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Leistungen kennen und nutzen
Erwerbslose und deren Angehörige haben oftmals mehr Ansprüche, als sie wissen. Der aktuelle Hartz IV-Ratgeber informiert mit vielen Beispielen über alle Rechte:
Bestens geeignet für die Leistungsberechtigten und deren Angehörige, für kommunale Träger, Jobcenter, Sozialversicherungsträger, Renten- und Sozialberater und Betreuer hilfebedürftiger Menschen.
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Seitenzahl: 402
10. Auflage
© WALHALLA Fachverlag, Regensburg
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Leistungen kennen und nutzen
Erwerbslose und deren Angehörige haben oftmals mehr Ansprüche, als sie wissen. Der aktuelle Hartz IV-Ratgeber informiert mit vielen Beispielen über alle Rechte:
Arbeitslosengeld II/SozialgeldUnterkunft und HeizungLeistungen zur Bildung und kulturellen TeilhabeRechte und Pflichten aus der EingliederungsvereinbarungZusatzleistungen für werdende Mütter, Alleinerziehende, behinderte und kranke MenschenLeistungen zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen und SelbstständigenFinanzielle Hilfen in Härtefällen und besonderen LebenssituationenAktuelle Ansprüche gegenüber Kranken-, Pflege-, Unfall- und RentenversicherungPflicht zur Stellung von RentenanträgenBestens geeignet für die Leistungsberechtigten und deren Angehörige, für kommunale Träger, Jobcenter, Sozialversicherungsträger, Renten- und Sozialberater und Betreuer hilfebedürftiger Menschen.
Horst Marburger, Oberverwaltungsrat a. D., langjähriger Abteilungsleiter bei der AOK Baden-Württemberg. Der Experte auf dem Gebiet der sozialen Leistungen ist Lehrbeauftragter an der Hagen Law School. Erfolgreicher Fachautor.
Vorwort
1. Wer ist anspruchsberechtigt?
2. Rechte und Pflichten
3. Leistungen der Grundsicherung
4. Krankenversicherung
5. Pflegeversicherung
6. Rentenversicherung
7. Unfallversicherung
Auszüge aus referenzierten Vorschriften
Alle Rechte, alle Ansprüche ausschöpfen
Abkürzungen
Wer keine Ansprüche mehr auf das „normale“ Arbeitslosengeld I hat und deshalb die sogenannten Hartz IV-Leistungen bekommt, muss genau wissen, welche Ansprüche das im Einzelnen sind. In der Regel bestehen auch Ansprüche gegen Sozialversicherungsträger, etwa die Kranken- und Pflegekassen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 verpflichtete den Gesetzgeber, den Regelbedarf nach dem SGB II und dem SGB XII verfassungskonform neu zu bemessen. Die erforderlichen Änderungen und Ergänzungen des SGB II brachte das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und Änderung des SGB II und des SGB XII.
Neu eingeführt wurden besondere Leistungen für Bildung und Teilhabe, außerdem wurde der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts mehrmals erhöht, zuletzt am 01.01.2019.
Das Bundesverfassungsgericht hatte auch gefordert, dass die Festlegung der Bedarfe nachvollziehbar sein muss. Deshalb hat der Gesetzgeber das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) erlassen, das die erforderlichen Einzelheiten aufzeigt. Zudem wurde rückwirkend zum 01.01.2011 insbesondere das SGB II in wesentlichen Bereichen geändert.
Erhebliche Änderungen des SGB II erfolgten durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016, das im Wesentlichen am 01.08.2016 in Kraft getreten ist. Ebenfalls zum 01.08.2016 wurde die Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung geändert (Änderungsverordnung vom 26.07.2016). Seit 01.01.2017 gilt das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des SGB II und SGB XII. Seit 01.01.2019 gelten Änderungen durch das 10. SGB II-Änderungsgesetz (Teilhabechancengesetz).
Nunmehr ist in der Eingliederungsvereinbarung die Verpflichtung zur Teilnahme an den berufsbezogenen Sprachkursen festgehalten. Außerdem entziehen die Jobcenter ihre Leistungen nach Belehrung so lange, bis die Leistungsberechtigten ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Beantragung vorrangiger Leistungen nachgekommen sind. Arbeitslosengeld II wird auch Auszubildenden bzw. jungen Menschen gewährt, deren Berufsausbildung oder Berufsausbildungsvorbereitung mit Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld förderungsfähig ist.
Bei Einkommen aus Erwerbstätigkeit wird ein höherer als der pauschalierte Absetzbetrag in Höhe von 100 Euro nur noch gewährt, wenn das erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit stammt.
Die Eingliederungsvereinbarung ist alle sechs Monate zu aktualisieren.
Auf Antrag werden Arbeitgebern die notwendigen Kosten einer sozialpädagogischen Betreuung erstattet. Im Übrigen wird ein neuer Fördertatbestand für die Zielgruppe der schwer zu erreichenden jungen Menschen unter 25 Jahren geschaffen. Die Zusammenarbeit der Jobcenter mit den Trägern der sozialen Arbeit und den Akteuren am Arbeitsmarkt wird gesetzlich verbindlicher und detaillierter beschrieben. Bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung gibt es ebenfalls einige Neuerungen. Außerdem wird gesetzlich klargestellt, dass auch langzeitarbeitslose schwerbehinderte Menschen zum förderfähigen Personenkreis der Beschäftigten in den Integrationsprojekten zählen.
Das SGB II wurde bereits mehr als 60 Mal geändert, zuletzt durch die Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2019 (RBSFV 2019 vom 19.10.2018), die am 01.01.2019 in Kraft getreten ist und durch das bereits erwähnte 10. SGB II-Änderungsgesetz.
Dieser Ratgeber zeigt auf, wann und wie Leistungsansprüche gegen Sozialleistungsträger geltend zu machen sind. Besonders hilfreich sind die Ausführungen zu den häufig wenig beachteten Leistungsansprüchen aus der Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung.
Darüber hinaus erfahren Sie, welche Anträge zu stellen sind und welche Absicherungsmöglichkeiten einer hilfebedürftigen Person offenstehen. Nur wer weiß, welche Leistungen ihm zustehen, kann sie beantragen und erfolgreich durchsetzen!
Horst Marburger
Berechtigter Personenkreis
Voraussetzungen
Bedarfsgemeinschaft oder Haushaltsgemeinschaft?
Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
§ 7 SGB II sieht die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungen der Grundsicherung vor (siehe dazu auch die vorstehende Übersicht). So wird Erwerbsfähigkeit und Leistungsberechtigung (Hilfebedürftigkeit) gefordert.
Erwerbsfähig nach § 8 SGB II ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Definition entspricht der des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (Gesetzliche Rentenversicherung).
