Rasant ins Familienglück - Veronika Weydt - E-Book

Rasant ins Familienglück E-Book

Veronika Weydt

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Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Es roch nach Öl – nicht nach gewöhnlichem Öl, wie Olivenöl, Distelöl oder Sonnenblumenöl, das vernünftige Mütter zum Kochen verwenden, und das dann auch ausschließlich in einer abgeschlossenen Küche, um rücksichtsvoll andere Mitbewohner nicht zu belästigen. Nein, es roch nach Leinöl, von dem nur Künstler und ähnlich schräge Gestalten behaupten, daß es völlig geruchsneutral sei. Schlimmer noch war das Terpentin. Der kleine Totenkopf auf der Dosenflasche lehrte einen schon das Fürchten. Aber Marie Zielian schwor darauf, man solle es eben nicht trinken. Reines Terpentin sei ein völlig seriöses Malmittel, das beste – eindeutig. Man könne es sowohl zum Eindicken als auch zum Verdünnen der Ölfarben benutzen. Es sei lächerlich preiswert, bedenke man, wie ergiebig es sei. Es stank wie die Pest in der unter normalen Umständen ganz gemütlichen Vier-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoß des modernen Mehrfamilienhauses. »Mami, ich krieg' Kopfschmerzen.« »Sag ich nicht immer, du sollst beim Radfahren eine Mütze unter den Helm ziehen?« gab die Angesprochene ungerührt zurück. »Mami! Es ist Frühling und schon richtig warm!« »Das Frühjahr kann tückisch sein, mein Schatz«, antwortete Marie gutgelaunt und schleuderte einen winzigen Tropfen kobaltblau ungefähr ins Zentrum der Leinwand. Mit zusammengekniffenen Augen machte sie sich nun daran, den blauen Fleck zu vermalen. Dann richtete sie sich zufrieden auf und strahlte ihren ältesten Sohn an. »Na schau, jetzt hast du wieder etwas gelernt: Auch im Frühjahr kann es immerhin noch so lausig kalt sein, daß du drinnen plötzlich mit Kopfschmerzen zu tun hast.« »Mami!«

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Mami Bestseller – 81 –

Rasant ins Familienglück

Pit und Raffael helfen dem Schicksal auf die Sprünge

Veronika Weydt

Es roch nach Öl – nicht nach gewöhnlichem Öl, wie Olivenöl, Distelöl oder Sonnenblumenöl, das vernünftige Mütter zum Kochen verwenden, und das dann auch ausschließlich in einer abgeschlossenen Küche, um rücksichtsvoll andere Mitbewohner nicht zu belästigen. Nein, es roch nach Leinöl, von dem nur Künstler und ähnlich schräge Gestalten behaupten, daß es völlig geruchsneutral sei. Schlimmer noch war das Terpentin. Der kleine Totenkopf auf der Dosenflasche lehrte einen schon das Fürchten. Aber Marie Zielian schwor darauf, man solle es eben nicht trinken. Reines Terpentin sei ein völlig seriöses Malmittel, das beste – eindeutig. Man könne es sowohl zum Eindicken als auch zum Verdünnen der Ölfarben benutzen. Es sei lächerlich preiswert, bedenke man, wie ergiebig es sei.

Es stank wie die Pest in der unter normalen Umständen ganz gemütlichen Vier-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoß des modernen Mehrfamilienhauses.

»Mami, ich krieg’ Kopfschmerzen.«

»Sag ich nicht immer, du sollst beim Radfahren eine Mütze unter den Helm ziehen?« gab die Angesprochene ungerührt zurück.

»Mami! Es ist Frühling und schon richtig warm!«

»Das Frühjahr kann tückisch sein, mein Schatz«, antwortete Marie gutgelaunt und schleuderte einen winzigen Tropfen kobaltblau ungefähr ins Zentrum der Leinwand. Mit zusammengekniffenen Augen machte sie sich nun daran, den blauen Fleck zu vermalen. Dann richtete sie sich zufrieden auf und strahlte ihren ältesten Sohn an. »Na schau, jetzt hast du wieder etwas gelernt: Auch im Frühjahr kann es immerhin noch so lausig kalt sein, daß du drinnen plötzlich mit Kopfschmerzen zu tun hast.«

»Mami!«

»Noch einen Moment, dann mache ich dir einen Tee, kleiner Pit, einen schleimlösenden. So lange hältst du aber noch still. Verstanden, kleiner Pit? Ich muß nämlich an deinem linken Auge noch etwas verändern.«

