Der Papa bin ich! - Veronika Weydt - E-Book

Der Papa bin ich! E-Book

Veronika Weydt

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Eine freundliche Sommermitt­wochsmorgensonne malte ihre Strahlen auf Natalies Schreibtischunterlage. Die junge Lehrerin streckte sich wohlig; sie war ausgeschlafen und lächelte zufrieden. Endlich, dachte sie, endlich bekommen die Kinder, die daheim geblieben sind, das, worauf sie sich das ganze Jahr über freuen – Ferienwetter! Es waren Natalies erste Sommerferien als richtige Lehrerin, und schon wieder huschte ein Lächeln über ihr hübsches Gesicht. Richtige Lehrerin – wie sich das anhörte. Sie hatte schon als Schülerin die Lehramtsanwärter, die Referendare, von den Ehrfurcht einflößenden Herrschaften im Lehrerzimmer unterschieden. Schon damals hatte sie dazugehören wollen, zu den richtigen Lehrern freilich, nicht zu denen, die auf dem Weg dorthin waren. Lehrer waren ja so gescheit und respekteinflößend. Sie wussten stets, was zu tun war, und hatten auf alles eine Antwort. Diese Gaben hatten Natalie immer schon imponiert. Aber der Wunsch, wirklich eine von ihnen zu werden, hatte sich erst eingestellt, als ein junger Mann mit genau diesem Berufswunsch in ihr Leben getreten war. Sie verbot sich jeden weiteren sehnsüchtigen Gedanken an jenen jungen Mann von damals, damit sich das Glücksgefühl der frühen Morgenstunden nicht wieder allzu schnell verabschiedete. Sie war doch am Ziel ihrer Träume, zumindest ihrer beruflichen angelangt, also sollte sie ununterbrochen glücklich sein. Sie lächelte jetzt ganz bewusst. »Ja, Natalie, du bist glücklich. Du bist sogar verdammt glücklich«, murmelte sie, und es klappte mal wieder. Sie hatte die düsteren Gedanken erfolgreich verscheucht, noch ehe sie hatten Gestalt annehmen können. Natalie hatte sich wunderbar im Griff. Sie konnte ihr Fühlen und Denken beeinflussen, und darauf war sie rechtschaffen stolz.

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Mami – 2076 –

Der Papa bin ich!

Unveröffentlichter Roman

Veronika Weydt

Eine freundliche Sommermitt­wochsmorgensonne malte ihre Strahlen auf Natalies Schreibtischunterlage. Die junge Lehrerin streckte sich wohlig; sie war ausgeschlafen und lächelte zufrieden. Endlich, dachte sie, endlich bekommen die Kinder, die daheim geblieben sind, das, worauf sie sich das ganze Jahr über freuen – Ferienwetter!

Es waren Natalies erste Sommerferien als richtige Lehrerin, und schon wieder huschte ein Lächeln über ihr hübsches Gesicht. Richtige Lehrerin – wie sich das anhörte. Sie hatte schon als Schülerin die Lehramtsanwärter, die Referendare, von den Ehrfurcht einflößenden Herrschaften im Lehrerzimmer unterschieden. Schon damals hatte sie dazugehören wollen, zu den richtigen Lehrern freilich, nicht zu denen, die auf dem Weg dorthin waren. Lehrer waren ja so gescheit und respekteinflößend. Sie wussten stets, was zu tun war, und hatten auf alles eine Antwort. Diese Gaben hatten Natalie immer schon imponiert. Aber der Wunsch, wirklich eine von ihnen zu werden, hatte sich erst eingestellt, als ein junger Mann mit genau diesem Berufswunsch in ihr Leben getreten war. Doch das war alles schon lange her …

Sie verbot sich jeden weiteren sehnsüchtigen Gedanken an jenen jungen Mann von damals, damit sich das Glücksgefühl der frühen Morgenstunden nicht wieder allzu schnell verabschiedete. Sie war doch am Ziel ihrer Träume, zumindest ihrer beruflichen angelangt, also sollte sie ununterbrochen glücklich sein. Sie lächelte jetzt ganz bewusst.

