Das wahre Leben von Billy the Kid - Pat F. Garrett - E-Book

Das wahre Leben von Billy the Kid E-Book

Pat F. Garrett

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Beschreibung

Wer war Billy the Kid, und wie kam es, daß der Kleinstadtjunge einer der berüchtigtsten Banditen des Wilden Westens wurde? Geboren im November 1859 als William Henry McCarty, begann Billy seine kriminelle Karriere bereits im Alter von zwölf Jahren, als er einen Mann im Zuge einer Kneipenschlägerei erstach. Danach fuhr er bis zu seinem Tode damit fort, Pferde und Vieh zu stehlen, zu spielen und zu morden. Er behauptete später, 21 Männer getötet zu haben, einen für jedes Jahr seines Lebens. Ob es wirklich so viele waren, ist nicht bekannt; aber es ist gewiss, dass er mehrere Männer getötet hat, dass er verhaftet und wegen Mordes zum Tode verurteilt wurde, bevor er die verhängnisvolle Flucht wagte, die ihm letztlich nicht die ersehnte Freiheit, sondern den Tod brachte. Mehr als 130 Jahre nach Billy the Kids Tod im Jahr 1881 erfreuen sich Bücher und Verfilmungen über diesen Gesetzlosen des Wilden Westens immer noch großer Beliebtheit. Und sie alle gehen auf eine Quelle zurück: "The Authentic Life of Billy the Kid", jene spannende Biographie, die nur acht Monate nach seinem Tod ausgerechnet von dem Mann veröffentlicht wurde, der ihn tötete, Sheriff Pat Garrett. Alle späteren Bücher und Verfilmungen, die sich auf Billy the Kid beziehen, basieren auf Garretts hier vorliegendem Buch, das uns Schritt für Schritt durch Billy the Kids Leben begleitet. Deutsche Erstausgabe.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

Kapitel

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Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

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Kapitel

Einleitung.

Nach wiederholten Anfragen von verschiedenen Seiten habe ich mich der Aufgabe gewidmet, eine wahre Geschichte des Lebens, der Abenteuer und des tragischen Todes von William H. Bonney, besser bekannt als „Billy The Kid“, zu schreiben, dessen verwegene Taten und blutige Verbrechen für einige Jahre die Bestürzung der einen Hälfte der Gesellschaft und die Bewunderung oder Verachtung der anderen Hälfte erregt haben.

Ich wurde zu dieser Arbeit gewissermaßen durch einen Drang angespornt, die tausend falschen Aussagen zu korrigieren, die in den öffentlichen Zeitungen und in gelb eingebundenen, billigen Romanen erschienen sind. Von den Letzteren sind der Öffentlichkeit nicht weniger als drei aufgezwungen worden, von denen jeder die Geschichte eines jeden Geächteten enthalten haben könnte, der jemals gelebt hat; doch sie sind meilenweit von der Wahrheit entfernt, was „The Kid“ betraf. Diese geben vor, seinen Namen, den Ort seiner Geburt, die Einzelheiten seines Werdegangs, und die Umstände, die ihn zu seinem verzweifelten Leben getrieben haben, zu offenbaren, und zählen hundert unmögliche Taten gefährlicher Verbrechen auf, die er nie beging, und an Orten, die er nie besuchte.

Ich wollte das Gedächtnis von „The Kid“ von denen gemeinerer Schurken trennen, deren Taten ihm zugeschrieben werden. Ich werde mich bemühen, seinem Charakter Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, alle Tugenden, die er besaß, zu würdigen – und er war keineswegs bar jeglicher Tugenden – , dabei aber nicht die verdiente Schmach für seine abscheulichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Gesetze aussparen.

Ich habe „The Kid“ persönlich vom sogenannten „Lincoln County War“ an, bis zum Augenblick seines Todes gekannt, zu welchem ich in der Erfüllung meiner offiziellen Pflicht das unglückliche Werkzeug war. Ich habe an Lagerfeuern, unterwegs in der Prärie und an vielen verschiedenen Orten abgerissene Berichte zu Ereignissen seines jungen und späteren Lebens erzählen gehört. Bei der Sammlung korrekter Informationen habe ich – seit „The Kids“ Tod – viele Personen befragt, mit denen er vertraut war und sich frei über seine Angelegenheiten unterhielt, und ich bin im täglichen Kontakt mit einem Freund, der im Jahre 1873 ein Gast im Haus von „The Kids“ Mutter, in Silver City, New Mexico, war. Dieser Mann hat Bonney von dieser Zeit an bis zu seinem Tod gut gekannt und den Lauf seines Lebens aufmerksam und nicht mit Gleichgültigkeit verfolgt. Ich stand in brieflichem Kontakt mit verschiedenen zuverlässigen Personen in New York, Kansas, Colorado, New Mexico, Arizona, Texas, Chihuahua, Sonora und anderen Staaten Mexikos, um die fehlenden Glieder seines Leben zu finden, und ich kann mit Gewißheit sagen, daß der Leser in meinem kleinen Buch einen wahren und präzisen Bericht der wichtigsten interessanten Ereignisse finden wird, ohne Übertreibungen oder Entschuldigungen.

