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Noch drei Tage, dann hat der Maler Johan Steenkamer seine große Ausstellung. In der Familie macht sich Aufregung breit: sogar Vater Charles Steenkamer, selbst erfolgloser Maler, der die Söhne nach dem Krieg verließ, wird nach 50 Jahren aus Amerika zurück erwartet. Nur Oskar, Johans unterlegener Bruder, nimmt sich fest vor, wegzubleiben. Doch dann findet er im Magazin des Museums zufällig ein altes Bild seines Vaters Charles, das einem Werk des Bruders auffällig gleicht. Er beschließt, es mit in die Ausstellung zu bringen …
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Seitenzahl: 421
Buch
Noch drei Tage, dann hat Johan Steenkamer seine große Ausstellung. In der Familie herrscht helle Aufregung, sogar der Vater Charles, selbst erfolgloser Maler, der Frau und Kinder kurz nach dem Krieg verlassen hat, kommt nach fast fünfzig Jahren aus Amerika zurück, um bei der Vernissage seines berühmten Sohnes dabei zu sein. Und Johans Frau Ellen will ebenfalls kommen, den Kindern zuliebe, auch wenn Johans neue Lebensgefährtin Zina mit am Tisch sitzt. Sie versucht, die Familie zusammenzuhalten und auch ohne Johan, den vitalen Lebenskünstler und notorischen Verführer, wieder Tritt zu fassen im Leben.
Nur Oscar Steenkamer, als eigenbrötlerischer Museumskonservator dem berühmten Bruder unterlegen, ist die ganze Aufregung zutiefst zuwider. Und woher Ellen die Kraft nimmt, kann er gar nicht verstehen. Als er im Magazin des Museums Bilder des Vaters findet, von denen eines, ein Frauenhalbakt mit Fisch, dem Meisterstück in Johans Ausstellung verblüffend ähnelt, beschließt er jedoch, entgegen seiner ursprünglichen Intention die Ausstellung zu besuchen – und das Bild mitzunehmen…
Autorin
Anna Enquist wurde 1945 in Amsterdam geboren, ist ausgebildete Konzertpianistin und arbeitete lange Jahre als Psychoanalytikerin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Romane und Erzählungen, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet und in fünfzehn Sprachen übersetzt. Inzwischen widmet sich Anna Enquist nur noch dem Schreiben; sie lebt in Amsterdam.
Leporello: »Notte e giorno faticar«
Die Goldfische haben ihre Jungen aufgefressen. Im warmen, windstillen Sommer waren sie tagelang mit Laichen beschäftigt. Der kleine mit den schwarzen Flecken im Gesicht setzte der großen Behäbigen unermüdlich nach und stieß ihr wie besessen gegen den angeschwollenen Hinterleib, bis sie ihre Eier zwischen den Wasserpflanzen von sich gab. Er stob spritzend darüber hinweg – eine Paarung auf Distanz, bei der zwar viele Elemente des Aktes vorhanden sind, jedoch voneinander losgelöst und in sinnlose Rituale verkehrt, in Arbeit, die im Zuge der Fortpflanzung verrichtet werden muß, sobald die Wassertemperatur steigt und der Wind sich legt.
Denkt der Schwarze je: O du süßes, behäbiges Geschöpf mit deinen runden Flanken, du bist die Liebe meines Lebens, ich will dich, ich will dich? Er will Eier, er will besamen, damit die befruchteten Eizellen in dem kleinen Reich aus Eichenholzdauben als weiße Miniaturperlen an den Wasserpflanzen haftenbleiben.
Lisa hockt neben der Tonne und schaut. Im Innern der kleinen Perlen vollzieht sich die Zellteilung in rasendem Tempo, bis die Fische stark genug sind, um sich aus dem zähen Häutchen zu befreien. Zu Dutzenden treiben sie durch das warme Wasser.
Sie werden nicht vom Elternpaar versorgt, das kein Paar mehr ist, sondern schlürfen selbst unaufhörlich Wasser mit unsichtbarem Futter in sich hinein. Sie fressen das Element, in dem sie leben, wie schon im Ei. Wenn sie das Pech haben, ihren Eltern ins Gehege zu kommen, stülpen diese das Maul zu einem fingerdicken Trichter vor, in den tote Mücken, Birkensamen und kleine Fische gesogen werden. Die Birkensamen spuckt die Behäbige beiläufig wieder aus.
Ich hätte sie beschützen müssen, sagt Lisa. Vorige Woche wimmelte es noch von Fischen, durchsichtigen, einen Zentimeter langen Tierchen mit einem Vorder- und einem Hinterteil, einer Fahrtrichtung und einem dunklen Kern im Leib. Und jetzt ist es still. Verdammt, hätte ich sie doch in die Salatschüssel getan, gefüttert, wohlbehütet großgezogen!
In Wahrheit hat sie keine Lust dazu. In Wahrheit mag sie, die mühsam, zähneknirschend, wider Willen zu akzeptieren gelernt hat, daß das Leben ist, wie es ist, sich keine Gedanken wegen ihrer Goldfische machen. Morgens, bevor ihr Arbeitstag beginnt, und abends, wenn sie ihn hinter sich hat, sitzt sie eine Weile an der Tonne, um fasziniert in das grausame Universum zu schauen. Manchmal ist sie versucht, den Fischen eine faire Chance zu geben (aber wem hilft man damit, und wozu?), indem sie zum Beispiel bei strengem Frost mit dem Beil einen Spalt ins Eis hackt, aber ebensooft hat sie das Eis Eis sein lassen, und im Frühjahr trieben dann die verfärbten kleinen Kadaver reglos an der Wasseroberfläche. Einmal war ein leuchtend orangefarbener Fisch völlig im Eis eingeschlossen wie in einem kitschigen gläsernen Briefbeschwerer, taute aber im Frühjahr wieder auf, bewegte träge und ungelenk den Schwanz und pumpte mit den Kiemen. Siehst du, sagt Lisa, es geht, Überleben im Eis.
Lisa wohnt rund zehn Kilometer außerhalb der Stadt in einem von Pendlern in Besitz genommenen Dorf. Vormittags praktiziert sie zu Hause, nachmittags arbeitet sie in der Psychiatrischen Universitätsklinik. Sie hält Seminare für angehende Fachärzte ab, unterrichtet Pflegepersonal und ist in bescheidenem Umfang an der Patientenversorgung beteiligt. Das Haus, in dem sie wohnt, ist ein altes Patrizierhaus, zu beiden Seiten der graublauen Eingangstür absolut symmetrisch. Hinter dem Haus erstreckt sich der Obstgarten (Apfel- und Pflaumenbäume) bis hinunter zum Fluß. Die Tonne mit den Fischen steht neben der Küchentür.
Auf der Vorderseite links die Praxis: Lisas Arbeitszimmer mit großen Fenstern nach zwei Seiten. Unterhalb der Treppe, hinter einem Wandschirm, ist ein bescheidenes Wartezimmer eingerichtet. Selten, daß dort jemand sitzt, denn Lisa gestattet sich zwischen ihren Terminen eine Viertelstunde Pause, und die Patienten aus der Stadt warten meist in ihren am Straßenrand geparkten Autos.
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