Unerheblich ist, ob eine Erwerbstätigkeit derzeit bzw. vorübergehend unzumutbar ist (z. B. wegen der Erziehung eines Kindes unter drei Jahren).
Die Hilfebedürftigkeit wird in § 9 SGB II näher definiert. Hier wird gefordert, dass der Betreffende seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann. Außerdem ist Voraussetzung, dass die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, geleistet wird. Alle Leistungen des SGB II unterliegen also gegenüber anderen Sozialleistungen dem Nachranggrundsatz.
Weitere Voraussetzungen sind die Vollendung des 15. Lebensjahres und das Nichterreichen der Altersgrenze für die Regelaltersrente. Außerdem müssen die Betreffenden ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
Ausländer können im Sinne dieser Regelungen nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.
Das Gesetz spricht hier in § 7 Abs. 1 SGB II zusammenfassend von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.
Zudem werden Leistungen an nicht erwerbsfähige Personen gewährt, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Sie erhalten allerdings kein Arbeitslosengeld II, sondern unter bestimmten Voraussetzungen eine Geldleistung, die als Sozialgeld bezeichnet wird. Sozialgeld und Arbeitslosengeld II sind hinsichtlich der Höhe identisch. Mehrbedarfe, Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie Leistungen für besondere Bedarfe werden vom Sozialgeld umfasst.
Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs. 3 SGB II neben dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten selbst sein nicht dauernd getrennt lebender Lebenspartner (Ehegatte, Person in eheähnlicher Gemeinschaft, gleichgeschlechtlicher Lebenspartner). Dazu zählen auch die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Berücksichtigung der Kinder erfolgt nur, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
Ein Arbeitsloser, seine Lebensgefährtin, ein gemeinsames vierjähriges Kind, ein achtjähriges Kind des Arbeitslosen und ein zwölfjähriges Kind der Lebensgefährtin leben in einem Haushalt. Sie bilden somit eine Bedarfsgemeinschaft.
Die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft ist entscheidend für die Berechnung des Bedarfs, insbesondere bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen jedes Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft. Es können in einem Haushalt mehrere Bedarfsgemeinschaften leben, für die der Bedarf jeweils gesondert berechnet werden muss.
Ein Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gehört zur Bedarfsgemeinschaft, wenn es:
unverheiratet ist
nicht erwerbsfähig ist
den Unterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten kann, das heißt Hilfebedürftigkeit vorliegt
mit den erwerbsfähigen Eltern oder einem erwerbsfähigen Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt wohnt
Sobald das Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat oder heiratet, gehört es nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern; ggf. wird eine eigene Bedarfsgemeinschaft begründet.
Hat das unverheiratete, nicht erwerbsfähige Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bereits ein eigenes Kind und wohnt es mit dem eigenen Kind noch bei seinen Eltern, liegt eine eigene Bedarfsgemeinschaft zwischen der jungen Mutter und dem Kind vor.
Hat dieses Kind einen Partner, der ebenfalls im Haushalt der Eltern lebt, tangiert dies nicht die Bedarfsgemeinschaft. Dieser Partner selbst gehört nicht zur Bedarfsgemeinschaft; er hat eventuell eigene sozialhilferechtliche Ansprüche. Er gehört aber zur Haushaltsgemeinschaft, was sich auf die Unterkunftskosten auswirkt. Hat dieser Partner dagegen das 25. Lebensjahr nicht vollendet und ist nachzuweisen, dass er mit seinem Partner und dessen Kind eine eigene Wirtschaftsgemeinschaft innerhalb des Haushalts der Eltern bildet, werden innerhalb eines Haushalts zwei Bedarfsgemeinschaften begründet: die Eltern sind eine Bedarfsgemeinschaft und der Partner, der Lebensgefährte und dessen Kind sind eine zweite Bedarfsgemeinschaft.
Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bzw. bei zusammenlebenden Partnern gehört die Partnerin oder der Partner zur Bedarfsgemeinschaft, wenn er oder sie mit dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
Nach § 7 Abs. 3a SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner:
länger als ein Jahr zusammenleben
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen
Keine Bedarfsgemeinschaft können begründen:
Pflegeeltern mit Pflegekindern
Großeltern mit Enkelkindern
Geschwister, wenn sie ohne Eltern zusammen in einem Haushalt leben
Leistungen aus dem Bildungspaket (Leistungen für Bildung und Teilhabe, § 28 SGB II – vgl. dazu ab Seite 48) erhalten Kinder und Jugendliche auch dann, wenn sie mit den oben genannten Personen in einem Haushalt zusammenleben, ohne eine Bedarfsgemeinschaft zu bilden. Eine Bedarfsgemeinschaft liegt deshalb nicht vor, weil die anderen Personen aufgrund ihres zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
Die Haushaltsgemeinschaft ist begrifflich weiter gefasst: Zur Haushaltsgemeinschaft gehören alle Personen, die auf Dauer mit den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft in einem Haushalt leben und gemeinsam wirtschaften, das heißt den Lebensunterhalt gemeinsam bestreiten (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft). Es gehören folglich auch sonstige Verwandte (z. B. Onkel, Tante, Nichte, Neffe, Cousin), Verschwägerte und alle nicht verwandten Personen zur Haushaltsgemeinschaft, die im selben Haushalt leben. Indizien hierfür sind gemeinsame Konten bzw. gegenseitiger Zugriff auf Konten, gemeinsamer Einkauf und Verbrauch von Lebensmitteln, Kosten der Lebensführung und der Mietkosten.
Leben Leistungsberechtigte in einer Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, wird von Gesetzes wegen vermutet, dass sie von diesen unterstützt werden. Diese Leistungen sind zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 5 SGB II). Wohnt der Leistungsberechtigte beispielsweise unentgeltlich bei einem Verwandten, hat er keinen Anspruch auf Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 SGB II. Wird der Leistungsberechtigte von Verwandten verpflegt, ist dies bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen. Berechnet werden diese Sachleistungen nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV). Dieser Wert ist dann als Einkommen des Leistungsberechtigten bei der Berechnung der Regelbedarfe anzurechnen.
Der 35-jährige Leistungsberechtigte lebt in München bei seiner Großmutter und wird von dieser täglich abends „bekocht“.
Der Leistungsberechtigte erhält keine Unterkunftskosten. Sein Regelbedarf in Höhe von 424 Euro wird um die Verpflegungskosten gemindert (im Jahr 2019 99 Euro monatlich für Abendessen). Er hat damit einen Leistungsanspruch in Höhe von 325 Euro.