Ich erhebe keinen Anspruch auf literarische Fähigkeiten, sondern biete an, dem Publikum in verständlicher Sprache „eine runde, ungeschönte“ Geschichte“ zu liefern, die ganz ohne überflüssige Worte auskommt. Die Wahrheit im Leben des jungen Bonney braucht keine in Blut getauchte Feder, um Schauder zu erregen und den Puls zum Rasen zu bringen. Unter dem Spitznamen „The Kid“ wurden seine blutigsten und verzweifeltsten Taten vollbracht – ein Name, der in den Annalen des wagemutigen Verbrechens fortleben wird, solange die von Dick Turpin und Claude Duval in Erinnerung bleiben. Bisher wurden hundert Bände geschrieben, die die Phantasie von einem Dutzend Autoren – Autoren, deren Handelsware eine lebhafte Vorstellungskraft war – erschöpften, um diesen beiden letzteren zur Unsterblichkeit zu verhelfen. Diese beglaubigte Geschichte von „The Kids“ Taten zeigt ihn bar jeglicher Übertreibung als jedem sagenhaften Räubers ebenbürtig, unerreicht in Wagemut, Geistesgegenwart, Hingabe an seine Verbündeten, Großzügigkeit gegenüber seinen Feinden, Tapferkeit, und all den Elementen, die an die höheren Gefühle appellieren, während jene, die in dargestellten Szenen des Schlachtens schwelgen wollten, fett darüber werden können, bis ihr morbider Appetit der blutigen Kämpfe und tödlichen Begegnungen überdrüssig geworden ist, und zwar ganz ohne Hilfe der Phantasie oder der Feder der Fiktion.

Ich riskiere den Vorwurf der Weitschweifigkeit, indem ich ein paar Worte (s. u.) hinzufüge, meine Ansprache an die Öffentlichkeit, eine Predigt, die (neben vielen anderen) kürzlich in einer Stadt im Osten von einem hervorragenden Geistlichen gepredigt wurde, in welchem „The Kid“ das eigentliche, wenn auch nicht das angekündigte, Thema war.

Wenngleich ich nicht vorhabe, meinen Lesern einen sensationellen Roman anzubieten, werden sie dennoch keine Sonntagsschulmoral finden, die „The Kid“ als ein Beispiel für Gottes Rache an der sündigen Jugend präsentiert. Die Tatsache, daß er log, fluchte, spielte, den Sabbat in seiner Kindheit brach, würde nur beweisen, daß Jugend und überschwengliche Menschlichkeit in dem Kind sehr rege waren. Er eiferte lediglich Tausenden seiner Vorgänger nach, die zu Männer heranwuchsen und beachtet und verehrt starben – einige für öffentliche und einige für häusliche Tugenden, andere für ihren überlegenen Intellekt und viele mehr für ihren Wohlstand – wie sie dies erlangten, wird die Gesellschaft niemals aufhören nachzufragen. Die kriminelle Karriere von „The Kid“ war nicht die Folge einer schlechten Veranlagung, noch wurde sie durch unkontrollierte jugendliche Entgleisungen verursacht; sie war das Ergebnis ungünstiger, unglücklicher Umstände, die auf einen kühnen, rücksichtslosen, unbeherrschten und unbeherrschbaren Geist einwirkten, den keine physische Zurückhaltung kontrollieren konnte, keine Gefahr abhalten und keine Kraft überwinden konnte, die weniger mächtig war als der Tod.

