Lady Lilian. Ich habe schon viel von Euch gehört.« Die Lüge kam ihm spielend über die Lippen. Celeste warf Nate einen tadelnden Blick zu, doch er ignorierte sie. Stattdessen geleitete er sie zu dem Sofa, auf dem bereits Linnéa saß. Er selbst nahm auf dem angrenzenden Sofa neben Malia Platz.
Aus den Augenwinkeln nahm Nate war, wie Yanis dabei war, den Raum zu verlassen.
»Mein lieber Yanis, es gehört sich ganz und gar nicht, seine eigene Großmutter zu ignorieren.«
Schockiert sah Nate zwischen seinem Kammerdiener und der ehemaligen Priesterin hin und her. Wieso erfuhr er solche Details immer als Letzter? Er musste ein ernstes Wort mit Yanis wechseln und mit Kiah, der ihm versichert hatte, Nate immer mit den wichtigsten Informationen zu versorgen.
»Deine Großmutter?« Nate sah Yanis scharf an, doch dieser blickte zu Boden. Also wanderte sein Blick zu Celeste, doch die zuckte nur mit den Schultern: »Ich dachte, dass wüsstest du. Er ist immerhin dein Kammerdiener.«
Lilian sah ihren Enkel verwirrt an. »Wieso hast du Seiner Hoheit nicht gesagt, dass wir verwandt sind?«
»Ja, Yanis, wieso hast du Seiner Hoheit das nicht gesagt? Zum Beispiel vor zehn Minuten, als du mir erzählt hast, dass sie unten auf mich wartet?« Nathaniels Stimme war unmerklich lauter geworden. Neben sich hörte er Malia auflachen und auch Celeste und Linnéa schmunzelten, wie er aus den Augenwinkeln bemerkte. Lilian und Lord Chalid sahen den jungen Auserwählten überrascht an, doch Nate interessierte das nicht. Es war zu früh am Morgen für höfisches Benehmen.
»Ich habe es nicht für wichtig erachtet«, murmelte Yanis.
Beinahe gleichzeitig schnalzten Lilian und Nate mit der Zunge.
»Wäre ich nicht hier, um den zukünftigen König kennenzulernen, würde ich dir jetzt die Leviten lesen, junger Mann.« Mit drohendem Zeigefinger sah Lilian Yanis an, der den Kopf schuldbewusst einzog.
»Lasst Euch von mir nicht stören, er hat es verdient.« Nate verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte seinen Kammerdiener mit einem teuflischen Grinsen. Yanis blickte auf und Nate entdeckte Unsicherheit in den braunen Rehaugen.
»Yanis, entspann dich, niemand wird dich maßregeln!«, mischte sich Linnéa ein und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.
»Jetzt komm her und gib deiner Großmutter einen Kuss.« Die ehemalige Priesterin tippte sich mit dem Finger auf die Wange. Zögernd kam Yanis der Aufforderung nach und sah anschließend unsicher zu Nate.
Nate grinste ihn schadenfroh an. Damit würde er Yanis noch eine sehr lange Zeit aufziehen. Besonders in den Momenten, in denen er Nate wieder zwingen würde, alberne Kleidung anzuziehen. Nate war froh, keine Familie zu haben, die ihn öffentlich vorführen konnte.
»Ich muss meinen Pflichten nachkommen. Wir sehen uns später, Großmutter«, sagte Yanis zu Lilian, nickte seinem Herrn zu und verließ mit gesenktem Kopf den Salon.
»Womit haben wir Euren Besuch verdient, Lady Lilian?« Herausfordernd sah Nate die ehemalige Priesterin an. Ihm war es zuwider, von Fremden wie eine Attraktion betrachtet zu werden.
»Ich gebe zu, ich war neugierig auf den neuen Sohn der Sonne.« Blassblaue Augen musterten ihn von Kopf bis Fuß. »Und ich muss sagen, ich bin keineswegs enttäuscht.« Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. Doch Nate konnte es nicht erwidern.
»Aber der wichtigste Grund für meinen Besuch war ein Versprechen, dass ich einem Freund gegeben habe.«
Mit hochgezogener Augenbraue sah Nate die Frau vor sich an.
»König Miro möchte, dass ich ein Auge auf Euch habe«, klärte Lilian das Rätsel auf. Ihre Stimme klang freundlich, doch Nates Blut war bei ihren Worten in Wallung geraten und er unterdrückte den Impuls, seine Hände zu Fäusten zu ballen. Stattdessen kniff er die Augen zusammen.
»Ich werde also unter Beobachtung gestellt?«
Lilian nippte an ihrem Tee und schüttelte den Kopf. »Keinesfalls, mein Prinz. Aber da Seine Majestät nicht hier sein kann und Euch seine Unterstützung fehlt, hat er mich gebeten, diese Aufgabe zu erfüllen.«
Im Salon wurde es still. Nate spürte alle Blicke auf sich, doch niemand sagte etwas. So schnell konnte die Stimmung kippen. Endlich räusperte sich Lord Chalid. Der dunkelhäutige Berater des Königs fuhr sich übers Kinn.