Diese dem Leistungsberechtigten gewährten Leistungen werden ohne Prüfung der Leistungsfähigkeit des Verwandten berücksichtigt. Bei einer Berechnung der Leistungsfähigkeit von Verwandten ist für die Einkommensberechnung § 1 Abs. 2 Alg II-V und für die Vermögensberechnung § 8 Alg II-V zu beachten.
Die gesetzliche Vermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II begründet sich auf der Annahme, dass sich Verwandte innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft aus moralischen Gründen gegenseitig helfen und unterstützen, auch wenn keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht.
Liegt dagegen eine gesetzliche Unterhaltspflicht (Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Elternunterhalt) vor, ist diese Unterhaltspflicht beim Einkommen des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen. Ein Fall von § 9 Abs. 5 SGB II liegt in solchen Fällen nicht vor. Dieser Unterhalt kann in bestimmten Fällen nach § 33 SGB II an den Leistungsträger übergeleitet und von diesem eingefordert werden.
Seit 01.01.2011 bestimmt § 7 Abs. 4a SGB II, dass erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen keine Leistungen der Grundsicherung erhalten, wenn sie sich ohne Zustimmung des zuständigen Leistungsträgers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten. Sie stehen wegen dieses Aufenthalts für die Eingliederung in Arbeit nicht zur Verfügung.
Die Zustimmung zu diesem Aufenthalt ist aber zu erteilen, wenn für ihn außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs ein wichtiger Grund vorliegt. Außerdem darf die Eingliederung in die Arbeit nicht beeinträchtigt werden.
Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor bei:
Teilnahme an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder der Rehabilitation
Teilnahme an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt
Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit
Die Zustimmung kann (Ermessensentscheidung) auch erteilt werden, wenn kein wichtiger Grund vorliegt. Die Eingliederung in Arbeit darf aber nicht beeinträchtigt werden. Außerdem soll die Dauer der Abwesenheit in der Regel drei Wochen im Kalenderjahr nicht überschreiten.
Diese Regelung steht unter dem Vorbehalt, dass eine Rechtsverordnung erlassen wird, die nähere Ausführungen zu Erreichbarkeit und erlaubter bzw. nicht erlaubter Ortsabwesenheit macht (§ 77 Abs. 1 SGB II). Das ist bisher nicht erfolgt.
Nach § 6 Abs. 1 SGB II sind Träger der Leistungen nach dem SGB II die Bundesagentur für Arbeit, aber auch die kreisfreien Städte und Kreise (kommunale Träger).
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 beanstandete die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung zwischen den Agenturen für Arbeit und den kommunalen Trägern im SGB II als eine unzulässige Form der Mischverwaltung. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, bis Ende 2010 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen. Das ist zum einen durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende geschehen, das im Wesentlichen am 01.01.2011 in Kraft getreten ist. Außerdem wurde die Kommunalträger-Eignungsfeststellungsverordnung erlassen, die vom 12.08.2010 datiert.
Um die Neuregelung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende koordinieren zu können, war eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich, was durch den neuen Artikel 91e geschehen ist. Hier wird zunächst ausgeführt, dass bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen (beachten Sie dazu die folgenden Ausführungen) zusammengefasst werden. Außerdem wurde ausdrücklich die Zulassung von Gemeinden und Gemeindeverbänden vorgeschrieben. Die kommunalen Träger müssen nämlich zur Erledigung von Aufgaben nach dem SGB II zugelassen werden.
Ursprünglich wurden Zulassungen nur bis zum 31.12.2010 ausgesprochen. Diese können aber verlängert werden. Auf Antrag wird eine begrenzte Zahl weiterer kommunaler Träger vom Bundesarbeitsministerium als Träger durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zugelassen.
Die Zulassung eines kommunalen Trägers kann mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde durch das Bundearbeitsministerium mit Rechtsverordnung widerrufen werden. Das kann auch auf Antrag des kommunalen Trägers geschehen.
Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 SGB II). Die gemeinsame Einrichtung nimmt die Aufgaben der Träger nach dem SGB II wahr. Sie ist befugt, Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen. Die Träger bestimmen den Standort sowie die nähere Ausgestaltung und Organisation der gemeinsamen Einrichtung durch Vereinbarung.
Zum 01.01.2015 wurden durch das Achte Gesetz zur Änderung des SGB II – Ergänzung personalrechtlicher Bestimmungen vom 28.07.2014 datenschutzrechtliche Bußgeld- und Strafvorschriften (§§ 63a und 63b SGB II) eingefügt. Dabei geht es um die unberechtigte Weitergabe von Daten durch Mitarbeiter der Grundsicherungsbehörde sowie Mitarbeiter von Gemeinden und Gemeindeverbänden.
Die zuständigen Leistungsträger arbeiten im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse mit den Gemeinden, Kreisen und Bezirken sowie den weiteren Beteiligten des örtlichen Ausbildungs- und Arbeitsmarkts zusammen (§ 18 Abs. 1 SGB II).
Insbesondere erfolgt die Zusammenarbeit mit:
Leistungsträgern des SGB V sowie den Trägern von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und dem Asylbewerberleistungsgesetz
Vertretern der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmer
Kammern und berufsständischen Organisationen
Ausländerbehörden und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Allgemein- und berufsbildenden Schulen, Stellen der Schulverwaltung sowie Hochschulen
Einrichtungen und Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie sonstigen Einrichtungen und Diensten des Gesundheitswesens
Trägern der freien Wohlfahrtspflege und Stellen, die Leistungen nach dem SGB II erbringen
Die Zusammenarbeit mit den vorstehenden Stellen erfolgt auf der Grundlage der Gegenseitigkeit, insbesondere um eine gleichmäßige oder gemeinsame Durchführung von Maßnahmen zu beraten oder zu sichern und Leistungsmissbrauch zu verhindern oder aufzudecken.
Das gilt besonders, wenn Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in Ausbildung und Arbeit nur unter Einbeziehung der gesamten Bedarfsgemeinschaft beseitigt werden können und für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft die Erbringung weiterer Leistungen erforderlich ist. Es gilt auch, wenn zur Eingliederung insbesondere sozial benachteiligter und individuell beeinträchtigter junger Menschen zwischen den beteiligten Stellen und Einrichtungen abgestimmte, den individuellen Bedarf deckende Leistungen notwendig sind.
Aufgaben und Ziele
Eingliederungsvereinbarung
Zumutbarkeit
Ein-Euro-Jobs
Fördern und Fordern im Überblick
§ 1 SGB II bezeichnet die Aufgaben und Ziele der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Seit 01.01.2011 wird ausdrücklich vorgeschrieben, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende es Leistungsberechtigten ermöglichen soll, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Im Übrigen soll die Grundsicherung für Arbeitsuchende die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken. Das Gesetz soll dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können.
