18,99 €
Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Film und Fernsehen, Note: 1,3, Universität Potsdam (Medienwissenschaften), Veranstaltung: „Handschriften“ im Film: Andrej Tarkowskij, Federico Fellini, Stanley Kubrick, Sprache: Deutsch, Abstract: „Ein Genie! Ein Genie! Da wird ein Riesengeschrei gemacht, dass du ein Genie bist und du glaubst das auch noch! Ein Riesengeschrei, dass der Film genial ist, und du glaubst das auch noch!“, brüllt Wolodja Naumow, russischer Regisseur und Beisitzer des Kunstrates (russisches Regisseurkomitee), am 27. Mai 1974 auf Tarkowskij ein. Der Film „Der Spiegel“ ist fertig – sieben Jahre nach einer ersten Projektvorstellung. Dieser lange Zeitraum von der Idee zur Fertigstellung des Films ist für Tarkowskij keine Ausnahme. „Andrej Rubljow“, der Film, der ihm den großen Durchbruch verschaffte, lag von seiner Fertigstellung 1965 bis Ende 1971 unter Verschluss, bis er endlich in die Kinos kam. Am 30. Dezember notiert Tarkowskij in sein Tagebuch: „In den Zeitungen steht kein Wort darüber, dass „Rubljow“ jetzt läuft. In der ganzen Stadt hängt kein Plakat. Trotzdem sind die Vorstellungen ständig ausverkauft.“ Diese Arbeit unternimmt den Versuch, Tarkovskijs „Spiegel“ spielerisch zu beleuchten. Tarkowskij selbst hat in seinen Schriften Spuren gelegt, die helfen können, diesen Versuch mehr als nur einen äußerlichen Zugang sein zu lassen, sondern einen Einblick in die eigenen Absichten des Regisseurs zu gewinnen. Gerade „Der Spiegel“ ist für eine Verquickung von (versuchter) objektiver Analyse und Spurensuche in seinen Quellen geradezu prädestiniert, weil er ein zutiefst intimes Dokument aus Tarkowskijs Leben darstellt. Der Annäherung an die Stoffwahl des Films wird sich der erste Teil der Arbeit widmen. Um die Handschrift Tarkowskijs auch am „Spiegel“ verdeutlichen zu können, ist es – wie schon erwähnt – unumgänglich, sich mit seinen theoretischen Schriften auseinanderzusetzen, die sein Selbstverständnis als Regisseur und seine Auffassungen des Films bearbeiten. Dies soll im zweiten Teil geschehen. Die daran anlehnende Untersuchung des Films „Der Spiegel“ will in Ansätzen versuchen, eine filmische Analyse mit einer von zugrunde liegenden Quellen zur Entstehung des Films zu verbinden, um die Charakteristika von Tarkowskijs filmischer Handschrift auch am „Spiegel“ kenntlich zu machen und abweichende Eigenheiten aufzuzeigen. Zweifellos können diese Arbeitsteile die erläuternden Untersuchungen nur unvollständig und kursorisch vornehmen, sehr zum Unmut ihres Verfassers. Dennoch können sie vielleicht Fragen aufwerfen, die weitere Forschungen fruchtbar erscheinen lassen oder zumindest eine interessierte „Lektüre“ anregen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Page 1
Page 3
Einleitung
„Mir ist eng, meiner Seele ist eng in mir, ich brauche eine andere Behausung...“ Andrej Tarkowskij, 20. Oktober 19732
„Ein Genie! Ein Genie! Da wird ein Riesengeschrei gemacht, dass du ein Genie bist und du glaubst das auch noch! Ein Riesengeschrei, dass der Film genial ist, und du glaubst das auch noch!“,3brüllt Wolodja Naumow, russischer Regisseur und Beisitzer des Kunstrates (russisches Regisseurkomitee), am 27. Mai 1974 auf Tarkowskij ein. Der Film „Der Spiegel“ ist fertig - sieben Jahre nach einer ersten Projektvorstellung.
Dieser lange Zeitraum von der Idee zur Fertigstellung des Films ist für Tarkowskij keine Ausnahme. „Andrej Rubljow“, der Film, der ihm den großen Durchbruch verschaffte (er gewann nach Tarkowskijs eigener Zählung sieben Preise bis 1974), lag von seiner Fertigstellung 1965 bis Ende 1971 unter Verschluss, bis er endlich in die Kinos kam. Am 30. Dezember notiert Tarkowskij in sein Tagebuch: „In den Zeitungen steht kein Wort darüber, dass „Rubljow“ jetzt läuft. In der ganzen Stadt hängt kein Plakat. Trotzdem sind die Vorstellungen ständig ausverkauft.“4
Schon Tarkowskijs Abschlussfilm an der Moskauer Filmhochschule bescherte ihm die ersten Schwierigkeiten, die ihn sein gesamtes künstlerisches Leben begleiten sollten. Immer wieder wurden Drehgenehmigungen nicht erteilt, Requisiten verweigert und Gelder nicht bewilligt. Oft wurden ihm zur Abnahme der Filme unannehmbare Auflagen gestellt, deren Behandlung eher einem Grabenkrieg geglichen haben mag, denn einer kooperativen Zusammenarbeit. Doch Tarkowskij hat oft nur Kleinigkeiten geändert, geschickt am Rande eitle Funktionärswünsche befriedigt oder auch durch eine strikte Weigerung Konflikte ausgesessen.