»Ich selbst bat Lady Lilian, mir bei Eurer Ausbildung behilflich zu sein. Ich bin mir sicher, ihre Ansichten und Ratschläge sind von unschätzbarem Wert für Euch, Hoheit.«
Nate neigte zustimmend den Kopf. Es würde sich zeigen, ob Lord Chalid recht behalten würde. Er empfand die alte Dame als sympathisch, keine Frage, aber dass sie ihm helfen würde, die Pflichten eines Königs zu erlernen, bezweifelte er. Lilian war Priesterin gewesen, keine Königin. Woher sollte sie wissen, welche Last auf den Schultern eines Königs ruhte?
»Darf ich Euch etwas fragen, Lady Lilian?« Es war Malia, die sich zu Wort meldete. Sie saß zurückgelehnt neben Nathaniel und hatte das Szenario bis hierhin schweigend beobachtet.
»Selbstverständlich, meine Liebe. Was möchtet Ihr wissen?«
»Würde es Euch etwas ausmachen, uns von der damaligen Wahl zu berichten?«
Die Köpfe aller drei Priesterinnen drehten sich gespannt zu Lilian. Auch Nathaniel beugte sich vor und sah die ehemalige Tochter des Waldes neugierig an. Lilian war zwar nicht von Miro als Gemahlin erwählt worden, aber sie hätte es als damalige Priesterin im Amt durchaus werden können. Sie musste am besten verstehen, wie es den vier Anwesenden gerade erging.
Ein wissendes Lächeln schlich sich auf Lilians Gesicht. »Was möchtet Ihr wissen? Wie es war, mit zwei weiteren Frauen um die Gunst eines Mannes zu konkurrieren? Ich bin mir sicher, dass sich in den letzten fünfzig Jahren daran nichts geändert hat.« Sie lachte herzhaft.
»Habt Ihr Euch mit den anderen Priesterinnen gestritten?« Linnéa warf einen besorgten Blick in die Runde.
»Nun ja, einen richtigen Streit gab es nie, aber wir haben uns nicht immer gut verstanden. Wir sind Priesterinnen, aber eben auch nur Menschen.«
»Wie war es für Euch?« Es war Celestes erster Satz in dieser Konversation. Sie hatte sich, sehr zu Nates Erstaunen, bisher nicht beteiligt. Dabei hatte sie sonst immer etwas zu sagen, meist zu seinem Leidwesen.
Lilian schien kurz zu überlegen. Sie nahm sich ein Plätzchen von einem Teller vor sich auf dem Tisch und biss davon ab.
»Gerade am Anfang war es schwierig. Damals wurden die Beziehungen zu den anderen Provinzen nicht so gepflegt, wie es heute der Fall ist. König Ravi, Miros Vorgänger, stammte aus Solaris und hatte nie etwas anderes als die Hauptstadt gesehen. Er war wenig gereist und schien sich nicht sonderlich für die anderen Städte zu begeistern. Auch ich hatte die beiden anderen Priesterinnen vor der Wahl noch nicht getroffen. Dieses Prozedere änderte sich erst unter Miro.«
Sie sah alle drei Priesterinnen nacheinander eindringlich an. »Ihm habt Ihr es zu verdanken, Teil des Kronrates zu sein. Unter Ravi gab es das nicht.«
Nathaniel lauschte den Worten Lilians aufmerksam. Er hatte sich nie sonderlich für die Geschichte von Sirion interessiert und kannte keinen anderen König außer Miro. Und selbst von ihm hatte er als Straßenjunge aus Samara kaum etwas gehört.
»Was ist passiert?«, fragte Malia.
»Es war Nanami, die uns zusammengeführt hat. Sie war so ein fröhlicher und offenherziger Mensch und konnte es nicht ertragen, mit Menschen ihre Zeit zu verbringen, die sie nicht kannte.«
Lilian lächelte. Versunken in ihre Erinnerungen. Malia lächelte ebenfalls. »Nanami war eine gute Königin.« Die Stimme der jungen Priesterin war voller Stolz und Zuneigung.
»Das war sie«, stimmte Lilian zu. »Ich kann mich noch erinnern, wie wir sie immer wegen ihrer hellen Haut aufgezogen haben.«
Malia und Lord Chalid lachten. »Für eine Frau aus Sirena war sie aber auch wirklich ungewöhnlich blass«, sagte Lord Chalid.
»Nicht nur ihre Haut war schneeweiß, auch die blauen Augen waren untypisch für jemanden aus Sirena. Aber ihre Art war die einer waschechten Sirene. Dominant, kokett und selbstbewusst. Diese Eigenschaften habe ich an ihr immer bewundert.« Malia klang beinahe schwärmerisch.
Nathaniel hatte kein Bild von Miros Königin vor Augen, aber sie schien Malia recht ähnlich zu sein.
»War es vorherbestimmt?« Nates Stimme war leise, aber jeder hatte seine Worte gehört. Lilian sah ihn fragend an, woraufhin er sich räusperte.
