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Der moderne Mensch im Hamsterrad und seine Suche nach Glück
Von unausstehlichen Kollegen umgeben, in ein Großraumbüro gepresst, kann Björn sein Glück kaum fassen, als er eines Tages ein kleines, geheimes Zimmer entdeckt.
Ein Büro nur für sich, auf demselben Stockwerk, im Flur gleich neben der Tonne für das Altpapier und dem Aufzug. Hier drinnen sind das Chaos und die Enge der Bürowabenwelt vergessen, Björn hat plötzlich Spaß an seiner Arbeit. Alles wäre gut, gäbe es da seine Kollegen nicht. Die treibt Björns bizarres Verhalten fast zur Verzweiflung. Und zu allem Übel tun sie auch noch so, als existiere dieses Zimmer überhaupt nicht.
Witzig und scharfsinnig beschäftigt sich Jonas Karlsson mit der Konformität in der modernen Arbeitswelt und mit der Frage, wie man als kleines Rädchen im großen Getriebe glücklich werden kann.
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Zum Buch
Der moderne Mensch im Hamsterrad und seine Suche nach Glück.
Von unausstehlichen Kollegen umgeben, in ein Großraumbüro gepresst, kann Björn sein Glück kaum fassen, als er eines Tages ein kleines, geheimes Zimmer entdeckt.
Ein Büro nur für sich, auf demselben Stockwerk, im Flur gleich neben der Tonne für das Altpapier und dem Aufzug. Hier drinnen sind das Chaos und die Enge der Bürowabenwelt vergessen, Björn hat plötzlich Spaß an seiner Arbeit. Alles wäre gut, gäbe es da seine Kollegen nicht. Die treibt Björns bizarres Verhalten fast zur Verzweiflung. Und zu allem Übel tun sie auch noch so, als existiere dieses Zimmer überhaupt nicht.
Witzig und scharfsinnig beschäftigt sich Jonas Karlsson mit der Konformität in der modernen Arbeitswelt – und mit der Frage, wie man als kleines Rädchen im großen Getriebe glücklich werden kann.
»Ein Beckett’sches Drama im Großraumbüro.« Il Giornale
»Brilliant.« Financial Times
Zum Autor
JONAS KARLSSON, 1971 in Södertälje in der Nähe von Stockholm geboren, ist eine der vielversprechendsten literarischen Stimmen Schwedens. »Das Zimmer« wurde in zehn Sprachen übersetzt und brachte Karlsson den internationalen Durchbruch. Daneben hat er drei Kurzgeschichtensammlungen, zwei Romane und ein Theaterstück veröffentlicht. Als einer der angesehensten Schauspieler seines Landes wurde Jonas Karlsson bereits zweimal mit dem schwedischen Filmpreis ausgezeichnet. In der geplanten Verfilmung von Jo Nesbøs Kriminalroman »Schneemann« (2017) wird er eine der Hauptrollen spielen.
PAUL BERF wurde mit dem Übersetzerpreis der Schwedischen Akademie und dem Jane Scatcherd-Preis der Heinrich Maria Ledig Rowohlt-Stiftung ausgezeichnet. Er übertrug u. a. Henning Mankell, Kjell Westö, Aris Fioretos und Selma Lagerlöf ins Deutsche.
Jonas Karlsson
Das Zimmer
Roman
Aus dem Schwedischen von Paul Berf
Luchterhand
Die schwedische Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel »Rummet« in dem Band »Den Perfekta Vännen« bei Wahlström & Widstrand, Stockholm.
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1. Auflage
Copyright © 2009 by Jonas Karlsson
Copyright © der deutschen Ausgabe 2016
by Luchterhand Literaturverlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Published by agreement with Salomonsson Agency
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-641-18707-1V001
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Für Hanna
1.
Als ich das Zimmer zum ersten Mal betrat, machte ich praktisch sofort kehrt. Ich hatte eigentlich auf die Toilette gewollt, mich aber in der Tür geirrt. Als ich sie öffnete, schlug mir ein Hauch stickiger Luft entgegen, ich kann mich jedoch nicht daran erinnern, mir dabei etwas gedacht zu haben. Mir war nicht einmal aufgefallen, dass es in dem Flur, hinter den Toiletten, vor dem Aufzug, überhaupt etwas gab. So, so, dachte ich. Ein Zimmer.
Ich öffnete die Tür und schloss sie wieder. Das war alles.
2.
Zwei Wochen zuvor hatte ich meine neue Stelle bei der Behörde angetreten und war in vieler Hinsicht noch ein Anfänger. Trotzdem versuchte ich, möglichst wenig zu fragen. Ich wollte schnell einer von den Leuten werden, auf die es ankam.