Die Ansichten, die in der erwähnten Predigt enthalten sind, sind in Sprache und Inhalt wie die streng religiösen „Blue Laws“ von Connecticut, und von vorsintflutlicher monotoner Argumentation. Die Verletzung der Sonntagsruhe wäre die einzige und unvermeidliche Ursache von „The Kids“ Morden, Raubüberfällen und seinem blutigen Tod. Dieser untadelige Moralapostel! „The Kid“ wußte nie, wann der Sonntag hier an der Grenze anbrach, höchstens zufällig, und dennoch wußte er so viel darüber wie einige hundert andere junge Männer, die den Ruf der mustergültigen Jugend genießen. Und angenommen, „The Kid“ hätte wissentlich die Sonntagsruhe verletzt? Er hatte Christus und seine Jünger als heilige Vorbilder, aber er beschränkte seine Plünderungen darauf, einen Haufen Vieh, das nicht sein eigenes war, zusammenzutreiben, statt sich am Maisfeld seines Nachbarn zu vergreifen und Maiskolben zu stehlen.

In „The Kid“ schlummerte der Teufel; es war ein gutmütiger, fröhlicher Kobold oder ein grausamer und blutrünstiger Teufel, ganz wie die Umstände es ergaben. Die Umstände begünstigten den schlechteren Engel, und „The Kid“ fiel.

Ein Dutzend eidesstattliche Erklärungen wurden mir zur Veröffentlichung angeboten, um die Wahrheit meiner Arbeit zu beglaubigen. Ich habe sie alle dankend abgelehnt. Laßt die Zweifler zweifeln.

Pat F. Garrett.

1. Kapitel.

Herkunft, Geburt, Kindheit und Jugend – Prophetische Warnzeichen im Alter von acht Jahren – Ein vorbildlicher junger Gentleman – Verteidiger der Hilflosen – Eine Mutter – „Heilige Natur“ – Ein junger Rabauke – Der erste Mord – Auf der Flucht – Abschied von Zuhause und dem Einfluß einer Mutter.

William H. Bonney, der Held dieser Geschichte, wurde am 23. November 1859 in der Stadt New York geboren. Über seinen Vater ist nur wenig bekannt, da er starb, als Billy noch sehr jung war und dieser sich kaum an ihn erinnerte. Im Jahr 1862 wanderte die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und zwei Söhnen, von denen Billy der Ältere war, nach Coffeyville, Kansas, aus. Kurz nachdem sie sich dort niedergelassen hatten, starb der Vater, und die Mutter zog mit ihren zwei Söhnen nach Colorado, wo sie einen Mann namens Antrim heiratete, der heute in oder in der Nähe von Georgetown im Grant County, New Mexico, leben soll, und der der einzige Überlebende der vierköpfigen Familie ist, die kurz nach der Heirat nach Santa Fe, New Mexico, umzog. Billy war damals vier oder fünf Jahre alt.

Diese Fakten sind alles, was aus Billys früher Kindheit bekannt ist, was bis zu diesem Zeitpunkt für den Leser von geringem Interesse sein dürfte.

Antrim blieb einige Jahre in der Nähe von Santa Fe, zumindest, bis Billy ungefähr acht Jahre alt war.

Hier zeigte der Junge einen rücksichtslosen und wagemutigen Geist, aber auch großzügige und zärtliche Gefühle, was ihn in seinen milde gestimmten Gemütslagen zu einem Liebling seiner jungen Kameraden machte, und sie in Furcht und Schrecken versetzte, wenn er einen Wutausbruch hatte. Hier wurde er ein geschickter Kartenspieler und erwarb sich die Achtung seiner Kameraden, indem er die Laster der Älteren erfolgreich nachahmte.

Es wurde behauptet, daß er in diesem zarten Alter in Santa Fe wegen Diebstahls verurteilt wurde, da aber eine sorgfältige Überprüfung der Gerichtsakten dieser Stadt das Gerücht nicht bestätigte, und Billy während seines gesamten späteren Lebens niemals wegen kleiner Diebstähle oder Kleinkriminalität angeklagt wurde, ist die Aussage anzuzweifeln.

Um das Jahr 1868 herum, als Billy acht oder neun Jahre alt war, zog Antrim wieder um und ließ sich in Silver City im Grant County, New Mexico, nieder. Von diesem Zeitpunkt an bis 1871, oder bis Billy zwölf Jahre alt war, zeigte er keine Eigenschaften, die seine gefährliche und unheilvolle Zukunft vorhersagten. Er war kühn, wagemutig und rücksichtslos, aber auch offenherzig, großzügig, mannhaft und ehrlich. Er war ein Liebling aller Schichten und Altersklassen, besonders geliebt und bewundert wurde er von den Alten und Altersschwachen, und den Jungen und Hilflosen. Für diese war er ein Held, ein Verteidiger, ein Wohltäter, eine rechte Hand. Er wurde nie dabei gesehen, wie er eine Dame ansprach, besonders eine ältliche, ohne daß er seinen Hut abnahm; und bewiesen ihre Kleidung oder Erscheinung Armut, war es ein Gedicht, den eifrigen, mitfühlenden, bescheidenen Ausdruck in Billys sonnigem Gesicht zu sehen, wenn er Hilfe anbot oder Ratschläge gab. Einem kleinen Kind fehlte es, wenn Billy in Sichtweite war, nie an einem Schwung über die Abflußrinne oder einem starken Arm, der ihm eine schwere Last abnahm.