»Ich meine, war von vornherein klar, dass Nanami Königin werden würde?«
Die ehemalige Priesterin sah ihn lange an. Das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden. Nathaniel wusste nicht, was der Grund dafür war. Vielleicht hatte er sie daran erinnert, dass sie die Wahl damals verloren hatte. Oder aber, und das erhoffte Nate sich, sie wusste von jener Frau, der Miros Herz gehört hatte. Ja, vielleicht war diese Frau Lilian selbst? Nathaniel hatte sich in den Kopf gesetzt, das große Geheimnis zu lüften. Mit Lilians Hilfe, ob sie wollte oder nicht. Anlügen würde sie ihn schließlich nicht können. Denn dank Ilias’ Gabe, die Nate bei seiner Berufung erhalten hatte, war er in der Lage, zu erkennen, wenn jemand nicht die Wahrheit sagte. Ein Ziehen in der Brust zeigte es ihm an.
»Ich kann nicht sagen, ob die Beziehung zwischen Miro und Nanami vorherbestimmt war«, sprach Lilian mit belegter Stimme, ihr Blick ruhte dabei auf ihren zusammengefalteten Händen. »Das wissen einzig und allein die Götter. Aber aus eigener Erfahrung garantiere ich Euch, dass Ihr es wissen werdet, sobald die Richtige vor Euch steht.«
Ihre Antwort befriedigte Nathaniels Neugierde nicht im Geringsten. Aber sie sorgte dafür, dass nun alle drei Priesterinnen ihn ansahen. Erwartungsvoll. Bei diesen Blicken lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Auch Lilian waren die Blicke der Mädchen aufgefallen.
»Ich wollte Euch nicht in die Bredouille bringen, Nathaniel. Die Wahl hat gerade erst begonnen, lasst Euch Zeit. Ihr habt reichlich davon.«
Ihm war die Situation unangenehm. Genau genommen saß er in diesem Moment mit seinen drei potenziellen Bräuten in einem Raum und sie hörten sich Geschichten einer verschmähten Priesterin an. Er konnte sich bei Weitem Schöneres vorstellen.
»Linnéa, Liebes, was hältst du davon, unseren Gästen die Heiligen Bäume zu zeigen?«, versuchte Lilian das Thema zu wechseln.
Linnéas Gesicht hellte sich auf. Vergessen waren die angespannte Stimmung und die bohrenden Blicke. Nate nickte Lilian dankbar zu.
»Heilige Bäume?« Malia sah Lilian und Linnéa fragend an.
»Sie wird es Euch erklären. Geht Ihr ruhig schon vor, ich möchte mich noch ein wenig mit dem Prinzen unterhalten.«
Sie lächelte Nathaniel an und wartete, bis die Priesterinnen sich erhoben und den Raum verlassen hatten. Auch Lord Chalid ließ die beiden allein.
»Das klingt so, als wolltet Ihr etwas streng Geheimes mit mir besprechen.« Neugierig sah Nathaniel Lilian an. Die ehemalige Priesterin hatte sich erhoben und sah durch die bodenhohen Fenster nach draußen. Die Mittagssonne schien angenehm warm herein.
Ein Blick aus blassblauen Augen traf ihn. »Wie geht es Euch?«
Etwas erstaunt erwiderte Nate den Blick. »Was meint Ihr?«
»Ich weiß, was in den Köpfen der Mädchen vorgeht, weil ich selbst eine von ihnen war. Aber ich möchte wissen, wie es Euch dabei geht. Man erwartet nicht nur, dass Ihr Eine von ihnen heiratet. Binnen eines Jahres sollt Ihr in der Lage sein, dieses Land zu regieren. Das ist eine große Verantwortung für einen jungen Mann.«
Nathaniels Miene erstarrte. Es war ihm bisher gut gelungen, diese Tatsache aus seinem Kopf zu verbannen. Er wich Lilians Blick aus und fuhr sich mit der Hand über den Nacken.
»Ich wüsste gern, wie Miro damit umgegangen ist.«
Seltsamerweise vermisste er den alten König, der ihm ungeahnte Freundlichkeit entgegengebracht hatte. Er wäre in der Lage, Nathaniel zu helfen.
»Ich bin nicht Miro, aber Ihr könnt mit mir reden. Manchmal hilft es, seine Sorgen laut auszusprechen. Nur so können wir Lösungen und Unterstützung finden.«
Nathaniel sah Lilian an. Die alte Dame wirkte auf ihn verwirrendermaßen gleichzeitig naiv wie weise. Aber er wusste, dass sie ihm wirklich helfen wollte. Er konnte zumindest mit Sicherheit sagen, dass sie ihn nicht täuschen wollte. Er räusperte sich. Sein Hals war plötzlich staubtrocken.
»Ich habe keine Ahnung von Politik oder Diplomatie und ich glaube einfach nicht, dass ich den Anforderungen gerecht werden kann.« Das klang sehr nüchtern, fand Nate selbst, und er fuhr sich durchs Haar. Aber es wunderte ihn auch, wie leicht es ihm dann doch gefallen war, sich Lilian zu öffnen. Er wünschte sich plötzlich, dass jemand aus seinem engsten Kreis ihm dasselbe Verständnis entgegenbringen würde.
