Das Mysterium Marias - Luce Irigaray - E-Book

Das Mysterium Marias E-Book

Luce Irigaray

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Beschreibung

Die Gestalt der Maria ist in der christlichen Theologie nahezu abwesend, obgleich sie neben Jesus die Mit-Erlöserin der Welt ist. Diese Abwesenheit Marias in den Texten kontrastiert mit ihrer Allgegenwärtigkeit in der Kunst und widerspricht dem Eifer, mit dem das christliche Volk nicht aufhört, sich an sie zu wenden. Luce Irigaray nähert sich dem Mysterium, das Maria darstellt,und der Rolle, die sie in der Inkarnation des Göttlichen für die Menschheit spielt. Wie kann man nicht von der Tatsache berührt werden, dass die Virginität Marias nicht nur eine natürliche sein kann, sondern vor allem eine Virginität des Atems, der Seele sein muss, die sie dazu befähigt, ein anderes Ereignis des Göttlichen zur Welt zu bringen? In diesem Licht hat Luce Irigaray die so reiche Ikonographie der Verkündigung interpretiert, insbesondere das Erwecken und das Teilen des Atems, zu dem der Engel Maria einlädt. Das Schweigen, das Unsichtbare und das Berühren, so wesentlich für die Gestalt Marias, werden nicht als Zeichen einer bloßen Passivität oder Unterwerfung unter einen beliebigen Herrn interpretiert, sondern als Elemente einer weiblichen Präsenz, die imstande ist, in sich das aufzunehmen und zur Welt zu bringen, was noch nicht geschehen ist, sei es auf der menschlichen oder auf der göttlichen Ebene. Dank der Betonung des Atems und der natürlichen wie spirituellen Qualitäten der Frau erscheint Maria als eine Gestalt der Weisheit, gleich denen, die wir in anderen Kulturen finden, eine mögliche Vermittlerin zwischen verschiedenen Traditionen. Maria offenbart sich also als eine gewissermaßen verhüllte Manifestierung der göttlichen Kraft, dessen Trägerin und Verantwortliche eine Frau ist.

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Seitenzahl: 37

Veröffentlichungsjahr: 2019

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INHALT

Prolog

Göttlich von Geburt an

Mariä Verkündigung

Die Virginität Marias

Das Schweigen Marias

Sichtbar und unsichtbar

Von Gnade berührt

Eine Gestalt der Weisheit

Eine Brücke in Raum und Zeit

PROLOG

Von Maria wissen wir nur wenig. Den Evangelien entnehmen wir lediglich ein paar, eher anekdotische Worte, die nicht viel über sie und ihre Beziehung zum Göttlichen mitteilen. In den Gottesdiensten heute ist Maria kaum präsent. So wird sie etwa während der Weihnachtsfeierlichkeiten meiner Gemeinde im Allgemeinen einzig in der Messe erwähnt, die Kindern vorbehalten ist. Die kalendarischen Feiertage, die Maria gewidmet sind – beispielsweise der mutmaßliche Jahrestag ihrer Geburt (8. September), der Tag der Verkündigung (25. März) oder der Tag der Himmelfahrt (15. August) –, werden kaum zelebriert. In der Kirche meines Wohnviertels wurde die Statue, die Maria als Mutter Gottes darstellt, kürzlich aus praktischen Gründen, wie es hieß, versetzt, von der Hauptkapelle, die sich hinter dem Chor befindet, auf einen zweitrangigen Altar, wo sie von nun an eine Heilige von vielen ist. Weitere Darstellungen ihrer Person – solche, die sich auf ihre Erscheinungen in Lourdes oder der Fatima beziehen – sind in einer Art Kapelle im hinteren Teil der Kirche versammelt, neben anderen hochverehrten Heiligen wie Sankt Antonius oder der heiligen Rita.

Maria jedoch kennzeichnet den Beginn des christlichen Zeitalters. Ohne sie würde die Frohe Botschaft des Christentums gar nicht existieren. Sie ist die Bedingung der Fleischwerdung, die erste Vermittlung, die Vermittlerin zwischen Gottheit und Menschheit, zwischen Gott und den Menschen, auf dass eine mögliche Erlösung der Welt stattfinde.

Der volkstümliche Glaubenseifer aber lässt sich nicht täuschen. Er wendet sich vertrauensvoll an Maria, erbaut oder widmet ihr zahlreiche Gebetsstätten, man drängt sich dicht an dicht bei den ihr geltenden Wallfahrten, besingt Maria oder fleht sie an, auch in der Literatur oder in Volksliedern, und selbst dann, wenn dieser Eifer die offiziellen Orte und Gottesdienste meidet. Wird man sagen, dass es sich dabei um Naivität, um einen Rest an Heidentum handelt, um ein Unvermögen, sich zu einer wirklich spirituellen Dimension zu erheben? Handele es sich doch eher um ein Mysterium, das Kindern offenbar wird, den Demütigen, den Armen im Geiste, denjenigen, die reines Herzens sind, denen, die weinen und nach Gerechtigkeit hungern und dürsten. Das Mysterium der Rolle der Frau in unserer Erlösung bleibt einer westlich gelehrten Theologie fremd, deren vornehmlich männliche Logik zu Lasten unserer Inkarnation geht. Mysterium, über welches eine solche Theologie nichts Angemessenes sagen kann, es sei denn manchmal in der Form innerer Sammlung, von Gebet oder Lobgesang, und auch in Form einer Aporie ihres Diskurses.

GÖTTLICH VON GEBURT AN

Das Göttliche ist mit der Luft, mit dem Atem verbunden. Derjenige, der in unserer Tradition mit dem Namen Gott bezeichnet wird, erschafft mit seinem Atem, und diejenigen, die spirituelle Fähigkeiten besitzen, unterhalten eine Verbindung zur Luft, zum Wind, zur Quelle und zur Bewegung des Lebens. Das Diabolische hingegen zieht das Geschlossene vor, fürchtet den Luftzug, kann sich dem Feuer, aber nicht der Luft anpassen. Als Nachahmung des Lebendigen atmet das Diabolische nicht mehr: es nimmt den anderen, der Welt die Luft.

Wir sind gewissermaßen von Geburt an göttlich, aber ein Mangel an Kultivierung unseres Atems lässt uns unsere Göttlichkeit verlieren. Das Ereignis des Sündenfalls, von dem die Genesis berichtet, kann so interpretiert werden. Anstatt ihren vitalen Atem zu kultivieren, ihn allmählich in Liebe, in Hören, in Sprache, in Denken zu transformieren, wollten die Frau und der Mann von der verbotenen Frucht essen, um ein Wissen zu erlangen, das nicht ihres war, zu dem sie nicht fähig waren. Eine Kultivierung der Atmung bringt Erwachen mit sich, führt zu einer Erkenntnis des Göttlichen in uns, während das Aus-sich-Heraustreten, um sich das Wissen des anderen anzueignen, die Quelle des Göttlichen verlieren und diabolisch werden lässt.

Wenn die Frau als Hauptschuldige im Sündenfall dargestellt wird, dann zweifellos deshalb, weil sie eine