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C. W. Gortner

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Beschreibung

England 1553: Mary Tudor hat mit großer Zustimmung des Volkes den Thron bestiegen. Doch als ihre Verlobung mit Philipp, dem erzkatholischen Prinzen von Spanien bekannt wird, müssen viele Angehörige des neuen Glaubens um ihr Leben bangen – unter ihnen auch Marys Schwester Elizabeth. Und so wird ihr treuer Spion Brendan Prescott darum gebeten, sein friedliches Leben auf dem Land aufzugeben, um Elizabeth zu beschützen. Am intriganten Tudor-Hof kommt er bald einem Komplott auf die Spur, das nicht nur alle, die er liebt, ins Verderben zu stürzen droht, sondern auch das Schicksal des Königshauses besiegeln kann ...

Zweiter Teil der großen Tudor Saga von C.W. Gortner.

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Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

England 1553: Mary Tudor hat mit großer Zustimmung des Volkes den Thron bestiegen. Doch als ihre Verlobung mit Philipp, dem erzkatholischen Prinzen von Spanien bekannt wird, müssen viele Angehörige des neuen Glaubens um ihr Leben bangen – unter ihnen auch Marys Schwester Elizabeth. Und so wird ihr treuer Spion Brendan Prescott darum gebeten, sein friedliches Leben auf dem Land aufzugeben, um Elizabeth zu beschützen. Am intriganten Tudor-Hof kommt er bald einem Komplott auf die Spur, das nicht nur alle, die er liebt, ins Verderben zu stürzen droht, sondern auch das Schicksal des Königshauses besiegeln kann ...

Teil der großen Tudor Saga von C.W. Gortner.

Über C. W. Gortner

C. W. Gortner wuchs in Südspanien auf. In Kalifornien lehrte er an der Universität Geschichte mit einem Fokus auf starke Frauen inder Historie. Er lebt und schreibt in Nordkalifornien. Im Aufbau Taschenbuch ist bereits sein Roman "Marlene und die Suche nach Liebe" erschienen.

Mehr Informationen zum Autor unter www.cwgortner.com

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Übersicht

Titelinformationen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Impressum

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Titelinformationen

Informationen zum Buch

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Handelnde Personen

Winter 1554

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Nachwort des Autors

Impressum

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Christopher W. Gortner

Das Tudor-Komplott

Historischer Roman

Übersetzt von Peter Pfaffinger

Für Erik

Ihr wohnt ein Zauber inne.

Simon Renard über Elizabeth Tudor

HANDELNDE PERSONEN

in der Reihenfolge ihres Auftretens:

Brendan Prescott: Spion in Diensten Elizabeths, agiert unter dem Decknamen Daniel Beecham

Kate Stafford: Elizabeths Kammerfrau

Peregrine: Brendans Junker, ehemaliger Stallknecht im Whitehall-Palast

William Cecil: ehemaliger Sekretär am Hof, Berater und Meisterspion

Katherine Ashley: Prinzessin Elizabeths Gouvernante und für den Haushalt zuständige Hofdame

Robert Rochester: Buchprüfer an Königin Marys Hof

Mary Tudor: Königin von England

Jane Dormer: eine von Königin Marys Hofdamen und Dienerinnen

Susan Clarencieux: Königin Marys Lieblingshofdame

Sybilla Darrier: eine von Königin Marys Hofdamen

Simon Renard: Botschafter des Habsburger Kaisers Karl V.

Margaret Douglas, Gräfin von Lennox: Cousine von Mary und Elizabeth

Edward Courtenay, Graf von Devon: Cousin von Mary und Elizabeth

Elizabeth Tudor: Schwester der Königin und Thronerbin

Scarcliff: Courtenays Leibdiener

John, Ambrose, Henry und Guilford Dudley: Roberts Brüder

Jane Grey: Tochter des Herzogs von Suffolk und jetztGuilford Dudleys Frau, im Tower inhaftiert

Robert Dudley: enger Freund Elizabeths, im Tower

Nan: Bedienung in einer Taverne

William Howard: Lord Admiral

Winter 1554

In jedem Leben kommt der unvermeidliche Moment, da wir eine für uns bestimmte Schwelle überschreiten, jene unsichtbare Trennlinie zwischen dem, was wir sind, und dem, was wir werden müssen. Manchmal ist der Übergang offensichtlich – eine plötzliche Katastrophe, die uns auf die Probe stellt, ein tragischer Verlust, der uns die Augen für den Fluch unserer Sterblichkeit öffnet, oder ein persönlicher Triumph, der uns die Zuversicht einflößt, die wir benötigen, um unsere Ängste abzulegen. Zu anderen Zeiten wird unser Übergang von den Einzelheiten eines überfüllten Lebens verdunkelt, bis wir ihn erhaschen – in einer flüchtigen Vision verbotenen Verlangens, in einer unerklärlichen Ahnung melancholischer Leere oder im Begehren nach mehr, immer noch mehr als das, was wir schon haben.

Manchmal ergreifen wir die Gelegenheit, unsere Reise anzutreten, und heißen sie als Angebot willkommen, endlich die Haut des Heranwachsenden abzuwerfen und unseren Wert in den nie endenden Wechselfällen des Schicksals zu beweisen. Zu anderen Zeiten ereifern wir uns über die nicht erwartete Grausamkeit unseres Loses, unvermittelt in eine Welt geworfen zu sein, die zu erforschen wir nicht bereit sind, die wir nicht kennen oder der wir nicht trauen. Für uns ist die Vergangenheit ein Zufluchtsort, den wir nicht verlassen möchten, aus Furcht, dass die Zukunft unsere Seele verderben könnte.

Lieber verändern wir uns überhaupt nicht, bevor wir zu jemandem werden, den wir nicht wiedererkennen.

Ich weiß alles über diese Angst. Ich weiß, was es bedeutet, ein Geheimnis zu verbergen und so zu tun, als könnte ich sein wie jeder andere – gewöhnlich, Mittelmaß, unauffällig, die Tage zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang streng festgelegt, das Herz einer Einzigen gewidmet. Einst wünschte ich mir inbrünstig, jeder Beliebige zu sein, nur nicht ich. Ich glaubte, alles gesehen zu haben, was ich über Unbeständigkeit und zerbrochene Unschuld erfahren musste, über die Grausamkeiten, die im Namen von Religion, Macht und Lust verübt werden. Und ich glaubte, in Sicherheit zu sein, wenn ich die Wahrheit leugnete.

Ich bin Brendan Prescott, ehemaliger Junker Lord Robert Dudleys und jetzt in Diensten der Prinzessin Elizabeth Tudor von England.

In jenem Winter des Jahres 1554 holte mich mein Selbstbetrug ein.

HATFIELD 1

»Stoßen und stechen! Nach links! Nein, links von dir!«

Begleitet vom metallischen Zischen ihrer Klinge hallten Kates Rufe in der gewölbten Galerie von Hatfield wider, während sie, das Schwert schwingend, geschmeidig auf mich zusprang.

Ohne darauf zu achten, dass mir der Schweiß von der Stirn tropfte und das schulterlange Haar in meinem Nacken klebte, korrigierte ich meine Stellung. Was Größe und Gewicht betraf, war ich im Vorteil, doch Kate war mir, was Übung betraf, um Jahre voraus. Mehr noch, ihre gewaltige Erfahrung hatte mich vollends überrascht. Kate und ich hatten uns erst vor fünf Monaten im Whitehall-Palast kennengelernt. Ich hatte damals in einer Zeit größter Gefahren Lord Robert Dudley, dem Sohn des mächtigen Herzogs von Northumberland, als Junker gedient, während Kate für unsere jetzige gemeinsame Herrin, Prinzessin Elizabeth Tudor, als geheime Informantin aufgetreten war. Auch in den Tagen, als wir am Hof lebten, hatte Kate Fähigkeiten bewiesen, die für eine Frau nicht gerade üblich waren, doch dass sie derart geschickt mit der Klinge umzugehen wusste, hätte ich mir nie träumen lassen. Das erfuhr ich erst, als sie mir anbot, mich in der Kunst des Fechtens zu unterweisen. Und selbst dann noch traute ich ihr nicht mehr zu als ein paar leicht durchschaubare Paraden und Stöße. Bald jedoch sollte Kate mir beweisen, wie sehr ich mich getäuscht hatte.

Ich wich ihrem Angriff aus; die Klinge zischte an meinem Ohr vorbei. Blitzschnell wirbelte ich auf meinen weichen Ledersohlen herum und beobachtete Kate dabei, wie sie einen Ausfall machte. Müdigkeit vortäuschend ließ ich sie näher kommen. Doch als sie zum Stoß ansetzte, sprang ich jäh zur Seite, hob mein Schwert und ließ es niedersausen.