Lilian sah ihn mitfühlend an. Ihr Gesicht zeigte ein schwaches Lächeln. Geprägt von Trauer und Erinnerungen.
»Es ist nicht leicht, ein Gotteskind zu sein, Nathaniel. Niemand sieht Eure Tränen oder Euren Kummer. Und niemand interessiert sich für Euren Schmerz. Alles, was sie sehen, sind unsere Fehler und unser Versagen.«
Ihre Stimme klang belegt und nahm damit Nathaniel das letzte Fünkchen Hoffnung, dass er seinem Amt irgendwann doch noch gerecht werden würde. Dass er sich damit abfinden würde, der König dieses Landes zu sein.
»Wie geht Ihr damit um? Mit all den Herausforderungen und Pflichten?«
Die alte Dame lachte verhalten. »Nun ja, ich habe seit fast zwanzig Jahren keine Pflichten mehr zu erfüllen und muss niemandem außer mir selbst und den Göttern gerecht werden.« Sie zuckte mit den Schultern und Nate seufzte.
»Das hilft mir nicht dabei, die nächsten fünfzig Jahre zu überstehen.«
»Mein lieber Junge, ich kann Euch nur den Rat geben, der König zu sein, den Ihr für Euer Volk wünscht. Gebt täglich Euer Bestes und es wird sich alles zum Guten wenden.«
Nate lachte bitter auf bei so viel Zuversicht, die er selbst nicht im Geringsten verspürte. Lilian war eine Großmutter, wie man sie sich vorstellte: stets gut gelaunt und optimistisch.
»Sagt Ihr Euren Enkeln dasselbe?«
»Ja, und da hilft es immer. Also beherziget den Rat einer alten Dame.«
Sie wollte ihm die Hand auf die Schulter legen, doch Nathaniel zuckte vor ihrer Berührung zurück. Lilian sah ihn erstaunt an und ließ langsam ihre Hand sinken.
»Es tut mir leid, ich hätte nicht …« Sie ließ den Satz unbeendet, doch Nate schüttelte den Kopf. »Nein, mir tut es leid. Es ist nur … seid Ihr wie Linnéa? Wegen der Berührungen?«
Er deutete auf Lilians Hände. Sie sah ihn erst irritiert an, doch dann lachte sie. »Nein, ich besitze diese Fähigkeit nicht. Wie es scheint, hat Euch keiner darüber in Kenntnis gesetzt, dass unsere Götter nicht allmächtig sind.«
Seine Stirn legte sich verständnislos in Falten.
»Die Götter können immer nur einem Gotteskind zur gleichen Zeit ihre Kräfte leihen. Also habe ich meine verloren, als Linnéa geboren wurde. So bleibt alles im Gleichgewicht und wir Gotteskinder wissen sofort, wann eine neue Auserwählte das Licht der Welt erblickt hat.«
Nate kratzte sich am Hinterkopf. »Nein, das hat mir mal wieder niemand gesagt.« Er kam sich nun dumm vor, Lilians Berührung ausgewichen zu sein, als wäre sie toxisch. Miro hätte ihm ruhig erzählen können, dass die ehemaligen Auserwählten keine Kräfte mehr besaßen.
»Jetzt wisst Ihr es. Aber tut mir den Gefallen und weicht vor Linnéas Berührung nicht zurück. Sie gibt sich wirklich Mühe mit ihrer Gabe und auch sie hat es damit nicht leicht.«
Nathaniel nickte. Die verschiedenen Fähigkeiten der Gotteskinder faszinierten ihn sehr. Er dachte an Celestes Gabe: Sie konnte die Aura ihres Gegenübers lesen. Trotzdem war sie nicht in der Lage, die Auren anderer Gotteskinder zu erkennen. Nate fragte sich, warum Linnéas und seine Fähigkeiten auch bei den anderen Auserwählten funktionierten.
»Lilian, wisst Ihr, warum manche Gaben auch gegenüber den anderen Gotteskindern funktionieren und andere nicht?«
»Was meint Ihr?«, fragte die ehemalige Priesterin nach.
»Linnéa kann durch Berührung meine Gefühle erspüren, aber der Rotschopf kann meine Aura nicht sehen.«
Lilian sah ihn perplex an. »Der Rotschopf?«
Nate biss sich auf die Zunge. »Ich meine Celeste.«
Die ehemalige Priesterin schmunzelte augenzwinkernd. »Darauf wäre ich nie gekommen.«
Nate spürte ihren Blick auf sich und rollte mit den Augen. Ihm war das nur so herausgerutscht, weil er Celeste nur selten beim Vornamen nannte. Dass es ihm aber ausgerechnet vor Lilian passierte, gefiel ihm gar nicht. Frauen interpretierten meistens viel zu viel in so etwas hinein.