In § 1 SGB II wird weiter bestimmt, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern soll, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Außerdem wird „Beratung“ als eine weitere Leistung zur Grundsicherung vorgesehen. Sowohl im SGB II wie auch im SGB XII wird somit darauf abgehoben, dass der Leistungsberechtigte so schnell wie möglich wieder ohne die Fürsorgeleistung leben kann, das heißt wieder allein für sich sorgt.
Die Agentur für Arbeit hat darauf hinzuwirken, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die
nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen, an einem Integrationskurs nach § 43 AufenthG teilnehmen oder
an der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a AufenthG teilnehmen, um die notwendigen berufsbezogenen Sprachkenntnisse zu erwerben.
Voraussetzung ist, dass sie teilnahmeberechtigt sind, nicht unmittelbar in eine Ausbildung oder Arbeit vermittelt werden können und ihnen eine Teilnahme an einem Integrationskurs oder an der berufsbezogenen Deutschsprachförderung daneben nicht zumutbar ist.
Eine Verpflichtung zur Teilnahme ist in die Eingliederungsvereinbarung als vorrangige Maßnahme aufzunehmen.
Zur schnellstmöglichen Eingliederung in den Arbeitsmarkt sieht die Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 14 SGB II den Grundsatz des Förderns vor. Das bedeutet für den Leistungsberechtigten auch einen Leistungsanspruch auf geeignete Fördermaßnahmen und Unterstützung.
Gewissermaßen als Gegenstück zum „Fördern“ gibt es den Grundsatz des Forderns in § 2 SGB II. Danach müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte muss aktiv an allen Maßnahmen zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken. Um dies zu steuern, bedient sich das Gesetz verschiedener Instrumentarien:
der Potenzialanalyse
der Eingliederungsvereinbarung
der Verpflichtung zur Aufnahme jeder zumutbaren Arbeit
der Verpflichtung zur Aufnahme von Arbeitsgelegenheiten
Leistungen zur Eingliederung
Verletzt der Leistungsberechtigte diese Mitwirkungspflichten, hat er mit Sanktionen zu rechnen (§ 31 SGB II, siehe auch ab Seite 66).
Nach § 15 Abs. 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit unverzüglich zusammen mit jeder erwerbsfähigen und leistungsberechtigten Person die für die Eingliederung erforderlichen persönlichen Merkmale, beruflichen Fähigkeiten und die Eignung feststellen (Potenzialanalyse). Die Feststellungen erstrecken sich auch darauf, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird.
Unter Berücksichtigung der Feststellung durch die Potenzialanalyse soll die Agentur für Arbeit mit jeder erwerbsfähigen und leistungsberechtigten Person, im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger, für ihre Eingliederung erforderliche Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung).
Dabei soll in der Eingliederungsvereinbarung bestimmt werden:
in welche Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche die leistungsberechtigte Person vermittelt werden soll
welche Leistungen zur Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit die leistungsberechtigte Person erhält
wie Leistungen anderer Leistungsträger in den Eingliederungsprozess einbezogen werden
Mit der Eingliederungsvereinbarung kann insbesondere bestimmt werden, welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind.
Die Eingliederungsvereinbarung soll regelmäßig, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten, gemeinsam überprüft und fortgeschrieben werden. Bei jeder folgenden Eingliederungsvereinbarung sind die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen. Soweit keine Eingliederungsvereinbarung zustande kommt, sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt getroffen werden.
Darüber hinaus kann in der Eingliederungsvereinbarung auch geregelt werden, welche Leistungen die Personen erhalten, die mit der oder dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Diese Personen sind hierbei zu beteiligen.
Die Eingliederungsvereinbarung umfasst nur die Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit, nicht aber die gesetzlich festgelegten Leistungen zum Lebensunterhalt (Regelbedarfe, Kosten der Unterkunft). Welche Maßnahmen erforderlich sind bzw. Erfolg versprechen, beurteilt der zuständige Fallmanager nach seinem Ermessen. Ein Anspruch auf eine bestimmte Eingliederungsmaßnahme besteht nicht. Einen Überblick über mögliche Leistungen finden Sie ab Seite 32.
Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Ausdrücklich wird bestimmt, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen müssen. Von daher muss der Arbeitsuchende jede zumutbare Arbeit annehmen.
Auch bisher nicht Arbeit suchende Partner der Bezieher von Arbeitslosengeld II sind verpflichtet, sich Arbeit zu suchen. Ihnen stehen alle Maßnahmen der Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung zur Verfügung. Im Gegenzug sind sie verpflichtet, jede zumutbare Tätigkeit, die ihnen angeboten wird, anzunehmen. Einen eigenen Antrag auf Arbeitslosengeld II müssen die Partner grundsätzlich nicht stellen. Der Antragsteller vertritt in dieser Hinsicht die gesamte Bedarfsgemeinschaft (§ 38 SGB II).
Ist eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich oder kann eine solche nicht gefunden werden, hat der erwerbsfähige Leistungsberechtigte eine ihm angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit zu übernehmen (§ 2 Abs. 1 SGB II).
Die bereits im früheren Sozialhilferecht mögliche Vergabe von gemeinnütziger oder zusätzlicher Arbeit wurde in das SGB II übernommen (§ 16d SGB II). Diese im öffentlichen Interesse liegenden, zusätzlichen Arbeiten werden mit einer Entschädigung für Mehraufwendungen zuzüglich zum Arbeitslosengeld II gezahlt; derzeit werden Vergütungen mit bis zu 2 Euro pro Stunde gezahlt (sog. Ein-Euro-Jobs, siehe dazu ab Seite 28).
Arbeitgeber können zur Eingliederung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Vermittlungshemmnissen in Arbeit einen Beschäftigungszuschuss als Ausgleich der zu erwartenden Minderleistungen des Arbeitnehmers und einen Zuschuss zu sonstigen Kosten erhalten (§ 16e SGB II). Hierfür sind aber verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen. Die Höhe des Beschäftigungszuschusses richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und kann bis zu 75 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts betragen. Ein Zuschuss zu sonstigen Kosten kann in bestimmten Fällen erbracht werden.
In diesem Zusammenhang ist auch § 12a SGB II zu beachten. Er sieht vor, dass Leistungsberechtigte verpflichtet sind, Sozialleistungen anderer Träger (der gesetzlichen Rentenversicherung) in Anspruch zu nehmen und entsprechende Anträge zu stellen. Allerdings sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Die Unbilligkeitsverordnung sieht Ausnahmen von der Verpflichtung vor, nach Vollendung des 63. Lebensjahres eine solche Rente zu beantragen.
