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Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! »Wann schellt es denn endlich?« wisperte die zehnjährige Lilli und schielte dabei unauffällig nach links. Der lange flachsblonde Pony berührte dabei fast das Heft, in dem sie schrieb – beziehungsweise so gut wie gar nichts schrieb. Tim Wellenthal knurrte nur. Er war scheinbar so konzentriert, daß er der besten Freundin nicht antworten konnte. »Wann?« wiederholte diese. »Pst!« Lilli wurde unruhig. Sie haßte diese undurchsichtigen wie langwierigen Umrechnungen. Sechste Stunde: Mathematik! Millimeter in Zentimeter, Zentimeter in Dezimeter und das alles noch mal in Kilometer! Himmel, und wie viele Meter waren das noch mal, und überhaupt: Wo setzte man die Kommas? Mein Gott, was war nur mit Tim los? Sie trat ihm auf den Fuß – mit der Hacke zuerst. »Mensch!« »Wann schellt es endlich?« wiederholte das zierliche Mädchen die Frage, die für sie mittlerweile lebensbestimmend war. »Ich würde mich an deiner Stelle beeilen, Lilli Zehntner«, antwortete Frau von Steilhart, die strenge Klassenlehrerin.
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Seitenzahl: 121
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»Wann schellt es denn endlich?« wisperte die zehnjährige Lilli und schielte dabei unauffällig nach links. Der lange flachsblonde Pony berührte dabei fast das Heft, in dem sie schrieb – beziehungsweise so gut wie gar nichts schrieb.
Tim Wellenthal knurrte nur. Er war scheinbar so konzentriert, daß er der besten Freundin nicht antworten konnte.
»Wann?« wiederholte diese.
»Pst!«
Lilli wurde unruhig. Sie haßte diese undurchsichtigen wie langwierigen Umrechnungen. Sechste Stunde: Mathematik! Millimeter in Zentimeter, Zentimeter in Dezimeter und das alles noch mal in Kilometer! Himmel, und wie viele Meter waren das noch mal, und überhaupt: Wo setzte man die Kommas?
Mein Gott, was war nur mit Tim los? Sie trat ihm auf den Fuß – mit der Hacke zuerst.
»Mensch!«
»Wann schellt es endlich?« wiederholte das zierliche Mädchen die Frage, die für sie mittlerweile lebensbestimmend war.
»Ich würde mich an deiner Stelle beeilen, Lilli Zehntner«, antwortete Frau von Steilhart, die strenge Klassenlehrerin. Sie stand inzwischen so nah vor den Kindern, daß Lilli sie unschwer hätte berühren können. »Um auf deine Frage einzugehen, in genau acht Minuten müßt ihr eure Schulhefte abgeben. Ich möchte eure Bemühungen einmal ganz unverbindlich kontrollieren.«
Zum Glück war der Pony so lang und so dicht, daß niemand sah, wie rot die arme Lilli geworden war. Verzweifelt starrte sie auf die Meterangabe, die in Dezimeter umgerechnet werden sollte.
Doch da schob sich ganz langsam von links eine dichtbeschriebene Heftseite in ihr begrenztes Sichtfeld. Tims Matheheft! Er war schon fertig!
Lillis Erleichterung war unermeßlich! Schnell hatte sie die Rechenaufgaben abgeschrieben, man hatte schließlich Übung!
Als Frau von Steilhart die Hefte mit miliziösem Lächeln einsammelte, konnte Lilli ihr gerade in die Augen schauen.
Schnell machten sich die Kinder dann auf den Weg nach Hause und besprachen die Neuigkeiten, daß Frau von Steilhart heiraten würde und Tims Mutter Miximiliane das Hochzeitskleid nähte – ein grünes!
»Ich faß’ das nicht«, sagte Lilli. »Kann deine Mutter da nichts gegen machen?«
»Natürlich nicht«, entrüstete sich Tim, »wenn die Kundin das so will…«
»Ich würd’ das Kleid zu gern sehen. Ich komm’ in den nächsten Tagen, wenn deine Mami nicht da ist, kurz zu euch und sehe es mir an.«
»Mach das! Ich will es sehen, das alte Faß in grüner Spitze.«
»Die wird aussehen wie ein Tannenbaum!«
»Oder wie ein pummeliger Kaktus.« Lilli begann schon wieder zu lachen.