Bei meiner früheren Arbeitsstelle war ich es gewohnt gewesen, zu den führenden Köpfen gezählt zu werden. Nicht in leitender Position oder auch nur als Vorgesetzter, sondern als jemand, der andere gelegentlich in ihre Schranken wies. Ich war nicht immer beliebt, kein Schmeichler oder Schönwettermacher, aber man betrachtete mich und begegnete mir mit einem gewissen Respekt, vielleicht sogar mit Bewunderung. Einem Hauch von Unterwürfigkeit – wer weiß? Jedenfalls war ich fest entschlossen, an meinem neuen Arbeitsplatz so schnell wie möglich genauso viel Einfluss zu erlangen.
Eigentlich war es nicht mein Vorschlag gewesen, mich anderweitig zu bewerben. Ich hatte mich in meinem alten Job recht wohl gefühlt und alles problemlos im Griff gehabt, aber diesen Schuhen war ich irgendwie entwachsen, und daraufhin nagte beständig das Gefühl an mir, eine Arbeit zu verrichten, die weit unter meinen Fähigkeiten lag, wobei, wie ich zugeben muss, noch hinzukam, dass ich mich nicht immer gut mit meinen Kollegen verstand.
Schließlich kam mein früherer Chef zu mir, legte den Arm um meine Schultern und meinte, es sei an der Zeit, sich nach einer besseren Lösung für mich umzuschauen. Er fragte mich, ob es nicht höchste Eisenbahn sei, etwas aus mir zu machen. Move on, waren seine Worte, und er machte eine schräg aufwärts führende Handbewegung, um die Richtung meiner Karriere anzuzeigen. Gemeinsam spielten wir verschiedene Möglichkeiten durch.
Nach einigem Abwägen und reiflichem Nachdenken fiel meine Wahl in Absprache mit meinem früheren Chef auf diese neue, große Behörde, und nach gewissen Kontakten hierher konnte eine Versetzung ohne größere Komplikationen in die Wege geleitet werden. Der Betriebsrat gab seine Zustimmung, ohne sich als der Bremsklotz zu erweisen, zu dem er sonst so leicht wird. Mein früherer Chef und ich stießen mit einem Glas alkoholfreiem Cidre darauf an, und er wünschte mir alles Gute.
An dem Tag, als der erste Schnee auf Stockholm fiel, trug ich meine Pappkartons die Eingangstreppe hinauf und durch das Foyer des großen roten Backsteinbaus. Die Frau am Empfang lächelte. Sie gefiel mir sofort. Da war etwas an ihrer Art, das mich beruhigte. Ich spürte augenblicklich, dass ich am richtigen Ort war. Ich streckte mich, und mir schoss das Wort »Erfolgsgeschichte« durch den Kopf. Das war meine Chance, dachte ich. Endlich würde ich mein volles Potential entfalten können. Zu dem Menschen werden dürfen, der ich immer schon hatte sein wollen.
Der neue Job brachte mir kein höheres Gehalt ein. Ehrlich gesagt war er ganz im Gegenteil mit einer leichten Verschlechterung bei Privilegien wie Gleitzeit und Urlaub verbunden. Außerdem sah ich mich gezwungen, mir mitten in einem Großraumbüro ohne Trennwände einen Arbeitsplatz zu teilen. Trotzdem freute ich mich riesig darauf und wollte allen gleich von Anfang an zeigen, was ich auf dem Kasten hatte.
Ich arbeitete nach einem ganz bestimmten, auf mich zugeschnittenen Schema. Kam morgens eine halbe Stunde früher und folgte tagtäglich einem eigenen Arbeitsrhythmus: fünfundfünfzig Minuten konzentriertes Arbeiten, gefolgt von fünf Minuten Pause. Einschließlich eventueller Pinkelpausen. Unterwegs vermied ich unnötige soziale Kontakte. Ich forderte frühere Fallakten an, um sie daheim zu studieren und mir zu merken, welche Begriffe häufig auftauchten und sozusagen das Fundament der Formulierungen bildeten. Abends und am Wochenende beschäftigte ich mich mit den internen Strukturen der Behörde und versuchte herauszufinden, welche informellen Kommunikationskanäle es in meiner Abteilung möglicherweise gab.
All das, um schnell und behände aufzuholen und mir einen kleinen, aber entscheidenden Vorsprung gegenüber meinen Kollegen zu verschaffen, die den Arbeitsplatz und seine Bedingungen bereits kannten.
3.
