Das Verhältnis - Gabrielle Zevin - E-Book

Das Verhältnis E-Book

Gabrielle Zevin

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Beschreibung

Von der SPIEGEL-Autorin des Bestsellers aus den USA »Morgen, morgen und wieder morgen«
Hinfallen, aufstehen, Krone richten: Aviva macht den Fehler ihres Lebens. Die ambitionierte Praktikantin im Kongress in Florida hat ein Verhältnis mit ihrem Boss. Natürlich ist sie es, die den Kopf dafür hinhalten muss. Sie wird zum Running Gag in jeder Fernsehshow, als Schlampe beschimpft und als Schandfleck im politischen Leben betrachtet. Die junge Frau sieht nur einen Ausweg – ihren Namen zu ändern und in eine kleine Stadt in Maine zu ziehen. Sie startet als Hochzeitsplanerin durch, versucht ihr Leben klüger zu leben und eine Tochter großzuziehen, die stark und selbstbewusst wird. Jahre später kandidiert sie für das Bürgermeisteramt. Doch Google garantiert, dass die Vergangenheit niemals Vergangenheit ist – im Internet ist alles für die Ewigkeit zementiert.

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Zum Buch

Hinfallen, aufstehen, Krone richten: Aviva macht den Fehler ihres Lebens. Die ambitionierte Praktikantin im Kongress in Florida hat ein Verhältnis mit ihrem Boss. Natürlich ist sie es, die den Kopf dafür hinhalten muss. Sie wird zum Running Gag in jeder Fernsehshow, als Schlampe beschimpft und als Schandfleck im politischen Leben betrachtet. Die junge Frau sieht nur einen Ausweg – ihren Namen zu ändern und in eine kleine Stadt in Maine zu ziehen. Sie startet als Hochzeitsplanerin durch, versucht, ihr Leben klüger zu leben und eine Tochter großzuziehen, die stark und selbstbewusst wird. Jahre später kandidiert sie für das Bürgermeisteramt. Doch Google garantiert, dass die Vergangenheit niemals Vergangenheit ist – im Internet ist alles für die Ewigkeit zementiert.

»Genial und urkomisch. Dieses Buch hat ein Herz. Und ein Rückgrat. Es ist genau das, was wir im Moment brauchen.«    Chicago Tribune

»Eine smarte, feministische Meisterleistung.«    Washington Times

Die Autorin

Gabrielle Zevin, geboren in New York, wurde von ihren Eltern in die Bücherei geschleppt wie andere in die Kirche. Mit vierzehn schrieb sie einen wütenden Brief über ein Guns-n’-Roses-Konzert an die Lokalzeitung. Daraus wurde ihr erster Job als Musikkritikerin. Später studierte Zevin Literatur in Harvard. Sie hat bereits mehrere Romane und Drehbücher veröffentlicht, die in über 20 Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet wurden. Heute lebt die Autorin in Los Angeles. »Das Verhältnis« ist ihr zweiter Roman im Diana Verlag.

GABRIELLE

ZEVIN

Das

Verhältnis

ROMAN

Aus dem Englischen

von Pauline Kurbasik

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 07/2019

Copyright © 2017 by Gabrielle Zevin

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel

YoungJane Young bei Hachette, London

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019

by Diana Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Wiebke Bach

Umschlaggestaltung: t. mutzenbach design, München

Umschlagmotiv: shutterstock/Evgeniy Yatskov/KUCO/

Vectorcarrot/GoodStudio

Satz: Leingärtner, Nabburg

Alle Rechte vorbehalten

e-ISBN 978-3-641-21617-7V002

www.diana-verlag.de

Ich kenne

Diese meine Hände nicht.

Dennoch denke ich,

Eine Frau wie ich hatte einst Hände

Wie diese.

»Amaze« von Adelaide Crapsey

INHALTSVERZEICHNIS

Teil I

Bubbe Meise – RACHEL

Teil II

Wo du hingehst, da bist du auch – JANE

Teil III

Dreizehn, oder einige interessante Fakten über Maine – RUBY

Teil IV

Engel im Haus – EMBETH

Teil V

Entscheide dich – AVIVA

Teil I

Bubbe Meise – RACHEL

EINS

Meine liebe Freundin Roz Horowitz hat ihren neuen Mann beim Onlinedating kennengelernt, und Roz ist drei Jahre älter und fünfzig Pfund schwerer als ich. Außerdem haben die Leute gesagt, dass sie sich alles in allem nicht so gut gehalten hat wie ich, deswegen dachte ich, ich versuche es mal, obwohl ich nicht zu häufig ins Internet gehen möchte. Roz’ letzter Mann ist an Darmkrebs gestorben, sie hat ihr Glück verdient. Nicht dass dieser neue Ehemann etwas Besonderes wäre – er heißt Tony und war in New Jersey im Autoglasgeschäft tätig. Aber Roz hat ihn aufpoliert und ihm bei Bloomingdale’s Hemden gekauft, und nun belegen sie gemeinsam diese ganzen Kurse bei der Volkshochschule: Spanisch-Konversation, Gesellschaftstanz, Massage für Liebende und Kreative Gestaltung von Seife und Kerzen. Ich möchte gar nicht unbedingt einen Ehemann. Sie machen viel Arbeit, aber ich will auch nicht den Rest meines Lebens allein verbringen, und es wäre schön, mit jemandem gemeinsam Kurse zu besuchen. Ich dachte, Onlinedating wäre etwas für junge Leute, aber Roz sagt, dem sei nicht so. »Und selbst wenn«, erklärt sie, »bist du, liebe Rachel, gerade so jung wie du nie wieder sein wirst.«

Also frage ich Roz nach Tipps, und sie sagt: Lade kein Bild hoch, auf dem du jünger aussiehst, als du bist. Im Internet lügt jeder, doch ironischerweise kann man im Internet nichts Schlimmeres machen als lügen. Und ich antworte: »Roz, Liebes, das ist doch wie im wahren Leben, oder?«

Der erste Mann, den ich treffe, heißt Harold, und ich frage ihn scherzhaft, ob er immer schon diesen Namen getragen hat, weil er auf mich wie der Name für einen alten Mann wirkt. Doch Harald versteht den Witz nicht, ist beleidigt und antwortet: »Haben Sie noch nie etwas von Harold und die Zauberkreide gehört? Harold ist ein Kind, Rachel.« Dieses Date führt jedenfalls zu nichts.

Der zweite Mann, den ich treffe, heißt Andrew, und er hat schmutzige Fingernägel, deswegen kann ich nicht sagen, ob er nett ist oder nicht. Ich kann noch nicht einmal meine Crêpes mit braunem Zucker und Butter essen, oy gevalt, diese Fingernägel lenken mich zu sehr ab. Ich meine, was hat er vor unserer Verabredung gemacht? Mit anderen um die Wette gegärtnert? Die letzte Frau verbuddelt, die er gedatet hat? Er sagt: »Rachel Shapiro, Sie essen wie ein Vögelchen!« Ich überlege mir, die Crêpes einpacken zu lassen, aber das ist sinnlos. Crêpes kann man nicht aufwärmen. Wenn man das tut, hat man eine gummihafte Masse, die – selbst wenn man sie sich nicht runterzwängt – eine Tragödie ist, weil man daran denkt, wie diese Crêpes hätten sein können und welche Verschwendung dies ist.