Für diejenigen, die seine Mutter kannten, war sein höfliches, freundliches und gütiges Wesen kein Rätsel. Sie war offenbar irischer Herkunft. Ihr Ehemann nannte sie Kathleen. Sie war etwa mittelgroß, von geradem Wuchs und anmutiger Gestalt, mit regelmäßigen Gesichtszügen, hellblauen Augen und üppigem goldenen Haar. Sie war keine Schönheit, aber durchaus das, was die Gesellschaft eine gutaussehende Frau nennt. Sie hielt sich in Silver City auf, und ihre Wohltätigkeit und Herzensgüte waren allgemein bekannt. So mancher hungrige „Grünschnabel“ hatte Ursache, dem Geschick zu danken, das ihn an ihre Tür führte. In ihrem ganzen Benehmen zeigte sie die unverkennbaren Merkmale einer Dame – einer Dame von Natur und von Erziehung.

Billy liebte seine Mutter. Er liebte und verehrte sie mehr als alles andere auf der Welt. Doch sein Zuhause war kein glückliches für ihn. Er hat oft gesagt, daß die Tyrannei und Grausamkeit seines Stiefvaters ihn von seinem Zuhause und aus dem Wirkungskreis seiner Mutter vertrieben hätten, und daß Antrim dafür verantwortlich sei, daß er auf die schiefe Bahn geriet. Wie dem auch sei, nach dem Tod seiner Mutter etwa vier Jahre später, wäre es dem Stiefvater schlecht bekommen, wenn er mit seinem ältesten Stiefsohn in Kontakt gekommen wäre.

Billys schulische Möglichkeiten waren begrenzt, ebenso wie die aller Jugendlichen dieses Grenzlandes. Er besuchte die öffentliche Schule, erhielt aber mehr Wissen auf den Knien seiner Mutter als durch den Dorflehrer. Mit großer natürlicher Intelligenz und einem regen Verstand brachte er es zu einer gewissen Bildung. Er konnte recht gut schreiben, war ein erträglicher Mathematiker, strebte aber nicht darüber hinaus.

Die beste und leuchtendste Seite von Billys Charakter wurde oben dargestellt. Die Medaille hatte auch eine andere Seite, die seinen besten Freunden nie gezeigt wurde – die des Schwachen und Hilflosen. Sein Wesen war ängstlich, und in seinen zornigen Stimmungen war er gefährlich. Er war nicht laut, aggressiv oder aufbrausend. Er drohte nie. Er bellte nicht, und wenn er es tat, kam der Biß zuerst. Er übervorteilte niemals einen Gegner, hätte aber, wenn er gekränkt wurde und man von Größe und Gewicht absieht, gegen jeden Mann in Silver City gekämpft. Sein Unglück war, daß er niemals verlieren konnte und wollte. Wenn er in einem Kampf dem anderen an Stärke unterlegen war, suchte er an Waffen, was er kaufen, leihen, erbetteln oder stehlen konnte, und benutzte sie bei mehr als einer Gelegenheit mit mörderischer Absicht.

Während des letzten Abschnitts von Billys Aufenthalt in Silver City war er der ständige Begleiter von Jesse Evans, der ein bloßer Junge, dabei aber so wagemutig und gefährlich wie so mancher ältere und erfahrenere Bandit war. Er war älter als Billy und erklärte sich selbst zu einer Art Mentor für unseren Helden. Diese beiden waren dazu bestimmt, in den nächsten paar Jahren gemeinsam an vielen gefährlichen Abenteuern und knappen Fluchten, und einigen blutigen Zusammenstößen teilzunehmen; und so enge Freunde sie nun auch waren, mußte doch nur zu bald der Zeitpunkt kommen, an welchem sich einer gegen den anderen stellen würde, ein jeder nach dem Blut des anderen dürstend, und nicht vor der Auseinandersetzung zurückweichend. Sie trennten sich in Silver City, trafen sich jedoch während Billys kurzer und blutiger Karriere häufig wieder.