»Sag nicht kleiner Pit zu mir!« maulte Pit, den sie auf den Namen Peter-Paul getauft hatten, und reckte sich. Er richtete sich sogar hinter dem alten Schulbänkchen auf, das Marie einem Heimatmuseum abgeluchst hatte, und schwenkte beeindruckend gewandt seine eingeschlafene Kehrseite. »Ich mag nicht mehr. Ich will endlich raus und spielen. Mein Kopf tut so schrecklich weh.«

»Das sagst du immer, um mich unter Druck zu setzten, kleiner Pit.«

»Ich bin nicht der kleine Pit. Und wenn ich doch nun mal Kopfweh habe.«

»Dann gehst du bestimmt nicht raus.«

»Aber ich bin nicht krank«, rief Pit verzweifelt –, denn nur ein Gehörloser konnte die vergnügten Bubenstimmen und das Tocken und Klatschen des Balls auf dem Ascheplatz neben dem Haus ignorieren. Aber seine Mutter war nicht gehörlos, sie war herzlos und kalt! »Ich habe so Kopfweh, weil es hier so scheußlich stinkt. Meine Lehrerin sagt auch, daß man von Terpentin sterben muß.«

Marie warf den Pinsel auf die Palette und kam nun mit ausholenden Schritten hinter der Staffelei hervor. Sie war jetzt eindeutig schlecht gelaunt. Pit wurde unwillkürlich kleiner.

»Okay, wir hatten eine Abmachung«, murmelte er schnell und schickte sich an, wieder hinter dem Kinderpult Platz zu nehmen.

»Hatten wir«, bestätigte Marie und ging vor ihrem sechsjährigen Sohn in die Hocke. Sie ließ die Hände auf das aufgeschlagene Lexikon sinken, das an eine alte Fibel, wie man sie vor ein, zwei Generationen zum Lesenlernen benutzt hatte, erinnern sollte. »Wir hatten vereinbart, daß du hier so lange Modell sitzt, bis die Eieruhr drüben schnarrt. Du selbst hast die Eieruhr auf vierzig Minuten gestellt, weil du fandest, daß dir gerade noch vierzig Cent fehlten. Ich hatte dreißig Minuten vorgeschlagen, aber über dein großzügiges Angebot hatte ich mich natürlich gefreut.«

Pit mochte es nicht, wenn seine stets fröhliche Mutter auf einmal so langsam sprach und jedes einzelne Wort betonte.

»Aber das Kopfweh ist wirklich«, flüsterte er schuldbewußt. »Die hab’ ich immer, wenn du so viel Terpentin benutzt. Ich zieh nämlich keine Mütze unter dem Helm an, wenn die anderen schon in T-Shirts rumlaufen«, setzte er scheinbar zusammenhangslos hinzu.

Endlich kehrte das Lächeln zurück; Marie hatte gesiegt. »Dann schüttele dich mal aus und setz dich wieder so hin wie gerade.« Ein unternehmungslustiger Blick zur Eieruhr und sie markierte die Entsetzte. »Himmel, kleiner Pit, wir haben nur noch vierzehn Minuten.«

Er liebte sie abgöttisch –, auch wenn sie ›kleiner Pit‹ sagte. Er wußte, daß sie mit ihren Bildern das Geld verdiente, daß dafür nötig war, die Wohnung, das Essen, die Kleidung und die Spielsachen zu kaufen. Seit Onkel Lars, Maries Bruder, dahintergekommen war, daß Kinderbilder »verdammt gut liefen«, verdiente sie sogar noch besser.

»Kann man eigentlich auch woanders malen?« fragte Peter-Paul aus den Gedanken heraus.

Maries Kopf tauchte hinter der Leinwand auf. Sie nahm den Pinsel aus dem Mund. »Blöde Frage. Was meinst du wirklich?« wollte sie wissen und steckte den Pinsel wieder zwischen die Lippen.

»Ich meine«, begann Pit nachdenklich, »Onkel Lars geht zum Bauamt, um zu arbeiten. Nur ganz selten nimmt er sich Arbeit mit nach Hause...«

»Wenn man ihn reden hört, dann steckt er so tief in der Arbeit, daß er sogar eine ganze Menge davon daheim erledigt.« Sie hatte den Pinsel einfach auf den Boden gespuckt.