Andrew ruft mich nach einigen Wochen an und fragt, ob ich mich noch einmal mit ihm treffen möchte, und ich antworte unverzüglich mit »Nein danke«. Er fragt, warum. Ich will ihm nichts über die schmutzigen Fingernägel sagen, weil es kleinlich wirkt und vielleicht auch ist. Mein Ex-Mann hat sehr genau auf seine Fingernägel geachtet, dennoch war er ein Stück Dreck. Als ich über eine Antwort nachdenke, sagt er: »Ich glaube, ich weiß, was ich wissen wollte. Denken Sie sich keine Lüge aus.«

Und ich antworte: »Um ehrlich zu sein stimmt die Chemie bei uns nicht, und in unserem Alter« – ich bin vierundsechzig – »sollte man keine Zeit mehr verschwenden.«

Und er entgegnet: »Nur damit Sie es wissen: Auf Ihrem Bild sehen Sie zehn Jahre jünger aus als in Wirklichkeit.« Er tritt nach.

Ich weiß, dass er mich beleidigt, weil er beleidigt ist, aber ich zeige Roz das Bild trotzdem, nur zur Sicherheit. Ich hatte gedacht, es sei einigermaßen neu, als ich genauer darüber nachdenke, fällt mir ein, dass es am Ende von Bushs zweiter Amtszeit aufgenommen wurde. Roz sagt, ich sehe darauf jünger aus, aber auf eine gute Weise, nicht so sehr, dass es lächerlich ist. Sie sagt, falls ich das richtige Restaurant auswähle, mit der richtigen Beleuchtung, sehe ich genauso alt aus wie auf dem Bild. Und ich sage, das hört sich langsam danach an, als würde Blanche DuBois Tücher über Lampen legen. Roz macht mit ihrem Handy noch ein Bild von mir auf meinem Balkon, das war’s dann.

Der dritte Mann, den ich treffe, heißt Louis und trägt eine sehr schöne Brille mit Titanrahmen. Ich mag ihn auf Anhieb, obwohl er zur Begrüßung: »Wow, Sie sind hübscher als auf Ihrem Bild« sagt, woraufhin ich mich frage, ob ich es mit dem ganzen Fotoding nicht vielleicht etwas untertrieben habe. Er ist Professor für jüdisch-amerikanische Literatur an der University of Miami, und er erzählt mir, dass er Marathons gelaufen ist, bis er Hüftprobleme bekommen hat und nun Halbmarathons läuft. Er fragt mich, ob ich Sport mache, und ich antworte, ja, ich unterrichte Pilates für Senioren, vielleicht kann ich ihm mit seinen Beugemuskeln helfen? Er sagt, ich wette, das könnten Sie, oder etwas in der Art. Und dann, um zu zeigen, dass wir keine Affen sind, plaudern wir über Bücher. Ich sage, ich liebe Philip Roth, obwohl das wahrscheinlich ein Klischee für eine Frau meines Alters und meiner gesellschaftlichen Schicht ist. Er sagt, nein, Philip Roth sei wunderbar. Er hätte einmal eine öffentliche Vorlesung über die Bücher von Philip Roth gehalten, und Philip Roth sei gekommen und hätte sich in die erste Reihe gesetzt! Philip Roth hätte sich die ganze Veranstaltung angehört, gelegentlich genickt, seine langen Beine übereinandergeschlagen, gelöst und wieder übereinandergeschlagen und sei nach Ende der Vorlesung verschwunden, ohne ein Wort zu sagen.

»Hat es ihm gefallen?«, frage ich. »War er beleidigt?«

Louis sagt, das würde er nie erfahren, und es würde eins der größten Rätsel seines Lebens bleiben.

Ich sage: »Philip Roth hat lange Beine?«

Er sagt: »Nicht so lang wie meine, Rach.«

Flirten ist schön.

Und dann fragt er mich, ob ich Kinder habe, und ich sage, ich habe eine Tochter namens Aviva. Und er sagt, Aviva, das bedeutet Frühling oder Unschuld auf Hebräisch, welch schöner Name. Und ich sage, ich weiß, deswegen haben ihn mein Ex-Mann und ich ausgewählt. Und er sagt, er habe noch nicht viele Avivas kennengelernt, der Name sei nicht sehr geläufig, er kenne nur das Mädchen, das mit dem Kongressabgeordneten Levin in Schwierigkeiten geraten war. Erinnern Sie sich an die ganze mishegoss?

»Hm«, sage ich.

Er sagt: »Es war eine Schande für Südflorida, eine Schande für die Juden, eine Schande für Politiker – sollte es so etwas geben – und eine Schande für die Zivilisation im Allgemeinen.«

Er sagt: »Erinnern Sie sich wirklich nicht mehr daran? Im Jahr 2001 tauchte es jeden Tag in den Nachrichten auf, bis dann der elfte September kam und die Dame in Vergessenheit geriet.«

Er sagt: »Ich wünschte, ich könnte mich an ihren Nachnamen erinnern. Erinnern Sie sich wirklich nicht mehr? Rach, sie war wie Monica Lewinsky. Das Mädchen wusste, dass er verheiratet war und hat ihn verführt. Ich glaube, sie fühlte sich vom Rampenlicht angezogen. Oder vielleicht war sie unsicher. Sie war nuttig und ein wenig mollig – eine dieser Frauen, mit dem ach so hübschen Gesicht –, deswegen hat es vielleicht ihr Selbstbewusstsein gesteigert, einen Mann wie Levin für sich zu gewinnen. Ich empfinde für solche Menschen nicht viel Mitleid. Verdammt, wenn ich mich nur an ihren Nachnamen erinnern könnte.«

Er sagt: »Es ist wirklich eine Schande. Levin war ein ordentlicher Kongressabgeordneter. Er hätte der erste jüdische Präsident sein können, wenn dieses farkakte Mädchen nicht gewesen wäre.«

Er sagt: »Wissen Sie, wer mir leidtut? Ihre Eltern.«

Er sagt: »Ich frage mich, was wohl aus diesem Mädchen geworden ist. Ich meine, wer würde sie jemals anstellen? Wer würde sie heiraten?«

Er sagt: »Grossman! Aviva Grossman! So heißt sie!«

Und ich sage: »So heißt sie.«

Ich entschuldige mich, und als ich zurückkomme, bitte ich den Kellner, mir den Rest meiner Paella einzupacken, die sehr gut ist und viel zu viel für eine Person. Einige Restaurants knausern mit dem Safran, aber nicht das La Gamba. Man kann Paella nicht in der Mikrowelle aufwärmen, auf dem Herd jedoch geht das ganz passabel. Ich will die Rechnung durch zwei teilen, doch Louis meint, er möchte zahlen. Aber ich bestehe darauf. Ich lasse einen Mann nur für mich zahlen, wenn ich ihn wiedersehen will. Roz sagt, das sei entweder feministisch oder das Gegenteil von feministisch, ich hingegen finde, es gehört einfach zum guten Ton.