Als der junge Bonney etwa zwölf Jahre alt war, tauchte er seine Hand das erste Mal in Menschenblut. Diese Angelegenheit war, so könnte man sagen, der Wendepunkt in seinem Leben, machte ihn zum Außenseiter und zu einem Opfer seiner schlechteren Regungen und Leidenschaften.

Als Billys Mutter auf der Straße an einer Gruppe Müßiggänger vorüberging, äußerte ein schmieriger Faulpelz in der Menge eine beleidigende Bemerkung über sie. Billy hörte es, und versetzte dem Schuft so schnell wie der Blitz, und mit lodernden Blicken einen harten Schlag auf den Mund; dann sprang er auf die Straße und bückte sich nach einem Stein. Der Kerl wollte ihn anspringen, aber als er an Ed Moulton vorbeikam, einem bekannten Bürger von Silver City, erhielt er von diesem einen heftigen Schlag aufs Ohr, der ihn fällte, während Billy zurückgehalten wurde. Die Bestrafung des Täters befriedigte Billy jedoch keineswegs. Wutentbrannt lief er zur Hütte eines Minenarbeiters, besorgte sich ein Sharp‘s-Gewehr und machte sich auf die Suche nach seinem Opfer. Glücklicherweise sah Moulton ihn mit der Waffe und überredete ihn, sie zurückzubringen.

Etwa drei Wochen nach diesem Abenteuer wurde Moulton, ein wunderbar starker und aktiver Mann, der in der Kunst der Selbstverteidigung geschult war und etwas von der Art eines Preisboxers an sich hatte, in eine rauhe Kneipenschlägerei in Joe Dyers Saloon verwickelt. Er mußte mit zwei Raufbolden kämpfen und erwies sich als der Stärkere, als Billys „Haßobjekt“ – der Mann, der Moultons Schlag empfangen hatte und nun dabei stand – glaubte, eine Gelegenheit zur feigen Rache an Moulton zu haben, und sich mit einem hochgestemmten schweren Barstuhl auf ihn stürzte. Billy war für gewöhnlich bei jedem Kampf, der in der Stadt stattfand, ein Zuschauer, wenn nicht ein Beteiligter, und dieser war keine Ausnahme. Er sah die Bewegung, schoß wie der Blitz unter den Stuhl – einmal, zweimal, dreimal hob und senkte sich sein Arm – und eilte dann durch die Menge, seine rechte Hand über seinem Kopf, ein Taschenmesser haltend, dessen Klinge von Blut tropfte. Er ging hinaus in die Nacht, ein Ausgestoßener und ein Wanderer, ein Mörder, der sich selbst mit Menschenblut getauft hatte. Er ging hinaus wie der verbannte Kain, doch weniger glücklich als der erste Mörder, wurde gegen seinen Totschläger kein Fluch ausgesprochen. Seine Hand war jetzt gegen jeden Mann erhoben und die Hand jedes Mannes gegen ihn. Er wandte sich für immer von der Fürsorge, der Liebe und dem Einfluß einer liebenden Mutter ab, denn er sollte ihr Gesicht nie wieder sehen – sie, die ihn so liebevoll erzogen hatte und die er so zärtlich und ehrfürchtig geliebt hatte. Niemals wieder sollte ihre weiche Hand seine gefurchte Stirn glätten, während beruhigende Worte den Zorn, den er hegte, aus seinem aufgebrachten Herzen zogen. Keine Ratgeberin, keine Liebe, um seine böse Leidenschaft zu zügeln oder seiner verzweifelten Gewalt Einhalt zu gebieten – was mußte da sein Schicksal sein?

Billy liebte und verehrte seine Mutter zärtlich, und sein ganzes späteres Verbrecherleben war von tiefer Hingabe und Achtung vor guten Frauen geprägt, die zweifellos von seiner Bewunderung für sie herrührten.

„Seit ich mich entsinnen kann,

Eingebettet in die reiche Vorahnung der Welt,

Liebte ich die Frau; wer das nicht tut, lebt

Das Leben eines Ertrinkenden, berauscht vom eigenen

Selbst,

Oder verzehrt sich in traurigen Erfahrungen, die

schlimmer sind als der Tod,

Oder taucht seine geflügelten Neigungen ins

Verbrechen;