Das Geräusch von Metall auf ihrem von einem Handschuh geschützten Handgelenk dröhnte in der Stille wie ein Donnerschlag. Erschrocken schnappte sie nach Luft, und das Schwert fiel ihr aus der Hand. Klirrend prallte es auf den Boden.

Angespannte Stille breitete sich aus.

Das Herz hämmerte mir in der Kehle. »O Gott … Liebes! Bist du verletzt? Vergib mir. Das wollte ich nicht. Ich habe nicht … Ich wusste nicht, dass …«

Sie schüttelte den Kopf und zog vorsichtig den Handschuh herunter. Dort, wo die Klinge sie getroffen hatte, sah ich einen Schlitz im roten Futter ihres Ärmels. Mein Magen verkrampfte sich. »Aber wie …?«, keuchte ich. Einem jähen Verdacht folgend ließ ich den Finger über die scharfe Kante meiner Klinge gleiten. »Mein Schwert … es ist nicht stumpf gemacht worden. Die Spitze hätte entschärft werden müssen. Die Schutzhülle muss abgefallen sein!«

Ich begann, den Boden abzusuchen, nur um jäh innezuhalten. In der nächsten Ecke sah ich Peregrine wie zur Salzsäule erstarrt dastehen.

»Peregrine! Hast du mein Schwert entschärft, wie ich es dir befohlen habe?«

»Natürlich hat er das getan!«, verteidigte Kate ihn. »Nun hör auf zu schreien. Sieh doch, mir ist nichts passiert. Das ist nichts als ein Kratzer.« Sie streckte mir ihr Handgelenk entgegen. Ihre zarte, weiße Haut, die ich zahllose Male geküsst hatte, begann bereits, sich zu verfärben. Binnen Minuten würde dort ein gewaltiger Bluterguss prangen, doch zu meiner unendlichen Erleichterung war keine offene Wunde zu erkennen.

»Ich bin ein Grobian«, murmelte ich. »Ich hätte nicht so fest zuschlagen dürfen.«

»Und ob! Genau das war schließlich der Zweck der Übung: den Gegner überraschen und entwaffnen.« Kate richtete ihre honigfarbenen Augen auf die meinen. »Du wirst einen besseren Lehrer brauchen. Ich habe dir alles beigebracht, was ich kann.«

Ihr Lob ließ mich stutzen. Obwohl es mir guttat, empfand ich es in diesem Moment als etwas zu passend, um es für bare Münze zu nehmen. Kritisch beugte ich mich über das zu ihren Füßen liegende Schwert und schob wütend das Kinn vor. »Das hätte ich mir gleich denken können. Anscheinend ist auch bei dir die Schutzhülle abgefallen. Himmel, Kate! Bist du verrückt? Wieso hast du nicht aufgepasst?«

Warnend legte sie mir die Hand auf den Arm, doch ich achtete nicht darauf. Aufgebracht wirbelte ich zu Peregrine herum. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel. Nur die von seinem dichten, dunklen Lockenschopf umrahmten, grünblauen Augen waren weit aufgerissen. Peregrine kannte sein Geburtsdatum nicht, glaubte aber, dass er bald vierzehn Jahre alt werden würde. Und obwohl er in letzter Zeit kaum noch in die Höhe gewachsen war, verloren seine Züge allmählich ihre elfenhafte Kindlichkeit, an deren Stelle nach und nach das markante Gesicht des stattlichen Mannes trat, der er eines Tages sein würde. Die gesunde Luft und das reichhaltige Essen von Hatfield hatten ihn verändert und dafür gesorgt, dass bei dem Stallknecht, der sich gleich an meinem ersten Tag am Hof mit mir angefreundet hatte, keinerlei Spuren von Unterernährung mehr sichtbar waren.

»Du hättest das überprüfen müssen«, tadelte ich ihn. »Das gehört zu den Aufgaben eines Junkers. Junker haben die Ausstattung ihres Herrn stets zu kontrollieren.«

Peregrine schob schmollend die Unterlippe vor. »Das habe ich doch getan! Aber …«

»Ach, wirklich?« Ich dachte nicht daran, meinen jäh aufwallenden Zorn zu zähmen. »Na, wenn du das tatsächlich überprüft hast, warst du sehr schlampig. Vielleicht bist du noch nicht reif für die Pflichten eines Junkers. Vielleicht sollte ich dich wieder in die Stallungen schicken. Dort kann zumindest niemand verletzt werden.«

Kate stieß vor Ärger einen Schrei aus. »Brendan, also wirklich! Jetzt führst du dich auf wie ein richtiger Grobian! Peregrine kann nichts dafür! Ich selbst habe die Schutzhülle abgezogen, bevor du gekommen bist. Aber ich trage unter meinem Wams genug Polster, um einen Sturm auf hoher See zu überstehen. Mir hat zu keiner Zeit Gefahr gedroht.«

»Keine Gefahr?« Ungläubig starrte ich sie an. »Ich hätte dir die Hand abhacken können!«

»Aber das ist nicht geschehen.« Seufzend stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuss. »Bitte beruhige dich. Seit Wochen üben wir jeden Tag. Irgendwann mussten die Hüllen einfach runter.«

Ich knurrte, obwohl mir längst klar war, dass ich meinen Ärger nicht an ihr auslassen sollte. Es hatte einige Zeit und viele blaue Flecken erfordert, bis ich erkannt hatte, dass unsere Übungsstunden zwar nach außen hin dazu dienten, mich in den Feinheiten des Schwertspiels zu unterweisen, uns eigentlich aber eher halfen, uns von unserem Frust abzulenken. Denn wir hatten keine Gelegenheit mehr gefunden, Prinzessin Elizabeth um ihre Zustimmung zu unserer Vermählung zu bitten, bevor sie zur Krönung ihrer Halbschwester, Königin Mary, nach London abgereist war.

Angesichts der Umstände hatten Kate und ich – wenn auch widerstrebend – darauf verzichtet, Elizabeth mit einer Bitte in dieser Angelegenheit zu belasten. Zwar hatte die Prinzessin in den Tagen vor ihrer Abreise stets ein entschlossenes Lächeln gezeigt, doch ich wusste, dass sie der Begegnung mit ihrer älteren Schwester, die sie seit Jahren nicht mehr getroffen hatte, voller Sorge entgegensah. Und das lag nicht nur an den siebzehn Jahren Altersunterschied zwischen ihnen. Während Elizabeth als Folge des Bruchs ihres Vaters König Henry mit der Kirche von Rom zum protestantischen Glauben erzogen worden war, hatte Mary am Katholizismus festgehalten – was sie in den letzten Tagen der Herrschaft ihres gemeinsamen Bruders Edward fast alles gekostet hätte.

Ich wusste nur zu gut über die Gefahren Bescheid, denen beide Prinzessinnen ausgesetzt gewesen waren. Wie Elizabeth hatte John Dudley, der Herzog von Northumberland und Regent in Edwards Namen, auch Mary ins Visier genommen. Als der minderjährige König im Sterben lag, hatte der Herzog alles in Bewegung gesetzt, um die Tudor-Schwestern gefangen zu nehmen und an ihrer Stelle seinen jüngsten Sohn Guilford – zusammen mit seiner Schwiegertochter Jane Grey – auf den Thron zu heben. Das hätte ihm vielleicht auch gelingen können, wäre ich ihm nicht ohne eigenes Zutun in die Quere gekommen und unabsichtlich zu einem der Architekten seines Untergangs geworden. Derselben Verkettung von Zufällen war es zu verdanken, dass ich Kate kennengelernt hatte und in Elizabeths Dienste getreten war. Nun, da Northumberland nicht mehr lebte, seine fünf Söhne im Tower eingesperrt waren und England Marys Thronbesteigung feierte, blieb Elizabeth keine andere Wahl, als der Einladung ihrer Schwester Folge zu leisten. Und zu meiner großen Sorge bestand sie darauf, ohne uns an den Hof zurückzukehren.

»Nein, meine Freunde«, sagte sie, »das ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um dort mit einem Gefolge zu erscheinen. Ich werde als loyale Untertanin an der Krönung teilnehmen und wieder zurück sein, bevor Ihr mein Fehlen überhaupt bemerkt habt. Es ist ja nicht so, als würde Mary auf meine Anwesenheit Wert legen. Sie hat auch ohne mich genug zu erledigen. Da wäre ich nur eine Bürde für sie.«

Als einzige Begleiterin hatte Elizabeth ihre vertraute Ehrendame Blanche Parry ausgewählt. Das gefiel mir ganz und gar nicht. So bat ich sie am Vorabend ihres Aufbruchs noch einmal – leider vergeblich –, ihr folgen zu dürfen. Der Hof sei doch eine einzige Senkgrube aus Intriganten, hielt ich ihr vor.