»Ja, Natalie, du bist glücklich. Du bist sogar verdammt glücklich«, murmelte sie, und es klappte mal wieder. Sie hatte die düsteren Gedanken erfolgreich verscheucht, noch ehe sie hatten Gestalt annehmen können. Natalie hatte sich wunderbar im Griff. Sie konnte ihr Fühlen und Denken beeinflussen, und darauf war sie rechtschaffen stolz. Nicht jeder war so selbstbeherrscht wie die Junglehrerin Frau Natalie Holländer!

Seinerzeit hatte sie sogar auf Privatsphäre verzichtet. Das war, als ihre Schwester Amelie sie gebeten hatte, sie ein Weilchen zu entlasten. Amelie und Hendrik waren ein junges, quirliges Paar. Mit dem kleinen Peter waren sie noch gut alleine zurechtgekommen. Als sich dann aber auch noch Klein-Toni einstellte und Amelie wieder ihren Beruf aufnehmen musste, um gewisse finanzielle Engpässe auszubügeln, wurden die Zustände immer chaotischer.

»Kind, du musst deiner großen Schwester unter die Arme greifen!«, hatte Mutter, beziehungsweise Oma Vera ihrer Jüngsten befohlen. Da hatte Natalie sich aber schon längst entschieden. Befehle prallten ohnehin an ihr ab. Natalie tat immer das, was sie für richtig hielt, und nicht, was andere empfahlen oder gar anordneten.

Aus dem Weilchen, um das Amelie gebeten hatte, waren Jahre geworden, und Natalie beschwerte sich nicht. Sie hatte ihre eigene Mansarde im putzigen Einfamilienhaus und ein eigenes Auto. Fluchtmöglichkeiten waren also vorhanden, wenn Natalie auch nur selten davon Gebrauch machte. Sie liebte eben das Leben, für das sie sich entschieden hatten. Und Amelie, Hendrik und die Kinder sahen auch keinen Grund, Natalies Lebensideale in Zweifel zu stellen.

»Die Natalie braucht keinen Mann, und all die Kinder, die sie so lieb hat, trifft sie ja in der Schule«, fand Amelie. »Sie braucht die nicht mal abends ins Bett zu schicken und darauf zu achten, dass sie sich die Zähne ordentlich putzen. Glückliche Natalie!«

Hendrik sah es genauso. »Sie ist so jung und so hübsch, und sie hat schon alles, was sie sich wünscht.«

O ja, Natalie freute sich auch schon jetzt wieder auf ›ihre‹ Kinder. Manche hatten schon hübsche Karten aus den Sommerferien geschrieben und mit bunten Filzstiftherzchen die Zuneigung zu ihrer Lieblingslehrerin bezeugt. Natalie würde ›ihren‹ Buben und Mädchen am liebs­ten das Wachsen verbieten, denn sie wusste, dass die Kinder, die sich spätestens ab Klasse sieben nicht Lehrerhasser nannten, als Streber verschrien waren. Und ein Streber wollte niemand sein. Früher nicht und heute nicht.

Auch Natalie hatte es nie sein ­wollen …

Das Sonnenlicht auf ihrer Schreibtischunterlage breitete sich aus und wurde greller. Natalie stand auf und trat ans Fenster, um die Jalousie ein wenig herabzulassen. Es knatterte erschreckend laut. Also kniff Natalie die Lippen fest aufeinander und zog im Zeitlupentempo angestrengt weiter. Schuldbewusst schielte sie auf die Digitalanzeige ihrer kleinen Schreibtischuhr und erschrak.

»Oje, doch erst sechs Uhr zwanzig. Amelie wird mich umbringen.«

Wie eine Diebin schlich Natalie sich an ihren Schreibtisch zurück, legte pflichtschuldig schon mal eine Hand auf das ›Englischbuch für Lehrende‹, das für die sechste Klasse vorgesehen war und das durchzuarbeiten sie sich für diesen frühen Mittwoch vorgenommen hatte, und lauschte angestrengt. Noch schien das Haus zu schlafen. Natalie atmete vorsichtig aus. Ebenso vorsichtig öffnete sie das Buch, wie um sicherzugehen, dass nicht das Umschlagen der Seiten durchs ganze Haus dröhnte.

»Tolle Leistung, gnädige Frau!«

Natalie zuckte zusammen.