Beim Fehlen einer solchen Ausnahme ist der Leistungsberechtigte jedoch verpflichtet, nach Aufforderung einen solchen Antrag zu stellen. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, kann das Jobcenter einen entsprechenden Antrag beim Rentenversicherungsträger stellen (BSG, Urteil vom 19.08.2015, Az. B 14 AS1/15 R).
Wird eine Leistung von einem anderen Träger nach § 66 SGB I bestandskräftig entzogen oder versagt, sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ganz oder teilweise so lange zu entziehen oder zu versagen, bis die leistungsberechtigte Person ihrer Verpflichtung gegenüber dem anderen Träger nachgekommen ist. Eine Entziehung oder Versagung nach Vorstehendem ist allerdings nur möglich, wenn die leistungsberechtigte Person vom zuständigen Leistungsträger nach dem SGB II zuvor schriftlich auf diese Folgen hingewiesen wurde. Wird die Mitwirkung gegenüber dem anderen Träger nachgeholt, ist die Entziehung oder Versagung rückwirkend aufzuheben.
Die vorstehenden Ausführungen gelten nicht für die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente.
Auch Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und der Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) müssen nicht mehr in Anspruch genommen werden. Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass durch eine Leistungsgewährung nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde.
In Zusammenhang mit der Anspruchsberechtigung nach dem SGB II kommt der in § 10 SGB II geforderten Zumutbarkeit eine besondere Bedeutung zu. Die hier behandelten Grundsätze sind in der Öffentlichkeit stark diskutiert und auch kritisiert worden. Insbesondere die Gewerkschaften beanstanden, dass nach § 10 Abs. 1 SGB II dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten jede Arbeit zumutbar sein soll. Hiervon gibt es zwar eine Reihe von Ausnahmen. Fakt ist aber, dass zunächst jede Arbeit als zumutbar bezeichnet wird.
Eine der Ausnahmen besteht darin, dass der Betreffende zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist. Unzumutbarkeit besteht auch, wenn ihm durch die Aufnahme einer bestimmten Arbeit die künftige Ausübung der bisher ausgeübten Arbeit erschwert werden würde.
Nicht zumutbar ist die Aufnahme einer Arbeit ferner, wenn dadurch die Erziehung eines Kindes oder des Kindes des Partners gefährdet werden würde. Die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird.
Unzumutbarkeit liegt zudem vor, wenn die Ausübung der Arbeit mit der Pflege eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege auf keine andere Weise sichergestellt werden kann.
Von besonderer Bedeutung ist § 10 Abs. 2 SGB II. Dort werden fünf Punkte aufgezählt, deren Vorhandensein eine Arbeit von vornherein nicht unzumutbar macht. Vor allem kann sich der Betreffende nicht auf einen Bestandsschutz berufen.
So kann er die Ablehnung einer bestimmten Arbeit nicht damit begründen, dass sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die er ausgebildet wurde oder die er ausgeübt hat.
Das Gleiche gilt, wenn die Arbeit im Hinblick auf die Ausbildung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten als geringwertig anzusehen ist.
Eine Arbeit ist auch dann zumutbar, wenn sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist. Das gilt nur dann nicht, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.
Zudem kann die Ablehnung einer Arbeit nicht damit begründet werden, dass der Beschäftigungsort vom Wohnort weiter entfernt sei als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort. Hier wird somit ein großes Maß an Flexibilität gefordert. Die Forderungen des Gesetzes gehen sogar noch weiter. So kann eine Arbeit nicht deshalb abgelehnt werden, weil die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.
Auch eine untertarifliche Entlohnung oder eine Entlohnung unterhalb des ortsüblichen Gehaltsgefüges steht der Zumutbarkeit nicht entgegen, solange die Entlohnung nicht gegen arbeitsrechtliche oder sonstige Vorschriften sowie die guten Sitten verstößt.
Für den Anspruch auf „normales“ Arbeitslosengeld bzw. den früher geltenden Anspruch auf Arbeitslosenhilfe stellt das SGB III in § 140 wesentlich moderatere Forderungen auf. So werden dort tägliche Pendelzeiten festgelegt, deren Überschreiten die Arbeit unzumutbar macht. Auch wird bestimmt, um wie viel niedriger ein Arbeitsentgelt aus der angebotenen Beschäftigung im Vergleich zum Entgelt aus bisheriger Beschäftigung sein darf. Die Forderungen sind für das Arbeitslosengeld II vergleichsweise verschärft worden.
Diese „Zusätzlichen Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE)“ (geregelt in § 16d SGB II) sind keine Erfindung der Hartz-Reform, sondern Fortentwicklung eines seit Jahren eingeführten Instruments in der Sozialhilfe. § 16d SGB II wurde zuletzt durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsplatz neu gefasst.
In den Medien hat sich die Bezeichnung als sogenannter Ein-Euro-Job aufgrund der Gestaltung der Förderung des Beschäftigten durchgesetzt. Diese Formulierung ist irreführend, weil sie lediglich die Zusatzleistung bewertet und außer Betracht lässt, dass der Arbeitsuchende neben der Mehraufwandsentschädigung weiterhin den Regelbedarf und die Unterkunftsleistungen erhält.
Arbeitsgelegenheiten werden in der Regel von gemeinnützigen Körperschaften aus dem Bereich der Gebietskörperschaften und der Mitglieder der Verbände der Wohlfahrtspflege geschaffen. Aber auch Privatunternehmen können Projekte auflegen, die in ihrem Hause koordiniert werden, wenn sie der Allgemeinheit dienen.
Arbeitsgelegenheiten sollen arbeitsmarktpolitisch zweckmäßig sein. Das bedeutet, dass sie sowohl geeignet sein sollen, Arbeitsuchende zu aktivieren und ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern, ohne an anderer Stelle Arbeit am regulären Arbeitsmarkt zu gefährden. Wettbewerbsbedingungen dürfen nicht durch die Arbeitsgelegenheiten zugunsten der Träger verändert werden.
Zur Überprüfung dieser Voraussetzungen müssen die Arbeitsgelegenheiten hinreichend bestimmt sein: Der Träger der Arbeitsgelegenheit muss dazu eine Maßnahmebeschreibung liefern, die Art, Umfang, Struktur, Inhalte, Ort, Betreuung, Qualifizierung und Zahl der Teilnehmer konkretisiert.
§ 16d SGB II stellt klar, dass es sich bei der Arbeitsgelegenheit nicht um ein Arbeitsverhältnis mit den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten handelt. Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder auch Tarifverträge bleiben unberücksichtigt. Zu beachten sind aber arbeitsschutzrechtliche Vorschriften sowie das Bundesurlaubsgesetz. Auch die Regeln über die Zumutbarkeit in § 10 SGB II sind einzuhalten.