Sie lachte nur. »Ihr vergesst, dass ich mein ganzes Leben lang die Ausdünstungen dieser Senkgrube eingeatmet habe! Wenn ich Northumberland überlebt habe, muss ich sicher auch dort nicht viel befürchten. Doch ich verspreche Euch: Falls ich doch noch das Bedürfnis nach Schutz verspüre, seid Ihr der Erste, nach dem ich schicke.«

Sie verließ Hatfield, als der Herbst das Land in Gold tauchte. In ihrer Abwesenheit kehrte auf dem Landsitz eintöniger Alltag ein. Und während ich mich in meine Studien, meine Übungen im Schwertkampf und alle möglichen anderen Aufgaben vertiefte, um meine Sorgen um ihre Sicherheit zu verdrängen, wurde mir bewusst, dass Elizabeth mich keineswegs von sich hatte fernhalten wollen, sondern dass sie mich besser kannte als ich mich selbst und ihre Entscheidung lediglich meinem Interesse gedient hatte.

Ich war noch nicht bereit, an den Hof zurückzukehren. Das war die Wahrheit. Meine Heilung erforderte immer noch Zeit.

Jetzt bedauerte ich meinen barschen Ton gegenüber Peregrine, der mir doch in so vielem geholfen hatte. Einen Arm um Kates Hüfte gelegt winkte ich ihm. »Komm her.«

Er schlurfte herüber. Er war zu meinem Schatten geworden und folgte mir wirklich überallhin. »Wie ein Welpe, der dir völlig ergeben ist«, hatte Kate einmal gemeint. Und sein flehender Blick aus den weit geöffneten Augen schien das zu bestätigen.

»Eigentlich sollte ich dich losschicken, die Jauchegrube zu leeren oder irgendetwas anderes Unappetitliches zu erledigen«, brummte ich. »Hast du nicht gelernt, dass es nie klug ist, einer Frau zu vertrauen?«

Kate stupste mich in die Rippen.

»Doch«, murmelte Peregrine. »Äh, ich meine, nein.«

»Was nun?« Ich hob die Augenbrauen. »Ja oder nein?«

Kate stieß ein Kichern aus. »Du bist unmöglich! Lass den Jungen. Er hat noch genug Jahre vor sich, um die Tücken des schöneren Geschlechts kennenzulernen.« Sie löste sich von mir, nahm das Haarnetz ab und ließ ihr goldbraunes Haar auf ihre Schultern fallen.

Ich zerzauste Peregrines Locken. »Es stimmt, ich bin tatsächlich ein Grobian«, sagte ich. »Bitte vergib mir.«

Peregrine setzte gerade zu einer Antwort an, als Kate jäh rief: »Papa! Was für eine Überraschung!« Ich wirbelte herum und starrte ungläubig auf die Tür zur Galerie.

Der Mann, der auf uns zutrat, war der Letzte, mit dem ich dieser Tage gerechnet hätte  – eine gepflegte Gestalt in schwarzem Umhang und einem über die Schulter gehängten Ranzen. Als er die flache Kappe abnahm und sein schütteres Haar offenbarte, kam mir William Cecil jünger vor als seine dreiunddreißig Jahre und gesünder, als er bei unserer letzten Begegnung gewirkt hatte. Auch wies sein rotgoldener Bart nirgendwo eine Spur von verräterischem Grau auf, und sein sonnengebräuntes Gesicht zeugte davon, dass er, wenn er zur Abwechslung einmal nicht heimlich in das Leben anderer eingriff, wie ich Zeit im Freien mit Gartenarbeit oder sonst einer Tätigkeit verbrachte, die ihm behagte.

»Ich darf doch annehmen, dass ich nicht störe«, erklärte er in glattem Ton. »Mistress Ashley hat mir gesagt, dass ich Euch hier bei Eurer täglichen Ertüchtigung antreffen würde.«

»Du störst immer«, hörte ich Peregrine murmeln und legte ihm warnend eine Hand auf die Schulter. Mit amüsiert glitzernden, hellblauen Augen schaute Cecil kurz in die Richtung des Jungen, ehe er sich zu Kate umwandte. Diese wirkte verlegen, was bei ihr normalerweise kaum je vorkam. Auch wenn sie sich überrascht gab, beschlich mich das Gefühl, dass Cecil hier nicht unerwartet eingetroffen war.

»Meine liebe Kate, es ist ja schon so lange her!«, rief Cecil und schloss sie in die Arme. »Meine Frau, Lady Mildred, hatte sich größte Sorgen um deine Gesundheit gemacht, aber dann ist zu unserer Erleichterung deine Botschaft eingetroffen.«

Botschaft? Ich warf Kate, die nun Cecils Umarmung erwiderte, einen misstrauischen Blick zu. Dabei hatte sie freilich jedes Recht, ihm zu schreiben. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte Cecil sie als sein Mündel bei sich aufgenommen und sie, gemeinsam mit seiner Frau, großgezogen. Warum hätte sie ihm also nicht schreiben sollen? Nur wieso hatte sie das mir gegenüber mit keinem Wort erwähnt, obwohl sie genau wusste, was für zwiespältige Gefühle ich gegenüber diesem Mann empfand? Im Gegensatz zu mir hatte sie keinen Zwist mit ihm gehabt, während er John Dudley, Herzog von Northumberland, als dessen privater Sekretär gedient und mich dazu gebracht hatte, gegen die Dudley-Sippe zu spionieren. Kate musste glücklicherweise nie erfahren, dass ihr geliebter Vormund mehrere Gesichter hatte, von denen keines volles Vertrauen verdiente.

»Es tut mir so leid, dass ich Euch und Lady Mildred Anlass zur Sorge gegeben habe«, entschuldigte sich Kate. »Ich wollte Euch ja besuchen, aber …« Sie wandte sich zu mir um und ergriff meine Hand. Scheinbar gleichgültig senkte Cecil den Blick auf unsere ineinander verschränkten Finger, auch wenn ihm die Bedeutung der Situation nicht entgangen sein konnte. »Irgendwie haben wir jedes Zeitgefühl verloren«, fuhr Kate fort. »Ist es nicht so, Brendan?« Sie strahlte mich an. »Letzthin sind uns die Tage viel zu kurz vorgekommen. Und das Haus erfordert immer so viel Arbeit.«

»Das kann ich mir gut vorstellen«, erwiderte Cecil. »Und ich will mich Euch auch gar nicht aufdrängen, obschon ich hoffte, zum Abendessen bleiben zu dürfen. Ich habe eine Fleischpastete und ein Glas Honig mitgebracht und beides Mistress Ashley in Verwahrung gegeben.« Er schenkte Kate ein warmes Lächeln. »Mir war wieder eingefallen, wie sehr du als Mädchen den Honig aus unseren Bienenstöcken liebtest.«

»Oh, wie freundlich von Euch! Ich kümmere mich gleich darum.«

Erneut warf Kate mir einen Blick zu, und jäh schnürte sich mir der Magen zusammen. Ich musste meine ganze Gelassenheit aufbringen, um mir eine trockene Bemerkung abzuringen. »Wie wahr. Wie könnten wir da ablehnen?«

Cecil sah mir in die Augen. Ihm war mein sarkastischer Unterton nicht entgangen. Mir wiederum war bereits klar, dass mehr hinter seinem Besuch steckte als die bloße Sorge um Kates Gesundheit.

»Gewährt mir bitte einen Augenblick«, murmelte ich und führte Kate ein Stück zur Seite, während Peregrine Cecil unentwegt anfunkelte. »Was wird hier gespielt?«, fragte ich mit gepresster Stimme. »Warum ist er hier? Und warum hast du mir nichts davon gesagt, dass er kommt?«

»Tu einfach, was er sagt«, erwiderte Kate. »Das ist wichtig.«

Ich erstarrte. »Geht es um …?«

»Ja.« Sie legte mir einen Finger auf die Lippen, womit sie eine heftige Erwiderung unterband. »Du kannst mich später schelten, aber jetzt lasse ich euch beide allein, damit ich mich um das Abendessen kümmern kann. Versuch bitte, ihn nicht zu schlagen, ja?« Mit einem strahlenden Lächeln drehte sie sich wieder um und winkte Peregrine zu sich. Der Junge gehorchte, funkelte aber gleichwohl Cecil über die Schulter hinweg an.

»Eurer Miene und dem Gebaren Eures kleinen Freundes nach zu schließen, nehme ich an, dass es Euch lieber wäre, ich wäre nicht hier«, bemerkte er.