Wir gehen zum Parkplatz, und er fragt mich: »Ist etwas passiert? Habe ich etwas Falsches gesagt? Ich fand, alles lief sehr gut mit uns, bis es plötzlich nicht mehr gut lief.«

Ich sage: »Ich mag Sie einfach nicht«, und steige in mein Auto.

ZWEI

Ich wohne in einer Eigentumswohnung am Strand mit drei Zimmern. Ich höre das Meer, und alles ist so, wie es mir gefällt, was das Beste am Alleinleben ist. Selbst wenn man mit einem Arzt verheiratet ist, der die meiste Zeit über nicht da ist, denkt er dennoch, er müsste sich in Einrichtungsfragen einmischen. Und seine Meinung lautet wie folgt: Ich denke, ich fände ein maskulineres Bett besser, und: Auf jeden Fall Verdunkelungsvorhänge, du weißt ja um meinen Schichtdienst, und: Sicher, es ist schön, aber wird es nicht schmutzig? Doch nun ist meine Couch weiß, meine Vorhänge sind weiß, meine Bettdecke ist weiß, meine Arbeitsplatten sind weiß, meine Kleidung ist weiß, alles ist weiß, und, nein, es wird nicht schmutzig, ich passe gut auf. Ich habe die Wohnung gekauft, als der Immobilienmarkt am Boden war – bei Immobilien habe ich immer Glück gehabt, wenn auch sonst nirgendwo – und sie ist nun dreimal so viel wert. Ich könnte sie mit einem Mordsprofit verkaufen, aber ganz ehrlich, wo sollte ich hin? Sagen Sie mir, wo sollte ich hin?

Als ich noch verheiratet und Aviva klein war, wohnten wir am anderen Ende der Stadt in einer Minivilla im toskanischen Stil im Forestgreen Country Club, einer umzäunten Wohnanlage. Nun, wo ich nicht mehr dort lebe, kann ich zugeben, dass mich die Gitter immer gestört haben – wir wohnten in Boca Raton, wen wollten wir aussperren? In Forestgreen wurden die Leute trotzdem immer ausgeraubt. Die Gitter schienen Diebe anzuziehen. Wenn man einen Zaun errichtet, denken die Leute, dass sich etwas Wertvolles dahinter verbirgt. Aber ich habe Roz in Forestgreen kennengelernt, die eine Weile meine beste Freundin war, lassen Sie sich das gesagt sein. Und dort haben wir auch die Levins kennengelernt. Die Levins sind dorthin gezogen, als Aviva im ersten Jahr auf der Highschool war, sie war vierzehn.

Als wir ihn kennenlernten, war Aaron Levin ein kleiner Staatssenator. Seine Frau Embeth war diejenige, die das Geld verdiente – sie arbeitete als Unternehmensjuristin für ein Krankenhauskonglomerat in Südflorida. Roz’ Spitzname für Aaron Levin lautete »jüdischer Superman« oder »Jewperman«. Und, ganz ehrlich, so sah er aus. Er war knapp eins neunzig groß in seinen New Balances, hatte schwarzes, lockiges Haar, blaugrüne Augen und ein breites, freundliches, dämliches Lächeln. Der Mann konnte ein Frackhemd tragen. Er war nach Annapolis gegangen, hatte bei der Navy gedient, was man an seinem breiten Kreuz sehen konnte. Er war einige Jahre jünger als Roz und ich, aber nicht so jung, dass Roz und ich nicht gerne darüber witzelten, eine von uns sollte versuchen, mit ihm zu schlafen.

Seine Frau, Embeth, sah immer unglücklich aus. Sie hatte einen dünnen Ober- und einen kräftigen Unterkörper, kräftige Waden und Hüften, knubbelige Knie. Wie diese Frau gelitten haben muss, damit ihr braunes, lockiges Haar ein gerader blonder Bob blieb. Roz pflegte zu sagen: »In dieser Feuchtigkeit, oy vey iz mir, ist eine derartige Frisur nahezu verrückt.«

Um es einmal gesagt zu haben: Ich habe versucht, mich mit Embeth anzufreunden, aber sie hatte kein Interesse. (Das lag nicht nur an mir, weil Roz es auch probiert hat.) Mike und ich hatten sie zweimal zum Abendessen eingeladen. Beim ersten Mal hatte ich Rinderbrust gemacht, was den ganzen Tag dauert. Selbst mit voll aufgedrehter Klimaanlage hatte ich in meinem schulterlosen Kleid von Donna Karan geschwitzt. Beim zweiten Mal habe ich mit Ahorn glasierten Lachs gemacht. Keine große Sache. Fünfzehn Minuten lang marinieren, dreißig Minuten in den Herd und fertig. Embeth hat die Einladung nie erwidert. Ich kann zwischen den Zeilen lesen. Als Aviva dann in der elften Klasse war, kandidierte Aaron Levin für den Kongress, die Familie zog nach Miami, und ich dachte, ich würde sie nie wieder sehen oder von ihnen hören. In einem Leben hat man viele Nachbarn, aber nur wenige werden zu einer Roz Horowitz.

Aber ich grübele nicht schon den ganzen Tag über Roz nach, sondern über die Levins, und ich grübele immer noch über sie nach, als das Telefon klingelt. Die Geschichtslehrerin der öffentlichen Schule ist dran und will wissen, ob ich die Tochter von Esther Shapiro bin. Sie hat versucht, Mom zu erreichen, um sie zu fragen, ob sie am Tag der Überlebenden an der Highschool sprechen könne, aber Mom hätte weder SMS noch Anrufe beantwortet. Ich erkläre ihr, dass Mom vor etwa sechs Monaten einen ziemlich verheerenden Schlaganfall hatte. Also nein, Esther Shapiro wird nicht am Tag der Überlebenden teilnehmen können. Sie werden sich dieses Jahr andere Überlebende suchen müssen.

Die Geschichtslehrerin fängt an zu weinen – nervig, sie lässt sich gehen – und sagt, dass es immer schwieriger werde, genügend Überlebende zu finden, selbst hier in Boca Raton, wo etwa zweiundneunzig Prozent Juden leben. Es ist der wohl jüdischste Ort der Welt abgesehen von Israel. Vor zwanzig Jahren, als sie mit dem Tag der Überlebenden angefangen hat, war es einfach, sagt sie, aber wer ist nun noch übrig? Vielleicht überlebt man Krebs, vielleicht überlebt man den Holocaust, aber das Leben überlebt man nie.

An dem Nachmittag besuche ich Mom im Pflegeheim, das nach einer Mischung aus Schulkantine und Tod riecht. Moms Hand ist schlaff, und ihre linke Gesichtshälfte ist zusammengefallen. Warum soll ich denn ein Blatt vor den Mund nehmen? Sie sieht aus, wie man nach einem Schlaganfall aussieht.

Ich erkläre ihr, dass diese weinerliche Lehrerin nach ihr gefragt habe, und Mom versucht, etwas zu sagen, aber es kommen nur Vokale und keine Konsonanten heraus, und vielleicht bin ich eine schlechte Tochter, aber ich verstehe es nicht. Ich erzähle ihr, dass ich fast ein sehr gutes Date gehabt hätte, bis der Mann – völlig aus dem Nichts heraus – Aviva beleidigte. Und Mom macht ein undurchschaubares Gesicht. Und ich sage, ich vermisse Aviva. Ich sage das nur, weil ich weiß: Mom kann nichts erwidern.