»Ja, aber Freddys Mutter zum Beispiel. Die verkauft in der Bäckerei, aber die Weckchen, die sie uns gibt, wenn ich bei Freddy bin, die muß ich nie bezahlen. Also nimmt sie keine Arbeit mit nach Hause. Und der Herr Kluge, unser Briefträger, der fährt auch mit leerer Tasche heim. Der Bernd, Svens großer Bruder, der ist jetzt...«

»Worauf willst du hinaus?«

Sie hatte wieder so merkwürdig geklungen, und Pit ersparte sich eine Antwort. Statt dessen schaute er angestrengt ins Lexikon und entzifferte das schwere Wort »Glazialkosmogonie«.

»Du willst also, daß ich zum Malen hier verschwinde, ja?«

»Dann wäre ja keiner da, wenn ich aus der Schule und Raffi aus dem Kindergarten kommt...«

»Genau, auch das müßte organisiert werden. Vor allem aber müßte ich ein Heidengeld für die Miete eines Ateliers aufbringen. Was ein Atelier ist, weißt du, nicht wahr?«

Pit nickte eifrig. Klar wußte er das, und morgen würde er seine Lehrerin sogar damit überraschen, daß er ›Glazialkosmogonie‹ an die Tafel malen konnte, während die anderen Kinder ›Haus‹ und ›Auto‹ immer noch ohne u schrieben. Was ein Atelier war, wußte Pit schon, bevor er laufen konnte –, na ja, oder kurz danach.

»Worauf wartest du?« fragte Marie. »Soll ich es dir einfach noch einmal erklären?«

»Nicht nötig.«

Marie ignorierte den Einwand. »Ich muß im Wohnzimmer malen«, dozierte sie, »damit wir uns das Geld für ein Atelier sparen können. Mich stört der Duft übrigens nicht«, fügte sie hinzu. »Wenn du willst, machen wir aber gleich das Fenster auf. Verdammt!«

Pit sprang vom Stühlchen auf und strahlte befreit. »Die Eieruhr«, jubelte er begeistert und wollte seiner Mutter einen dicken Kuß geben.

Marie fischte vierzig Cent aus der Gesäßtasche ihrer engen Arbeitsjeans, die überall mit bunten Ölfarbflecken verziert war, und gab sie ihrem Großen. Sie erwiderte den Kuß und stupste ihm einen winzigen Fleck kobaltblau aufs Näschen.

»Bevor du rausläufst, zieh dir den Matrosenanzug aus!« mahnte sie lachend.

Pit sah erschrocken an sich herunter, dann lachte auch er.

»Du kannst gleich einmal schauen, ob sich dein Bruder in der Sandkiste benimmt«, bat sie. »Ich muß hier noch ein paar Feinarbeiten machen, dann komm ich auch an die frische Luft.«

Pit grinste. Er wußte, daß Raffi, der eigentlich Raffael hieß, trotz seiner zarten viereinhalb Jahren im Leben nicht brav in irgendeiner Sandkiste hocken und artig Kuchen backen würde. Marie war das natürlich auch klar, aber sie verbot sich jeden Gedanken an das, was ihr Jüngster in unbeobachteten vierzig Minuten alles aushecken konnte. Die Gartenanlage war hoch umzäunt, weglaufen konnte er nicht, und es befanden sich immer genug Leute draußen, die Bescheid gesagt hätten, wenn mit Raffael irgend etwas wirklich Schlimmes geschehen wäre.

Marie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da läutete es schon Sturm. Sie drückte auf den Summer und öffnete die Tür. Sofort quetschte sich Pit an ihr vorbei. Der wollte nur raus, raus in die Freiheit, weg von Matrosenanzügen, langweiligem Verharren und gräßlichem Gestank. Außerdem würde er in kürzester Zeit Weingummifläschchen im Wert von vierzig Cent besitzen.

»Marie!« schallte es durchs Treppenhaus, und Marie seufzte. Sie würde an diesem Tag nicht mehr dazu kommen, das Portrait ihres Sohnes zu verbessern. »Marie! Marie? Bist du nicht da?«

»Die malt«, hörte sie Pits helle Stimme, bevor die Eingangstür unten dumpf ins Schloß fiel. Dann hörte sie die unverkennbaren Geräusche, die nur ihr Bruder, Lars Zielian, beim Stürmen eines Treppenhauses verursachen konnte.