»Und ich sehe, dass Ihr Euren Scharfsinn nicht eingebüßt habt. Was wollt Ihr?«

Lächelnd ging Cecil zum Fenstersitz. »Ihr seht gut aus. Ihr habt zugenommen. Mir scheint, die Luft hier auf Hatfield ist Eurer Gesundheit zuträglich.«

Ich baute mich vor ihm auf. »Zuträglicher als der Hof«, murmelte ich. Cecil beherrschte die Kunst der Verstellung, und er verstand es, meine Gedanken zu lesen. Ich spürte förmlich, wie er mich abschätzte und erwog, inwieweit die Zeit in der Abgeschiedenheit, des frühen Zubettgehens und Aufstehens mich in einen anderen Mann verwandelt hatten. Dem unerfahrenen Bürschchen, das er dazu verlockt hatte, die Dudleys für ihn auszuspionieren, glich ich kaum noch. »Ihr habt meine Frage nicht beantwortet«, erklärte ich.

»Ich bin gekommen, um mit Euch zu sprechen. Kate hat mir geschrieben. Aber davor hatte ich ihr in einem Brief angekündigt, dass ich eine bedeutsame Nachricht habe. Daraufhin forderte sie mich auf, sie persönlich zu überbringen.«

»Ihr hättet mir schreiben können.«

»Das hätte ich wohl tun können. Aber hättet Ihr geantwortet?«

»Je nachdem.« Ich musterte ihn. »Ihr seid immer noch nicht auf meine Frage eingegangen.«

Das musste ich Cecil zugutehalten: Er wirkte auf einmal unsicher. »Ich wäre nicht gekommen, wenn es sich nicht um eine dringende Angelegenheit handelte, das kann ich Euch versichern. Ich habe keinerlei Wunsch, Euch noch mehr Ungemach zu bereiten, als ich das ohnehin schon getan habe.«

»Ist das so?«, fragte ich, während wir einander belauerten. Dies war unsere erste Begegnung seit jenen turbulenten Geschehnissen, die uns zusammengeführt hatten. Was für eine Ironie des Schicksals, sinnierte ich, dass zwei so gegensätzliche Männer wie wir derart gewaltige Geheimnisse, die ihr Leben betrafen, vor der Welt verbergen konnten. Denn so wie Cecil die Wahrheit über meine Herkunft kannte, wusste ich allein, wie rücksichtslos er vorgegangen war, um seinen früheren Dienstherrn, den Herzog von Northumberland, zu vernichten und Elizabeth zu schützen.

Ich spannte mich jäh an, als Cecil den Bücherstapel auf dem Fenstersitz beiseiteschob und sich auf den Kissen niederließ. Einen der Bände nahm er in die Hand und musterte den Deckel. »Wie ich sehe, befasst Ihr Euch neben der Schwertkunst auch mit dem Studium des Spanischen und des Französischen. Ein beeindruckendes Unterfangen. Man könnte meinen, Ihr bereitet Euch auf etwas Bestimmtes vor.«

Es kostete mich einige Anstrengung, mich seinen bohrenden blassblauen Augen zu stellen. Zwischen uns war zu viel vorgefallen, als dass ich bei Cecil nicht jederzeit damit gerechnet hätte, den Kürzeren zu ziehen. Selbst jetzt, da er dunkel vor dem Fenster aufragte, als hielte er wie ein Mann von ungeheurer Machtfülle in seiner Londoner Residenz eine Audienz, überlief mich jäh ein Schauer bei dem Gedanken daran, wozu er in der Lage war.

Ich biss die Zähne aufeinander. »Damit Ihr es nicht vergesst: Ich diene jetzt Prinzessin Elizabeth und bin nicht mehr Euer Spion. Kommt also zur Sache. Worum handelt es sich bei dieser bedeutenden Angelegenheit?«

Er neigte den Kopf. Wie immer entsprach sein beiläufiges Gebaren ganz und gar nicht der Dringlichkeit, die ihn nach Hatfield getrieben haben musste. Gleichwohl traf mich die Salve, die er abfeuerte, völlig unvorbereitet.

»Habt Ihr Nachricht von Ihrer Hoheit erhalten?«

Obwohl mein Hemd schweißgetränkt war, breitete sich in mir plötzlich Eiseskälte aus. »Nicht in letzter Zeit. Vor ungefähr einem Monat traf ein kurzer Brief von ihr ein, in dem sie uns mitteilte, dass sie bis nach Heiligdreikönige am Hof bleiben will. Wir nahmen an, dass die Königin sie dazu eingeladen hatte.«

Cecil hob die Augenbrauen. »O ja, sie bleibt am Hof, aber nicht, weil sie dazu eingeladen wurde. Mary hat es ihr befohlen.« Er hielt inne. »Habe ich Euer Interesse geweckt?« Mit einem Griff in seinen Ranzen förderte er ein Bündel Dokumente zutage. »Diese Berichte habe ich kürzlich von einem meiner Kundschafter erhalten. Ich nahm an, dass Euch angesichts der Umstände mein bloßes Wort nicht genügen würde.«

Betont lässig verschränkte ich die Arme – eine Geste, die lediglich dazu diente, meine Unruhe zu verbergen.

»Elizabeth droht Gefahr«, warnte Cecil. »Große Gefahr, laut diesen Berichten.«

Ich starrte ihm in die Augen. Darin entdeckte ich keine Täuschung, keine Tücke. Er wirkte aufrichtig besorgt. Andererseits verstand er es meisterhaft, seine Absichten zu vertuschen.

»Gefahr?«, wiederholte ich. »Und Ihr habt einen Spion am Hof, der Euch das gemeldet hat? Wer ist das?«

»Das weiß ich nicht.« Er löste das Lederband, das das Bündel zusammenhielt. »Vor ungefähr einem Monat sind die ersten dieser Berichte eingetroffen  – alle anonym, alle von derselben Hand geschrieben.« Er streckte mir eines der Dokumente entgegen. Als ich es ergriff, bemerkte er dazu: »Das ist der bislang letzte Bericht. Er wurde mir vor einer Woche überbracht. Wie Ihr sehen könnt, ist das Papier wie bei den anderen Meldungen gewöhnlich und grob, aber ich glaube trotzdem, dass der Mann, der das verfasst hat, am Hof tätig ist. Seine Angaben verraten eine gewisse Nähe zu den Ereignissen, die er schildert. Achtet auch auf die Handschrift. Sie ist ordentlich, aber die Wortwahl zeugt nicht von Belesenheit. Demnach könnte es ein Sekretär oder Notargehilfe sein.«

Ich überflog die Meldung. Die Schrift ließ mich zusammenzucken. Sie war den säuberlichen Buchstaben in den Kassenbüchern auf der Burg meiner Kindheit geradezu gespenstisch ähnlich. Ich hatte sie oft genug gesehen. Sie gehörte Archie Shelton, dem Haushofmeister der Dudley-Sippe. Dieser hatte mich als Lehrling unter seine Fittiche genommen und ausgebildet. Er war es auch, der mich an den Hof gebracht hatte, damit ich dort Lord Robert Dudley als Junker diente – ohne zu wissen, dass er mich damit in nicht enden wollende Gefahren stürzte.

Ich riss mich von meiner Erinnerung los. »Das verstehe ich nicht«, murmelte ich, zu Cecil aufblickend. »Das ist bloß ein Bericht darüber, wie Königin Mary eine spanische Delegation empfing, die ihr die Glückwünsche Kaiser Karls V. zu ihrer Krönung übermittelte. Was ist daran so ungewöhnlich? Das sind nichts als Höflichkeiten zwischen Monarchen.«

»Rückseite«, sagte Cecil. »Dreht das Blatt auf den Kopf und haltet es gegen das Licht.«

Ich stellte mich ans Fenster und drückte das Blatt gegen die Scheibe. Es dauerte einen Moment, bis meine Augen sich an das Licht gewöhnten, doch dann tauchten wie Gespenster zwischen den mit schwarzer Tinte aufgetragenen Buchstaben weiße Zeichen auf. Dieser Brief verbarg zwischen den Zeilen einen anderen.