Als ich das Pflegeheim verlasse, kommt Moms jüngere Schwester Mimmy gerade an. Mimmy ist der fröhlichste Mensch, den ich kenne, aber man kann ihr nicht immer vertrauen. Vielleicht ist das unfair. Vielleicht kann man Mimmy doch vertrauen, aber ich vertraue Fröhlichkeit im Allgemeinen nicht. Mimmy legt ihre üppigen Winkearme um mich. (Als wir noch Kinder waren, nannten mein Bruder und ich solche Arme Hadassah-Arme.) Mimmy sagt, dass Mom nach Aviva gefragt habe.

»Wie genau darf ich mir das vorstellen, Mimmy?«, frage ich. Mom kann nichts sagen.

»Sie hat ihren Namen gesagt. Sie meinte AH-WIEH-WAH«, beharrt Mimmy.

»Drei ganze Silben? Das bezweifle ich zutiefst. Außerdem hört sich alles, was Mom sagt, wie ›Aviva‹ an.«

Mimmy sagt, sie möchte sich nicht mit mir streiten, weil wir langsam Pläne für die Feier zu Moms fünfundachtzigstem Geburtstag machen müssen. Mimmy weiß nicht, ob wir die Feier hier im Pflegeheim ausrichten sollen, das nicht ihr Zuhause ist, oder ob Mom gesund genug ist, um woandershin zu fahren. Ganz offensichtlich denkt Mimmy, es wäre besser, die Party anderswo, wo es malerischer ist, abzuhalten – im Boca Raton Museum of Arts oder in diesem hübschen Restaurant im Mizner Park, wo man so schön brunchen kann, oder in meiner Wohnung. »Deine Wohnung ist umwerfend«, sagt Mimmy.

Ich sage: »Tante Mimmy, denkst du, dass Mom überhaupt eine Party möchte?«

Mimmy sagt: »Auf dieser Erde gibt es niemanden, der lieber Feste feiert als deine Mutter.«

Ich frage mich, ob Mimmy und ich von derselben Frau sprechen. Ich hatte Mom früher einmal gefragt, ob sie und Daddy glücklich gewesen waren. »Er war ein guter Versorger. Er war gut zu dir und deinem Bruder. Glücklich?«, fragte meine Mutter. Ich will nur sagen, dass ich zum millionsten Mal daran erinnert werde: Es ist etwas völlig anderes, die Schwester einer Frau zu sein als ihre Tochter.

Ich sage: »Mimmy, ist der Zeitpunkt wirklich passend für eine Party?«

Mimmy schaut mich an, als wäre ich der bedauernswerteste Mensch, den sie jemals getroffen hat. »Rachel Shapiro«, sagt sie, »für eine Party gibt es keinen falschen Zeitpunkt.«

DREI

Irgendwann vor dem Ende meiner Ehe fuhren Mike und ich zur University of Miami zum Mittagessen mit Aviva, die meinte, sie hätte uns etwas mitzuteilen. Zwar einige Semester zu spät, hatte sie sich nun endlich für Hauptfächer entschieden: spanische Literatur und Politikwissenschaften.

Mike sagte, das würde sich beeindruckend anhören, aber er war immer so ein Softie, wenn es um Aviva ging. Ich war diejenige, die sie fragen musste, was sie mit einem derartigen Abschluss vorhatte, der sich nach viel Nada anhörte. Ich hatte Visionen von meiner Tochter, die für immer in ihrem Kinderzimmer leben würde.

Aviva sagte: »Ich werde Politikerin.« Spanische Literatur, erklärte sie, hatte sie ausgewählt, weil sie beobachtet hatte, dass jeder fließend Spanisch sprach, der in unserem Teil des Landes Wahlen gewann. Warum sie sich für Politikwissenschaften entschieden hatte, wäre ja wohl klar, meinte sie.

»Politik ist ein schmutziges Geschäft«, sagte Mike.

»Ich weiß, Daddy«, sagte Aviva und küsste ihn auf die Wange. Dann fragte sie Mike, ob er immer noch mit dem Kongressabgeordneten Levin in Kontakt stehe. Obwohl unsere Nachbarschaft mit den Levins schon eine Weile her war, hatte Mike vor etwa einem Jahr Levins Mutter am Herz operiert. Aviva hoffte, diese Verbindung würde ihr einen Einsteigerjob oder ein Praktikum verschaffen.

Mike meinte, er würde Levin am nächsten Tag anrufen, was er auch tat. Wenn es um Aviva ging, war Mike mehr als zuverlässig. Sie war Daddys kleines Mädchen. Ich finde den Begriff jüdisch-amerikanische Prinzessin beleidigend, aber wenn die Tiara passt … Jedenfalls sprach Mike mit Levin, und Levin nannte Mike den Namen von jemandem in seinem Büro, und Aviva bekam einen Job beim Kongressabgeordneten Levin.

Damals war ich stellvertretende Schulleiterin der Boca Raton Jewish Academy, die Schüler vom Kindergarten bis zur zwölften Klasse besuchen. Ich hatte diesen Job seit zehn Jahren, und ein Grund, aus dem ich in jenem Herbst nicht häufig nach Miami gefahren war, war, dass mein Boss, Direktor Fischer, beim Flachlegen eines Mädchens aus der Oberstufe erwischt worden war. Die Kleine war schon achtzehn, aber trotzdem … Als erwachsener Mann und Pädagoge sollte er wissen, wie er seinen Schlong in der Hose lassen kann. Eli Fischer war törichterweise fest entschlossen, seinen Job zu behalten, und wollte, dass ich mich bei unserem Vorstand für ihn einsetze. »Sie kennen mich«, sagte Fischer. »Bitte, Rachel.«

Ich kannte ihn tatsächlich, deswegen wies ich den Vorstand an, Fischer umgehend zu entlassen. Während sie nach Ersatz suchten, wurde ich Schulleiterin der BRJA, die erste Frau, die diese Stelle jemals besetzt hatte, wozu auch immer solche Entscheidungen gut sein sollen.

Als Fischer seinen Schreibtisch aufräumte, gab ich ihm einen Cookie. Es war ein Friedensangebot, aber auch ein Vorwand, weil ich sehen wollte, wie er mit dem Packen vorankam. Ich wollte ihn aus meinem zukünftigen Büro heraushaben. Er öffnete die weiße Tüte aus Wachspapier und schmiss mir das Gebäck an den Kopf, wie ein Frisbee. »Judas!«, schrie er. Ich bückte mich gerade noch rechtzeitig. Der Cookie war von King’s und hatte einen Durchmesser von fünfzehn Zentimetern und beinahe die gleiche Konsistenz wie ein Petit Four. Was für ein dummer Mann.