»Achtundzwanzig Sekunden«, begrüßte sie ihn ungerührt an der Wohnungstür und steckte ihre Armbanduhr in die Hosentasche zurück. »Du bist schon mal schneller hier oben gewesen. Was ist das?« Sie sah mit gerümpfter Nase auf ein angeschmutztes Stofftaschentuch.

Lars rang nach Atem. In seinen Augen lag dieser wichtige, undurchdringliche Blick. Er öffnete schweigend den doppelten Knoten des karierten Tuchs. Marie lehnte sich derweil an den Türrahmen und wartete betont gelangweilt darauf, was ihr Bruder ihr Wichtiges zu zeigen hatte.

»Da«, triumphierte er und hielt Marie ein schmutzig-schlammiges Gemisch aus Tannennadeln, Erde und Klebrigem unter die Nase.

Marie beugte sich folgsam darüber. »Ich kann wirklich nicht alles identifizieren, Lars«, antwortete sie. »Am besten ist, du kommst einfach zur Sache. Hast du ein Hundehäufchen gefunden? In der Sandkiste oder bei den Spielgeräten?«

Beleidigt umschloß Lars das Bündel und steckte es in seine Jacke zurück. Diesmal nahm er sich nicht die Zeit, das Taschentuch wieder an den Zipfeln zu verknoten. Er drängte sich an seiner jüngeren Schwester vorbei und steuerte zum Telefon.

»Hast du die Nummer von Berendt gespeichert?« Er hielt schon den Hörer in der Hand.

»Was willst du um Himmels willen von unserem Kinderarzt?«

»Das, was du gerade gesehen hast, war eine Nacktschnecke, eine zerbissene Nacktschnecke.«

»Na und?« Marie war schon am Telefon, nahm ihrem Bruder den Hörer aus der Hand und legte ihn auf die Gabel zurück. Sie kannte die Tricks ihres Nesthäkchens, um den strengen Onkel loszuwerden. »Raffi mag eben Nacktschnecken. Er ißt nie viele, und wenn er begreift, daß man mit dem Geld, das er bei mir durchs Modellsitzen verdient, auch Weingummi kaufen kann, dann wird er sie sogar ganz verschmähen. Das tut sein Bruder im Moment auch, und ich wette, du willst ihn als nächsten bei mir verpetzen.«

Lars schüttelte verständnislos den Kopf. Tatsächlich hatte er seinen Neffen kürzlich am Büdchen erwischt. »Er ruiniert sich bereits das Milchgebiß«, bestätigte er knurrig.

Marie legte die Hände auf die Schultern ihres Bruders und mußte sich dabei ordentlich recken. Mit ihrem liebevollen Lächeln konnte sie ihn schließlich beruhigen. »Es sind Kinder, ja«, sagte sie. »Man kann sie nicht festbinden. Man muß ihnen manchmal auch Freiräume lassen –, selbst den ganz kleinen«, nahm sie ihm das nächste Argument vorweg. »Mir wäre lieber, du würdest dich ein wenig beliebter bei ihnen machen. Ich habe langsam das Gefühl, sie meiden dich absichtlich.« Sie klärte ihn allerdings nicht darüber auf, daß gerade Raffi mit dem Essen sehr eigen war und sich schnell vor etwas ekelte. Sie wollte nicht darüber nachdenken, wie es dem Knirps gelungen war, seinen Onkel mit der angeblichen Zwischenmahlzeit auf den Arm zu nehmen.

»Ich bin ihr Patenonkel!«

»Aber das soll doch keine Strafe sein.«

»Sie haben keinen Vater mehr.«

»Und da sind wir doch alle mächtig froh!« erwiderte Marie aus Überzeugung.

Lars seufzte und entwand sich ihrem Griff. »Du wirst nie erwachsen, Marie. Dabei bist du im nächsten Sommer dreißig. Ich mache mir ständig Sorgen um dich. Manchmal denke ich, du bringst mich noch um den Verstand.«

»Nur, weil ich nicht ganz so korrekt bin wie du?« Sie goß ihm abgestandenen Tee aus einer Thermoskanne ein und reichte ihm die gefüllte Tasse. »Nimm es mir nicht übel. Ich bin dir nämlich wirklich dankbar, den ganzen Tag lang. Ohne dich würde ich keine Aufträge bekommen oder keine Käufer für fertige Bilder. Das machst du besser als jeder Profi-Manager. Aber bitte, bedenke dabei, daß man deine lebenslustigen Neffen nicht managen kann, ja?«