Sie hatten inzwischen die zweistöckige Villa erreicht, in der Tim mit seiner Mutter wohnte. Im Keller und im Souterrain war die kleine exquisite Textilmanufaktur untergebracht, die Maximiliane Wellenthal vor sechs Jahren gegründet und längst zu Rang und Namen gebracht hatte. Mittlerweile beschäftigte sie sechs fest angestellte Damen und weitere zehn, die außer Haus arbeiteten. Die erste Etage war mit ihren hohen und weiträumigen Zimmern, mit den weißlackierten Türen, den verspielten Stuckdecken und den polierten Holzdielenfußböden eine Wohnung, die Geschmack bewies und Wohlstand vermuten ließ. In der zweiten Etage logierten immer mal wieder Gäste, wenn die Räume nicht gerade als Lager für Stoffe und Muster benötigt wurden.
»Treffen wir uns heute bei uns?« fragte Tim seine Freundin.
Lilli schaute an der Fassade der Wellenthalschen Villa hinauf. »Das Wetter scheint sich aber zu halten...«
»Dann gehen wir lieber zu euch.«
Ein schöner Park mit altem Baumbestand hatte einst die Villa umgeben. Aber Maximiliane, Tims Mutter, hatte den Rasen beseitigen und einen Parkplatz anlegen lassen – sehr zum Ärgernis und Gespött der nächsten Nachbarn. Es war eine Frage der Zeit, wann die alten Kastanien und Eichen ebenfalls ihren Geist aufgeben würden. Für die Kinder, die so gerne draußen spielten, war der Parkplatz ebenfalls ein Dorn im Auge. Rücksichtslose Kunden benutzten die Fläche als Rennstrecke, daß nicht einmal Skateboard- oder Rollschuhfahren uneingeschränkt Spaß machte.
Gerade bog ein zitronengelber Sportwagen mit offenem Verdeck auf den Platz, hupte dreimal und blendete auf – ebenfalls dreimal.
»Wir gehen in jedem Fall zu euch«, stieß Tim aus.
Lilli sah dem Wagen nach, der wie immer direkt unter der zentralen Eiche parkte. »Grüß ihn doch wenigstens mal. Er ist doch eigentlich ganz nett.«
»Hallo, Kindis!« rief der Mann, der gerade aus dem zitronengelben Auto gesprungen war und nun mehrere schwarze Koffer von der Rückbank hievte.
»Ich mag nicht, wenn er immer »Kindis« sagt«, zischte der Junge. Eine steile Falte hatte sich zwischen seine Brauen gegraben. »Er weiß genau, wie wir heißen.«
»Sollen wir tragen helfen?« rief Lilli über den Platz hinweg.
Tim hielt sie zurück. »Laß das! DerAffe kann das selber.«
»Schon gut, Kindis! Ich krieg es hin!«
»Sag ich doch.«
Lilli verdrehte die Augen.
»Mensch, Tim, bist du etwa eifersüchtig?« wollte sie wissen. »Das ist doch nicht der erste Freund deiner Mutter, den wir erleben. Meine Oma kommt immer mit neuen Geschichten.«
»Es ist der erste, der so lange geblieben ist.«
»Also bist du doch eifersüchtig«, konterte Lilli zufrieden. Mit breitem Grinsen sah sie Henning Brüse entgegen, der gerade auf sie zukam. »Machen sie heute wieder Fotos, Herr Brüse?«
»Klar, wir haben uns viel vorgenommen, noch ein wenig Bademode und dann die ganze Herbst-Winterkollektion. Übrigens, sag doch endlich Henning zu mir«, gab Henning Brüse zurück und an den Jungen gewandt: »Na, Tim, alles klar? Ist deine Mutter im Keller?«
»Ich war noch nicht drin.«
»Na, notfalls werde ich sie eben suchen.«
»Hatten Sie denn keinen Termin?« rief Lilli ihm fröhlich nach.