Als ich Aviva an Thanksgiving sah, hatte sie ein wenig abgenommen, ansonsten war sie rosig und glücklich, deswegen nahm ich bloß an, dass ihr die Arbeit guttat. Vielleicht hat Aviva ihre Berufung gefunden, dachte ich. Vielleicht ist die Politik ihre Berufung? Ich stellte mir vor, irgendwo bei ihrer Amtseinführung zu sein und mir die Augen mit einem rot-weiß-blauen Seidentaschentuch von Hermès abzuwischen. Aviva war immer schon ein aufgewecktes Mädchen gewesen, aber ihre Interessen gingen in viele Richtungen, wie Sonenstrahlen oder ein Beutel Murmeln, der auf den Boden fällt – vielleicht ist das einfach die Jugend? Ich fragte sie: »Du arbeitest also gern mit dem Kongressabgeordneten Levin zusammen?«

Aviva lachte. »Ich arbeite nicht unmittelbar mit ihm zusammen, nein.«

»Was machst du denn dann?«

»Es ist langweilig«, sagte sie.

»Für mich nicht! Dein erster richtiger Job!«

»Ich werde nicht bezahlt«, sagte sie. »Deswegen ist es kein echter Job.«

»Dennoch finde ich es aufregend«, entgegnete ich. »Erzähle mir von deinen Aufgaben, meine liebe Tochter.«

»Ich hole Bagel«, antwortete sie.

»Und was sonst noch?«

»Sie schicken mich zu Kinko’s.«

»Aber was lernst du?«, fragte ich.

»Wie man doppelseitig fotokopiert«, sagte sie. »Wie man Kaffee macht.«

»Aviva, komm schon, erzähl mir eine gute Story, die ich Roz erzählen kann.«

»Ich habe diese Stelle nicht angenommen, damit sich Roz Horowitz gute Geschichten anhören kann.«

»Etwas über Levin.«

»Mom«, sagte sie ungeduldig. »Ich habe nichts zu erzählen. Levin ist in D. C. Ich arbeite hauptsächlich mit den Mitarbeitern des Wahlkampfkomitees zusammen. Alles dreht sich nur ums Geldsammeln, und jeder hasst Geldsammeln, aber sie glauben an das, was sie tun, und sie glauben an Levin, und ich denke, deswegen ist das alles richtig.«

»Also gefällt es dir?«

Sie atmete tief ein. »Mommy, ich habe mich verliebt.«

Eine Sekunde lang dachte ich, wir würden immer noch über den Job reden, sie würde also sagen, sie hätte sich in die Politik verliebt. Dann wurde mir klar, dass das nicht stimmte.

»Es ist noch frisch«, sagte sie. »Aber ich glaube, ich liebe ihn.«

»Wer ist es?«, fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf. »Er ist gut aussehend. Er ist Jude. Ich will nicht zu viel verraten.«

»Hast du ihn an der Uni getroffen?«

»Ich möchte nicht zu viel verraten.«

»Okay«, meinte ich. »Dann verrat mir nur eines: Liebt er dich auch?«

Aviva errötete. Das sah reizend aus, wie damals, als sie noch ein Baby war und Fieber hatte. »Vielleicht.«

Sie verschwieg etwas. Es ist wahrscheinlich offensichtlich, was sie nicht sagte, doch mir fiel es nicht auf. Sie war erst zwanzig Jahre alt, noch ein Kind, ein gutes Mädchen. Ich glaubte nicht, dass meine Aviva in so etwas Schmutziges verwickelt werden konnte. Ich glaubte an sie.

»Wie alt ist er?«, fragte ich. Das Schlimmste für mich war, dass er älter sein könnte.

»Älter«, sagte sie.

»Wie viel älter?«

»Nicht so alt wie Daddy.«

»Na immerhin«, sagte ich.

»Mom, er ist verheiratet«, sagte Aviva.

O Gott, dachte ich.

»Aber er ist unglücklich«, meinte sie.

»Liebes, ich kann es dir nicht eindrücklich genug raten – bitte misch dich nicht in die Ehen anderer Leute ein.«

»Ich weiß«, sagte sie. »Ich weiß.«

»Wirklich? In diesem und im nächsten Leben hast du nur deinen guten Ruf.«

Aviva fing an zu weinen. »Deswegen musste ich es dir erzählen. Ich schäme mich so.«

»Du musst es beenden, Aviva. Das kann so nicht weitergehen.«

»Ich weiß«, sagte sie.

»Hör auf ›Ich weiß‹ zu sagen! ›Ich weiß‹ bedeutet nichts. Sag ›Ich werde es machen‹, und dann mach es. Bislang ist noch nichts passiert. Außer mir weiß niemand davon.«

»Okay, Mom. Ich werde es machen. Versprich mir, dass du Daddy nichts erzählst.«

AM VIERTEN ODER fünften Abend von Chanukka fuhr ich nach Miami, um sicherzugehen, dass Aviva den verheirateten Mann verlassen hatte. Ich hatte Angst, deswegen übertrieb ich es mit den Geschenken für Avivas Studentenwohnheim. Ich kaufte eine elektrische Menora und eine Netztasche voller goldener Schokoladentaler und neue Handtücher von Bloomingdale’s (ich zahlte sieben Dollar pro Handtuch für ein Monogramm), und zwei Amerikaner von King’s, weil das seit ihrer Kindheit ihr Lieblingsgebäck war.

»Und?«, fragte ich.

»Mom«, sagte sie, »die Ehe ist am Ende, aber er kann sich im Augenblick nicht von der Frau trennen. Der Zeitpunkt ist ungünstig.«

»Oh, Aviva«, sagte ich. »Das sagt jeder verheiratete Mann. Er wird sich nie von der Frau trennen. Nie.«

»Nein«, entgegnete Aviva, »es stimmt. Er hat einen sehr guten Grund, sich gerade nicht zu trennen.«

»Ach ja«, antwortete ich. »Welchen denn?«

»Das kann ich dir nicht sagen«, sagte sie.

»Warum nicht? Ich möchte diesen sehr guten Grund hören.«

»Mom«, sagte sie.

»Wie kann ich dir einen Rat geben, wenn ich die Einzelheiten nicht kenne?«

»Wenn ich dir den Grund nenne, weißt du, wer er ist.«

»Vielleicht nicht.«

»Doch, auf jeden Fall.«

»Dann sag’s mir doch. Was für einen Unterschied macht es, wenn ich weiß, wer er ist? Ich werde es niemandem sagen. Ich werde in dieser Sache schweigen wie ein Grab.«

»Der Grund lautet« – sie hält inne – »der Grund lautet, dass er mitten in einer Kampagne zur Wiederwahl steckt.«

»O Gott«, sagte ich. »Bitte beende das. Aviva, du musst es beenden. Denk an seine Frau …«

»Sie ist furchtbar«, sagte Aviva. »Das hast du selbst immer gesagt.«

»Dann denk an seine Söhne. Denk an seine Wähler, an die Menschen, die für ihn gestimmt haben. Denk an seine Karriere. Denk an deine eigene! Denk an deinen Ruf! Und wenn das noch nicht reicht, denk an Daddy und mich und an Grandma!«

»Sei keine Dramaqueen. Das wird nie jemand herausfinden. Wir werden es geheim halten, bis er sich scheiden lassen kann«, sagte Aviva.