»Zu Eurer Frage: Ich kenne die Antwort darauf nicht. Aber ich weiß, dass jeder von uns erst lernen muss, seine Kräfte zu kontrollieren. Eine wichtige Rolle dabei spielen Akzeptanz und emotionale Reife. Ich will mir nicht anmaßen, über Lady Celeste zu urteilen, aber mir scheint, sie akzeptiert ihre Gabe noch nicht als Teil von sich.«
Nathaniel dachte über ihre Worte nach. Wenn er darüber nachdachte, wie abweisend und reserviert Celeste reagiert hatte, als er sie auf ihre Gabe angesprochen hatte, musste er Lilian recht geben. Er fragte sich, warum Celeste sich so verhielt.
***
Celeste
»Was genau sind nun also die Heiligen Bäume, von denen Lilian gesprochen hat?« Celeste sah erwartungsvoll zu Linnéa. Gemeinsam mit Malia hatten sie vor der Tür des Salons ungeduldig auf Nathaniel gewartet. Als er nun heraustrat, folgten alle drei der Tochter des Waldes durch die Gänge des Palastes.
»Dahinter steckt eine Geschichte der Götter. Alt wie die Menschheit selbst.«
Linnéa führte sie durch den Ostflügel, vorbei an rosafarbenen und weißen Blumen, die einen lieblichen Duft verströmten. Dieser Teil des Gebäudes verlief parallel zum See und statt von Fenstern wurde der Palast durch offene Spitzbögen begrenzt, an deren Pfeilern Schlingpflanzen emporwuchsen. Celeste bestaunte die Konstruktion. Als sie in die Nähe des Wasserfalls kamen, spürte sie die Nässe auf ihrer Haut.
»Was für eine Geschichte?« Nathaniel, der den Schluss der Gruppe bildete, klang ernsthaft interessiert, was Celeste erstaunte.
Linnéa begann zu erzählen. »Als die Götter Sirion unter sich aufgeteilt hatten, erschuf Silvia diesen Palast. Sie schenkte den unterschiedlichsten Tieren und Pflanzen das Leben und zeigte den Menschen, wie sie Felder bestellten. Doch trotz ihrer neuen Pflichten, war sie sehr einsam. Sie vermisste ihre Geschwister von ganzem Herzen. Um sich an sie zu erinnern, pflanzte sie vier Bäume. Jeder Baum für ein Mitglied ihrer Familie. Sie sollten ihr Gesellschaft leisten, wenn ihre Geschwister es nicht konnten.«
Celeste lauschte Linnéas Worten. Es war eine schöne Geschichte und ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sonst war es Wilma, die ihr Geschichten von den Göttern erzählte, aber diese war ihr bisher unbekannt.
Steinerne Stufen führten sie vom Palast hinunter zu einem eisernen Tor.
»Das ist Silvias Garten«, sagte Linnéa feierlich, während sie die Tore öffnete und die Auserwählten eintreten ließ. Celeste stockte der Atem. Hatte sie schon innerhalb des Palastes zahlreiche Pflanzen in den buntesten Farben gesehen, übertraf die Vielfalt des Gartens sie alle. Rot, Orange und Lila reihten sich aneinander und erinnerten an ein exotisches Paradies. Mitten im Herzen von Silvina.
»Es ist wunderschön!« Malia kniete neben einem Busch pinkfarbener Rosen und roch an ihren Blüten. Linnéa strahlte über das ganze Gesicht.
»Ich bin froh, euch diesen Ort zeigen zu können. Kommt mit!« Mit einer Handbewegung wies Linnéa sie fast aufgeregt an, ihr zu folgen. Noch immer überwältigt von diesem Garten wusste Celeste nicht, wo sie zuerst hinsehen sollten. Ein Schwarm Schmetterlinge flog an ihr vorbei und zog sie in seinen Bann. Sie beobachtete die zierlichen, leichten Geschöpfe mit den prächtigen Flügeln, wie sie sich auf einem Fliederstrauch niederließen.
»Noch nie Schmetterlinge gesehen?« Nate sah sie grinsend von der Seite an. Celeste schüttelte verblüfft den Kopf. »Du etwa?«
Er zuckte bloß mit den Schultern. »Ein- oder zweimal.«
Vor einem Baum mit goldenen Blättern, die wie Trauben an ihm herunterhingen, blieb Linnéa stehen. »Das ist Morpheus, der Baum der Träume.« Inmitten eines Meeres aus weißen Blumen stand Morpheus und glitzerte in der Mittagssonne. In seinen Stamm war eine Triskele geritzt.
»Er wird auch ›Goldregen‹ genannt. Silvia pflanzte ihn in Gedenken an Ilias«, fuhr Linnéa fort. Celeste beobachtete, wie ihr Blick zu Nathaniel huschte. Ihre Wangen färbten sich rosa. Nate trat vor und legte behutsam die Hand auf den Stamm des Baumes. Direkt über die Triskele.