Doch gäbe es eine, durch die ich sie liebte, eine

Ungeübte, außer in liebenswürdigen Haushaltsweisen,

Nicht perfekt, nein, aber voller zärtlicher Wünsche,

Kein Engel, sondern ein teureres Wesen, das alles

überhaucht

Mit Engelsgefühlen, die das Paradies sehen lassen,

Vermittlerin zwischen den Göttern und den Menschen,

Die alle bei ihr zuhause sind; und doch

Scheint sie auf Zehenspitzen eine Sphäre zu berühren,

Die zu zart für Grobheit ist, und jeden Mann dazu zu

bringen

Sich von seinen Bahnen zu ihr zu schwingen, wenn er

Sie umgarnt und umringt. Glücklich derjenige,

Der so eine Mutter hat! Der Glaube an die Frau

Pulsiert in seinem Blute und Vertrauen in alle hohen

Dinge

Fällt ihm leicht, und selbst, wenn er stolpert und fällt,

Blendet er seine Seele nicht mit Lehm.“

Ach! was Billy betrifft: All die guten Einflüsse wurden ihm entzogen. Die Taube des Friedens und des guten Willens für jemanden seiner Art konnte in seinem Geist, der von feuriger Leidenschaft verzehrt war, keinen Ruheplatz finden, und wenn tödliche Rache seine Seele erschütterte, hätte er die Botin von ihrer Stange gerissen, „obwohl ihre Fesseln seinen innersten Gefühle entsprachen.“ Er stolperte, fiel – und verschmutzte seine Seele mit Lehm.

2. Kapitel.

Stiehlt sein erstes Pferd – Findet einen Partner – Tötet drei Indianer wegen Plünderung – Ein berüchtigter Herumstreuner in Arizona – Gute Zeit in Tucson – Pferderennen mit Indianern – Keine Gelegenheit zur Show versäumt – Eine peinliche Lage – Der Mord in Fort Bowie und die Flucht aus Arizona – Das alte Mexiko.

Und jetzt folgen wir unserem Flüchtigen nach Arizona. Seine gefährlichen Verbrechen in dieser Gegend sind den älteren Bewohnern dort bekannt, aber es ist unmöglich, sie bis ins Detail oder mit genauen Daten wiederzugeben. Es ist wahrscheinlich, daß viele seiner gesetzlosen Taten sowohl der geschriebenen als auch der mündlichen Überlieferung entgangen sind. Aufzeichnungen der Gerichte, der Agentur für Indianerangelegenheiten und der Militärposten sowie Berichte von Officers und Bürgern liefern alle Informationen, die man zu seinen bekanntesten Abenteuern erhalten kann. Diese Berichte stimmen mit Billys Berichten überein, wie er sie seinen Begleitern in späteren Jahren erzählte, um sich die Zeit zu vertreiben.

Nach der schicksalhaften Nacht, in der Billy zum ersten Male seine Hände mit Blut befleckte und aus seinem Zuhause floh, wanderte er drei Tage und Nächte lang, ohne einem anderem Menschen zu begegnen, als einem mexikanischen Schafhirten.

Er sprach so fließend Spanisch wie jeder Mexikaner und sicherte sich von diesem Jungen einen kleinen Vorrat an Proviant, der aus Tortillas und Hammelfleisch bestand. Er war zu Fuß unterwegs und versuchte, es nach Arizona zu schaffen. Als er sich verlief, wandte er sich wieder zurück und kehrte in die Nähe der McKnight-Ranch zurück, wo er zum ersten Mal ein Pferd stahl.

Das nächste Mal hören wir von Billy etwa drei Wochen nach seiner Abreise aus Silver City, als er in Fort (damals Camp) Bowie, Arizona, ohne einen Vierteldollar oder einem Mundvoll an Proviant mit einem Begleiter ankam, mit dem er gemeinsam auf einem wundgescheuerten Pony saß, das mit einem Packsattel und einem Halfter ausgestattet war.

Billys Partner hatte zweifellos einen Namen, der sein rechtmäßiges Eigentum war, er war jedoch so sehr dazu geneigt, ihn zu ändern, daß es unmöglich war, den richtigen zu benennen. Billy nannte ihn stets „Alias“.

Mit einem Kerl von Billys Energie und eigenwilligen Vorstellungen über Eigentumsrechte konnte dieser elende Zustand nicht fortgesetzt werden. Nachdem er seine angegriffene Gesundheit im Fort wiederhergestellt hatte, begannen er und sein Kumpan zu Fuß (nachdem sie ihr Pony losgeworden waren) mit einem schäbigen Gewehr und einer von Soldaten geliehenen Pistole, Billys ersten verbrecherischen Raubzug.