Ich kniff die Augen zusammen. »Ich kann nichts erkennen. Die Schrift ist zu blass.«

»Die besondere Tinte, die er benutzt hat, kann mit Zitronensaft sichtbar gemacht werden«, klärte mich Cecil auf. »Das ist eine bekannte Methode, aber zu meiner Beschämung muss ich gestehen, dass es trotzdem eine ganze Weile dauerte, bis ich es herausbekam. Das hier ist eindeutig nicht das Werk eines ausgebildeten Spions. Am Anfang dachte ich, jemand treibe ein Spielchen mit mir, noch dazu eines von schlechtem Geschmack, weil er mir ständig Berichte über anscheinend völlig belanglose Ereignisse am Hof sandte. Aber als immer mehr eintrafen, habe ich Verdacht geschöpft. Zum Glück hat Lady Mildred stets ein Glas mit Saft aus den Zitronen in unserem Garten in der Küche stehen.« Er schaute mir in die Augen. »Ich habe alles für Euch auf dieses Blatt übertragen. Die Botschaft dieses verborgenen Briefs hier ist, dass die spanische Delegation inoffiziell den Hochzeitsantrag Karls V. im Namen seines Sohnes, Prinz Philipp, überbracht hat.«

Ich zuckte zusammen. »Philipp? Der Kronprinz von Spanien?«

»Der und kein anderer. Und der Kaiser ist mehr als ein Herrscher von königlichem Geblüt, er ist Königin Marys Cousin, den sie seit jeher als Vertrauten behandelt hat. Sie verlässt sich auf seinen Rat. Sollte sie seinem Sohn das Jawort geben, sehen die Verlobungsbedingungen vor, dass England zum katholischen Glauben zurückkehrt. Mit weniger wird sich Karl V. nicht abspeisen lassen. Es versteht sich von selbst, dass eine Annäherung an Rom für jeden Protestanten in diesem Reich, insbesondere für Elizabeth, verheerend wäre.«

Er zeigte mir das Blatt, auf dem er die unsichtbaren Worte der Berichte lesbar niedergeschrieben hatte. »Seht selbst. Ihre Majestät leiht ihr Ohr ausschließlich dem kaiserlichen Botschafter, Simon Renard. Und dieser betrachtet Elizabeth als Bastardin, Häretikerin und Bedrohung für die Königin.« Er hob die Augen zu mir. »Die Nachrichten sind alle von der gleichen Art: In jedem Bericht sind drei geheime Zeilen verborgen. Alle zusammen ergeben ein Gesamtbild, das nicht geleugnet werden kann.«

Mein Herz begann zu hämmern. Cecil mochte vielleicht ein Lügner sein, doch sobald Elizabeth ins Spiel kam, war er die Treue in Person. Sie bedeutete ihm alles; sie war der Grund, warum er in seinen Bemühungen nicht nachließ, sie war das Leuchtfeuer, das ihn lotste, seit Königin Mary ihn nach Northumberlands Sturz vom Hof verbannt hatte.

»Ihre Majestät kommt mir nicht wie jemand vor, der sich leicht von anderen beeinflussen lässt«, meinte ich.

»Richtig, in dieser Hinsicht gleicht sie ihrem Vater: Sie hat ihren eigenen Willen. Aber sie ist eben auch die Tochter der Katholikin Katharina von Aragon, einer spanischen Prinzessin. Und Simon Renard vertritt die spanischen Interessen. Er dient dem Habsburger Kaiser Karl V. schon seit vielen Jahren, und Königin Mary nimmt seinen Rat immer sehr ernst. Wenn Renard erklärt, dass Elizabeth eine Bedrohung für Marys Glauben und ihren Wunsch nach einer Hochzeit mit einem ebenfalls katholischen Habsburger darstellt, dann muss das zwangsläufig ihren Argwohn wecken. Die Religion ist für die Königin der Mittelpunkt ihres Lebens. Sie glaubt fest daran, dass Gott sie persönlich durch all die Wirren zum Thron geleitet hat. Elizabeth dagegen steht als Protestantin allem im Weg, was Mary zu erreichen hofft, wozu auch die Rückkehr Englands in den Schoß der katholischen Kirche gehört.«

Das versetzte mich in Alarm. »Wollt Ihr etwa sagen, dass dieser Renard Elizabeths Verhaftung betreibt?«

»Und ihren Tod«, erwiderte Cecil. »Seine Machenschaften können nichts anderes bedeuten. Ist Elizabeth erst aus dem Weg geräumt, gehört der Thron Prinz Philipps und Marys zukünftigem Kind. Ein Erbe von Habsburger Geblüt, der über England herrscht, uns mit dem Kaiserreich vereinigt und dadurch die Franzosen in die Zange nimmt  – das ist der große Traum Karls V. Dieser Renard ist ein Hofbeamter, der mit Geschick weit aufgestiegen ist. Er weiß genau: Wer immer dem Kaiser hilft, seinen Traum zu verwirklichen, darf große Gewinne für sich erwarten.«

Ich starrte ihn bestürzt an. »Aber die Königin würde ihr doch nie ein Härchen krümmen! Elizabeth ist ihre Schwester und …« Mein Protest erstarb, als ich Cecils Gesichtsausdruck bemerkte. »Gott im Himmel, glaubt Ihr, dass er irgendwelche Beweise gegen sie hat?«

»Außer Beschuldigungen, die er der Königin ins Ohr flüstert? Das noch nicht. Aber das bedeutet nicht, dass er sich über kurz oder lang nicht welche besorgen wird. Täuscht Euch da nicht: Simon Renard ist ein hartnäckiger Feind. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, wird er nicht ruhen, bis er es erreicht.«

Plötzlich hatte ich ein Rauschen in den Ohren. Ich musste erst meine Gedanken sammeln, ehe ich mit leiser Stimme fragte: »Was wollt Ihr also von mir?«

Er lächelte. »Was wohl? Ihr sollt an den Hof zurückkehren und Renards Pläne durchkreuzen. Ihr habt Euch Königin Marys Vertrauen verdient, weil Ihr ihr damals unter Einsatz Eures Lebens geholfen habt, Northumberlands Umsturzversuch zu entkommen. Sie würde Euch mit offenen Armen empfangen. Gewinnt einen Posten in Ihren Diensten, dann könnt Ihr Renard mit seinen eigenen Waffen schlagen.«

Ich stieß ein abgehacktes Lachen aus. »Einfach so? Ich gehe wieder an den Hof, und die Königin gewährt mir Bett und Verpflegung und obendrein ein Amt?« Mein Heiterkeitsausbruch verebbte. »Haltet Ihr mich für einen vollendeten Narren?«

»Im Gegenteil! Ich halte Euch für einen jungen Mann mit großem Talent für diese Art von Aufgabe – wie Ihr bereits in mehreren Fällen bewiesen habt.« Er blickte auf den Bücherstoß zu seinen Füßen, wo er seine Berichte abgelegt hatte. »Ich glaube nicht, dass das Leben auf dem Land Euch auf Dauer befriedigen kann. Nicht, wenn solch bedeutendes Werk vollbracht werden muss.«

So viel unerwartetes Verständnis meiner Person ärgerte mich mehr, als ich mir eingestehen wollte. Es behagte mir nicht, dass er über Dinge Bescheid wusste, die ihn überhaupt nichts angingen. Im Inneren meines Kopfes hatte er nichts zu suchen.

»Als ich mich zuletzt auf einen Auftrag von Euch eingelassen habe«, knurrte ich, »wäre ich fast ums Leben gekommen.«

»Ja.« Cecil hielt meinem Blick stand. »Ein Risiko, das zum Alltag eines Spions gehört. Aber Ihr habt überlebt und Euch alles in allem wacker geschlagen, wie ich finde. Diesmal werdet Ihr zumindest vorbereitet sein und wissen, wer Euer Feind ist. Ihr werdet mit demselben Decknamen am Hof auftreten, den ich Euch bei Eurer letzten Begegnung mit Mary gegeben habe. Ihr werdet wieder Daniel Beecham heißen. Seine Rückkehr wird wohl kaum großes Interesse erregen.«

Er erhob sich vom Fenstersitz, ohne die Meldungen an sich zu nehmen. »Ihr braucht mir nicht sofort zu antworten. Lest diese Berichte und überlegt Euch, ob Ihr es Euch leisten könnt, sie zu ignorieren.«

Ich wollte seine Berichte nicht lesen. Das alles war mir doch völlig gleichgültig. Aber dennoch hatte er mich bereits geködert. Er löste etwas in mir aus, dem ich mich einfach nicht entziehen konnte – eine Ruhelosigkeit, die mich plagte, seit ich vom Hof zu diesem sicheren Zufluchtsort umgesiedelt war.

Cecil wusste das genau. Er kannte diese schreckliche Sehnsucht in mir, weil er sie am eigenen Leib empfand.

»Trotzdem muss ich erst mit Kate darüber sprechen …«, begann ich und unterbrach mich jäh, als ich sein ungeduldiges Stirnrunzeln bemerkte. »Sie weiß schon Bescheid, nicht wahr? Sie weiß, dass Ihr mich zurück an den Hof schicken wollt.«

»Sie ist nicht dumm, und sie hegt Gefühle für Euch – sogar recht tiefe, wie mir scheint. Aber sie hat auch begriffen, dass in Angelegenheiten wie dieser die Zeit oft dasjenige Gut ist, woran es uns am meisten mangelt.«

Ich presste die Lippen aufeinander. Mir ging durch den Kopf, wie beharrlich Kate mich dazu angetrieben hatte, mich in der Meisterschaft mit dem Schwert zu üben, wie zielstrebig sie darauf drängte, dass ich mich auszeichnete. Sie musste vermutet haben, dass der Tag kommen würde, an dem mir nichts anderes übrig bleiben würde, als zu Elizabeths Verteidigung zurück an den Hof zu eilen.