»Bitte, Aviva. Hör mir zu. Du musst es beenden. Oder falls du es nicht beenden kannst, musst du es auf Eis legen, bis er sich scheiden lässt. Wenn es wirklich Liebe ist, wird es bis nächstes Jahr halten.«

Aviva nickte, als würde sie darüber nachdenken, und ich dachte, ich würde vielleicht zu ihr durchdringen. Sie küsste mich auf die Wange. »Mach dir keine Sorgen. Ich werde vorsichtig sein.« So fühlt es sich wohl an, wenn sich sein Kind einer Sekte anschließt.

In jener Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich meldete mich bei der Arbeit krank, was ich nie mache, weil ich nie krank bin, und obwohl ich damals achtundvierzig Jahre alt war, ging ich Rat suchend zu meiner eigenen Mutter.

»Mom«, sagte ich. »Aviva ist in Schwierigkeiten.« Ich beschrieb meiner Mutter die Lage.

»Aviva ist schlau«, sagte Mom schließlich, »aber sie ist jung und weiß nicht, was sie nicht weiß. Geh zu Levins Frau. Du kennst sie und kannst um ein Treffen bitten. Die Frau wird den Kongressabgeordneten zur Vernunft bringen.«

»Aber ist das kein Vertrauensbruch?«

»Kurzfristig wird Aviva verletzt sein, aber eben nur kurz. Es ist zu ihrem Besten.«

»Soll ich Aviva sagen, dass ich das vorhabe?«, fragte ich.

»Das bleibt dir überlassen, aber ich würde es nicht machen. Sie wird es nicht verstehen. Sie wird die Dinge nicht aus deiner Perspektive wahrnehmen, und auch wenn es kein Vertrauensbruch ist, wird sie es so auffassen. Wenn du es ihr nicht sagst, wird sie wahrscheinlich nie herausfinden, dass du es warst.«

Kurz vor meiner Hochzeit mit Mike sind meine Mutter und ich gemeinsam Brautschuhe kaufen gegangen. Und ich erinnere mich an den Gedanken: Was soll das? Muss ich wirklich weiße Schuhe tragen? Doch dann sah ich strassbesetzte Pumps mit einem acht Zentimeter hohen Stilettoabsatz. »Mom«, sagte ich, »schau dir diese Schönheiten an.«

»Hm«, sagte sie.

»Was?«, fragte ich. »Sie sind toll.«

»Sie sind hübsch«, entgegnete sie. »Aber dein Kleid reicht bis zum Boden. Niemand wird deine Schuhe sehen. Du kannst also auch einfach etwas Bequemes tragen.«

»Ich weiß, dass sie da sind«, sagte ich.

Sie zog ihren typischen Flunsch.

»Ich habe Schuhgröße neununddreißig«, erklärte ich dem Verkäufer.

Ich probierte sie an und entschied, dass sie erträglich schmerzhaft waren.

»Ihre Beine sehen großartig aus«, sagte der Verkäufer.

»Niemand wird ihre Beine sehen«, erklärte Mom. »Kannst du überhaupt gehen?«

Ich ging.

»Diese winzigen Babyschrittchen. Du siehst aus, als würdest du hinken«, sagte sie.

»Ich fühle mich wie Aschenputtel«, entgegnete ich. »Ich nehme sie.«

»Diese Schuhe sind eine Investition«, sagte der Verkäufer.

Meine Mutter schnaubte laut und deutlich.

»Diese Schuhe werden Sie Ihr ganzes Leben lang tragen«, erklärte der Verkäufer.

»Sie werden dein ganzes Leben lang in deinem Schrank stehen«, sagte Mom. »Du wirst sie nie wieder anziehen.«

»Wenn man solche Schuhe besitzt, wird man Gelegenheiten finden, sie zu tragen«, sagte der Verkäufer.

»Du musst sie nicht bezahlen«, erklärte ich meiner Mutter und legte meine Kreditkarte auf den Tresen.

Im Auto sagte meine Mutter: »Rachel …«

»Hör schon mit den Schuhen auf. Das ist jetzt erledigt. Sie sind bezahlt«, sagte ich.

»Darum geht es nicht. Ich weiß nicht, warum ich so sauer über die Schuhe war. Wenn du sie so toll findest, sollst du sie haben. Ich wollte sagen, dass« – sie hielt kurz inne – »du ihn ebenso gut nicht heiraten könntest.«

»Was?«

»Ich glaube, ich meine, du könntest ihn heiraten oder eben nicht.« Sie sagte das beiläufig, als würde sie entweder Sandwiches oder Suppe zum Abendessen vorschlagen, es war ihr egal.

»Willst du damit sagen, du magst ihn nicht?«, fragte ich.

»Nein, er ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Aber während ich darüber nachdenke, wollte ich dir aufzeigen, dass man eine Hochzeit ebenso gut absagen wie durchziehen kann.«

»Wie bitte?«

»Ich will darauf hinaus, dass es verlockend ist«, sagte sie. »Es ist sicherlich verlockend, etwas durchzuziehen, weil man bereits angefangen hat. Denk an Hitler, Rachel.«

Mom hasste niemanden mehr als Hitler. Sein Name fiel selten, wenn sie ihn aber aussprach, ging es um Situationen, die sie als äußerst gravierend einschätzte. »Ich weiß nicht, worauf du damit hinauswillst, Mutter.«

»Vielleicht hatte dieses Stück Scheiße zu einem gewissen Zeitpunkt Zweifel wegen der Endlösung. Vielleicht nicht, er war nicht gerade für Selbstreflexion bekannt, aber man weiß nie. Aber vielleicht hat er sich nach einer oder zwei Millionen Juden in seinem geheimen, kranken Herzen gesagt: ›Das reicht. Das löst keine Probleme. Es erschafft eher welche! Ich weiß nicht, warum ich das jemals für eine gute Idee gehalten habe.‹ Aber da hatte er den Ball schon ins Rollen gebracht, deswegen …«

»Vergleichst du Mike ernsthaft mit Hitler?«

»Nein, in dieser Metapher bist du Hitler, und deine Hochzeit ist die Endlösung, und ich bin die gute Deutsche, die nicht tatenlos zusehen möchte.«

»Mutter!«

»Nimm es nicht so wörtlich. Es ist eine Geschichte. Menschen verwenden Geschichten, um ihren Standpunt klarzumachen.«

»Aber nicht du! Du machst das nicht. Nicht mit Hitler!«

»Beruhige dich, Rachel.«

»Warum sagst du das? Weißt du etwas über Mike?«

Dies kam von derselben Frau, die sagte, sie wüsste letztendlich nicht, was Glück ist. Ich konnte mir nicht vorstellen, wo dies herkam.

»Ich weiß nichts«, sagte sie.