»Halt endlich den Mund«, zischte Tim.
»Ich brauche keine Termine!« rief der attraktive junge Mann zurück und war im nächsten Moment auch schon hinter der schweren eichenenTüre verschwunden.
»Ich brauche keine Termine«, äffte Tim den verhaßten Freund seiner Mutter nach. »Wetten, er bleibt wieder bis morgen, macht auf Familie und will später meine Hausaufgaben sehen.«
»Er ist wirklich nicht übel. Hast du seine Socken gesehen? Rosa! Haargenau der selbe Ton wie sein Hemd!«
»Mann, bist du vielleicht oberflächlich!«
»Deine Mama hat noch nie einen Freund gehabt, der so gut zu ihr paßt«, beharrte Lilli.
»Nur weil er rosa Socken trägt?«
»Nein, er ist nett! Er ist lustig. Er ist abwechslungsreich, und das Auto, das er fährt, sieht toll aus. Und, wenn er deine Hausaufgaben nachsieht, ist das doch auch nicht verkehrt. Dann weiß er wenigstens, was du in der Schule so machst.Wenn deine Mama ihn heiratet, muß er ja auf den Elternsprechtagen Bescheid wissen.«
Was sie sagte, brachte Tim regelrecht in Rage. Wütend fuhr er sie an, sie solle sich gefälligst um ihren eigenen Kram scheren. Aus seinen Augen blitzte es zornig. »Die und heiraten?« rief er erregt. »Niemals! Nur über meine Leiche. Ich habe nie etwas gegen die Freunde meiner Mutter gesagt, aber Henning ist die Pest! Wenn er bei uns ist, macht er auf Familienleben, und…«
»Das hast du schon mal gesagt.«
»Aber wenn sie ausgehen, darf ich nie dabei sein«, fuhr der Junge fort. »Ich bin noch nie in seiner Wohnung gewesen. Mama aber schon zigmal. Er nistet sich zwar bei uns ein, aber woanders will er nichts von mir wissen.«
Lilli musterte ihren Freund auf einmal nachdenklich. »So hast du es noch nie begründet«, meinte sie und knabberte schuldbewußt an der Unterlippe.
»Er ist in meine Mutter verknallt«, kam Tim zum Punkt. »Aber er will nicht, daß sie auch für mich da ist. Wenn einer eifersüchtig ist, dann er.«
»Du, das ist hart.«
»Es ist zum Kotzen!«
»Kann ich verstehen.« Lilli schwieg betreten und überlegte, wie sie sich am besten verabschieden konnte, ohne daß die Meinungsverschiedenheit länger zwischen ihnen stand. Schließlich wollten sie sich ja nachmittags noch treffen.
In dem Moment ging die Eichentüre zur Villa erneut auf.
Kirschrote Lackpumps wurden sichtbar; Lillis Gesicht hellte sich auf.
»Oma!« rief sie und winkte aufgeregt.
Alwine Zehntner strahlte, als sie ihre Enkelin erkannte. »Hallo, meine zwei!« begrüßte sie die Kinder. »Könnt ihr nicht nach Hause finden? Ich glaube, die sechste Stunde endet hier in Hellingen immer noch um dreizehn Uhr zehn.«
»Ich habe auf dich gewartet«, log Lilli und stupste Tim an.
»Ehrlich«, bestätigte der, denn er hatte Lilli längst verziehen. Er wußte, daß er sie mit seinem Ausbruch beeindruckt hatte, und mehr hatte er schließlich nicht erreichen wollen.
»Na, meine kleine Lieblingsenkelin, dann wollen wir gerne gemeinsam nach Hause gehen.« Sie lud die drei prallgefülltenTüten in die eine Hand, um Lilli einen freien Arm anzubieten. »Ihnen, junger Herr, wünsche ich noch einen angenehmen Mittwoch nachmittag, oder haben wir das Vergnügen, Sie später noch einmal in unserem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen?«
Die Kinder kicherten.