»Vor dem Abendessen sollte ich mich wohl besser waschen«, brummte Cecil. »Wahrscheinlich werdet Ihr nach der Lektüre dieser Berichte einige Fragen haben. Heute Nacht kann ich bleiben, aber morgen muss ich auf mein Gut zurückkehren.«

»Ich habe mich in keinster Weise zu irgendetwas bereit erklärt.«

»Noch nicht«, erwiderte Cecil. »Aber das werdet Ihr schon noch.«

2

Draußen vor dem Fenster versank der graue Himmel in der farblosen Winterlandschaft und verwischte jede Trennlinie zwischen Luft und Erde. Während ich zum Wald starrte und beobachtete, wie die kahlen Bäume im mit Schneeflocken gesprenkelten Wind schwankten, beschlich mich die Ahnung, dass dieses Paradies, das mir Zuflucht geboten hatte, im Begriff war, sich unerbittlich aufzulösen.

Ich beugte mich über den Fenstersitz und nahm die Meldungen in die Hand. Insgesamt waren es sechs. Obwohl ich sie Cecils Rat gemäß gegen die Glasscheibe drückte, war es im abnehmenden Spätnachmittagslicht schwierig – teilweise sogar unmöglich –, die Botschaft zwischen den mit Tinte vollgeschriebenen Zeilen zu entziffern. Cecils knappe Zusammenfassung bestätigte mir jedoch, was er mir gesagt hatte: Allem Anschein nach hatte der spanische Botschafter, Simon Renard, der Königin hinsichtlich Elizabeths Treue und Ergebenheit Angst eingeflößt. Um den Ruf der Prinzessin zu beflecken, hatte er ihren protestantischen Glauben benutzt und ihr gefährliche Umtriebe unterstellt, die ihre Festnahme rechtfertigen sollten. Worin diese genau bestanden, verriet der geheime Spion nicht, vermutlich weil er es selbst nicht wusste. Mehrmals wurde ein gewisser Edward Courtenay, Graf von Devon, erwähnt, der sich offenbar mit der Prinzessin angefreundet hatte. Über ihn wollte ich mehr erfahren und nahm mir vor, Cecil darauf anzusprechen.

Wie lange ich dort gesessen und gelesen hatte, merkte ich erst, als ich Kates Schritte auf den knarzenden Bodendielen hörte. Ich blickte auf und stellte fest, dass die Galerie bereits ins Zwielicht der Dämmerung getaucht war. In ihrer blauen Robe trat Kate vor mich. Die Augen auf die um mich herum verstreuten Blätter gerichtet sagte sie leise: »Das Abendessen ist bald fertig.«

»Du wusstest darüber Bescheid«, murmelte ich.

Sie seufzte. »Ja. Cecil hatte mir geschrieben, dass er eine dringliche Nachricht über Ihre Hoheit erhalten hatte; Einzelheiten teilte er mir nicht mit, nur, dass er unbedingt mit dir sprechen muss. Was hätte ich da tun sollen?«

»Du hättest es mir sagen können.«

»Das wollte ich ja, aber er hatte betont, dass er dir persönlich etwas zeigen müsse.« Erneut blickte sie auf die Bögen. »Das sieht ernst aus.«

»Das ist es auch.« Ich erzählte ihr von den Meldungen und den Schlussfolgerungen, die Cecil daraus gezogen hatte.

Als ich geendet hatte, presste sie sich die Hand auf den Mund. »Gott schütze uns. Die Gefahr folgt ihr wie ein Fluch.« Beunruhigt atmete sie aus. »Die ganze Zeit hat mir vor diesem Tag gegraut! Und wider besseres Wissen habe ich immer gehofft, dass es nicht so weit kommt.«

Ich umfasste ihre Hände. Sie waren von der Arbeit in ihrem geliebten Kräutergarten gebräunt; die kurz geschnittenen Fingernägel wiesen eine Ahnung von Schmutz unter den Rändern auf. Plötzlich durchzuckte mich beim Gedanken an die bevorstehende Trennung ein tiefer Schmerz.

»Wenn diese Meldungen zutreffen, braucht sie mich«, erklärte ich. »Nur eines verstehe ich nicht: Warum hat sie uns nicht persönlich geschrieben? Inzwischen muss ihr doch sicher bewusst sein, dass ihr Gefahr droht.«

»Wenn dem so ist, dann wundert es mich gar nicht, dass sie nicht geschrieben hat«, entgegnete Kate. Ich blickte sie verwirrt an. »Bevor ich in ihre Dienste trat, hat es schon einmal so etwas gegeben«, fuhr sie fort. »Sie war sechzehn Jahre alt, als sie in ein Komplott von Admiral Seymour, dem Onkel ihres Bruders Edward, hineingezogen wurde. Der Kerl wurde deswegen geköpft. Elizabeth wurde wegen dieser Sache einem strengen Verhör ausgesetzt, und ihre Gouvernante, Mistress Ashley, wurde sogar eine Zeit lang in den Tower gesperrt. Als Elizabeth mir davon erzählte, vertraute sie mir an, dass sie im ganzen Leben noch nie solche Angst ausgestanden habe, und schwor mir, dass sie niemals ihre eigenen Diener solchen Gefahren aussetzen würde, wenn sie es verhindern könne. Sie hat dir nur deswegen nicht geschrieben, weil sie dich schützen will. Und jetzt hältst du mich bestimmt für egoistisch, weil ich dasselbe will.«

»Wenn du das wirklich wolltest, hättest du Cecils Brief verbrannt und die Tür verriegelt.«

»Schuldig im Sinne der Anklage.« Sie seufzte erneut. »Wann musst du aufbrechen?«

»Bald«, antwortete ich leise. »Nach dem Abendbrot muss ich noch einmal mit Cecil sprechen, aber er wird sicher darauf drängen, dass ich so bald wie möglich losreite. Er hat gemeint, die Zeit sei dasjenige Gut, woran es uns am meisten mangele.«

»Er versteht es, mit Worten umzugehen, nicht wahr?« Kate brachte ein mattes Lächeln zustande. »Doch wenn du tatsächlich fortgehst, dann ist es jetzt wohl auch an der Zeit, dass du etwas sehr Wichtiges für mich tust.« Damit griff sie in den Ausschnitt ihres Mieders und zog einen an ein Lederband geknüpften Gegenstand hervor – das Fragment eines goldenen Artischockenblatts, an der Spitze mit einem winzigen abgeschlagenen Rubin bestückt.

»Wirst du mir verraten, was das ist?«

Der Mund wurde mir trocken. »Ich … ich habe es dir doch gesagt. Es ist mein Treuepfand, ein Zeichen meiner Liebe zu dir.«

»Ja, schon, aber was bedeutet es? Ich weiß, dass es dir in jener schrecklichen Zeit zugefallen ist, als wir darum kämpften, die Prinzessin vor den Dudleys zu retten. Die Frau, die dich aufgezogen hat, Mistress Alice, hat es dir gegeben. Warum? Was ist seine Bedeutung?« Kate zögerte. Da ich beharrlich schwieg, sprach sie weiter, die Stimme jetzt weicher. »Es hat mit deiner Vergangenheit zu tun, nicht wahr? Cecil weiß es ebenfalls. Wenn du es ihm anvertrauen kannst, warum nicht auch mir?« Sie streichelte mir zärtlich über das Gesicht. Das Schmuckstück baumelte auf ihrer Brust. »Was immer es ist, ich verspreche dir, dass ich dich nie verraten werde. Eher würde ich sterben. Aber wenn du an den Hof zurückkehren musst, um dich in weiß Gott welche Gefahren zu stürzen, kannst du mich nicht einfach mit diesem Geheimnis zwischen uns zurücklassen. Ich muss die Wahrheit erfahren.«

Ich hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Ich sah ihr in die Augen, die so ruhig, so entschlossen waren, und fühlte mich von meinem Geheimnis erdrückt. Denn ich hatte mir geschworen, es niemals preiszugeben.