»Du wirkst, als würdest du etwas wissen.«

»Ich weiß nichts«, sagte sie. Sie nahm eine Blechdose mit französischen Zitronenbonbons aus ihrer Tasche. Meine Mutter ging nie ohne Süßigkeiten aus dem Haus. »Möchtest du eins?«

»Nein.«

Schulterzuckend steckte sie die Dose wieder in die Tasche. »Ich weiß nichts«, wiederholte sie. »Aber vielleicht spüre ich, dass du nicht dauernd seine ganze Aufmerksamkeit hast.«

Meine Hände zitterten. »Worauf richtet er seine Aufmerksamkeit denn dann?«

»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Aber du bist eine freie Frau, liebe Tochter, und du hast deine Ansichten. Du hast die Schuhe gekauft, aber vielleicht trägst du sie stattdessen zur Oper. Sie würden sich wunderbar in der Oper machen. Das ist das Letzte, was ich dazu sage.« Sie lächelte und tätschelte mir den Oberschenkel. »Die Schuhe sind sehr schön.«

Ich habe die Schuhe bei meiner Hochzeit getragen, und ich habe mir auf dem Weg zur Synagoge den Knöchel verknackst. Ich habe während des gesamten Empfangs gehumpelt. Ich konnte gar nicht tanzen.

Die Ratschläge meiner Mutter hatten immer schon eine Berechtigung.

VIER

Ich hinterließ Embeth Levin eine umständliche Nachricht auf dem Anrufbeantworter. »Embeth, hier spricht deine alte Nachbarin Rachel Grossman« – ich war damals noch Rachel Grossman – »Rachel Grossman aus dem Forestgreen Country Club, vom Princeton Drive, aus Boca Raton, aus Florida, vom Planeten Erde, ha ha! Jedenfalls habe ich gerade an dich und die Kinder gedacht« – o Gott, so konnte man es auch ausdrücken – »und an damals, als sie noch klein waren, und ich habe mich gefragt, ob wir nicht gemeinsam mittagessen sollten, um uns mal wieder zu sehen und über alte Zeiten zu plaudern.«

Eine Woche verging, und sie hatte mich noch nicht zurückgerufen. Und warum sollte sie auch? Sie hatte meine Rinderbrust gegessen, sie hatte meinen Lachs gegessen, aber wir waren keine Freundinnen gewesen. Ich entschied mich, sie bei ihrer Arbeit anzurufen. Ihr Assistent stellte mich in die Warteschleife. Dort erklang Musik des Weihnachtsalbums der Drei Tenöre, und ich erinnere mich, dass ich mindestens zwei Versionen des Ave Maria gehört habe, bis der Assistent wieder dran war. »Embeth ist in einem Meeting«, sagte er.

»Ist sie wirklich in einem Meeting?«, fragte ich.

»Selbstverständlich«, entgegnete er.

Ich fragte mich, ob ich ihr am besten einen anonymen Hinweis zu der Affäre schicken sollte. Aber wie konnte ich sicherstellen, dass nur sie allein die Botschaft sehen und sie nicht von jemand noch Indiskreterem abgefangen würde?

Ich überlegte, zu ihrem Büro zu fahren, das vierzig Minuten entfernt in Palm Beach lag, als Embeth mich zurückrief.

»Rachel, hallo«, sagte Embeth. »Dein Anruf hat mich überrascht. Wie geht es dir? Wie geht es Dr. Mike? Und Alisha?«

Normalerweise hätte mich ein derartiger Fehler beleidigt (Wir waren Nachbarn gewesen! Sie waren zu Avivas Bar Mizwa eingeladen gewesen!), doch in diesem Augenblick war ich erleichtert, dass sie sich nicht an Avivas Namen erinnerte. Es bedeutete, dass sie nichts von der Affäre wusste. »Aviva geht’s gut«, sagte ich. »Sie macht ein Praktikum im Büro des Kongressabgeordneten Levin.«

»Das wusste ich nicht«, sagte Embeth. »Das ist wunderbar.«

»Ja«, sagte ich.

Ich wusste, dass kein besserer Augenblick mehr kommen würde.

Aber ich konnte die Ehe einer Frau nicht am Telefon ruinieren.

»Wie wäre es mit einem Abendessen?«, fragte ich.

»Oh, Rachel«, sagte sie. »Das wäre grandios! Leider bin ich mit meiner Arbeit und der Wiederwahlkampagne meines Mannes äußerst beschäftigt.«

»Es könnte ganz kurz sein«, sagte ich. »Vielleicht nur Drinks.«

»Ich hätte frühestens diesen Sommer Zeit«, antwortete Embeth.

Ich musste mir einen Grund für ein Treffen ausdenken; etwas, das sie nicht ablehnen konnte. Ich erinnerte mich an das, was Aviva über die Kampagne und Geld gesagt hatte. Geld, dachte ich.

»Also, ich habe nicht nur angerufen, um zu hören, was es Neues gibt. Ich dachte, wir könnten über eine mögliche Spendenaktion sprechen«, sagte ich. »Ich weiß nicht, ob du es schon gehört hast, aber ich bin erst kürzlich zur Schulleiterin der BRJA ernannt worden und suche immer nach Möglichkeiten für unsere Schüler, jüdische Führungspersönlichkeiten kennenzulernen. Deswegen dachte ich: Wäre nicht eine bezahlte Abendveranstaltung mit dem Kongressabgeordneten Levin eine gute Idee? Unsere Schüler könnten ihn kennenlernen, wir könnten auch die Eltern einladen und daraus eine große Sache machen. Es wäre eine Win-win-Situation für uns und für Levin. Die Boca Raton Jewish Academy veranstaltet einen Abend mit jüdischen Führungspersönlichkeiten. Wäre das etwas, worüber wir sprechen können?«

Sie lachte. »Der Tierpfleger lässt mich nur zum Wahlkampf aus dem Gehege.« Ihre Stimme klang verlegen. »Wie wäre es mit einem Mittagessen nächsten Donnerstag?«, fragte sie.

Zur Feier des Tages kaufte ich mir bei Loehmann’s in St. John ein neues Kostüm. Schwarz mit Goldknöpfen und weißem Saum. Es war stark heruntergesetzt – der Stoff war schwer für Südflorida – und ungefähr in meiner Größe.

Man zog sich bei Loehmann’s in einer Gemeinschaftsumkleide um, deswegen gaben die anderen Einkäufer ihre Kommentare zu dem Anprobierten ab.

»Darin sehen Sie toll aus«, sagte eine ältere Frau (jünger als ich inzwischen) in BH, Unterhose und mit einer klobigen Kette aus Türkisen zu mir. »So schlank.«

»Das ist eigentlich nicht mein Stil«, antwortete ich. »Ich finde Ihre Kette schön.«

»Ich habe sie gekauft, als ich meinen Sohn in Taos, New Mexico, besucht habe«, erklärte sie.

»Dort soll es schön sein.«

»Es ist eine Wüste«, entgegnete sie. »Wenn Sie Wüste mögen, ist es schön dort.«

Ich schwenkte die Arme vor und zurück. Ich hatte den Eindruck, ich würde eine Rüstung tragen.

»Das Kostüm sieht wie für Sie gemacht aus«, sagte die ältere Frau.

Ich betrachtete mich im Spiegel. Die Frau im Kostüm sah altbacken und streng aus, wie eine Gefängnismatrone. Sie sah mir nicht ähnlich – genau das, was ich wollte.