Wie allgemein bekannt ist, liegt Fort Bowie im Pima County, Arizona, im Indianerreservat der Chiracahua-Apachen. Diese Indianer waren zu jener Zeit friedlich und ruhig, und es lag keine Gefahr darin, sich unter sie zu mengen. Billy und sein Kumpan kamen in den Pässen der Berge, etwa acht oder zehn Meilen südwestlich von Fort Bowie, mit einer Gruppe von dreien dieser Indianer zusammen. Eine Mehrheit der verschiedenen Apachenstämme spricht Spanisch, und Billy kam sofort mit ihnen zurecht. Sein Ziel war es, sich und seinem Begleiter ein Reittier zu beschaffen. Er versuchte es mit Überredungskunst, Schmeicheleien, Zahlungsversprechungen und jedem anderen Mittel, das sein reges Gehirn nur aussinnen konnte – doch alles war vergebens. Das Vertrauen dieser Indianer in die Zuverlässigkeit des weißen Mannes war durch die Person des Indianeragenten Clum stark erschüttert worden.

Billy lieferte einen ungefähren Bericht über das Ergebnis dieser Unternehmung, doch so unnachgiebig, wie es klingt, läßt es nur wenig Spielraum zu Vermutungen. Er sagte:

„Wir hatten keine Wahl. Hier waren zwölf gute Ponys, vier oder fünf Sättel, ein guter Vorrat an Dekken und fünf Ponyladungen an Pelzen. Und da waren drei blutrünstige Wilde, die sich an all dem Luxus ergötzten und zwei freigeborenen weißen amerikanischen Bürgern, die unter schmerzenden Füßen und Hunger litten, den Beistand verweigerten. Das Zeug mußte den Besitzer wechseln – dazu gab es keine Alternative – und da ein lebender Indianer in zwei Stunden hundert US-Truppen auf unsere Spur bringen konnte, und ein toter Indianer wohl eine andere Route einschlagen würde, faßten wir unseren Entschluß. Nach drei Minuten lagen drei „gute Indianer“ auf dem Boden herum, und wir eilten mit den Ponys und dem Raubgut davon. Es gab keinen Kampf. Es war die einfachste Schlacht, die ich je geschlagen habe.“

Die Bewegungen dieser beiden jugendlichen Räuber verlieren sich für ein paar Tage nach dem Mord an diesen Indianern. Es ist bekannt, daß sie überflüssige Ponys, Wagen und Pelze mehr als hundert Meilen von Fort Bowie entfernt an Einwanderer aus Texas verschacherten, und daß sie prächtig beritten und bewaffnet, mit Geld in ihren Taschen ins Reservat zurückkehrten. Sie standen auf bestem Fuße mit Regierungsvertretern und Bürgern von Fort Bowie, dem Apache Pass, San Simon, San Carlos und allen Siedlungen in dieser Gegend, und verbrachten einen Großteil ihrer Zeit in Tucson, wo Billys Fähigkeiten als Monte-Bankhalter und Kartenspieler den beiden Jungen zumeist einen luxuriösen Lebensstil ermöglichte und ihnen Ansehen und Neid der wetteifernden Spielerzunft zuzog, die damals ein mächtiges und einflußreiches Element in Arizona war.

Falls die Behörden überhaupt von dem mörderischen Zwischenspiel an den Indianern wußten, wurde jedenfalls nichts deswegen unternommen. Niemand bedauerte den Verlust dieser Indianer, und mit der Verfolgung der Täter konnte kein Geld verdient werden.

Billy wurde des ruhigen Lebens, das er in den Städten führte, bald überdrüssig, und so machte er sich wieder mit seinem Kumpan auf den Weg, oder vielmehr auf die Bergpfade. In Billys tragischsten Abenteuern fand sich stets eine Prise Humor. Die beiden jungen Kerle trafen sich in der Nähe von San Simon mit einer Gruppe von acht oder zehn Indianern und schlugen ein Pferderennen vor. Billy ritt ein sehr edles Tier, setzte aber auf das minderwertigere, das von seinem Kumpan geritten wurde, gegen das beste Pferd, das die Indianer hatten. Er bestand auch darauf, daß sein Kumpan die Einsätze, bestehend aus Geld und Revolvern, erhalten sollte.

Billy sollte reiten. Als er das Pferd seines Kumpans bestieg, fiel der Startschuß, und statt zwei schossen drei Pferde vom Startpunkt los. Der Eindringling war Billys Kumpan auf Billys Pferd. Er konnte das feurige Tier nicht zurückhalten, das die Spur entlangflog, auf die Trense biß, und seine kopflose Geschwindigkeit nicht verlangsamte, bis es eine verlassene Rinderfarm, viele Meilen von der improvisierten Rennstrecke entfernt, erreichte.