»Jetzt hoffe ich aber für dich, dass er nicht mit dem Blauregen auf meinem Balkon verwandt ist.« Celeste lächelte Nate schadenfroh an. Nicht im Geringsten besorgt, dass er womöglich tatsächlich einen giftigen Baum berührt haben könnte. Blitzartig zog Nate seine Hand zurück und sah Linnéa erschrocken an.
»Morpheus ist der einzige Baum seiner Art, der nicht giftig ist. Also keine Sorge«, beruhigte Linnéa ihn.
Die Tochter des Waldes lief auf einen hölzernen Steg zu, der über einen kleinen Teich führte. Mitten in dem Teich war eine Insel, auf der ein Kirschbaum blühte. Celeste entdeckte die Triskele auf dessen Stamm sofort.
»Der einzige Kirschbaum, der das ganze Jahr über Blüten trägt. Cora, der Herzensbaum. Ein Geschenk für Marisa«, erklärte ihnen Linnéa.
»Der Herzensbaum? Welch passender Name.« Malia grinste und Celeste verdrehte die Augen. »Dir ist schon bewusst, dass der Baum Marisa, der Göttin des Meeres, und nicht dir gewidmet ist, Malia?«
»Ich bin ihre irdische Vertreterin, das ist quasi dasselbe«, antwortet Sirenas Priesterin kokett grinsend.
Celeste konnte nicht anders und fing an zu lachen. Malia zwinkerte ihr zu und stimmte dann mit ein.
»Bereit, Samayas Baum zu sehen?«, riss Linnéa sie aus ihrer Erheiterung. Sie sah Celeste direkt an, woraufhin diese verstummte und nickte. Samaya war die Jüngste unter den Göttern und Göttinnen und aus Wilmas Geschichten wusste Celeste, dass sie am liebsten allein war. Offensichtlich hatte Silvia diese Eigenschaft auf den Baum für ihre Schwester übertragen. Am Ende des Gartens, umgeben von Felsen, wuchs ein nur etwa fünf Meter hoher Baum empor. Celeste legte den Kopf schief und sah den Baum irritiert an.
»Erinnert er dich auch irgendwie an ein Schaf?«, erklang Nates Stimme neben ihr. Empört boxte sie ihm gegen die Schulter. Nate fuhr sich lachend über die Stelle. Auch Linnéa warf ihm einen bösen Blick zu.
»Das ist eine Salix-Weide.«
»Sind das Haare?« Malia begutachtete den Baum stirnrunzelnd. Sie deutete auf die silbergrauen Knospen, die die Zweige zierten. Aus der Entfernung sahen sie tatsächlich aus wie wallnussgroße Wollkugeln.
Celeste biss die Zähne zusammen, denn sie konnte Nathaniel nicht widersprechen. Auch sie erinnerte der Baum aufgrund der Farbgebung der Blüten und der wollähnlichen Knospen entfernt an ein Schaf.
Linnéa schnaubte. »Das sind Blüten und sie sind wunderschön.«
Schuldbewusst nickte Celeste, auch wenn die silbergrauen, pelzigen Blüten nicht halb so schön anzusehen waren wie die rosafarbenen Kirschblüten, wie sie fand.
»Diese Weide heißt Bria. Es ist der Baum der Stärke«, erklärte Linnéa ihren Gästen.
»So klein und will Stärke repräsentieren?«
Celeste biss den Kiefer aufeinander. Sie wusste ganz genau, dass Nathaniel nicht von dem Baum sprach.
»So ist es. Bria wird auch ›Weidenkätzchen‹ genannt.« Linnéa blickte stolz zu Celeste, doch der entglitten in diesem Moment gerade die Gesichtszüge. Nathaniel neben ihr fing hemmungslos an zu lachen.
»Habe ich etwas Falsches gesagt?« Unsicher schaute Linnéa zu Nathaniel, während Celeste versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Ich wusste doch, dass ›Kätzchen‹ ein ausgezeichneter Spitzname für dich ist. Selbst die Götter stimmen mir da offenbar zu.« Er wischte sich die Tränen aus den Augen.
»Ihr nennt sie ›Kätzchen‹?«, fragte Linnéa erschrocken. Auch Malia blickte jetzt mit einer Mischung aus Schock und Erstaunen zu Nate. Celeste stöhnte. Doch Nathaniel zuckte bloß mit den Schultern. »Klar, sie ist eben eine Kratzbürste. Der perfekte Spitzname für sie also.«
»Pass bloß auf, was du sagst!« Wenn Blicke töten könnten, wäre Nathaniel auf der Stelle umgefallen. Aber bedauerlicherweise besaß Celeste diese Gabe nicht.
Nate kam so dicht an sie heran, dass seine Lippen ihre Schläfe berührten. »Sonst was? Fährst du mal wieder die Krallen aus?«
Bevor Celeste etwas erwidern konnte, war Nate an ihr vorbeigeschlendert. Die Tochter des Himmels starrte wütend zu Boden. Sie spürte die fragenden Blicke der anderen Priesterinnen auf sich, doch sie ignorierte sie.
Malia stellte sich neben sie, ein hämisches Grinsen auf dem schönen Gesicht. »So, kein Interesse, ja?« Celeste warf ihr einen vernichtenden Blick zu und folgte dann Nathaniel zurück Richtung Palast.