Als ich im Restaurant ankam, war Embeth dort, und bei ihr saß der Direktor für Spendenbeschaffung des Kongressabgeordneten Levin. Ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Titel. Er hieß Jorge und wirkte wie ein sehr netter Mann, doch ich wollte ihn mit meiner Gabel erstechen. Wie ärgerlich, dass sie jemanden mitgebracht hatte! Ich musste über eine Spendenaktion sprechen, die ich gar nicht durchführen wollte. Nach quälenden fünfundvierzig Minuten beim Mittagessen sagte Embeth, sie müsse Jorge und mich mit der weiteren Planung allein lassen. »Das war reizend, Rachel. Schön, dass du mich aus dem Büro geholt hast.«

»Jetzt schon?«, fragte ich.

»Wir müssen es wiederholen«, sagte sie mit einer Stimme, die bedeutete, dass wir es nicht wiederholen mussten.

Sie ging, und als sie gerade den Restaurantleiter passierte, stand ich auf und sagte: »Jorge.«

»Ja«, antwortet er.

»Entschuldigen Sie mich, ich muss zur Toilette!« Ich wusste, dass ich unpassend deutlich auf meine Bedürfnisse hinwies, aber ich wollte nicht, dass er meine wahren Beweggründe erriet.

»Dafür benötigen Sie nicht meine Erlaubnis«, sagte er unbekümmert.

Gemessenen Schrittes ging ich Richtung WC, sobald ich jedoch am Restaurantchef und damit außer Jorges Sichtweite war, sprintete ich zum Parkplatz. Embeth war immer noch auf dem Weg zu ihrem Auto. Gott sei Dank, dachte ich. Ich rannte und schrie ihren Namen wie eine Verrückte: »Embeth! Embeth!«

Der Boden war so heiß, dass er fast wieder zu Teer wurde, mein Absatz sank ein. Ich fiel hin und schlug mir das Knie auf.

Durch meine Strumpfhose konnte ich glitzernde Steinchen sehen, die wie Diamanten in meiner Schürfwunde steckten.

»Rachel«, sagte sie. »O mein Gott, alles in Ordnung?«

Ich stand gleich wieder auf. »Alles okay. Der Boden klebt bloß. Was bin ich nur für ein Tollpatsch.«

»Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Ich glaube, du blutest«, sagte sie.

»Ja?« Ich lachte, als wäre mein eigenes Blut ein grandioser Witz.

Sie lächelte mich an. »Also, das hat wirklich Spaß gemacht. Schön, dass wir es geschafft haben. Wir sollten … Ja, du blutest tatsächlich. Vielleicht habe ich ein Pflaster.« Sie wühlte in ihrer Tasche, einer glänzenden fünfeckigen Ledertasche mit Zierecken aus Messing in der Größe eines kleinen Koffers. Im Notfall könnte diese Tasche als Waffe dienen.

»Du hast Pflaster dabei?« Sie sah nicht aus wie jemand, der Pflaster dabeihat.

»Ich habe Söhne«, sagte sie. »Ich bin praktisch eine ausgebildete Krankenschwester.« Sie wühlte weiter in ihrer Tasche.

»Alles in Ordnung«, entgegnete ich. »Wahrscheinlich ist es sowieso am besten, es an der Luft zu lassen. So kann es trocknen.«

»Nein«, sagte sie, »das ist ein Ammenmärchen. In den ersten fünf Tagen muss man eine Wunde feucht halten, dann heilt sie schneller und hinterlässt weniger Narben. Ich hab eins gefunden!« Sie reichte mir ein Pflaster mit Dinosauriern. »Du solltest die Wunde wirklich zuerst auswaschen.«

»Werde ich«, sagte ich.

»Vielleicht habe ich sogar noch Desinfektionsmittel.« Sie wühlte wieder in ihrer Tasche.

»Diese Tasche ist wie der Hut eines Zauberers«, sagte ich.

»Ha!«, entgegnete sie.

»Das reicht«, sagte ich. »Du hast mehr als genug getan.«

»Nun«, antwortete sie, »wir sollten das einmal wiederholen.«

Und ich erwiderte: »Ja, das sollten wir.«

Und sie sagte: »Wolltest du noch etwas?«

Ich wusste: Jetzt oder nie, aber ich hatte Schwierigkeiten, die Wörter herauszubringen. Derartige Neuigkeiten konnte man nicht höflich überbringen, deswegen sagte ich es einfach. »Dein Ehemann hat eine Affäre mit meiner Tochter, es tut mir leid.«

»Oh«, sagte sie. Der Klang dieser Silbe erinnerte mich an die gerade Linie auf einem Herzmonitor: schrill, aber endgültig, nach Tod klingend. Sie glättete ihr eigenes Kostüm von St. John, das marineblau war und meinem zum Verwechseln ähnlich sah, und fuhr sich mit den Fingern durch ihr geglättetes Vogelscheuchenhaar, das mit jeder Minute auf dem Parkplatz spröder aussah. »Warum gehst du nicht zu ihm?«

»Weil …« Weil meine Mutter meinte, ich solle zu dir gehen? Warum war ich nicht zu ihm gegangen? »Weil ich dachte, ich sollte es von Frau zu Frau regeln«, sagte ich.

»Weil du denkst, er würde es ohne einen Schubs von mir nicht beenden.«

»Ja.«

»Weil du nicht willst, dass deine Tochter weiß, dass du sie hintergangen hast?«, ergänzte Embeth. »Weil du willst, dass sie dich liebt, sie dich als ihre beste Freundin betrachtet.«

»Ja.«

»Weil sie eine Schlampe ist …«

»Komm schon. Sie ist nur ein verwirrtes Kind.«

»Weil sie eine Schlampe ist«, sagte sie, »und du ein Feigling.«

»Ja.«

»Weil du willst, dass die Sache beendet wird, und dachtest, ich wüsste, was zu tun ist.«

»Ja.«

»Weil du meinen Mann anschaust und mich anschaust und dann vermutest, dass ich das schon einmal alles mitgemacht habe. Stimmt das?«

»Es tut mir wirklich leid.«

»Natürlich tut es das. Ich werde mich darum kümmern«, sagte Embeth. »Und ich werde Jorge darüber informieren, dass keine Spendensammlung stattfinden wird. Ein Abend mit verdammten jüdischen Führungskräften! Wenn du das nächste Mal eine Ehe ruinieren willst, mach das bitte am Scheißtelefon.«

Ich fühlte mich schuldig, aber erleichtert. Ich hatte aus meinem Problem das Problem einer anderen gemacht. Ich ging wieder ins Restaurant und bestellte mir mit Jorge einen Wodka Tonic. Ich fragte ihn, wie es wäre, für die Levins zu arbeiten.

»Sie sind einfach wunderbar«, antwortete er, »tolle Leute. Die besten. Wir alle denken, dass sie durch die Decke gehen werden. Das sehen Sie genauso, oder?«

FÜNF

Nach Louis, dem Arschloch, entschied ich für mich, dass ich das Onlinedating eine Weile lassen würde und dass es in Ordnung sei, bei Roz und Tony, dem Glasmann, das dritte Rad am Wagen zu sein. Der Glasmann sagt, er habe gern zwei Frauen um sich, und eigentlich sei er ja das dritte Rad am Wagen, weil Roz’ und meine Freundschaft schon vor der Beziehung bestand.