Mein direkter Tischnachbar Håkan hatte Koteletten und dunkle Ringe unter den Augen. Håkan war mir bei diversen praktischen Details behilflich. Er führte mich herum, gab mir Broschüren und mailte mir Dokumente mit allen möglichen Informationen. Für ihn war das vermutlich eine willkommene Unterbrechung, eine Chance, sich vor seinen eigenen Aufgaben zu drücken, denn ihm fielen laufend neue Dinge ein, über die ich seiner Ansicht nach Bescheid wissen sollte. Dabei konnte es um die Arbeit, Kollegen und gute Imbisse in der näheren Umgebung gehen. Nach einer gewissen Zeit sah ich mich gezwungen, ihn darauf hinzuweisen, dass es auch mir erlaubt sein müsse, meiner Arbeit nachzugehen, ohne ständig unterbrochen zu werden.
»Jetzt lass mal gut sein«, sagte ich zu ihm, als er mit einem weiteren Heft zu mir kam und auf meine Aufmerksamkeit pochte. »Könntest du es jetzt bitte mal gut sein lassen?«
Daraufhin hielt er sich sofort zurück und wurde bedeutend reservierter. Wahrscheinlich war er sauer, weil ich ihm gleich einmal die Meinung gegeigt hatte. Das passte sicher nicht zu dem Bild, wie ein Neuankömmling seiner Meinung nach zu sein hatte. Andererseits konnte ich so jedoch den Ruf über mich in Umlauf bringen, ein Mensch mit Ambitionen und spitzen Ellbogen zu sein.
Langsam, aber sicher identifizierte ich meine direkten Nachbarn, ihren Charakter und ihre Position in der Hierarchie. Hinter Håkan saß Ann. Eine Frau Ende vierzig. Sie wirkte ehrgeizig und kompetent, gehörte aber auch zu den Menschen, die alles zu können glauben und gerne recht behalten. Es war offensichtlich, dass sich alle an sie wendeten, wenn sie es nicht wagten, direkt mit unserem Chef zu sprechen.
Neben ihrem Computerbildschirm stand eine gerahmte Kinderzeichnung. Abgebildet war eine Sonne, die im Meer untergeht. Die Zeichnung war jedoch fehlerhaft ausgeführt worden, denn hinter der Sonne sah man am Horizont Landmassen aufragen, was natürlich nicht sein konnte. Das Bild hatte für sie vermutlich einen emotionalen Wert, wenngleich es für uns andere nicht sehr angenehm war, den Blick darauf ruhen zu lassen.
Ann gegenüber saß Jörgen. Korpulent und kräftig, aber beileibe nicht mit einem Intellekt gleichen Umfangs gesegnet. Eine Menge Scherzzettel und Postkarten, Dinge, die eindeutig nichts mit der Arbeit zu tun hatten und eine gewisse Vorliebe für das Banale verrieten, waren auf seinem Tisch aufgestellt und klebten an seinem Bildschirm. Von Zeit zu Zeit flüsterte er Ann etwas zu und ich hörte sie »Jörgen, mein Gott« quieken, als habe er ihr irgendetwas Versautes erzählt. Es gab einen gewissen Altersunterschied zwischen ihnen. Ich schätzte die Differenz auf gut zehn Jahre.
Hinter diesen beiden saß John, ein schweigsamer Herr Anfang sechzig, dessen Arbeitsgebiet die finanzielle Abwicklung von Inspektionsreisen war, und neben ihm eine Frau, die, glaube ich, Lisbeth hieß. Ich wusste es nicht genau und hatte nicht die Absicht, sie danach zu fragen. Sie hatte sich mir nicht vorgestellt.
Alles in allem waren wir dreiundzwanzig Angestellte und fast jeder hatte einen Wandschirm oder eine kleine Trennwand um seinen Tisch. Nur Håkan und ich saßen offen im Raum. Håkan meinte, bald würden auch für uns Wandschirme angeliefert werden, aber ich entgegnete, das spiele für mich keine Rolle.
»Ich habe nichts zu verbergen«, erklärte ich.
Mit der Zeit kam ich mithilfe meiner Fünfundfünfzig-Minuten-Phasen in einen festen Rhythmus, und die Arbeit ging mir leicht von der Hand. Ich bemühte mich, mein Schema einzuhalten und mich nicht mitten in einer Phase stören zu lassen, ganz gleich, ob es nun um Kaffeepausen, Small Talk, Telefonate oder Toilettenbesuche ging. Manchmal musste ich schon nach fünf Minuten pinkeln, achtete aber darauf, diesem Drang während der festgesetzten Zeit nicht nachzugeben. Was für eine Wohltat für die Seele, den Charakter zu ertüchtigen, und umso größer die Belohnung, wenn man sich schließlich erleichtern durfte.