»Hoppla!«, entfuhr es ihr. Sie press­te sich die Hand auf ihr pochendes Herz. »Mein Gott, bin ich erschrocken!« Im nächsten Moment wurde die Deckenleuchte angeknipst, und Natalie blinzelte, als sie sich umdrehte.

Amelie stand breitbeinig im Türrahmen, die geballten Fäuste in die Seite gestemmt, und sie funkelte ihre Schwester böse an.

»Pst!«, mahnte diese. »Lass wenigstens deine Kinder schlafen, Amelie. Mach die Tür hinter dir zu und rede leise, wenn du etwas von mir willst. Übrigens sind die Rollos jetzt unten, du kannst auch genauso gut wieder ins Bett gehen, wenn du keine Lust auf Unterhaltung hast.«

Amelie schloss die Tür, aber die Stimme senkte sie nicht. »Der Spätdienst einer Altenpflegerin in meiner Einrichtung endet um zweiundzwanzig Uhr, was aber nicht heißt, dass dann auch wirklich Schluss ist«, dozierte sie. »Für die Pflegedienstleitung«, hier bohrte sich der Zeigefinger der Sprecherin gegen die eigene Brust, »bedeutet das, man verschwindet als Allerletzter. Die Kolleginnen sind längst auf dem Heimweg. Erst dann beginnt für die Pflegedienstleitung der Feierabend.«

Die Jüngere winkte ab. »Du bist gestern erst nach dreiundzwanzig Uhr hier gewesen, ich weiß«, murmelte sie und rollte nur ein kleines bisschen mit den Augen. »Ich war selbst noch auf und habe dir ein paar Brote gemacht. Eins war mit Kartoffelsalat und kleinen Speckstückchen, weißt du noch? Den Rest aus der Flasche Rotwein, die Hendrik vorges­tern geöffnet hat, haben wir uns geteilt. Ich war knapp nach Mitternacht im Bett, da hast du, soviel ich weiß, schon tief und fest geschlafen.«

Amelie Ripke starrte die Jüngere an. Dann zog sie sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf plumpsen. Sie erinnerte sich. Ein Spaghettiträger ihres giftgrünen Nachthemdes rutschte Amelie von der schmalen Schulter. »Warum bist du dann so bescheuert und bleibst nicht einfach im Bett?« Sie sah demonstrativ zum Wecker auf Natalies Schreibtisch, aber ohne Brille konnte sie die Uhrzeit nicht erkennen.

»Noch keine sieben«, informierte Natalie sie ungerührt.

»Kind, du hast Sommerferien!«, rief Amelie verhalten. »Du machst mir Angst. Peter und Toni müssen nicht mal Punkt neun im Kindergarten sein. Warum schläfst du nicht aus?«

Natalie entspannte sich und lächelte unschuldig und zuckersüß. »Weil ich mit deinen Kindern noch gemütlich frühstücken möchte, ehe ich durch die halbe Stadt fahren muss, um sie in die Kita zu bringen?«, antwortete sie auf Amelies Frage. »Weil du mir eine meterlange Einkaufsliste auf den Küchentisch gelegt hast? Weil dein Mann heute schon mittags frei macht, damit wir später, nachdem ich eure Kinder abgeholt und dich ins Altenheim gefahren habe, zusammen ins Freibad können – mit dem einzigen Auto dieser Familie, nämlich mit meinem Auto?« Natalie tippte auf das Englischbuch. »Ich will fürs nächste Schuljahr gut vorbereitet sein. Job ist Job, verstehst du? Aber wann soll ich es machen? Deine Familie frisst mich auf«, fügte sie hinzu, um die Schwester ein wenig zu ärgern.

Amelie legte den Kopf zur Seite und musterte sie. »Höre ich Kritik, kleine Schwester?«

Natalie antwortete mit einem Lächeln, das beides bedeuten konnte, ja oder nein. Früher hatte Amelie ihr immer Respekt eingeflößt, aber inzwischen war Natalie nicht mehr die Kleine. Natalie war die Intelektuelle, verdiente mehr Geld und war streng genommen unabhängig. Bald würde sie sich von der Familie ihrer Schwes­ter lösen. Sie war noch nicht ganz bereit, aber der Abnabelungsprozess hatte bereits begonnen. Natalie spürte es, während Amelie natürlich nicht die geringste Ahnung hatte. Sie war ein prächtiger Mensch, aber völlig unsensibel.

