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Zehn Menschenschicksale, mit leichter Hand erzählt: Frauen, die One-Night-Stands haben, die verliebt sind oder furchtsam angesichts der Herausforderungen des Tages. Poetisch, sinnlich zeichnet die Autorin psychologisch dichte Porträts. In der Erzählung "Hunger" zum Beispiel das der 13-jährigen Hanna, die beinahe verhungert, weil sie sich geschworen hat, keinem Begehren mehr nachzugeben, nachdem ihr von einem Jungen, in den sie verliebt war, Gewalt angetan wurde. In einer anderen Erzählung bekommt eine Frau unerwartet ein verschollenes Bild von Vermeer gezeigt und im selben Atemzug höchste Liebeslust. Kurze Zeit später sind weder Bild noch Geliebter auffindbar. Hat sie nur geträumt? Poetische Erzählungen, die holländische Geschichte aus 150 Jahren verknüpfen mit dem Seelenleben tiefer Charaktere.
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Seitenzahl: 286
Buch
Die auch in Deutschland hochgeschätzte niederländische Autorin erzählt von Menschen, die Verletzungen erfahren. Zehn Menschenschicksale – Frauen, die One-Night-Stands haben, die verliebt sind oder furchtsam angesichts der Herausforderungen des Tages. Poetisch, sinnlich zeichnet Anna Enquist psychologisch dichte Porträts. In der Erzählung »Hunger« zum Beispiel das der 13jährigen Hanna, die beinahe verhungert, weil sie sich geschworen hat, nie wieder einem Begehren nachzugeben, nachdem ihr von einem Jungen, in den sie verliebt war, Gewalt angetan wurde. In einer anderen Erzählung bekommt eine Frau unerwartet ein verschollenes Bild von Vermeer gezeigt, und im selben Atemzug schenkt man ihr höchste Liebeslust. Kurze Zeit später sind weder Bild noch Geliebter auffindbar. Hat sie nur geträumt? 150 Jahre holländischer Geschichte werden in den brillanten Momentaufnahmen von Anna Enquist lebendig. Vor diesem Hintergrund gespiegelt ist das Seelenleben tiefer Charaktere. »Glasklar und einprägsam.« DER STANDARD
Autor
Anna Enquist, geboren 1945 in Amsterdam, ist Psychoanalytikerin und ausgebildete Pianistin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Erzählungen und Romane. Ihre Werke erschienen in Deutschland, Schweden, Frankreich, Dänemark, Ungarn, Bulgarien und Estland.
Jacob wird wach, als die Haustür zuschlägt. Er hört die Holzräder des Handkarrens auf den Pflastersteinen und wie sich das Geräusch entfernt. Im Bettschrank ist es stockfinster. Es stinkt. Vorsichtig spreizt Jacob die Beine und fühlt die kräftigen Waden von Klaas. Auf seiner Hälfte. Sachte drückt er seinen Bruder weg. Klaas dreht sich um und bläst Jacob seinen übelriechenden Nachtatem ins Gesicht. Klaas hat durchsichtig weiße Wimpern. Die Haut seiner wulstigen Lippen ist aufgesprungen, sein Mund steht offen. Die Schlafmütze ist ihm vom Kopf gerutscht, und seine blonden Locken kringeln sich feucht auf dem Kissen. Mein Bruder ist fast zwanzig, er kann nicht lesen, und er stinkt nach Fisch, denkt Jacob. Wenn er zuschlägt, bricht er dir das Genick. Voriges Jahr auf dem Jahrmarkt war er der Stärkste vom ganzen Dorf. Aber er kann sein Messer nicht in einen Fisch stechen, ohne schlucken zu müssen.
Über Klaas’ mächtige Schenkel hinweg drückt Jacob mit dem Fuß die Bettschranktür auf. Das Holz knarrt, als sie sich langsam zur Seite dreht. Von der Küche her fällt ein schwacher Lichtschein ins Zimmer. Jacob klettert aus dem Bett und huscht auf Zehenspitzen an den dunklen Erhebungen auf dem Fußboden vorüber. Die Mädchen sollen noch nicht wach werden. Alle sollen noch ein Weilchen schlafen, mit Ausnahme von ihm und seiner Mutter, die in der Küche beschäftigt ist. Sie lächelt, als sie Jacob sieht. Ohne etwas zu sagen. Sie hat die Ärmel hochgekrempelt und reibt sich Hände und Handgelenke mit Fett ein. Jacob schnuppert. Fischöl. Seine Mutter mache viel Gewese von sich, sagt man im Dorf, weil sie sich nicht wie alle anderen die Hände erfrieren will. Seine Mutter kann lesen und auch schreiben. Unter ihrem Kopftuch hat sie seidiges schwarzes Haar, wie Jacob selbst.
»Ist Vater schon weg?« fragt er flüsternd.
»Gerade eben. Bei dieser Kälte. Der Karren war bis oben hin voll mit gefrorenem Fisch. Er sagte, du sollst die Netze entwirren, damit alles bereit ist, wenn er wiederkommt.«
Mutter weist mit dem Kinn zur Arbeitsküche, wo ein dunkler Garnhaufen auf dem Boden liegt. Jacob schließt die Tür und stellt sich an den Ofen. Er starrt in den Waschkessel, in dem weiße Stoffstücke schwerfällig aneinander vorbeitreiben.
»Er will heute nachmittag auf Flunder fischen, solange noch Eis liegt.«
»Mutter, Mama«, sagt Jacob, »lesen wir heute noch? Bitte?«
Sie streicht ihm mit der glänzenden Hand durchs Haar; er riecht Fisch, Fett und Seife, und er schließt die Augen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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