Daher ist davon auszugehen, dass trotz und aufgrund des schwierigen Weges, den Tarkowskijs Filme (zumindest die in der Sowjetunion gedrehten) zu absolvieren hatten, diese eine unverwechselbare Handschrift tragen. Gerade die ermüdende Auseinandersetzung mit dem sowjetischen Kulturapparat hat, so meine These, ihn für seine eigene Andersheit sensibilisiert, die ihn so vielen Widerstände hat begegnen lassen. In unzähligen Sitzungen hat er seine Filme auf der schwarzen Liste wiedergefunden und nicht unter den Leninpreis-gekrönten Filmen der so-
2Tarkowskij,Andrej, Martyrolog. Tagebücher 1970-1986, Limes: Berlin, 1989, S. 120
3Naumow, Wolodja, zitiert In: Tarkowskij, Andrej, „Der Spiegela.a.O., S. 241
Page 4
zialistischen Fortschrittspreisungen. Gerade weil er seine Projekte unablässig vor Ausschüssen und Räten verteidigen musste, war ihre Planung und Ausführung so durchdacht und akribisch.
Sein theoretisches Werk - vor allem in dem Buch „Die versiegelte Zeit“ zusammengefasst, erklärt stets an Hand eigener Filme die Grundlage seines filmischen Werkes. Zusammen mit seinen Arbeits- und Lebenstagebüchern bildet es einen unerlässlichen Ausgangspunkt zur Analyse seiner Filme. Seine Schriften sind gleichsam ein Ausgangspunkt, Basis einer Expedition, die sich ins Dunkel begibt, in dem es keinen Halt zu geben scheint, da sich Tarkowskij gegen jede symbolisch verfahrende Interpretation verwahrte: „Das heißt, dass das [filmische, MZ] Bild seiner Bestimmung um so mehr gerecht wird, je weniger es sich in irgendeine begriffliche, spekulative Formel pressen lässt.“5
Dass sich diese Arbeit dennoch auf die Reise begibt, um den „Spiegel“ spielerisch zu beleuchten, liegt einerseits daran, dass man es doch nie lassen kann, eindrucksvollen Werken einen erklärenden Versuch beizulegen. Andererseits hat Tarkowskij selbst in den erwähnten Schriften Spuren gelegt, die helfen können, diesen Versuch mehr als nur einen äußerlichen Zugang sein zu lassen, sondern einen Einblick in die eigenen Absichten des Regisseurs zu gewinnen. Gerade „Der Spiegel“ ist für eine Verquickung von (versuchter) objektiver Analyse und Spurensuche in seinen Quellen geradezu prädestiniert, weil er ein zutiefst intimes Dokument aus Tarkowskijs Leben darstellt. Der Annäherung an die Stoffwahl des Films wird sich der erste Teil der Arbeit widmen.
Um die Handschrift Tarkowskijs auch am „Spiegel“ verdeutlichen zu können, ist es - wie schon erwähnt - unumgänglich, sich mit seinen theoretischen Schriften auseinanderzusetzen, die sein Selbstverständnis als Regisseur und seine Auffassungen des Films bearbeiten. Dies soll im zweiten Teil geschehen.
Die daran anlehnende Untersuchung des Films „Der Spiegel“ will in Ansätzen versuchen, eine filmische Analyse mit einer von zugrunde liegenden Quellen zur Entstehung des Films zu verbinden, um die Charakteristika von Tarkowskijs filmischer Handschrift auch am „Spiegel“ kenntlich zu machen und abweichende Eigenheiten aufzuzeigen.
Zweifellos können diese Arbeitsteile die erläuternden Untersuchungen nur unvollständig und kursorisch vornehmen, sehr zum Unmut ihres Verfassers. Dennoch können sie vielleicht Fragen aufwerfen, die weitere Forschungen fruchtbar erscheinen lassen oder zumindest eine interessierte „Lektüre“ anregen.
4Tarkowskij, Andrej, Martyrolog, a.a.O., S. 81
5Tarkowskij, Andrej, Die versiegelte Zeit, Ullstein: Berlin, u.a., S. 122