»Na schön.« Amelie warf ihre Lockenpracht auf und gähnte. Dann rieb sie sich die Augen. »Du beschwerst dich also. Du hast somit vergessen, dass wir uns geeinigt hatten. Ach ja, und du hast übrigens auch zugestimmt, als es darum ging, ob wir unseren Kombi verschrotten oder nicht. Es war dein Vorschlag, deinen Wagen herzugeben, ehe wir das Geld für eine neue Familienkutsche zusammen haben. Übrigens hat Hendrik die letzte Tankfüllung springen lassen.«

»Ich habe kein Problem mit unserer Abmachung«, erinnerte Natalie fröhlich und strich Amelie über die bloßen Knie. »Du bist es, die hier hereinplatzt und sich beschwert, dass ich schon wach bin. Ich meine, eigentlich dürfte dir das doch egal sein, solange ich deinen Anweisungen trotzdem folge.«

»Hey, du, da ist schon wieder Kritik. Das kann ich nach so einer kurzen Nacht nicht vertragen. Ich weiß gar nicht, wie ich mich wehren soll. Was wirfst du mir eigentlich vor?«

»Gar nichts!«

Amelie ließ sich nicht beirren. »Bin ich eine Rabenmutter? Bin ich eine schlechte Hausfrau? Kümmere ich mich nicht genug um meinen Mann?« Sie registrierte das frisch gemachte Bett in Natalies Ein-Mann-Apartment und ärgerte sich über die perfekte Ordnung – es war doch noch Nacht! »Passt dir das Arrangement mit dem Auto nicht? Was genau stört dich an mir?«

Natalie winkte ab. »Mit dir kann man um diese Zeit nicht reden. Leg dich doch einfach wieder hin. Bitte«, fügte sie nachdrücklich hinzu und wollte sich wieder ihrer Lektüre zuwenden.

Amelie war nicht zufrieden. Sie bohrte. »Ich kann auch die Kinder in die Kita bringen und einkaufen. Ich wäre dir nur dankbar, wenn du Hendrik im Schwimmbad später etwas hilfst«, bat sie in einem Ton, den man von ihren quengelnden Kindern her kannte. »Du weißt ja, ich könnte mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren, wenn ich dieses Riesenbaby mit Peter und Toni alleine …«

»Mensch, Schwester«, unterbrach Natalie sie lachend. »Ich habe Ferien. Mir macht es nichts aus, deine Jobs zu machen, während du ein paar Überstunden klopfst. Ich meine, ich mache das doch freiwillig. Ich liebe eure beiden Racker und bin froh, euch mal was abnehmen zu können. Und wenn du mit Riesenbaby deinen Mann meinst – nun, mit dem bin ich doch wohl schon früher fertig geworden. Mach dir bloß kein schlechtes Gewissen.« Sie beschrieb einen weiten Bogen. »Ich darf hier wohnen. Ihr sorgt dafür, dass ich nicht als alte Jungfer vereinsame. Später bräuchte ich allerdings einen Treppenlift, um unters Dach zu kommen.«

»Hör auf, du bist erst achtundzwanzig!«

»Dann bin ich eben die gute, unverheiratete Tante, die sich für ein Gnadenbrot gerne bei der Fami-

lie ihrer glücklich verheirateten Schwes­ter nützlich macht. Alte Tanten schenken immer Luxuslimousinen, um die Verwandtschaft bei Laune zu halten«, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu. »Ich kann ja dann auch unten in der Küche neben dem Herd wohnen, wenn das Geld für den Treppenlift nicht reicht.«

Jetzt wusste Amelie, dass es Natalie nicht ernst meinte. Sie war erleichtert, weil eine zufriedene Schwester das eigene Leben leichter machte. Amelie hasste Probleme. Sie stand auf, beugte sich vor und nahm Natalies Gesicht in beide Hände. »Du bist ein Schatz, Kleine«, sagte sie und küsste sie auf die Stirn.

*

Peter Ripke sah in den Spiegel und tupfte Sonnencreme auf die Nase, auf die Wangen und auf das Kinn. Er verrieb die Creme sorgfältig und überlegte dann, welche Stellen wohl außerdem gefährdet sein könnten.