»Ich komme gegen drei vorbei«, sagte Tim und wandte sich der Villa zu.
Oma Alwine beugte sich zu dem Mädchen hinunter. »Ihr zwei habt euch verquatscht. Ihr habt völlig die Zeit vergessen«, sagte sie ihr auf den Kopf zu. »Du konntest schließlich nicht ahnen, daß ich noch bei Maximiliane zu tun hatte. Hoffentlich hat dein Vater nicht längst einen Suchtrupp mit Bluthunden losgeschickt, um dich, seine einzige Freude, aufzuspüren.«
*
Der Gemischtwarenladen »Sauer & Lustig« wurde schon in der dritten Generation von der Familie Zehntner geführt. Allerdings war nicht Paul Zehntners Vater, also Lillis Großvater, Pauls direkter Vorgänger. Paul hatte den Laden von seinem Patenonkel, dem mittlerweile ledig und kinderlos verstorbenen Otto Zehntner, übernommen. Alwines Mann nämlich war als Kulissendarsteller am Theater beschäftigt gewesen. Dort hatte er die schöne, wie lebhafte Kostümbildnerin Alwine kennenund liebengelernt. Otto starb viel zu früh. Paul, sein einziger Sohn, hatte gerade den Laden des Onkels übernommen.
Dramatischer noch, als der plötzliche Unfalltod des im Dorf so angesehenen Otto Zehntner war aber der seiner blutjungen Schwiegertochter Michelle. Sie hatte im selben Wagen gesessen, als das Unglück geschah. Michelles und Pauls Tochter Lilli, damals zuckersüße sechs Wochen alt, hatte am selben Morgen zum ersten Mal gelächelt – ein Umstand, den Alwine der Enkelin ein ganzes Jahr lang nachtrug, ehe sie zur rührendsten und kameradschaftlichsten Oma wurde, die man sich vorstellen konnte. Sie führte seit mittlerweile zehn Jahren Sohn und Enkelin den Haushalt. Aber hauptberuflich war sie erste Näherin und enge Vertraute der attraktiven Maximiliane Wellenthal, Tims Mutter.
Als Tim und Lilli eingeschult wurden und in dieselbe Klasse kamen, schloß sich der Kreis. Die Wellenthals und die Zehntners schweißte eine herzliche Freundschaft zusammen.
»Wir müssen deinen Vater aus dem Laden holen«, sagte Alwine und ließ die Taschen auf den Boden der Diele fallen. »Er wird sonst noch vor Hunger und Sorgen umkommen.«
Lilli stöhnte auf und schälte sich nur mühsam aus Ranzen und Strickjacke.
»Doch«, beharrte Alwine ungewohnt streng, »du läufst noch einmal die Stufen hinunter und springst ins Geschäft. Ich schiebe in der Zwischenzeit unser Essen in die Mikrowelle.«
Paul hatte wirklich schon mehrmals auf die Uhr geschaut.
»Na, so einen großen Hunger hat der Chef?« lästerte die schlanke Lotte Hermann gerade, die meistens an der Kasse saß. Doch da läutetet das Ladenglöckchen, und Lilli schob sich in den Verkaufsraum.
»Hallo, Papi, Essen ist fertig. Kommst du hoch?«
»Er fällt uns hier noch glatt vom Fleische«, antwortete Lotte belustigt, und Gisela, die Nette von der Käsetheke, seufzte anschaulich: »Ach, wenn mir meine Mutti doch auch jeden Mittag so herrlich kochen würde!«
Paul schmunzelte nur und wuschelte seiner Tochter zur Begrüßung durchs Blondhaar. »Hat heute länger gedauert, he?«
Gemeinsam verließen sie den Laden, schlenderten am großen Schaufenster vorbei und bogen um die Hausecke. Lilli hatte die Haustüre nur angelehnt und stieß sie nun auf. Im steilen Treppenhaus roch es bereits köstlich nach Gebratenem.