Sie hatte fast das Gebäude erreicht, als sie Nate etwas abseits des Weges im Schatten stehen sah.
»Was tust du da?« Sie lief zu ihm hinüber und fand sich gegenüber von einem Baum wieder. Oder besser von etwas, was einmal ein Baum gewesen war. Der graue Stamm war porös und an den Ästen hing nicht ein einziges Blatt. Die Rinde war mit Rissen überzogen und auch die Erde um den Baum herum wirkte tot.
Celeste kniete nieder und legte ihre Hand auf eine der Wurzeln. »Was ist das für ein Baum?« Sie blickte auf und begegnete dem traurigen Blick von Linnéa, die zusammen mit Malia zu ihnen aufgeschlossen hatte.
»Das ist Adela, der Baum der Stille. Silva pflanzte ihn für die Mondgöttin Selinda.«
»Warum lebt der Baum nicht?«
Nathaniel sah irritiert zwischen den Priesterinnen hin und her. Malia setzte sich neben Celeste auf den Boden, während Linnéa sich dicht zu Nate stellte und ihm eine Hand auf die Schulter legte.
»Vor rund zweihundertfünfzig Jahren starb die Tochter des Mondes bei einem schrecklichen Unfall. Selinda konnte den Verlust ihrer Priesterin nicht ertragen und verschwand. Seitdem hat es keine Mondtochter mehr gegeben und niemand hat jemals wieder etwas von der Göttin gehört. Und seitdem blüht auch Adela nicht mehr.«
»Ist er … oder sie denn gar nicht mehr zu retten?« Nathaniel deutete zögernd mit dem Kopf auf den Baum. Linnéa schüttelte den Kopf.
»Das ist kein normaler Baum, er entstand durch die Liebe einer Göttin und kein Mensch ist imstande, ihn wieder lebendig zu machen.«
»Und was ist mit Selinda?«, wagte Nathaniel weiterzufragen.
Malia und Celeste standen auf. Alle vier blickten ehrfurchtsvoll auf Adela, die aus der sie umgebenden bunten Blütenpracht wie ein Mahnmal herausstach. Das Andenken an eine Göttin, von der nichts geblieben war als Erinnerungen.
»Niemand weiß etwas von ihr«, flüsterte Linnéa. »Die Insel Sohalia gilt seit dem Verschwinden der Göttin des Mondes als verflucht. Kein Boot schafft es an die Küste heran und kein Rabe bringt Kunde von den Bewohnern. Die Menschen fangen an, sie zu vergessen.«
Nathaniel
Der Juni verflog beinahe genauso schnell, wie er gekommen war. Nathaniel bemerkte gar nicht, wie rasch die Zeit verging. Er hatte seit seiner Ankunft in Silvina einen straffen Zeitplan einzuhalten. Yanis zerrte ihn neuerdings pünktlich zum Sonnenaufgang aus dem Bett, sehr zu Nathaniels Leidwesen. Anschließend wurde er von Lord Chalid in Politik, Rechtswissenschaft und Wirtschaft unterrichtet. Trotz anfänglicher Zweifel interessierten ihn diese Themen. Er versuchte, den Ratschlag von Lady Lilian zu beherzigen und täglich sein Bestes zu geben. Lilian half ihm dabei.
Jeden Dienstag und Donnerstag übernahm sie seinen Unterricht und mit ihr war es wesentlich unterhaltsamer als mit Chalid. Der Lord plauderte nicht so viel aus dem Nähkästchen wie die ehemalige Priesterin.
Auch traf er sich regelmäßig mit Mara, Simea und Keziah, den Mentorinnen der Priesterinnen, um über die aktuellen Geschehnisse in den Provinzen und die Aufgaben der Ordensschwestern auf dem Laufenden zu bleiben. Nachmittags verbrachte Nate abwechselnd Zeit mit Kiah und Elio, die ihn weiterhin in höfischer Etikette unterwiesen, oder mit den Priesterinnen. Noah hatte sich vom Gefolge zurückgezogen, wogegen Nate nichts einzuwenden hatte. Er hatte ja selbst kein besonders großes Interesse daran, Lord Karims Sohn in seiner Nähe zu haben, und bis er einen Plan hatte, wie er mehr über Noah in Erfahrungen bringen konnte, wollte er nicht mehr Zeit als nötig mit ihm verbringen.
Die Zeit mit den Priesterinnen verlief zu Nates Erstaunen recht angenehm. Linnéa hatte ihn und die anderen beiden Mädchen zum Wandern mitgenommen und ihnen Plätze gezeigt, die ihr viel bedeuteten. Weder Celeste noch Malia waren jedoch von diesen Touren sonderlich begeistert. Spätestens nach dem ersten Hügel beschwerte sich Malia und fragte, ob sie nicht wieder umkehren könnten. Nach dem zweiten Anstieg erhielt sie schon vehemente Unterstützung von Celeste.