»Du kannst nicht verstehen, worum du mich bittest«, begann ich leise. »Aber dir vertraue ich mein Leben an.« Behutsam führte ich sie zum Fenstersitz. »Allerdings musst du mir schwören, dass du es keiner Menschenseele weitererzählst. Vor allem nicht Elizabeth. Sie darf es niemals erfahren.«

»Brendan, ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nie dein Vertrauen brechen wür …«

Ich ergriff ihre Hand. »Schwöre es mir einfach, Kate. Bitte, tu’s für mich.«

»Ja«, flüsterte sie, »ich schwöre es dir.«

Ich nickte. »Danke. Von dem Artischockenblatt habe ich Cecil nie erzählt. Der einzige Mensch, der noch darüber Bescheid weiß, ist Archie Shelton.«

»Shelton? Der Haushofmeister der Dudleys, der dich an den Hof gebracht hat? Er kennt das Geheimnis?«

»Er kannte es. Jetzt ist er tot. Es kann gar nicht anders sein. Er kann die schreckliche Nacht damals unmöglich überlebt haben, als London Mary die Gefolgschaft schwor und er mit Tausenden anderen im Tower eingekesselt wurde. Dort herrschte das blanke Chaos. Die Tore wurden geschlossen, und wir waren drinnen. Northumberlands Anhänger kämpften mit Zähnen und Klauen darum, noch rauszukommen. Ich sah Shelton in der Menge verschwinden. Wahrscheinlich wurde er zu Tode getrampelt. Er ist gestorben und hat das Geheimnis um das Artischockenblatt mit in den Tod genommen. Cecil weiß, wer ich bin, was er aber nicht ahnt, ist, dass ich das auch beweisen kann.«

Ich stockte. Auf einmal sah ich mich wieder als hilflosen kleinen Jungen davonkrabbeln, auf der Flucht vor der Dudley-Meute, die sich einen Spaß daraus machte, das namenlose Findelkind zu verprügeln. Die Erinnerung an meine geliebte Mistress Alice kehrte zurück, wie sie meine Wunden wusch und mir ins Ohr flüsterte, dass etwas ganz Besonderes mich über alle anderen heraushob. Dieses Etwas hatte eine Verkettung von Ereignissen ausgelöst, die mein ganzes Leben in Stücke schlagen sollten. Und jetzt, da mir all das in den Sinn kam, was mir zugestoßen war und was ich entdeckt hatte, wurde mir klar, dass ich es nicht länger für mich behalten konnte. Ich brauchte jemanden, mit dem ich diese entsetzliche Bürde teilen konnte.

Mit leiser Stimme erzählte ich Kate meine Geschichte von dem Tag an, da ich als Säugling zum Sitz der Dudleys gebracht wurde, wo ich dann aufzogen wurde, um ihnen niedrige Dienste zu leisten, wo ich vernachlässigt und geschmäht wurde, bis man mir befahl, Lord Robert, dem gefährlichsten von allen Dudleys, als Junker zu dienen.

»Als Shelton mich holen kam, um mich zum Hof zu begleiten, schärfte er mir ein, immer alles zu tun, was man mir auftrug, stets ein treuer Diener zu sein und nie der Familie in den Rücken zu fallen, von der mein Überleben abhing. Er versprach mir, dass meine Treue belohnt werden würde. Doch dann bin ich Elizabeth begegnet. Und Cecil nahm mich in seine Dienste, damit ich Lord Robert für ihn ausspionierte und Elizabeth half. Von da an änderte sich alles. Ich habe das Geheimnis meiner Geburt aufgedeckt. Nachdem ich mich einundzwanzig Jahre lang für einen Niemand gehalten hatte, habe ich herausgefunden, dass königliches Blut in meinen Adern fließt.« Ich verstummte für einen Moment. Während Kate fassungslos nach Luft schnappte, fuhr ich stockend fort: »Meine Mutter war Mary von Suffolk, Elizabeths Tante. Ich … bin ein Tudor.«

Noch nie hatte ich diese Worte laut ausgesprochen. Und Kate reagierte äußerst betroffen. Sie starrte mich benommen an, fasste sich mit zitternder Hand an die Brust und berührte das Goldblatt. »Wie … wie hat Shelton das herausgefunden?«, krächzte sie schließlich. »Was ist der Zusammenhang zwischen ihm und diesem Schmuckstück?«

»Shelton hat es Mistress Alice überbracht.« Ich konnte nicht länger sitzen bleiben und stand auf. »Bevor er in die Dienste der Dudleys trat, hatte er viele Jahre lang dem Haus Suffolk gedient. Dieses Goldblatt ist Teil eines größeren Schmuckstücks, das nach dem Tod meiner Mutter zerteilt wurde. Die Fragmente hinterließ sie denjenigen, die sie für vertrauenswürdig hielt. Aber da war Mistress Alice bereits auf die Burg Dudley geflohen, wo sie mich als Findelkind ausgab. Shelton muss jahrelang nach ihr gesucht haben. Als er sie schließlich entdeckte, erzählte sie ihm alles über mich.«

»Aber warum ausgerechnet ihm?«

Ich brachte ein halbwegs gelassenes Schulterzucken zuwege, obwohl mir Kates Frage schier das Herz zerriss. »Meine Mutter hatte ihre Schwangerschaft vor allen verborgen – bis auf Alice. Nach ihrem Tod brachte mich Alice fort, um mich zu verstecken. Damit wollte sie mich und das Andenken an meine Mutter schützen, glaube ich. Niemand sollte erfahren, dass eine Tudor-Prinzessin einen Bastard geboren hatte.«

»Gott im Himmel! Und du weißt das schon die ganze Zeit und hast es immer für dich behalten?«

»Ich hatte keine Wahl! Verstehst du das nicht, Kate? Dieses Goldblatt mag vielleicht mein Geburtsrecht beweisen, aber es ist zu gefährlich, sein Geheimnis preiszugeben – für uns alle. Um einen Bastard schert sich niemand, aber wenn man mich für einen erbberechtigten Nachkommen hielte …« Ich erschauerte und wandte mich abrupt ab.

»Glaubst du, dass Shelton wusste, wer dein Vater ist?«, fragte Kate mit leiser Stimme.

»Wenn es so war, werde ich es jetzt nicht mehr erfahren.« Ich räusperte mich. »Und selbst wenn ich es könnte, würde ich die Sache nicht weiterverfolgen. Lieber ein Findelkind als diese … Ausgeburt, dieses Schattenwesen.«

»Du bist doch keine Ausgeburt!« Ich hörte ihre Röcke rascheln. Sie war aufgesprungen. Und dann spürte ich ihre Hand auf der Schulter.

Plötzlich fühlte ich mich von Trostlosigkeit überwältigt. »Ich bitte dich auch gar nicht, damit zu leben«, flüsterte ich. »Das wäre eine zu große Bürde. Den Kindern, die wir gemeinsam hätten, könnte ich nie sagen, woher sie kommen. Selbst mein Name ist eine Lüge. Er bedeutet nichts.«

»Lass mich bitte selbst bestimmen, was ich ertragen kann und was nicht. Brendan, schau mich an.« Ich drehte mich zu ihr um. »Ich will solche Worte nie wieder von dir hören«, befahl sie. »Du bist der Mann, den ich ausgewählt habe und mit dem ich mein Leben verbringen will. Du bist stark, gut und aufrichtig. Du bist all das, was ein Kind von einem Vater braucht.«

Tränen brannten mir in den Augen. Ich drückte sie an mich und sog ihren Duft nach Lavendel ein. Das Verlangen nach ihr überwältigte mich. Ich sehnte mich danach, mit den Händen in ihrem Haar zu wühlen und es von dem Netz zu befreien, damit es wie Honig über ihre nackten Schultern fließen konnte. Mich packte die Begierde, ihr die Kleider auszuziehen, zu spüren, wie sie sich mir voller atemloser Hingabe entgegenwölbte, und tief in sie einzudringen. Nie wieder sollten mich die widerwärtigen Intrigen und Schrecken meiner Vergangenheit und des Hofs berühren dürfen.

»Ich liebe dich, Kate Stafford«, flüsterte ich. »Ich liebe dich mit jeder Faser meines Herzens. Ich wünsche mir nichts mehr, als für immer dein zu sein. Wenn du jemals Gründe findest, daran zu zweifeln, dann denke bitte an diese Worte.«

Sie küsste mich. »Und ich liebe dich, Brendan Prescott, sogar dann, wenn du zu vieles verbirgst.«

Nach dem Abendessen setzten Cecil und ich uns gemeinsam vor das Kaminfeuer.

Während er an einem Kelch mit heißem Apfelmost nippte, wurden seine blassen Augen in dem flackernden Wechselspiel von Schatten und Licht merkwürdig durchsichtig. »Werdet Ihr tun, worum ich Euch bitte?«, fragte er.

Zur Antwort streckte ich ihm das inzwischen wieder mit dem Lederband verschnürte Bündel mit den Meldungen entgegen.

»Keine Fragen?«, wollte er, einigermaßen überrascht, wissen.

»Es gibt ja nicht viel zu fragen, oder? Wie Ihr gesagt habt, stellt der Großteil dieser Berichte Ereignisse am Hof dar. Das könnten Eintragungen eines Zeremonienmeisters oder einfachen Sekretärs sein. Alles wirkt in sich schlüssig – zumindest an der Oberfläche. Allerdings ist mir außer den geheimen Warnungen dann doch etwas aufgefallen.« Ich machte eine Kunstpause, die ich dazu nutzte, um ihn zu beobachten. Wie Cecil schon öfter bewiesen hatte, war ihm jederzeit zuzutrauen, dass er wichtige Einzelheiten ausließ. Ich wollte lieber nicht dem Verdacht nachgehen, dass er vielleicht auch jetzt wieder etwas im Schilde führte. Nicht in Elizabeths Fall! Andererseits ließ sich mein Misstrauen nicht so ohne Weiteres unterdrücken. Ich brauchte Sicherheit.