Zudem besteht eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V). Der Maßnahmeträger muss zudem für die Unfallversicherung sorgen. In der Rentenversicherung werden die Bezugszeiten von Arbeitslosengeld II als Anrechnungszeiten berücksichtigt.
Übersicht über die Leistungen
Regelbedarfe
Mehrbedarfe
Einmalbedarfe
Sonderbedarfe
Unterkunft und Heizung
Leistungen für Bildung und Teilhabe
Darlehen
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
Einstiegsgeld
Leistungen zur Eingliederung Selbstständiger
Eingliederung von Langzeitarbeitslosen
Förderung zur Teilhabe am Arbeitsmarkt
Leistungen für Auszubildende
Zuschüsse zu Versicherungsbeiträgen
Leistungsbeschränkungen (Sanktionen)
Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen
Wie Leistungen zu beantragen sind
Der Regelbedarf (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld) zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 09.02.2010 beanstandet, dass die Ermittlung der Regelsätze (Regelbedarfe) nicht durchschaubar sei. Der Gesetzgeber hat deshalb das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) erlassen, das mit Wirkung zum 01.01.2012 in Kraft getreten ist. Seitdem werden die Regelbedarfe jährlich geprüft und fortgeschrieben. Die 2019 geltenden Werte ergeben sich aus der neuen – seit 01.01.2019 geltenden – Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2019 vom 19.10.2018.
Nach dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz werden die Regelleistungen in sechs Stufen unterteilt (die angegebenen Beträge gelten seit 01.01.2019):
Regelbedarfsstufe 1: 424 Euro
Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind. Es gilt auch für nicht erwerbsfähige oder behinderte erwachsene Sozialhilfeempfänger, die beispielsweise bei den Eltern oder in einer Wohngemeinschaft leben.
Regelbedarfsstufe 2: 382 Euro
Für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen. Der Betrag bezieht sich auf jede Person.
Regelbedarfsstufe 3: 339 Euro
Für eine volljährige (ab dem 18. Lebensjahr) leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt.
Regelbedarfsstufe 4: 322 Euro
Für eine leistungsberechtigte Jugendliche oder einen leistungsberechtigten Jugendlichen vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.
Regelbedarfsstufe 5: 302 Euro
Für ein leistungsberechtigtes Kind vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres.
Regelbedarfsstufe 6: 245 Euro
Für ein leistungsberechtigtes Kind bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres.
Monatliche Regelbedarfe seit 01.01.2019:
Leistungsberechtigte in BedarfsgemeinschaftSGB IImonatlicher Regel-bedarfAlleinstehender Erwachsener§ 20 Abs. 2 Satz 1424 EuroAlleinerziehende/r§ 20 Abs. 2 Satz 1424 EuroVolljährige Person mit minderjährigem Partner§ 20 Abs. 2 Satz 1424 EuroMinderjährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft, wenn sie keine Partner sind§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1322 EuroVolljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft, wenn sie keine Partner sind§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2339 EuroPartnerhaushalt, wenn beide volljährig sind, jeweils§ 20 Abs. 4382 EuroJunge Erwachsene, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers umgezogen sind§ 20 Abs. 3339 EuroKinder ab Beginn des 15. Lebensjahres§ 23 Nr. 1322 EuroKinder ab Beginn des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres§ 23 Nr. 1302 EuroKinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres§ 23 Nr. 1245 EuroSonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft§ 20 Abs. 2 Satz 2322 EuroBestimmte Personengruppen erhalten über die Regelleistung hinaus höhere Leistungen (Mehrbedarfe). Diese werden in Form prozentualer Anteile vom monatlichen Regelbedarf (mtl. RB) berücksichtigt.
Bezüglich der im Folgenden näher erläuterten Mehrbedarfe ist darauf hinzuweisen, dass die Summe des insgesamt gezahlten Mehrbedarfs den für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten maßgebenden Regelbedarf nicht übersteigen darf.
Alleinerziehende können wegen der erhöhten Kosten für die Kindererziehung Anspruch auf zusätzliche Leistungen haben. Voraussetzung ist, dass das Kind oder die Kinder minderjährig sind und der Alleinerziehende allein für die Pflege und Erziehung sorgt. Es muss also der Fall vorliegen, dass innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft keine andere Person in wirtschaftlicher Hinsicht an der Pflege und Erziehung beteiligt ist.
Ausgehend von der Regelbedarfsstufe 1 (424 Euro) wird ein anteiliger Mehrbedarf je nach Anzahl und Alter der Kinder gezahlt:
Kinder/Alter Mehrbedarf12 %24 %36 %48 %60 %1 Kind unter 7 Jahren152,64 Euro1 Kind über 7 Jahren50,88 Euro2 Kinder unter 16 Jahren152,64 Euro2 Kinder über 16 Jahren101,76 Euro1 Kind unter 7 Jahren und 1 Kind unter 16 Jahren101,76 Euro3 Kinder 152,64 Euro4 Kinder203,52 Euroab 5 Kinder254,40 EuroAuch ein Mehrbedarf bei Schwangerschaft wird ab der 13. Schwangerschaftswoche anerkannt. Die Zahlung erfolgt bis zum tatsächlichen Entbindungstermin. Voraussetzung ist, dass die Schwangere erwerbsfähig und hilfebedürftig ist. Die Höhe der Leistung beträgt 17 Prozent der maßgebenden Regelbedarfsstufe. Daraus ergibt sich:
bei Regelbedarfsstufe 1 (424 Euro): 72,08 Euro
bei Regelbedarfsstufe 2 (382 Euro): 64,94 Euro
bei Regelbedarfsstufe 3 (339 Euro): 57,63 Euro
Zusätzliche Leistungen werden erbracht, wenn der Behinderte nach § 33 ff. SGB IX Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhält, um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Dies können sein: SGB III-Fördermaßnahmen zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber etc. Auch Leistungen in Werkstätten für Behinderte (z. B. Arbeitsförderungsgeld) gehören zu diesen Leistungen. Die Höhe des Mehrbedarfs beträgt 35 Prozent der maßgeblichen Regelbedarfsstufe:
bei Regelbedarfsstufe 1 (424 Euro): 148,40 Euro
bei Regelbedarfsstufe 2 (382 Euro): 133,70 Euro
bei Regelbedarfsstufe 3 (339 Euro): 118,65 Euro
Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen eine kostenaufwendige Ernährung benötigen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Voraussetzung hierfür ist, dass ein entsprechendes ärztliches Attest vorliegt.
Die Höhe des Mehrbedarfs bestimmt sich dann nach dem ernährungswissenschaftlich erforderlichen Bedarf. Hier werden häufig – sowohl von der Bundesagentur für Arbeit als auch Gerichten – die „Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostenzulagen“ (DV 25/08 AF III) des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zugrunde gelegt.