Lars ließ sich auf einen Sessel fallen und zwang sich, kein Wort über das Feuerwehrauto zu verlieren, das sich gerade tief in sein Gesäß bohrte. »Du hast ja recht«, gab er zu und schlürfte vom Tassenrand. »Aber hast du schon mal darüber nachgedacht, was für Bakterien so eine heimische Nacktschnecke mit sich herumtragen und vor allen Dingen auf einen kleinen Körper abgeben kann? Dabei steht nicht einmal fest, ob es wirklich eine heimische Schnecke war. Sie könnte eingeführt worden sein, versehentlich oder vorsätzlich.«

Marie seufzte. »Lars, ich verspreche dir, ich vernachlässige meine Kinder nicht«, sagte sie ruhig, nahm ihm die Tasse wieder ab und zwinkerte ihm zu. »Und weil du der beste Onkel auf Erden bist, sollst du jetzt auch einen ordentlich heißen Tee von mir bekommen!«

»Aber nicht aus der Mikrowelle!« rief Lars ihr nach, und da wußte sie, daß es ihr wieder gelungen war, ihn zu versöhnen.

*

Jochen Herten warf einen Blick zu der kleinen Digitaluhr über dem Rückspiegel und trat noch einmal kräftiger aufs Gas. Der kleine grasgrüne Lieferwagen krachte im Getriebe. Gleichzeitig mahnte Jochen sich zur Ruhe. Die Katzenbabys, die neben ihm in einem Pappkarton auf dem Beifahrersitz gerade ihren ersten Trennungsschmerz von ihrer Katzenmami verdauen mußten, sollten nicht auch noch denken, daß die ganze Welt um sie herum zerplatzte. Ihre Krällchen scharrten über den Pappboden, als Jochen die Geschwindigkeit nun wieder abrupt drosselte, und der ganze Karton bewegte sich Zentimeter nach hinten.

Das Handy! Auch das noch! »Wer, verflucht und zugenäht, stört mich in meiner Mittagspause?« fluchte Jochen und schwitzte. Noch ein Blick auf die Uhr, und ihm war klar, daß er keine Mittagspause mehr hatte. »Dann muß es Susi sein«, murmelte er und griff hinter den Karton mit den Katzenbabys. Er faßte auf etwas Warmes, Feuchtes und zuckte kurz zurück, ehe er weiter nach dem Handy tastete. »Warum habt ihr durch den Kasten gepinkelt, ihr Dummen?« wollte er wissen. »Habt ihr eine Ahnung, wie man das wieder aus dem Sitz herausbekommen soll?« Nicht, daß diese Tierjungen die ersten waren, die ihm auf diese Weise das Auto verschmutzt hatten...

Endlich hatte er das Handy und fuhr an den Fahrbahnrand. Es war wirklich seine Kollegin Susi Maus.

»Susi!« rief er in das Telefon. »Du merkst ja, daß ich mich verspätet habe. Warum mußt du gleich anrufen? Dieser Bauer Etwaldt wollte mir eben unbedingt noch seine neue Melkanlage zeigen, und weil ich gleich den ganzen Wurf umsonst bekommen habe, konnte ich ihm keinen Korb geben.«

»Ich kann nicht rein«, piepste Jochens einzige Mitarbeiterin. Ihr feines Stimmchen ging im Lärm des Verkehrs unter.

»Warum schließt du nicht einfach die Tür zur Zoohandlung auf? Schon bist du drin, man muß es nur versuchen.« Jochen war gereizt, denn er hatte die Katzen eigentlich noch versorgen wollen, ehe er sich mit der Kundschaft im Laden abgab.

»Du hast aber meinen Schlüssel, Chef!«

Das ›Chef‹ war das einzige, was Jochen klar und deutlich hörte, auch die Ironie, mit der sie das Wort ausgespuckt hatte. Er konnte nichts zu seiner Verteidigung vorbringen und seufzte schuldbewußt. In seiner Jackentasche befanden sich nämlich tatsächlich zwei Schlüsselbunde – seines und das der lieben Susi.

»Wir haben hier schon eine ältere Dame, die sich für Wellensittiche interessiert, und Sven Bloster, der Futter für seine Meerschweinchen braucht. Er soll um vier Uhr wieder zu Hause sein.«