»Hast du dir Sorgen gemacht, Papi?«
»Muß man das? Du bist doch groß.«
»Oma hat ein Mordstheater gemacht.«
»Hat sie nicht!« Alwine stand in der Wohnungstür und drohte spielerisch mit dem Finger. »Ich habe jedes Wort gehört, Lieblingsenkelin. Und wenn man petzt, bekommt man grüne Ohren.«
Paul schob seine Tochter an Alwine vorbei in die Wohnung und zog genießerisch die Luft ein. »Göttlich, Mutter, wann hast du das gezaubert? Du bist doch den ganzen Morgen in der Villa gewesen.«
»Villa ist eine nette Umschreibung«, meinte Alwine und nahm als erste am großen Küchentisch Platz. »Es ist die reinste Lasterhöhle. Heute wollen sie wieder Aufnahmen machen, und Maximiliane hat Models von einer Agentur bestellt.«
Paul horchte auf, wie immer, wenn seine Mutter von Maximiliane erzählte. Er gab Lilli ein großzügiges Stück Hähnchenbrust auf und wählte auch für Alwine eine ordentliche Portion.
»Henning kam auch gerade«, erzählte Lilli und verdrehte die Augen. »In seinem Schickimickiauto.«
»Was ist los, Kind? Du magst Henning Brüse doch. Ich dachte immer, du betest ihn förmlich an. So ein Filmstartyp muß ja schließlich auch großen Eindruck auf eine heranwachsende junge Dame machen.« Alwine kostete vom Fleisch. »Na ja..., lecker.«
»Wer?« Lilli kicherte boshaft. »Der schöne Henning?«
»Für dich immer noch Herr Brüse«, wies Paul seine Tochter zurecht.
»Stimmt nicht, Papi! Er will, daß ich ihn Henning nenne!«
»Das ist das erste, was er immer macht«, erklärte Alwine ihrem Sohn. »Er bietet Hinz und Kunz das Du an genau wie meine liebe Chefin. Sie sind von einem Schlag, der Henning und die Maximiliane.«
»Was waren denn das für Models?« kam Lilli noch einmal auf einen Punkt zurück, der sie brennend interessierte – seit ihr Berufswunsch Fotomodell war.
»Alles magersüchtige Kettenraucherinnen. Maximiliane hat einen Anfall gekriegt. Ich meine, die Villa ist denkmalgeschützt, und da kann leicht ein Feuer ausbrechen. Sie wollen mit den Bademoden anfangen und später in Herbst und Winter übergehen. Ich freu mich auf die Fotos.«
»Und was ist das in den Tüten?« wollte Lilli wissen. »Papi, sie hat drei dicke, fette Plastikbeutel mitgebracht, obwohl noch das ganze Nähzimmer voll mit Stoffen ist.«
Paul hob nur kurz eine Braue und beschäftigte sich ansonsten ausschließlich mit dem gebratenen Hähnchen.
Alwine musterte Lilli verschmitzt über den Rand ihres Wasserglases hinweg.
»Ist es etwa grün, was du hast, Oma?«
»Dann hat dir Tim schon alles erzählt?«
Lilli prustete los.
»Du sollst das Hochzeitskleid für die olle von Steilhart nähen!« jubelte sie. »Darum auch gleich drei Tüten, weil sie doch so wahnsinnig fett ist.«
»Lillian!« wetterte Paul. Aber dann mußte auch er grinsen. »Lillis Klassenlehrerin will heiraten?« fragte er. »Wer kann denn nur so verrückt sein? Oder hat sie Geld geboten?«
Alwine erklärte das Mißverständnis und ließ nach dem Essen die beiden in die Tüten schauen und die Qualität des Stoffes begutachten. Der Anblick der Spitze löste wieder allgemeines Gelächter aus.
»Maximiliane kann diese freundliche Pädagogin auch nicht leiden«, sagte Paul. »Sie wurde auf dem letzten Elternabend richtig frech.«
»O ja, meine süße Chefin kann ganz schön bissig werden, wenn ihr die Meinung eines anderen nicht paßt. Trotzdem halte ich Maximiliane für einen sehr gerechten Menschen – und für eine ganz phantastische Mutter.«