»Super, mein Großer!«, feuerte Amelie ihren Sohn an, als sie am Badezimmer vorbeikam. Sie trug Tonis Badekrokodil und mehrere bunte Frotteehandtücher unter dem Arm. »Ich packe dir die grüne und die langbeinige Badehose ein. Bitte lass dir von Natalie helfen, wenn du sie wechselst.«

Peter stutzte.

Amelie war nicht bewusst, dass sie in Rätseln gesprochen hatte. »Ruf mich, wenn du an den Rücken

musst, ja?«, bat sie und lief die Treppe hinunter. »Ich kümmere mich gerade um deine Schwester.«

Seine Mutter war wie ein Wirbel an ihm vorbeigezogen. Was blieb, war ein Haufen unbeantworteter Fragen. Der sechsjährige Peter dachte angestrengt nach. Warum sollte seine Tante ihm helfen, wenn er sich eine Badehose anzog? Und was meinte die Mama mit » … wenn du an den Rücken musst …«? Er kam nicht darauf.

Auf einmal war sie wieder da und sah ihn mit diesem freundlichen aber doch arg gehetzten Blick an. »Und fertig?« War sie nicht eben noch unten gewesen?

»Mama?«

»Wer sonst, Süßer?« Sie lachte, nahm die Flasche mit der Sonnencreme aus Peters Hand und schob ihm das T-Shirt von hinten über die Schulter. Mit raschen Bewegungen schmierte sie ihn ein.

»Ich ziehe mir meine Badehose immer alleine an.«

»Klar machst du das. Es sei denn, du verträumst es und steigst mit Anziehsachen ins Becken.« Sie zog ihm das T-Shirt wieder zurecht und drehte ihn an den Schultern zu sich herum. »Was ist mit vorne und was ist mit den Armen und Beinen, mein Freund?«

Peter schüttelte den Kopf. »Hab’ bis jetzt nur das Gesicht geschafft.«

»Okay, dann mach es jetzt.« Die Flasche wechselte wieder die Hände. »Jetzt«, wiederholte Amelie eindringlich. »Aber bitte schnell. Wir haben eigentlich überhaupt keine Zeit mehr. Ihr werdet mich nämlich mitnehmen und vor dem Altenheim rausschmeißen. Toni!«, rief sie übergangslos. Peter fuhr zusammen. »Komm sofort ins Bad.«

Von Klein-Toni hörte man keinen Pieps. Amelie stöhnte auf und verharrte einen Moment ratlos.

»Papa sagt, ich hab’ Post bekommen«, meinte Peter und rieb, ohne das Tempo zu beschleunigen, seelenruhig seine Unterarme ein. »Er meint, die Schule hat geschrieben, und ich soll den Brief einfach im Schwimmbad mal aufmachen.«

Amelie warf ihm einen entgeisterten Blick zu. »Also bitte.« Dann hatte sie ihn wieder vergessen. »Toni, wo steckst du denn?«

»Aber es ist mein Brief, und deshalb kann ich ihn doch auch im Schwimmbad aufmachen.«

Amelie nahm ihm ungeduldig die Flasche wieder aus der Hand und drückte einen großen Klecks auf die hohle Hand. »Wenn du in dem Tempo weitermachst, kann ich direkt zu Hause bleiben.«

Peter sah keinen Zusammenhang, hatte aber nichts dagegen, wenn die Mama mit der lästigen Prozedur fortfuhr. Immer wieder rief sie nach dem Nesthäkchen, als ob Toni schon einmal bei irgendeiner früheren Gelegenheit sofort gekommen wäre.

»Was treibt ihr denn da oben so lange?«, meldete sich Hendrik von unten. Er hasste es, wenn er warten musste, und man konnte hören, wie gereizt er jetzt schon war. »Ich denke, du willst pünktlich zum Spätdienst kommen.«

»Rede nicht, sondern bring mir deine Tochter!«

»Die sitzt längst auf ihrem Kindersitz.«

»Ich darf nie allein im Auto sitzen«, beschwerte Peter sich prompt und versuchte, an der Mutter vorbeizukommen.

»Halt, wir müssen noch die Beine! Ist Natalie bei ihr?« Die letzte Frage galt ihrem Mann.