Billy verlor das Rennen, doch wer war der Gewinner? Sein Partner schotterte mit dem gesamten Wetteinsatz die felsigen Pfade, weit außerhalb ihrer Reichweite und einer erfolgreichen Verfolgung. Es erforderte Billys ganze spanische Beredsamkeit, all seine überzeugenden Rede- und Beschwichtigungsfähigkeiten, all seine süßesten, anziehendsten Ausdrücke kindlicher Unschuld, um die unerfahrenen und unvernünftigen Wilden davon zu überzeugen, daß er selbst nicht nur der größte Verlierer von allen, sondern auch das Opfer der Treulosigkeit eines Verräters war – für sie ein abscheuliches Verbrechen. Hatte nicht er, Billy, alle Wetten angenommen und alles verloren? Während sich ihr Verlust auf ein halbes Dutzend Mann aufteilte, hatte er sein Pferd, seine Waffen, sein Geld, seine Freunde und sein Vertrauen in die Menschheit verloren, ohne dafür am Ende mit mehr dazustehen, als einer alten Mähre von einem Pony, das offensichtlich kein Rennen gegen einen lahmen Esel gewinnen konnte.

Wann haben Jugend und gutes Aussehen, gepaart mit gut vorgetäuschter verletzter Unschuld, unterstützt durch Beredsamkeit von Zunge und Gestik, und gewürzt mit Kummer und rechtschaffener Wut, je ihren Einfluß verfehlt, selbst auf einen Apachen. Mit Worten des Beileids und der Ermutigung seiner mitfühlenden Opfer ritt Billy traurig davon. Zwei Tage später, etwa hundert Meilen entfernt, konnte man Billy sehen, wie er mit seinem flüchtigen Freund gewissenhaft die Beute teilte.

Die letzte und dunkelste Tat, deren Billy sich in Arizona schuldig machte, war die Ermordung eines Militärschmieds in Fort Bowie. Datum und Einzelheiten dieses Mordes sind nicht bekannt, und Billy hielt sich diesbezüglich stets zurück. Es gibt viele widerstreitende Gerüchte darüber. Billys Verteidiger rechtfertigen sein Verhalten damit, daß das Opfer ein Tyrann und Schläger gewesen sei, sich geweigert habe, Geld herauszurücken, das Billy in einem Kartenspiel rechtmäßig von ihm gewonnen hätte, und sein Schicksal beschleunigt habe, indem er versuchte, einen bartlosen Jüngling körperlich zu züchtigen. Eine Sache ist gewiß: diese Tat verbannte Billy aus Arizona, und als nächstes hörte man im Staate Sonora, Republik Mexiko, von ihm.

3. Kapitel.

Fröhliches Leben in Sonora – Der Mord an Don Jose Martinez – Gefährliche Gelegenheiten werden ergriffen – Nerven wie Stahlseile – Eine deutliche Bitte – Tödliches Ziel – Die Ruhe selbst – Ein Ritt ums Leben und die glück-liche Flucht.

In Sonora sicherten Billy seine Kenntnisse der spanischen Sprache und seine Fähigkeiten in allen Kartenspielen, die von den Mexikanern gespielt wurden, sogleich einen Ruf als erstklassiger Spieler und angesehener Gentleman. Alles, was von seiner Zeit in Sonora bekannt ist, ist, ohne Einzelheiten oder Daten, aus seinen eigenen Berichten zufälliger Ereignisse gezogen. Er ging allein dorthin, ging aber bald ein Bündnis mit einem jungen mexikanischen Spieler namens Melquiades Segura ein, das während seines gesamten Aufenthalts in Mexiko fortdauerte.

Es gibt nur ein tödliches Gefecht, von dem wir offizielle Belege haben und für welches Billy während seines Aufenthaltes in Sonora angeklagt wurde; und dies erforderte den schnellen und dauerhaften Wechsel seines Aufenthaltsorts. Dies war der Mord an Don Jose Martinez, einem Monte-Bankhalter, wegen eines Spieles. Martinez hatte Billy zuvor über einige Wochen hartnäckig tyrannisiert und beleidigt, und sich mehrmals geweigert, ihm Geld auszuzahlen, das er bei seinem Spiel ehrlich gewonnen hatte. Billys Eintritt in den Clubraum war ein Signal für Martinez, seine Geldschublade zu öffnen, einen Sechsschüsser hervorzuholen, ihn neben sich auf den Tisch zu legen und eine Tirade gegen „Gringos“ im Allgemeinen und Billy im Besonderen zu beginnen.