Gemeinsam mit Nates Gefolge hatten sie die Stadt Laurea besucht. Diese Stadt war bei Weitem das Erstaunlichste, was Nathaniel jemals gesehen hatte. Laurea lag tief im Wald aus Baumriesen und konnte kaum per Kutsche erreicht werden. Die Baumriesen waren bewuchert von Baumhäusern, die erst in zehn Metern Höhe ins Geäst gebaut worden waren. Hölzerne Brücken verbanden diese Haus-Inseln miteinander, woraus eine eindrucksvolle Stadt hoch oben in den Baumwipfeln entstanden war.
An die Ausflüge, die er mit den Priesterinnen und seinen Freunden unternommen hatte, erinnerte sich der junge Auserwählte gern. Aber er vermied es tunlichst, mit einer der Priesterinnen allein zu sein. Nathaniel hatte den Kopf voller neuer Ideen und Projekte, an denen er mit Lord Chalid arbeitete, er hatte einfach keine Zeit, sich um ein potenzielles Liebesleben zu kümmern. Er verstand sich gut mit den Mädchen, auch wenn er mit dem Rotschopf manchmal aneinandergeriet. Trotzdem hatte er keine der anderen beiden näher an sich herangelassen. Und selbst Celeste wusste kaum etwas über ihn, dafür hatte Nathaniel gesorgt. Seine Vergangenheit und sein Privatleben ging keinen außer ihn selbst etwas an. Auch wenn sowohl Malia als auch Linnéa ihm immer wieder Fragen stellten, war es Nate bisher erfolgreich gelungen, sie abzuwimmeln. Und das war gut so.
Er hatte einen Plan und an diesen Plan würde er sich zu halten versuchen. Zuerst musste er lernen, was es hieß, ein König zu sein, und wie man über ein Land herrschte. Dann würde er sich mit den Priesterinnen beschäftigen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. So hatten Kiah und Elio es ihm geraten. Auch wenn Nate in der Heirat mit einer Fremden kein Vergnügen sah, sondern nur noch mehr Arbeit, hatte er diesem Plan zugestimmt. Und er machte Fortschritte, nur langsam, aber sie waren da.
Heute hatte Lord Chalid ihn und die Priesterinnen eingeladen, seine Heilstätte in der Nähe von Laurea zu besuchen. Dort wurden nicht nur Menschen aus dem ganzen Land behandelt, Lord Chalid bildete an diesem Ort auch zukünftige Heiler aus. Daher freute er sich besonders über Malias Zusage und ihr Angebot, ihre Fähigkeiten zu nutzen. Ein Gotteskind mit der Gabe, zu heilen, war eine Besonderheit und Nate konnte nur zu gut verstehen, dass Chalid das Angebot dankend annahm. Im Grunde vermutete Nate sogar, dass sie die besondere Einladung nur dank Malia erhalten hatten, auch wenn Chalid ihm versichert hatte, dass sich seine Patienten über die Anwesenheit aller Gotteskinder freuen würden. Es beruhte auf Gegenseitigkeit.
Der Einzige, der sich nicht freute, war Nathaniel selbst. Seit seiner Kindheit ertrug er den Anblick von Krankheit und Tod nicht mehr. Zu sehr hatte ihn der Anblick seiner todkranken Mutter geprägt. Und der heutige Ausflug würde viele Erinnerungen von damals hervorrufen, auf die er gut verzichten konnte.
Als sie beim Sanatorium ankamen, sprach Lord Chalid mit einigen Heilern und sie einigten sich darauf, dass sie nur den Vormittag über bleiben würden, um den Patienten anschließend die nötige Ruhe zu gönnen.
»Ich würde euch gern zu den verwundeten Soldaten bringen. Sie wurden bei diversen Einsätzen für unser Land verletzt und es hilft bei der Genesung, wenn sie sehen, für wen sie ihr Leben aufs Spiel setzen.« Lord Chalid führte sie in einen großen Raum mit mehreren Betten. Es lagen nur vereinzelt Männer darin, viele der Soldaten waren um einen Tisch in der Mitte des Raumes versammelt. Das Scheppern von Würfeln und Gelächter war zuhören.
»Meine Herren, ich würde euch gern jemanden vorstellen.«
Die Soldaten blickten auf und verstummten. Sieben Männer, die nur wenig älter waren als Nathaniel selbst, starrten ihn an. Einige trugen Gipse an Armen oder Beinen, andere Bandagen. Wieder andere hatten Kopfverletzungen und Nate entdeckte sogar, dass einem die Hand fehlte. Er schluckte.
»Darf ich vorstellen? Die Gotteskinder. Seine Hoheit Nathaniel und die Priesterinnen Linnéa, Malia und Celeste.«
Die Männer verneigten sich ungeschickt, manche nickten auch bloß mit dem Kopf, wenn ihre Verfassung nichts anderes zuließ. Unsicher stand Nathaniel im Raum und sah abwartend zu Lord Chalid. Dieser nickte ihm lächelnd zu.
»Sie verbringen mit euch den Vormittag, also benehmt euch vorbildlich.«