Es gab zwei Wege zur Toilette. Der eine, an der grünen Palme um die Ecke, war ein wenig kürzer als der andere, aber da mir an diesem Tag der Sinn nach ein bisschen Abwechslung stand, nahm ich die etwas längere Strecke am Aufzug vorbei. Bei dieser Gelegenheit betrat ich das Zimmer zum ersten Mal.
Ich erkannte meinen Irrtum und setzte meinen Weg vorbei an dem großen Altpapierbehälter aus Plastik fort, zu einer Tür, hinter der sich die erste einer Reihe von drei Toiletten verbarg.
Anschließend kehrte ich pünktlich zur nächsten Fünfundfünfzig-Minuten-Phase zurück, und am Ende des Tages hatte ich fast vergessen, dass ich kurz die Tür zu diesem zusätzlichen Zimmer aufgedrückt hatte.
4.
Als ich das Zimmer zum zweiten Mal betrat, war ich auf der Suche nach Kopierpapier. Ich wollte das unbedingt alleine bewältigen. Trotz aller Ermahnungen, nach Dingen zu fragen, mochte ich mich nur ungern der Erniedrigung und leichten Verachtung aussetzen, die darin lag, diese Art von Lücken in meiner Ortskenntnis offen anzusprechen. Ich bemerkte die kleine Stressfalte, die sie alle bekamen, wenn ich sie wirklich einmal etwas fragte. Sie konnten ja nicht wissen, dass ich die Absicht hatte, ein hohes Tier in dieser Behörde zu werden. Jemand, der Respekt genoss. Außerdem wollte ich Håkan keinen Spielraum für sein Arbeitsfluchtverhalten bieten.
Also sah ich an den üblichen Stellen nach, an Orten, an denen man in den allermeisten Büros Kopierpapier findet, aber es lag nirgendwo welches. Schließlich lief ich um die Ecke und an den Toiletten vorbei, wo ich, wie ich mich zu erinnern meinte, eine kleine Abstellkammer gesehen hatte.
Im ersten Moment fand ich den Lichtschalter nicht. Ich tastete an beiden Seiten der Tür die Wand ab und gab schließlich auf, trat wieder heraus und entdeckte, dass er auf der Außenseite saß. Was für eine seltsame Platzierung, dachte ich und ging wieder hinein.
Die Neonröhren brauchten eine Weile, um flackernd hell zu werden, doch schon bald sah ich, dass es auch dort drinnen kein Kopierpapier gab. Trotzdem spürte ich auf der Stelle, dass dieser Ort etwas Besonderes war.
Es war ein relativ kleines Zimmer. Ein Tisch in der Mitte. Ein Computer, Aktenordner in einem Regal. Stifte und sonstiges Büromaterial. Nichts Bemerkenswertes. Aber alles in perfekter Ordnung.
Klar und sauber.
An einer Wand stand ein großer, glänzender Aktenschrank mit einem Ventilator darauf. Ein dunkelgrüner Filzbelag bedeckte den gesamten Fußboden. Alles war geputzt. Abgestaubt. In Reih und Glied. Es sah ein wenig arrangiert aus. Vorbereitet. Als wartete dieses Zimmer auf jemanden.
Ich ging hinaus, schloss die Tür und löschte das Licht. Aus reiner Neugier öffnete ich nochmals die Tür. Ich bildete mir ein, es überprüfen zu müssen. Woher sollte man sonst mit Sicherheit wissen können, dass in dem Zimmer nicht doch noch Licht brannte? Plötzlich war ich mir unsicher, ob hoch oder runter ein- oder ausgeschaltet bedeutete. Die ganze Lösung mit einem Stromschalter auf der Außenseite kam einem seltsam vor. Sie erinnerte ein bisschen an die Lampe im Kühlschrank. Ich lugte in das Zimmer hinein. Es war dunkel.
5.
Am nächsten Tag kam, mit schütteren Haaren und in einem Baumwollcardigan, mein neuer Chef zu unserem Tisch in dem weitläufigen Großraumbüro. Er hieß Karl und seine Strickweste sah zwar nicht neu, aber teuer aus. Er stellte sich neben Håkan und wies mich ohne einleitende, freundschaftliche Konversation darauf hin, dass meine Schuhe schmutzig seien.
»Wir denken hier an den Fußboden«, erklärte er und zeigte auf einen Stahlkorb mit blauen Plastiküberschuhen, der gleich am Eingang an der Wand hing.
»Ja, natürlich«, sagte ich. »Selbstverständlich.«
Er tätschelte meine Schulter und ging weiter.