Diese Empfehlungen beziehen sich nur auf Erwachsene; beantragen Minderjährige einen Mehrbedarf aufgrund einer kostenaufwendigeren Ernährung, können die Empfehlungen aber als Richtwerte genutzt werden.
Aus den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge: Bei folgenden Erkrankungen ist in der Regel ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen. Es ist davon auszugehen, dass der Regelsatz den notwendigen Aufwand für eine Vollkost deckt:
Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette)
Hyperurikämie (Erhöhung der Harnsäure im Blut)
Gicht (Erkrankung durch Harnsäureablagerungen)
Hypertonie (Bluthochdruck)
kardinale und renale Ödeme (Gewebswasseransammlungen bei Herz- oder Nierenerkrankungen)
Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit – Typ II und Typ I, konventionell und intensiviert konventionell behandelt)
Ulcus duodeni (Geschwür am Zwölffingerdarm)
Ulcus ventriculi (Magengeschwür)
Neurodermitis (Überempfindlichkeit von Haut und Schleimhäuten auf genetischer Basis)
Leberinsuffizienz
Bei verzehrenden (konsumierenden) Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen kann im Einzelfall ein erhöhter Ernährungsbedarf vorliegen, insbesondere bei:
fortschreitendem/fortgeschrittenem Krebsleiden
HIV/AIDS
Multipler Sklerose (degenerative Erkrankung des Zentralnervensystems)
schweren Verläufen entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Bei diesen Erkrankungen ist Vollkost ebenfalls die allgemein empfohlene Ernährungsform. Ein krankheitsbedingter Mehrbedarf ist in der Regel daher nur bei schweren Verläufen zu bejahen oder wenn besondere Umstände vorliegen (z. B. gestörte Nährstoffaufnahme). Das ist insbesondere der Fall, wenn
der BMI unter 18,5 liegt (und das Untergewicht Folge der Erkrankung ist) und/oder
ein schneller, krankheitsbedingter Gewichtsverlust (über 5 Prozent des Ausgangsgewichts in den vorausgegangenen drei Monaten; nicht bei willkürlicher Abnahme bei Übergewicht) zu verzeichnen ist.
Gleiches gilt für andere Erkrankungen, die mit einer gestörten Nährstoffaufnahme bzw. Nährstoffverwertung (Malabsorption/Maldigestion) einhergehen. Ob und ggf. in welcher Höhe ein Mehrbedarf besteht, ist im Einzelfall auf der Grundlage des Krankheitsverlaufs und des körperlichen Zustands der leistungsberechtigten Person zu beurteilen. Die Krankenkostzulage ist in diesem Fall mit 10 Prozent der jeweiligen Regelbedarfsstufe anzusetzen.
Mit der Hartz IV-Reform eingeführt wurde eine Anerkennung eines Mehrbedarfs eingeführt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung). Diese Neuerung war notwendig, weil bei den Kosten der Unterkunft (siehe Seite 42) grundsätzlich nur die Kosten für zentral bereitgestelltes Warmwasser anerkannt sind.
Soweit ein erhöhter Bedarf nicht gesondert nachgewiesen werden kann, berechnet sich der Mehrbedarf nach der jeweiligen Regelbedarfsstufe des Berechtigten (§ 21 Abs. 7 SGB II):
BerechtigteProzent vom mtl. RBMehrbedarfAlleinstehender Erwachsener2,3 %9,75 EuroAlleinerziehende/r2,3 %9,75 EuroVolljährige Person mit minderjährigem Partner2,3 %9,75 EuroMinderjährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft, wenn sie keine Partner sind1,4 %4,51 EuroVolljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft, wenn sie keine Partner sind2,3 %7,80 EuroPartnerhaushalte, wenn beide volljährig sind, jeweils2,3 %8,79 EuroJunge Erwachsene, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers umgezogen sind2,3 %7,80 EuroKinder ab Beginn des 15. Lebensjahres2,3 %7,41 EuroKinder ab Beginn des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres1,2 %3,62 EuroKinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres0,8 %1,96 EuroSonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft2,3 %7,41 EuroBei dieser pauschalierten Berechnung wurden die Rundungsregeln nach § 41 Abs. 2 SGB II berücksichtigt.
§ 24 Abs. 3 SGB II zählt Bedarfe (Leistungen) auf, die nicht vom Regelbedarf erfasst werden. Es handelt sich hier um:
Erstausstattung einer Wohnung inklusive Haushaltsgeräten
Erstausstattung für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten
Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Das gilt auch, wenn Leistungsberechtigte keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen. Voraussetzung ist aber, dass sie den Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln nicht decken können. In diesem Fall kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistungen entschieden wird. Die Leistungen für Bedarfe an Erstausstattungen können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Anwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.
Entstehen in bestimmten Lebenslagen außergewöhnliche Belastungen, erbringt das Jobcenter zusätzliche Leistungen, wenn nachgewiesen wird, dass ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger, besonderer Bedarf vorliegt (§ 24 Abs. 1 SGB II):
Unabweisbar ist ein Bedarf, wenn er nicht aufschiebbar und daher zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Lebenslage oder akuten Notsituation unvermeidlich ist.
Laufend ist ein Bedarf, wenn die Kosten in regelmäßigen Abständen anfallen – das heißt nicht nur eine einmalige unabwendbare Situation (z. B. kaputter Kühlschrank); davon ist auszugehen, wenn die Ausgaben mehrmals innerhalb des Bewilligungszeitraums anfallen.
Beispiele für solche „atypischen“ Bedarfe sind:
Bei bestimmten besonderen – auch chronischen – Erkrankungen werden laufend Arznei- bzw. Heilmittel zur Gesundheitspflege benötigt, die oft nicht verschreibungspflichtig sind (z. B. Hautpflegeprodukte bei Neurodermitis, Hygieneartikel bei ausgebrochener HIV-Infektion); die Kosten werden daher nicht von den Krankenkassen übernommen. Der Sonderbedarf ist hier im eng begrenzten Ausnahmefall in Höhe des nachgewiesenen krankheitsbedingten Bedarfs an Arznei- oder Heilmitteln zu gewähren. Zu der Frage, ob der Bedarf unabweisbar ist, genügt in der Regel ein Nachweis des behandelnden Arztes.
Rollstuhlfahrer können aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfreiheit gewisse Tätigkeiten im Haushalt nicht ohne fremde Hilfe erledigen. Soweit ihnen keine anderweitige Unterstützung (z. B. durch Angehörige) zur Verfügung steht, besteht zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins ein laufender Bedarf an einer Haushalts- bzw. Putzhilfe, der als Sonderbedarf in erforderlichem Umfang zu übernehmen ist.