»Nur zu!« Wieder nahm er einen Schluck von seinem Kelch. »Ich sehe die Skepsis in Eurem Gesicht. Das werdet Ihr in den Griff bekommen müssen. Am Hof ist jeder ein Meister darin, die Mienen der anderen zu lesen.«

»Edward Courtenay«, brummte ich. »Der Graf von Devon. Euer Spion erwähnt ihn mehrmals, jeweils in Zusammenhang mit der Prinzessin. Warum?«

Cecil lächelte. »Ihr seid in der Tat der geborene Geheimagent.«

»Das ist wohl kaum ein Beweis meiner Fähigkeiten. Jeder, der diese Berichte gelesen hat, würde dasselbe fragen. Also: Wer ist das?«

»Der letzte noch lebende Nachfahre der königlichen Dynastie Plantagenet. Der alte König Henry – der einen Feind meilenweit gegen den Wind riechen konnte – hat Courtenay als Jungen in den Tower sperren lassen. Courtenays Vater hat er sogar geköpft. Henry behauptete, der Grund dafür sei, dass die Familie sich geweigert habe, ihn als Oberhaupt der neuen englischen Kirche zu bestätigen, doch in Wahrheit fürchtete er Courtenays Anspruch auf den Thron. Eine von Marys ersten Maßnahmen als Königin war es, Courtenays Entlassung zu befehlen. Außerdem hat sie ihm einen Titel verliehen. Kurz, sie hat ihm beträchtliche Gunst erwiesen.«

»Macht ihn das zu einem Verbündeten oder zu einer Bedrohung?«

Cecils Augenbrauen hoben sich. »Nachdem ihm seine königlichen Privilegien – oder das, was er dafür hält – so lange vorenthalten worden waren, nehme ich an, dass er seine eigenen Pläne haben wird, Gunst der Königin hin oder her. Ja, wenn die Gerüchte zutreffen, ist er Mary sogar als Gemahl angeboten worden, aber sie hat ihn wegen seiner Jugend und Unerfahrenheit abgelehnt.«

»Wollt Ihr andeuten, dass er gegen die Verbindung mit dem Haus Habsburg Intrigen schmieden könnte?«

»Ich sage nur, dass er eines der Rätsel darstellt, die Ihr untersuchen müsst.« Cecils Tonfall wurde düster. Zum ersten Mal ließ er Verärgerung darüber erkennen, dass er den Ereignissen bei Hof fern war. Vor nicht allzu langer Zeit hätte er zwei, drei Agenten auf Courtenays Spur angesetzt und sich über jeden seiner Schritte Meldung erstatten lassen. »Falls Courtenay etwas ausheckt, wird er das nicht offen tun. Vergesst nicht, Marys offizielle Bekanntgabe ihrer Heiratsabsichten steht noch aus. Was immer Courtenay vorhat, er plant es im Geheimen.«

»Aber Renard muss ihn doch beobachten.« Ich wollte mich gerade auf meinem Stuhl zurücklehnen, als ich sah, wie sich Cecils Hand um den Kelch spannte. Die Bewegung war unauffällig, fast unsichtbar, doch ich begriff ihre Bedeutung sofort. »Himmel«, ächzte ich. »Ihr seid immer noch dabei, mich auf die Probe zu stellen. Ihr sendet mich nur deshalb an den Hof, weil Ihr Angst habt, Renards Befürchtungen wegen Elizabeth könnten zutreffen.«

Er seufzte. »Diese Möglichkeit ist mir in den Sinn gekommen. Hoffentlich habe ich mich getäuscht. Ja, ich bete zu Gott, dass es so ist. Aber es ist kein verheißungsvolles Zeichen, dass zwischen Elizabeth und Courtenay eine Verbindung besteht. Selbstverständlich könnte sich das als bedeutungslos herausstellen. Ihre Freundschaft könnte sich als natürliche Folge einer Zufallsbegegnung zweier hochstehender Menschen erweisen, die es ohne ihr Zutun an den Hof verschlagen hat. So groß ist der Altersunterschied schließlich nicht – er ist sechsundzwanzig, nur sechs Jahre älter als Elizabeth. Also könnte ihre Beziehung völlig unschuldig sein.«

»Oder auch nicht«, konterte ich. Ich zögerte, die Augen weiter auf ihn gerichtet. Ich hatte ganz vergessen, dass nur wenige von uns Elizabeth so gut kannten, wie wir glaubten. Das machte einen Teil ihres Zaubers aus: Sie brachte es fertig, dass sich jeder in ihrer Gegenwart fühlte wie ein enger Vertrauter, obwohl sie ihre wahre Natur stets hinter ihrer Rätselhaftigkeit verbarg. »Glaubt Ihr wirklich, dass sie dazu fähig wäre, gegen ihre eigene Schwester Ränke zu schmieden?«

Er stieß ein trockenes Lachen aus. »Was Mary und Elizabeth betrifft, würde mich nichts weniger überraschen. Es fällt schwer, zwei Frauen zu finden, die gegensätzlicher sind, noch dazu als Schwestern. Ich fürchte, sie sind vom Schicksal dazu bestimmt, Todfeindinnen zu werden. In dem Moment, da wir über sie sprechen, werden längst Schlachtenlinien gezogen. Auf der einen Seite Mary, fest entschlossen, das Land dem Ketzertum zu entreißen und uns an eine fremde Macht zu binden. Ihr gegenüber Elizabeth als ihre Erbin, die letzte Hoffnung für ein unabhängiges, dem protestantischen Glauben verbundenes Land. Welche wird siegen?«

Er sprach jetzt schneller, sein Ton war eindringlich. »Wenn Elizabeth tatsächlich in Courtenays Machenschaften verwickelt ist, muss sie aufgehalten werden, bevor es zu spät ist. Wie sie habe ich keinerlei Wunsch, Spanien und der Inquisition zum Opfer zu fallen, aber anders als sie habe ich mein jugendliches Ungestüm verloren. Elizabeth scheint nicht zu bemerken, dass Mary sich ihrem vierzigsten Lebensjahr nähert. Selbst wenn Philipp es vermag, ihren Leib zu befruchten, wird wohl kein Kind daraus hervorgehen. Und gebiert Mary keinen Erben, kann Elizabeth Königin werden. Wir können sie zu ihrer Bestimmung führen – Ihr und ich. Aber dafür müssen wir ihr Leben schützen.«

Seine Worte verhallten, bis das Knistern der Flammen im Kamin alles andere übertönte. Seiner Sorgen eingedenk starrte ich in das Feuer.

Leise sagte ich: »Dann will ich es tun. Ich gehe an den Hof.«

Cecil sackte in sich zusammen. Jäh verriet er die hinter der Fassade von Unerschütterlichkeit verborgene Müdigkeit, den schleichenden Tribut, den Jahre der Mühen in jener Arena der Macht seinem Geist abverlangt hatten, in der man Gefälligkeiten erwies und einforderte, Bestechungsgelder verteilte, um Vorteile daraus zu ziehen, und in einem fort Ränke und Intrigen anzettelte.

»Danke«, murmelte er. »An dem Tag, da sie den Thron besteigt – möge er, so Gott will, eher früher als später kommen –, werdet Ihr reichlich für Eure Dienste belohnt werden, das verspreche ich Euch.«

Ich erhob mich. »Versprecht mir nicht so schnell irgendetwas. Ich habe gesagt, dass ich an den Hof gehen werde, um ihr zu helfen, aber das tue ich zu meinen Bedingungen, nur dass Ihr es wisst. Ich dulde keinerlei Einmischung, gleich, welchen Weg ich einschlage. Wenn Ihr in London Männer habt, die Ihr auf meine Spur anzusetzen gedenkt, ruft sie sofort zurück. Tut Ihr das nicht, werdet Ihr es bedauern, sobald ich das geringste Anzeichen eines doppelten Spiels entdecke.«

Seine Lippen zuckten. »Ich glaube, wir haben einander verstanden.«

Er bückte sich nach dem Ranzen neben seinem Stuhl und zog einen Lederbeutel heraus. »Für Eure Ausgaben.«

»Ich tue das für die Prinzessin. Ich brauche keine Bezahlung von Euch.«

Er legte den Beutel auf meinen Stuhl. »Dann betrachtet es eben als Darlehen.« Damit stand er seinerseits auf.

Voller Genugtuung stellte ich fest, dass ich zum ersten Mal die Oberhand gegen William Cecil behalten hatte.

Als er sich zum Gehen anschickte, fragte ich: »Was ist mit diesem Spion? Soll ich versuchen, ihn aufzuspüren?«