Entstehen einem geschiedenen oder getrennt lebenden Elternteil regelmäßig Fahrt- und/oder Übernachtungskosten aufgrund der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinen Kindern und können diese nicht aus eventuell vorhandenem Einkommen, der Regelleistung oder Leistungen Dritter bestritten werden, können diese in angemessenem Umfang übernommen werden.
Ist dem Leistungsberechtigten oder seinen familienversicherten Angehörigen ein Wechsel von der Krankenkasse, die einen Zusatzbeitrag erhebt, zu einer Krankenkasse, die keinen Zusatzbeitrag erhebt, nicht zumutbar, kann der Zusatzbeitrag übernommen werden (zum Zusatzbeitrag vgl. Seite 65).
Die vorstehende Aufzählung ist nicht abschließend; sie ergibt sich aus den verschiedenen Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit. In Umfang und Ausmaß vergleichbare Fälle können ebenfalls unter die Sonderbedarfe fallen. Der Sonderbedarf wird als Sach- oder als Geldleistung erbracht; auch die Gewährung eines Darlehens ist möglich.
Im Notfall können zudem einmalige Sonderleistungen in Form von Darlehen an Leistungsbezieher erbracht werden (z. B. kaputte Elektrogeräte wie Waschmaschine oder Kühlschrank); zum Darlehen und deren Rückzahlung siehe ab Seite 55. Werden derartige Leistungen als Sachleistungen erbracht, wird der Anschaffungswert des Gegenstands zugrunde gelegt.
Neben den Regelbedarfen (und etwaigen Mehrbedarfen) werden auch die Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen.
Leben mehrere Personen in einer Wohnung, ist für die Berechnung zu ermitteln, wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört. Nur diese anteiligen Unterkunftskosten werden im Rahmen der Grundsicherung nach SGB II übernommen. Anteilige Kosten von sonstigen Mitgliedern der Haushaltsgemeinschaft müssen aus den Unterkunftskosten „herausgerechnet“ werden (zur Abgrenzung von Bedarfsgemeinschaft und Haushaltsgemeinschaft siehe ab Seite 14).
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Bei einer „unangemessenen“ Höhe der Aufwendungen, weil die Wohnung zu groß ist, sind die Kosten so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfeempfänger nicht möglich und nicht zumutbar ist, diese (z. B. durch Umzug) zu senken (sog. Kostensenkungspflicht).
Die Kostenübernahme erfolgt in diesen Fällen längstens für sechs Monate. Anschließend werden nur noch die angemessenen Kosten übernommen, die Miete somit nur noch teilweise gezahlt.
Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Aufwand erbracht.
Die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung muss die Verhältnisse des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt abbilden.
Seit der Hartz IV-Reform 2011 können die Länder durch Gesetz die Kreise und kreisfreien Städte ermächtigen oder verpflichten, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind. Zudem können die Länder die Kreise und kreisfreien Städte ermächtigen, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet durch eine monatliche Pauschale zu berücksichtigen, wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt ausreichend freier Wohnraum verfügbar ist und dies dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entspricht.
In der Satzung ist zu bestimmen:
welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarkts als angemessen anerkannt wird
in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterkunft als angemessen anerkannt werden
Zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sollen die Kreise und kreisfreien Städte insbesondere Mietspiegel, qualifizierte Mietspiegel und Mietdatenbanken, geeignete eigene statistische Datenerhebungen und -auswertungen oder Erhebungen Dritter einzeln oder kombiniert berücksichtigen.
Liegt keine solche Datengrundlage vor, können die monatlichen Beträge nach § 12 Abs. 1 WoGG berücksichtigt werden, in der – je nach Mietstufe, in die der Wohnort eingeordnet ist – Höchstbeträge vorgegeben sind:
Anzahl der zu berücksichtigenden HaushaltsmitgliederMietstufeHöchstbetrag in Euro1IIIIIIIVVVI3123513904344825222IIIIIIIVVVI3784254735265846333IIIIIIIVVVI4505065636266957534IIIIIIIVVVI5255916567308118795IIIIIIIVVVI6006757508349271004Mehrbetrag für jedes weitere zu berücksichtigende HaushaltsmitgliedIIIIIIIVVVI718191101111126In der Satzung kann auch die Höhe des als angemessen anerkannten Verbrauchswerts oder der als angemessen anerkannten Aufwendungen für die Heizung bestimmt werden.
Die Satzung ist mit ihrer Begründung ortsüblich bekannt zu machen. Mindestens alle zwei Jahre sind die festgelegten Werte für Unterkunftskosten, mindestens jährlich sind die Werte für Heizungskosten zu überprüfen und ggf. neu festzusetzen.
Für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung sind Sonderregelungen in der Satzung zu treffen. Das gilt insbesondere für Personen, die einen erhöhten Raumbedarf wegen einer Behinderung oder der Ausübung ihres Umgangsrechts haben.
Heizungskosten sind ebenfalls in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Diese müssen angemessen sein. Sind sie zu hoch, muss der Leistungsberechtigte zunächst angehört und aufgefordert werden, die Kosten zu senken. Erst dann kann eine (Teil-)Übernahme der Kosten durch den Leistungsträger versagt werden.
Zu den Betriebskosten zählen alle Kosten, die vom Vermieter rechtlich zulässig auf den Mieter umgelegt werden können.
Betriebskostennachzahlungen sind zu übernehmen, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe im Zeitpunkt der Nachforderung vorliegen, das heißt wenn zum Zeitpunkt der Nachzahlung noch ein Leistungsanspruch besteht. Das Bundessozialgericht hat am 16.05.2007 sowie am 02.07.2009 entschieden, dass diese Kosten als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat gehören.
In § 22 Abs. 3 SGB II wurde nun klargestellt, dass Guthaben bzw. Rückzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen die Unterkunftskosten im Monat der Rückzahlung mindern.
Mit der Hartz IV-Reform werden die Kosten für Warmwasser als Bedarf für die Unterkunftskosten anerkannt, soweit es sich um zentral bereitgestelltes Warmwasser handelt. Bei dezentraler Warmwassererzeugung werden die Kosten als Mehrbedarf anerkannt und – je nach Regelbedarfsstufe – prozentual berechnet.
Stromkosten werden nicht gesondert übernommen. Sie gelten als Bestandteil des Regelbedarfs.
Bezieher von SGB II-Leistungen haben keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Kabelfernsehen (Breitbandkabelanschluss), wenn sie Fernsehen über eine Gemeinschaftsantenne empfangen können.
Kosten für Schönheitsreparaturen sind grundsätzlich den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzurechnen, wenn sie vertraglich vereinbart sind.